Das Google-Imperium

Buch Das Google-Imperium

Google kennt dich besser, als du denkst

Murmann,


Rezension

Im Mittelalter wären Sergey Brin und Larry Page vermutlich auf dem Scheit­er­haufen gelandet. Ihr Verbrechen: Eine Maschine zu schaffen, die allwissend ist – also Gotteslästerung. Doch wir leben in gnädigeren Zeiten, und die beiden Google-Gründer werden nicht nur milde beurteilt, sondern euphorisch gefeiert. Kein Wunder: Ihre Dienste funk­tion­ieren her­vor­ra­gend, und für die meisten davon müssen die Nutzer nichts bezahlen. Zumindest kein Geld. Google akzeptiert eine andere Währung: persönliche In­for­ma­tio­nen. Die werden für Mark­t­forschung und On­line-Wer­bung gebraucht. Mit ausgeklügelter Technik versucht das Unternehmen möglichst viel über die Websurfer her­auszufinden und speichert alles in gi­gan­tis­chen Rechen­zen­tren; aus der Sicht von Datenschützern ein heikles, keineswegs immer legales Unterfangen. Lars Reppesgaard ruft Google-Nutzer ein­dringlich auf, ihre privaten und beruflichen Geheimnisse zu schützen und zeigt auch gleich, wie man das be­w­erk­stel­ligt. Dass er die geschilderten Gefahren zum Schluss wieder stark relativiert, ist einigermaßen irritierend, und die Frage „Wo ist das Problem?“ wird nicht restlos geklärt. Trotzdem: BooksInShort empfiehlt das Buch allen, die wissen wollen, wohin der Datenkrake seine Tentakel ausstreckt – und wie man sich ihrem Zugriff entzieht.

Take-aways

  • Die Gründer Larry Page und Sergey Brin haben Google zur wertvoll­sten Marke der Welt gemacht.
  • Die Such­mas­chine ist nur eine von über 60 On­line-An­wen­dun­gen des In­ter­net-Gi­gan­ten.
  • Google investiert auch in On­line-Soft­ware, On­line-Bib­lio­theken, Gesund­heit­sportale und Handy-Mar­ket­ing.
  • Fast 99 % ihrer Einnahmen verdienen die Kalifornier mit Werbung, die präzise auf die Suchan­fra­gen abgestimmt wird.
  • Viele Web­seit­en­be­treiber beobachten ihre Nutzer mit Google Analytics und übermitteln die Daten gle­ichzeitig an Google.
  • Google speichert Nutzerdaten so detailliert, dass Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich sind.
  • Diese Daten nutzt Google, um Profile für die Wer­be­wirtschaft zu erstellen.
  • Obwohl die Firma rechtlich dazu verpflichtet ist, klärt sie Nutzer fast nie darüber auf, dass sie beim Surfen genau beobachtet werden.
  • Wer seine Privatsphäre schützen will, sollte Cookies nur beschränkt akzeptieren und nach jeder In­ter­net-Sitzung löschen.
  • Es gibt über 550 alternative Such­maschi­nen, darunter Ixquick, wo Daten nur 48 Stunden gespeichert werden.
 

Zusammenfassung

Die wertvollste Marke der Welt

In nur etwas mehr als zehn Jahren haben die Gründer Larry Page und Sergey Brin das Unternehmen Google zur wertvoll­sten Marke der Welt gemacht. Im Jahr 2007 setzte ihre Kap­i­talge­sellschaft über 16 Milliarden Dollar um und schüttete davon vier Milliarden als Gewinn aus. Der größte Anteil des Geldes ging auf die Konten der beiden Firmengründer, die die Mehrheit der Aktien halten. Die Wiege des In­ter­net­gi­gan­ten ist ein wis­senschaftliches Projekt an der kali­for­nischen Universität Stanford. Für seine Dok­torar­beit hat Elites­tu­dent Sergey Brin 1996 das World Wide Web analysiert. Mit seinem Stu­di­enkol­le­gen Larry Page entwickelte er math­e­ma­tis­che Verfahren, die In­ter­net­seiten nach ihrer Wichtigkeit ordnen. Das dafür verwendete Prinzip: Je häufiger im Internet auf eine Seite verwiesen wird, desto wichtiger ist sie. Im Jahr 1999 investierte eine Risikokap­i­tal­firma 25 Millionen Dollar in das Start-up-Un­ternehmen. Seit 2004 ist es börsennotiert.

Eine virtuelle Litfasssäule

Google hat alle Konkur­renten, etwa Yahoo oder Lycos, im Saus­eschritt überholt. Die nervten den User mit bunten On­linepor­talen, gespickt mit flackernden Wer­be­ban­nern. Google dagegen präsentierte sich von Anfang an nüchtern und ruhig. Erst seit dem Jahr 2000 wird Werbung einge­blendet, dezent am Rand und immer in Bezug zur Suchanfrage. Diese Werbung macht 99 % der Einnahmen von Google aus. Das Programm Adwords setzt neben die Suchanfrage vierzeilige, inhaltlich dazu passende Tex­tan­non­cen. Werden diese angeklickt, klingelt am Firmensitz im Silicon Valley die Kasse. Und das, obwohl es Page und Brin zuerst gar nicht ums Verkaufen ging. Sie waren vielmehr von einer Mission beseelt: Sie wollten alle In­for­ma­tio­nen der Welt struk­turi­eren und die perfekte Such­mas­chine erschaffen.

