Achtung Burn-out!

Buch Achtung Burn-out!

Leistungsfähig und gesund durch Ressourcenmanagement

Haupt,


Rezension

Burn-out scheint zur Zivil­i­sa­tion­skrankheit Nummer eins zu werden. Doch das muss nicht sein, sagen die Autoren: Wer seine Kraftre­ser­ven immer wieder auffüllt, investiert in die Zukunft, in die eigene wie in die seines Un­ternehmens. Wer sich hingegen ums Thema Gesundheit nicht kümmert und allen Ehrgeiz in den Job steckt, muss früher oder später mit Burn-out rechnen. Die Autoren erklären ausführlich, wie sich dieses verhindern, und nicht erst im Nachhinein kurieren lässt. Sie verdeut­lichen das Wech­sel­spiel von Stress und Entspannung mit auf­schlussre­ichen Fallstudien und können immer wieder mit Beispielen aufwarten, die vielen Lesern bekannt vorkommen werden. Allerdings wiederholen sie ihre Kernaussage derart oft, dass mit der Zeit zumindest ein leises Bore-out droht. Kommt dazu, dass sie das Thema sehr akademisch angehen: So ist der typische Burn-out-Pa­tient bei ihnen nicht einfach überfordert, sondern er leidet an einer „Dys­reg­ulierung zwischen Ressourcen und Beanspruchung“. Trotzdem: BooksInShort empfiehlt das Buch allen Managern und Mi­tar­beit­ern, die wissen wollen, ob sie zur Risiko­gruppe der chronisch Gestressten gehören – und wie sie aus dem Teufel­skreis her­auskom­men.

Take-aways

  • Im Normalfall tut Arbeit dem Menschen gut: Sie struk­turi­ert die Zeit und stiftet Sinn.
  • Burn-out ist eine Reaktion auf Stress.
  • Typische Ursachen sind Über- und Un­ter­forderung, sinnlose Tätigkeiten, Zeitdruck, zu wenig Hand­lungsspiel­raum, ständige Ar­beit­sun­ter­brechun­gen, Schicht- und Nachtarbeit, Mobbing, fehlende Wertschätzung, Angst vor Jobverlust.
  • Burn-out-gefährdet sind vor allem ehrgeizige Typen, die perfekt sein wollen.
  • Aus­ge­bran­nte spüren sich nicht mehr, sondern funk­tion­ieren nur noch; sie sind chronisch erschöpft oder gar lebensmüde.
  • Sie leiden an einem Un­gle­ichgewicht von An­forderun­gen und Ressourcen.
  • Wichtige be­triebliche Ressourcen sind ein er­gonomis­cher, angenehmer Ar­beit­splatz, sinnvolle Pausen­regelung, Zer­streu­ungsange­bote, gelebte Firmenwerte, Entschei­dungs­frei­heit, Wertschätzung und Fehler­tol­er­anz.
  • Defizite am Ar­beit­splatz lassen sich erkennen, indem Mitarbeiter nach bestimmten Ressourcen befragt werden.
  • Die Diagnose und Behandlung von Burn-out ist oft un­dif­feren­ziert; Betroffene werden oft einfach mit Psy­chophar­maka ruhiggestellt.
  • Eine er­fol­gre­iche Therapie berücksichtigt Persönlichkeit, Privatleben und Ar­beitssi­t­u­a­tion gleichermaßen.
 

Zusammenfassung

Arbeit tut gut

Die meisten Menschen arbeiten. Nicht jeder tut das gerne, aber grundsätzlich gilt: Der tägliche Gang in die Fabrik oder ins Büro sichert nicht nur den Leben­sun­ter­halt, sondern befriedigt auch das menschliche Bedürfnis nach Aktivität. Der Wis­senschaftler Mihalyi Csik­szent­mi­ha­lyi hat her­aus­ge­fun­den, dass wir einen so genannten Flow erleben, wenn wir etwas tun, was wir gut können und was uns in einem positiven Sinn her­aus­fordert. Arbeit kann aber auch über den Moment hinaus glücklich machen:

  • Wer arbeitet, bleibt flexibel. Er lernt dazu und erwirbt neue Fähigkeiten.
  • Arbeit struk­turi­ert unsere Zeit. Sie gibt Tagen, Wochen, Jahren, der gesamten Leben­s­pla­nung einen Rahmen.
  • Berufstätige haben mehr soziale Kontakte.
  • Arbeit vermittelt ein Gefühl der Nützlichkeit, des Ge­brauchtwer­dens.
  • Ein Job definiert das Selbstbild mit.
„Neben der Sicherung der materiellen Basis hat Arbeit positive Wirkungen für das einzelne Individuum in soziokul­tureller, gesellschaftlicher und psy­chosozialer Hinsicht.“

Erwerbslose haben oft weniger soziale Kontakte und ein niedrigeres Selb­st­wert­gefühl als Berufstätige. Die Suizidrate bei Langzeitar­beit­slosen ist erhöht.

