Die Zeche bezahlen andere
Die Finanzkrise zeigt es überdeutlich: Die Banker, die bei der Vergabe fragwürdiger Kredite oder dem Kauf unverständlicher Wertpapiere hohe Risiken eingegangen sind, sind nicht diejenigen, die nun für die Folgen geradestehen müssen. Die Politiker, die kostspielige Rettungsschirme spannen, werden sich während ihrer Amtszeit nicht dafür verantworten müssen. Es gehört zunehmend zur modernen Welt, dass Entscheid und Haftung auseinanderdriften.
„Das Publikum hält sich bewundernswert still, wenn der Wert seines Geldes schmilzt wie Schnee an der Sonne.“
Dabei ist das Prinzip der Haftung – derjenige löffelt die Suppe aus, der sie eingebrockt hat – zentral für die Marktwirtschaft. Doch es wird zunehmend missachtet. Man setzt starke Anreize für kurzfristiges wirtschaftliches Handeln, das auf schnelle Profite statt auf Nachhaltigkeit bedacht ist. Das Resultat ist Verschuldung auf Ebene der Staatshaushalte ebenso wie der privaten Verbraucher. Die Rechnung zahlen zum einen spätere Generationen – zum anderen die Sparer von heute. Ihre Vermögen verlieren beständig an Wert.
Entscheidung und Haftung gehören zusammen
Die Erkenntnis, dass sich im System etwas ändern muss, setzt sich langsam durch – geht doch die Angst vor einer Neuauflage der großen Finanz- mit anschließender Weltwirtschaftskrise um, wie wir sie aus den 1930er Jahren kennen. Wie lässt sich eine Depression 2.0 noch abwenden, wie lassen sich künftige Finanzkrisen verhindern? – Dafür werden alle Beteiligten umdenken müssen. Unterlässt man es, dafür zu sorgen, dass die Verantwortlichen für ihr Handeln haftbar gemacht werden können, ist die nächste Blase mitsamt der nächsten Krise absehbar.
„Dass das Auseinanderfallen von Entscheid und Haftung zu Fehlentwicklungen führt, ist eine Erfahrung, die wir bei jeder Tätigkeit und an jedem Ort machen können.“
Wer weiß, dass er für sein Handeln wird haften müssen, überlegt sich im Zweifel gut, wie viel Kapital er investiert – und wo. Er wird sein Geld nicht verschleudern wollen und sich des Risikos bewusst sein, das sein Handeln beinhaltet. Gerade in der Politik fallen Entscheidung und Haftung oft stark auseinander. Die kurzen Wahlzyklen animieren die Gewählten dazu, sich die Wiederwahl durch kurzfristig wirksame Geschenke zu erkaufen, zulasten des Haushalts. Die Rechnung dafür kommt später – wenn die Legislaturperiode vorbei ist. Es ist die nächste Generation, welche die Last von höheren Steuern und Zinsen zu tragen hat.
Künstlich tiefe Zinsen
Grundsätzlich bevorzugen Menschen den schnellen Konsum gegenüber dem, auf den sie warten müssen. Wer seine Bedürfnisse zurückstellt und spart, erhält als Ausgleich dafür eine Zinszahlung. Diese bringen die Marktteilnehmer auf, die sich für Konsum oder Investitionen verschulden. Nun haben die Zentralbanken in den vergangenen Jahren für vergleichsweise niedrige Zinsen gesorgt. Schuldenmachen war billig, Sparen lohnte sich dagegen kaum.
„Die Geldpolitik der Fed gilt als Versicherung gegen gesamtwirtschaftliche Liquiditätsengpässe und damit als Absicherung gegen das Absinken der Börsenkurse auf breiter Front.“
Im Normalfall ist private Verschuldung ein privates Problem und keine Gefahr für die Gesellschaft. Anders ist das, wenn Zentralbanken den Zinssatz künstlich niedrig halten und damit die Verschuldung anstacheln. Der vom ehemaligen Fed-Präsidenten Alan Greenspan über Jahre niedrig gehaltene Zins z. B. trieb zahlreiche Hauskäufer in die übermäßige Verschuldung. Die durch die Niedrigzinsen entstandene Investitionsblase wuchs, auch weil sich auf allen Ebenen Verantwortliche der Risiken ihres Handelns entledigten – mittels undurchsichtiger Wertpapiere, die heute weltweit die Bankbilanzen trüben.