Allwissend und akkurat

Die 20 000 Mitarbeiter von Google arbeiten täglich daran, das Fir­me­nar­chiv zu erweitern. Dieses zählt nicht nur über eine Milliarde Bilder und acht Milliarden Netzseiten, sondern enthält sämtliche In­for­ma­tio­nen, die Nutzer in einem ihrer über 60 On­line-Di­en­ste preis­gegeben haben. Zwar beteuert Google immer wieder, dieses Wissen nicht zu miss­brauchen. Aber das Verhalten der Kalifornier in China hat gezeigt: Wie sie mit Daten umgehen ist nicht nur eine Frage der Moral, sondern auch des Geldes. Um bessere Klick- und Verkauf­szahlen in China zu erreichen, hat Google sein Motto „Don’t be evil“ über Bord geworfen und arbeitet mit Chinas Zensoren zusammen. Erfolgreich ist der Schmusekurs allerdings noch nicht. Das Geschäft läuft schleppend, wie in Russland auch.

„Als ein Reporter des amerikanis­chen Magazins Red Herring ihn fragte, wie die perfekte Such­mas­chine aussehen würde, antwortete Brin: ‚Sie wäre wie der Geist Gottes. Sie wüsste genau, was du willst.‘“

Für all diese Daten braucht Google riesige Rechen­zen­tren, in denen tausende von Computern stehen. Die fressen Strom und müssen gekühlt werden. Das Unternehmen nutzt re­gen­er­a­tive Energie nicht nur aus Überzeugung, sondern auch weil es so viel Energie braucht und Be­trieb­s­stan­dorte danach auswählt, wo diese günstig zu haben ist. In Oregon etwa hat Google ein eigenes Kraftwerk am Columbia River gebaut.

Datenschutz ist zweitrangig

Viele On­line-An­bi­eter platzieren Cookies auf den Rechnern von In­ter­net­nutzern. Das sind Pro­fil­dateien, die aus einer langen Reihe von Buchstaben und Zahlen bestehen. Der Vorteil für den Nutzer: Wenn er z. B. einmal in einem Onlineshop eingekauft hat, muss er sich nicht jedes Mal neu anmelden. An­der­er­seits ist es für Hacker einfach her­auszufinden, welche Person hinter einer bestimmten Profildatei steckt.

„Googles Rech­n­er­sys­tem ist nicht nur deshalb so riesig, damit Millionen von Surfern gle­ichzeitig darauf zugreifen können, sondern auch, damit Google alles speichern kann, was die Nutzer tun.“

Mit der Software Analytics beobachtet Google Menschen auf ihrem virtuellen Rundgang sehr genau. Seit­en­be­treiber in­stal­lieren die Track­ing-Soft­ware auf Wunsch von Google auf ihrer Webseite. So kann Google aufschlüsseln, woher die Besucher kommen und wie wichtig die Region für den Umsatz der Werbekunden ist. Laut Daten­schutzrecht müsste jeder Nutzer beim ersten Kontakt mit einer Webseite darüber informiert werden, dass er hier durch Google-An­a­lyt­ics beobachtet wird. Aber kaum eine Homepage erwähnt dies.

„Versuch und Irrtum – so lässt sich das wichtigste Prinzip von Googles In­no­va­tion­sstrate­gie zusam­men­fassen.“

Alle Daten, die Anbieter über die Nutzer ihrer On­line­di­en­ste sammeln, speichern sie in Server-Logs. Hier landet auch die IP-Adresse des Computers, von dem aus die Seite genutzt wird. Google erfasst außerdem Datum und Uhrzeit einer Anfrage, den Typ des In­ter­net­browsers, über den sie erfolgte, ob jemand über Google.​com oder Google.​de eingestiegen ist und welche Links er als hilfreich empfunden und angeklickt hat. Wenn Google es möchte, findet das Unternehmen heraus, wer Sie sind und was Sie beschäftigt. Je nachdem, was Sie in die Suchmaske eintippen: stechende Herz­schmerzen, Seit­en­sprung, blöder Chef ... Das wiederum könnte Ihre Krankenkasse, Ihren Ehepartner oder ihren Arbeitgeber in­ter­essieren.