Burn-out: nur noch funk­tion­ieren

Arbeit kann aber auch krank machen. Früher ruinierten Bergleute und Fab­rikar­beiter dadurch ihr Kreuz und ihre Lungen. Heute kommen zu körperlichen Problemen psychische dazu. Promi­nen­testes Beispiel: das Burn-out-Syn­drom. Übersetzt ins Deutsche bedeutet Burn-out: ausgebrannt sein. Genau so fühlen sich die Betroffenen: überfordert, kraftlos, leer. Die Krankheit entwickelt sich schleichend und ähnelt anderen psychischen Ver­stim­mungen. Das erschwert die Diagnose. Treffen kann es jeden und jede: Manager ebenso wie Menschen in sozialen Berufen oder Hausfrauen. Die Betroffenen leiden u. a. an folgenden Symptomen:

  • Müdigkeit, Lust­losigkeit, fehlende Lebens­freude und Energie. Die Arbeit ödet einen nur noch an.
  • Unfähigkeit zur Entspannung und Dauerstress mit Reaktionen wie Kopf- und Bauchweh, Schlaflosigkeit oder Verspan­nun­gen.
  • Leis­tung­seinbußen und höhere Fehlerquote mit Selb­stzweifeln als Folge.
  • Aggressivität, Zynismus, fehlendes Einfühlungsvermögen. Kunden und Kollegen gehen einem auf den Wecker.
„Wir brauchen starke Her­aus­forderun­gen, die uns aus dem durch­schnit­tlichen All­t­agser­leben ‚herausreißen‘, etwa in Form neuer Aufgaben oder Projekte.“

Ein typisches Burn-out verläuft in den folgenden Phasen: Zuerst will sich jemand beweisen, engagiert sich stärker als üblich und vernachlässigt seine Bedürfnisse. Er spürt zwar, dass etwas nicht stimmt, doch das verdrängt er ebenso, wie er Konflikten aus dem Weg geht. Die persönlichen Prioritäten verschieben sich: Überstunden sind plötzlich viel wichtiger als die Zeit mit der Familie oder mit Freunden. Das führt zwangsläufig zu Problemen. Die werden aber geleugnet, und der Betroffene zieht sich immer mehr zurück. Schließlich verliert er auch den Kontakt zu sich selbst, spürt sich nicht mehr und funk­tion­iert nur noch als Rädchen im Getriebe. Die sich aus­bre­i­t­ende Leere endet in einer Depression und mit dem Gefühl, das Leben sei sinnlos.

Ursachen für ein Burn-out

Es gibt keine Veranlagung zum Burn-out, aber Charakterzüge, die es begünstigen. Meistens trifft es Typen, die viel von sich fordern, perfekt sein möchten, nach Anerkennung lechzen und nicht wissen, wie sie Stress bewältigen sollen. Immer sind jedoch auch die Umstände am Ar­beit­splatz beteiligt. Die Heilung ist deshalb ein in­ter­ak­tiver Prozess. Kranke müssen ihre Einstellung überprüfen, Chefs Strukturen im Ar­beit­sall­tag verändern. Das ist schwierig, teuer und langwierig. Am besten ist es, dem Burn-out gar nicht erst eine Chance zu geben. Die Waffe: persönliches und be­triebliches Ressourcen­man­age­ment.

„In unserem gesellschaftlichen System kann das berufliche Tätigsein ein wesentlicher sinns­tif­ten­der Aspekt sein.“

Im Gegensatz zu kranken Menschen vertragen gesunde Stress besser und sind leistungsfähiger. Gesund zu sein bedeutet allerdings für jeden etwas anderes. Der eine geht mit Schnupfen ins Bett, der andere ins Büro. Ob Sie sich gesund fühlen, hängt auch von dem Ergebnis ab, zu dem Sie im Vergleich mit anderen kommen. Wer beim Sport oder im Job mit anderen mithalten kann, fühlt sich fit und gesund. Gesundheit ist ein dynamischer Prozess. Wir fühlen uns immer wieder anders und pendeln zwischen zwei Polen: Auf der einen Seite geben Ressourcen Energie, auf der anderen zehren Belastungen an uns.