Schuldenmachen ist vorprogrammiert
Angesichts des Drohszenarios aus Bankenpleiten, Rezession und möglicher Weltwirtschaftskrise wussten die Notenbanken keine bessere Lösung, als mit einer wahren Geldschwemme Banken vor dem Bankrott zu bewahren. Das viele Geld dient dazu, dass die Banken sich weiter verschulden können. Der Geldregen ist Teil des Problems, nicht der Lösung. Die Verantwortlichen können mit dem Wissen, dass die Notenbanken sie nicht hängen lassen, mehr Risiken in Kauf nehmen. Auch die nach wie vor hohen Bonuszahlungen setzen falsche Signale: Man kann in guten Zeiten zwar zusätzlich profitieren, muss in schlechten aber nicht für den Schaden aufkommen. Die vermeintliche Rettung von Banken verhindert den notwendigen Reinigungsprozess und verlängert die Krise letztlich.
„Die Zentralbanken müssen sich einer disziplinierenden Regel unterwerfen, damit sie nicht unter dem Anschein der Allmächtigkeit im Bankensektor die Tendenz zu Moral Hazard fördern.“
Ein gewisses Maß an Wertverfall – ein Inflationsziel von 2 % – wird stillschweigend in Kauf genommen. Der Effekt auf den Wert der Vermögen ist aber genauso hoch wie der, den das unverantwortliche Handeln altrömischer Kaiser hatte, die oft als schlechtes Beispiel herhalten müssen. Diese streckten ihre Münzen mit wertlosem Metall und erhöhten so nicht nur die Geldmenge, sondern auch die indirekte Verschuldung. Nicht anders agieren die Zentralbanken heute. Die schleichende Geldmengenerhöhung kommt einer Enteignung gleich, dennoch regt sich kaum jemand auf. Warum? Der niedrige Zins erlaubt Regierungen, Privatleuten und Banken weitere Verschuldung. Die kostet nicht nur wenig, auch ihre Last sinkt durch die Entwertung – allerdings nimmt auch der Nutzen des Schuldenausgleichs für die Gläubiger ab.
Für Schulden gibt es viele Gründe
Klassische Verschuldungsgründe auf Staatsebene sind Krieg, staatlicher Niedergang und Systemwechsel. Daneben wirken Faktoren wie Wirtschaftswachstum und Erwerbslosenquote sowie die Zahl der Sozialhilfeempfänger oder Rentner. Auch Haushaltskomponenten wie Zinslasten oder, etwa in Deutschland, Zahlungsströme des Länderfinanzausgleichs beeinflussen den Schuldenstand. Eine wichtige Rolle hat lange auch die Politik gespielt. Allerdings anders, als man denken könnte: Sowohl in Europa als auch in Nordamerika neigten bürgerliche Regierungen zu stärkerer Verschuldung als linke – obwohl das ihren erklärten Zielen widersprach. Der Grund: Zu den Zielen der Konservativen zählten eben immer auch Steuersenkungen. Linke Regierungen gaben zwar oft mehr aus, sorgten dafür aber auch für höhere Einnahmen. Seit Mitte der 1990er ist dieser Effekt wegen der Globalisierung und in der EU wegen der Maastricht-Haushaltsvorgaben seltener zu beobachten.
Schulden verbieten funktioniert nicht
Wie viel die Staatsverschuldung kostet, hat für Deutschland die Ludwig-Erhard-Stiftung errechnet: Seit 1970 stiegen die Schulden von umgerechnet 63 Milliarden auf mehr als 1,5 Billionen Euro. Für Zinsen und Tilgung gibt der Bund mit jährlich 42 Milliarden Euro nicht weniger als 15 % des für 2008 veranschlagten Bundeshaushalts aus. Die implizite Staatsverschuldung – zu der auch Pensionslasten und Leistungszusagen zählen – liegt weit über der offiziellen Schuld mit 60 % des Bruttoinlandsprodukts: bei 330 %. Ähnlich ergeht es der Schweiz und den USA.
„Die Notenbanken setzen sich ein Inflationsziel von null. Das wäre die Lösung im System des Papiergeldes.“
Als Gegenmittel ist die Idee populär, die Staatsverschuldung zu deckeln. Das sieht auch die deutsche Verfassung in Artikel 115 des Grundgesetzes vor. Ihm zufolge darf die jährliche Neuverschuldung die Höhe der Investitionsausgaben nicht übersteigen. Die Sache hat aber einen Haken: In einer Demokratie lassen sich Schulden nicht einfach verbieten. In Deutschland regelt seit 2004 ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Ausnahmen. Danach darf die Regierung gegen Artikel 115 verstoßen, wenn eine „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ vorliegt.
So lassen sich Fehlanreize beseitigen
Der größte Fehlanreiz zur Staatsverschuldung ist, dass die Verantwortlichen nicht oder bestenfalls erst an der Wahlurne zur Verantwortung gezogen werden. Instrumente wie die Maastricht-Kriterien oder der bundesdeutsche Finanzausgleich fördern Verschuldung zumindest teilweise, statt sie klar zu bremsen. Die Maastricht-Kriterien schreiben fest, was ohnehin Durchschnitt ist, und lassen damit vielen Ländern zu viel Spielraum für mehr Schulden. Der Finanzausgleich wiederum bietet Bundesländern zu wenig Anreiz, nachhaltiger zu wirtschaften – denn systembedingt landen sie immer bei der finanziellen Durchschnittsausstattung. Von zusätzlichen Einnahmen profitieren sie sehr beschränkt.