„Wir müssen sich­er­stellen, dass wir in unserem alltäglichen Verhalten Rücksicht nehmen auf unser ureigenes durch­schnit­tliches Funk­tion­sniveau, das einen minimalen, d. h. optimalen En­ergieaufwand sich­er­stellt und dadurch auch für die Leis­tungser­bringung optimal ist.“

Jeder Mensch spielt mehrere Rollen, im Beruf, in der Familie und in der Freizeit. Seine ver­schiede­nen „Bühnen“ bee­in­flussen ihn und sein Leben. Was er im Ar­beit­sall­tag erlebt, wirkt auch auf sein Privatleben und umgekehrt. Was uns belastet, ist allerdings von Person zu Person verschieden. Am Ar­beit­splatz fühlen sich Menschen vor allem gestresst, wenn sie:

  • überfordert sind,
  • keinen Sinn in ihrer Arbeit sehen,
  • sich aus­geschlossen fühlen,
  • wenig Hand­lungsspiel­raum haben,
  • unter Zeitdruck stehen,
  • zu lange, nachts oder in Schichten arbeiten,
  • einer schädlichen Umgebung ausgesetzt sind oder an nicht er­gonomis­chen Arbeitsplätzen sitzen,
  • unter Mobbing leiden,
  • ständig un­ter­brochen werden,
  • nicht wertgeschätzt werden oder
  • Angst um den Ar­beit­splatz haben.

Ressourcen managen

Das Ressourcen-Be­las­tungs-Reg­u­la­tions-Mod­ell ve­r­an­schaulicht das Zusam­men­spiel von Dingen, die Kraft kosten (Belastungen), und solchen, die Kraft spenden (Ressourcen). Ihr Ziel sollte es sein, private und berufliche Ressourcen zu stärken und gle­ichzeitig die Belastungen zu regulieren. Mit einer guten Ressourcenba­sis lassen sich stressige Phasen im Job besser ertragen.

„Der Wechsel erst ermöglicht ein frisches Wiedere­in­steigen (z. B. in das Arbeitsfeld) mit neuem Elan, vielleicht mit neuen Ideen und Lösungen – unterstützt gerade durch die Dis­tanz­nahme und das Eintauchen in eine ‚andere Welt‘.“

Jeder Mensch verfügt über ver­schiedene persönliche Ressourcen, die sich gegenseitig bee­in­flussen. Dazu gehört körperliche Fitness. Sie lässt sich steigern und erhalten, indem Sie vernünftig essen und Sport treiben. Psychische Ressourcen wie Zuversicht und der Glaube daran, dass das Leben einen Sinn hat, können während des Arbeitens gestärkt werden, aber auch, wenn Sie Zeit für Ihre Familie oder für ein Hobby aufwenden. Ihre Lebenser­fahrung wiederum ist eine Wissens- und Hand­lungsres­source.

„Zwischen den Individuen in Ar­beit­steams, ebenso zwischen Teams und Abteilungen, findet ein ständiger Transfer von Ressourcen statt.“

Daneben gibt es Ressourcen, die nicht in Ihrer Person selbst liegen, sondern in Ihrem Umfeld. Dazu gehören etwa finanzielle Sicherheit, eine Wohnung, in der man sich wohlfühlt, ein gutes Verhältnis zu Nachbarn und Kollegen und Bewegung an der frischen Luft.

Zu den wichtigsten Ressourcen am Ar­beit­splatz gehören:

  • eine er­gonomis­che Gestaltung mit angenehmer Temperatur, ansprechen­den Räumen und gutem Licht,
  • die richtigen Ar­beit­suten­silien,
  • die Freiheit, gewisse Dinge selbst zu entscheiden,
  • Firmenwerte, die von Vorge­set­zten und Kollegen vorgelebt werden,
  • Anerkennung, Wertschätzung und Fehler­tol­er­anz,
  • sinnvolle Pausen­regelun­gen und
  • Angebote, die dem leiblichen Wohl dienen: eine Kantine oder die Möglichkeit, in Pausen im Be­trieb­spark spazieren zu gehen.

Schwach­stellen im Betrieb finden

Wie Mitarbeiter sich selbst, die Situation am Ar­beit­splatz und die Be­trieb­skul­tur erleben, kann mit einem In­di­vid­ual-Ressourcen-, Be­triebs-Ressourcen- und Kul­tur-Ressourcen-Pro­fil grafisch abgebildet werden. Je nachdem, welche Aspekte in einer Abteilung wichtig sind, werden Fragen abgeleitet, z. B. „Kann man Mit­teilun­gen der Or­gan­i­sa­tion­sleitung trauen?“, „Werden Ab­stim­mung­sprob­leme schnell gelöst?“ oder „Wird die Entwicklung jedes Einzelnen gefördert?“. Aus den Antworten der Mitarbeiter (Wertungen von eins bis fünf) entstehen Profile. Diese legen offen, wo Ressourcen gestärkt werden müssen und wer überfordert, gelangweilt oder Burn-out-gefährdet ist.

„Es müssen immer sowohl die persönlichen/privaten als auch die Ar­beits­feld-Fak­toren bei Diagnose, In­ter­ven­tion­s­pla­nung und Burn-out-In­ter­ven­tio­nen einbezogen werden.“

Wird der Ressource­naus­tausch in Teams untersucht, müssen sich die Kollegen gegenseitig vertrauen. Jeder muss frei entscheiden dürfen, ob er sein persönliches Ressourcen-Pro­fil den anderen zeigt oder nicht. Die Mitglieder eines Teams bee­in­flussen sich. Entweder sie unterstützen sich gegenseitig – dann spricht man von einem Win­ner-Win­ner-Trans­fer, dem Idealfall –, oder sie ziehen sich gegenseitig runter. Diese Situation, ein Loser-Loser-Trans­fer, kommt leider oft vor. Die einzelnen Personen glauben dabei, sie würden gewinnen, wenn sie Hahnenkämpfe austragen oder intrigieren. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall. Beim Win­ner-Loser-Trans­fer schließlich lebt eine Person auf Kosten einer anderen. Zum Beispiel wenn der Chef entspannt nach Hause geht und der überlasteten Sekretärin Ar­beits­berge hinterlässt. Die wäre schon längst weg, wenn sie ihren Vorge­set­zten als Menschen nicht so schätzen würde – auch das ist eine Ressource.

Gegen Burn-out vorgehen

Es gibt ver­schiedene Möglichkeiten, ein Burn-out zu verhindern, zu bee­in­flussen und zu heilen. Im Idealfall ist das Ressourcen­man­age­ment in der Un­ternehmensstrate­gie verankert und die Arbeitsplätze sind so gestaltet, dass es gar nicht erst zu einem Burn-out kommen kann. Wenn sich die Krankheit bei einem Mitarbeiter ankündigt, lässt sie sich je nachdem, in welcher Phase er steckt, noch abwenden. Ist es aber zu spät, brauchen aus­ge­bran­nte Menschen eine maßgeschnei­derte Therapie und pro­fes­sionelle Hilfe von außen.

„Durch ein gezieltes persönliches Ressourcen-Man­age­ment und pro­fes­sionelles Anpacken der or­gan­i­sa­tionalen Veränderungen im Arbeitsfeld können Dysbalancen vermieden werden.“

Derzeit ist sowohl die Diagnose als auch die Behandlung von Burn-out alles andere als dif­feren­ziert. Ärzte legen sich in der Regel zu früh auf eine bestimmte Diagnose fest, stellen die Menschen mit Psy­chophar­maka ruhig und schicken sie in eine Auszeit. Kehren die Betroffenen dann an ihren kaum veränderten Ar­beit­splatz zurück, fühlen sie sich fremd und verun­sichert und sind erst recht anfällig für Krankheiten. Oft genügt es, dass Mitarbeiter ihr Ar­beit­spen­sum reduzieren oder neue Aufgaben übernehmen, die besser für sie geeignet sind. Ist eine Auszeit aber der einzige Ausweg, müssen Angestellte sicher sein, ihren Job behalten zu dürfen. Sie sollten in dieser Zeit ihr Privatleben neu ordnen, Freunde treffen oder neue Hobbys für sich entdecken. Daraus lässt sich wieder Kraft schöpfen.

Über die Autoren

Hans Kernen und Gerda Meier führen ihre eigene Un­ternehmens­ber­atung mit dem Spezial­ge­biet Ressourcen­man­age­ment. Beide haben Psychologie und Präven­tivmedi­zin studiert, Hans Kernen darüber hinaus Pädagogik und Gerda Meier Be­trieb­swirtschaft­slehre.