„Wegen der schleichenden Inflation von heute kann man versucht sein, eine Rückkehr zur Golddeckung aller Währungen zu wünschen.“
Politiker lassen sich zu finanzieller Mäßigung bewegen, indem sie mehr in die Pflicht genommen werden – indem man also Entscheidung und Haftung wieder stärker in Zusammenhang stellt. Staaten, denen eine Konsolidierung gelang, planten oft von oben herab und hatten einen entsprechend starken Finanzminister. Dessen Erfolg wurde an gesunden Staatsfinanzen gemessen. Auch die Ankündigung von Ausgaben- und Defizitzielen wirkte disziplinierend. Als messbare Erfolgskriterien trugen sie dazu bei, dass Politiker zumindest ideell für ihre Entscheide haftbar gemacht werden konnten.
Richtig konsolidieren
Die Konsolidierung von Staatshaushalten kann durchaus funktionieren, wie eine Auswertung der OECD-Staaten zeigt. In Deutschland aber gelingt sie seit Ende der 1980er nicht mehr. Erfolg hatten erfahrungsgemäß Regierungen, die die Ausgaben senkten – z. T. um fast sieben Prozentpunkte. Besonders starke Einschnitte machten die erfolgreichen Sparfüchse bei den Verwaltungs- (inkl. Zins-) und Personalkosten, im Sozialbereich sowie bei Subventionen und Verteidigungskosten. Steuererhöhungen trugen wenig zur Konsolidierung bei. Im Schnitt senkten die erfolgreichen Staaten ihre Einnahmen sogar, wobei einmalige Einnahmen wie Privatisierungserlöse durchaus etwas brachten, wenn die Staaten sie zum Schuldenabbau verwendeten. Von stark sinkenden Zinsen profitierten indes gerade hoch verschuldete Staaten.
Beispiele für mehr Verbindlichkeit
Um die Verschuldung im Zaum zu halten, gibt es sehr wirkungsvolle Methoden. In Kalifornien beispielsweise stimmen die Bürger über eine Neuverschuldung direkt ab. Sie ist außerdem nur zulässig, wenn sie an konkrete Projekte gebunden ist. Als einer von mehreren Schweizer Kantonen erhöht St. Gallen automatisch die Steuern, sobald beim Haushaltsdefizit ein bestimmter Schwellenwert erreicht wird. Den Deutschen ist diese Idee nicht gänzlich unbekannt: In der Verfassung des Deutschen Reichs von 1871 war ein ähnlicher Mechanismus noch verankert. Auch die so genannte Schweizer Schuldenbremse ist effektiv; sie zwingt dazu, Staatsschulden über einen Konjunkturzyklus hinweg auszugleichen, und legt konjunkturabhängige Grenzen fest: In schlechten Zeiten darf die Verschuldung steigen, in guten Zeiten sind Überschüsse gefordert.
„Ziehen Sie für Geld, das langfristig zur Verfügung steht, reale oder realwertgebundene Anlagen vor.“
Arbeitnehmer sollten einen Teil ihres Gehalts in Gewinn- oder Kapitalbeteiligungen beziehen. Ihr Anteil am produktiven Vermögen nähme so zu. Die Notenbanken müssten grundsätzlich umdenken und das Inflationsziel auf null schrauben, also Werterhalt anstreben. Neuseeland beispielsweise schließt seit den Reformen in den 1980er Jahren stets einen Vertrag zwischen der Regierung und dem Notenbankchef mit genau diesem Ziel. Erreicht der Zentralbankchef das Ziel nicht, wird er nicht wiedergewählt. Auch die Rückkehr zu einer realen Währung, zu einer Art modernem Goldstandard wie er nach der Weltwirtschaftskrise auf der Bretton-Woods-Konferenz eingeführt wurde, könnte einen Ausweg aus der Schuldenspirale bieten.
Auf reale Werte setzen
Lösungen sind also durchaus da, und Sparer – die Hauptleidtragenden der Fehlentwicklungen – sind die größten potenziellen Nutznießer eines Umdenkens. Sollte dieses jedoch ausbleiben, müssen sie sich einstweilen selbst helfen. Um ihr Vermögen in einem ruinösen wirtschaftlichen Umfeld zu erhalten und langfristig zu mehren, sollten sie vorwiegend auf Produkte setzen, die reale Werte abbilden: Gold, Boden, Energie, Rohstoffe. So ist der Anlagewert durch reale Güter gesichert – und kann nicht einfach so entwertet werden.