„Auf das zu bauen, was sich zählen und messen lässt, entspricht dem akademis­chen Denken, das Larry Page und Sergey Brin von klein auf geprägt hat.“

Googles Daten­schutzbeauf­tragte versichern, es gehe nicht darum, einzelne Personen und ihre Vorlieben zu iden­ti­fizieren, sondern nur darum, Profile für die Wer­be­wirtschaft zu erstellen. Das Unternehmen brauche die Nutzerdaten, um seine Technologie weit­erzuen­twick­eln und den Konkur­renten immer einen Schritt voraus zu sein. Darüber hinaus könne es sich nicht leisten, das Vertrauen der Menschen zu verlieren. Mit den europäischen Datenschützern gibt es dennoch immer wieder Probleme. Hier gilt der Grundsatz: Es sollen nicht mehr In­for­ma­tio­nen gesammelt werden als unbedingt nötig.

In­ter­net­nutzer, schützt eure Privatsphäre!

Wer sich im Internet tummelt, verrät dabei etwas über sich. Diese In­for­ma­tio­nen liegen auf irgendeinem Server, und Sie haben keinen Einfluss mehr darauf. Deshalb sollten Sie Ihre Privatsphäre aktiv schützen.

  • Verändern Sie die Ein­stel­lun­gen Ihres In­ter­net­browsers so, dass er nicht mehr alle Cookies akzeptiert.
  • Löschen Sie nach jedem Ausflug ins Internet alle Cookies.
  • Es muss nicht immer Google sein. Die Such­mas­chine Ixquick ist gut, speichert Daten aber nur für 48 Stunden. Dafür gab es das Europäische Daten­schutzsiegel.
  • Google ist so erfolgreich, weil viele Menschen drauf klicken. Diese sollten ihre Macht nutzen und vom Unternehmen fordern, alle Daten zu anonymisieren.
  • Wer seine Daten bei Google gelöscht haben möchte, kann dies dort einfordern.

Über 60 ver­schiedene On­line­di­en­ste

Google bietet derzeit über 60 ver­schiedene On­line­pro­dukte an. Die meisten sind für den Nutzer kostenlos. Google Earth ist ein Geobrowser, der virtuelle Weltan­sichten bietet. Er arbeitet mit denselben Datensätzen wie Google Maps, das Straßenkarten, Restaurants und Routen anzeigt. Täglich steuern Netznutzer In­for­ma­tio­nen bei und machen die beiden Soft­ware-Geschwis­ter zum laufenden Weltprojekt. Derzeit sucht Google eine Möglichkeit, in beiden Programmen Werbung zu platzieren, die nicht stört.

„Diese dem Universitätsleben entlehnte Fir­menkul­tur und die wichtige Rolle, die Rationalität, Mathematik und sta­tis­tis­che Verfahren bei vielen Entschei­dun­gen spielen, haben allerdings auch einen Nachteil: Viele Googler arbeiten wie in einem Elfen­bein­turm.“

Nicht ganz so reibungslos läuft es mit dem 2007 vorgestell­ten Google-Street-View, das Run­du­man­sichten von Städten bietet. Dafür sind Fahrer in Autos mit Kameras unterwegs. Vor allem die Europäer wehren sich dagegen, dass sie oder ihre Häuser unerlaubt gefilmt werden. Der Lan­des­beauf­tragte für Datenschutz in Schleswig-Hol­stein hat die Aufnahmen gerichtlich gestoppt, weil Personen auf den Bildern erkennbar sind. Pro­gram­mierer versuchen dieses Problem zu lösen: Gesichter sollen automatisch verzerrt werden.

„Die Googler benötigen so viele Daten wie möglich, damit sie ihre Technologie weit­er­en­twick­eln und beim Ringen um die Nutzer die Nase vorn behalten können.“

Im Oktober 2006 hat Google die In­ter­net­plat­tform Youtube für 1,65 Milliarden Dollar gekauft. Hier können reg­istri­erte Nutzer selb­stge­drehte oder irgendwo her­aus­geschnit­tene Videos hochladen. In jeder Minute werden über zehn Stunden Film­ma­te­r­ial online gestellt. Zu viel, um jeden Beitrag zu prüfen, deshalb befinden sich darunter auch Nazi-Pro­pa­ganda oder Gewaltclips. Allerdings reagiert Google umgehend auf Beschwerden von Nutzern und nimmt anstößige Clips sofort aus dem Netz. Wenn auf Youtube bald Werbeplätze zu kaufen sind, wird viel Geld fließen: Allein im März 2008 haben Amerikaner über vier Milliarden Mal Youtube angeklickt.

„Technisch wären die Googler jederzeit in der Lage, Nutzerdaten zusam­men­z­u­fassen und aus den einzelnen Daten­schnipseln so viel her­auszule­sen, dass Ver­hal­tenspro­file von namentlich bekannten Einzelper­so­nen daraus werden.“

Mit Google Health und 23Andme steigen die Kalifornier in den Zukun­fts­markt Gesundheit ein. 23Andme verbindet Internet mit Genetik. Kunden zahlen 1000 $ und spucken in ein Röhrchen. Das schicken sie an 23Andme und erhalten eine ausführliche Genanalyse. So soll eine Genom­daten­bank entstehen, die wis­senschaftliche Rückschlüsse zulässt. Um die Dienste von Google Health kostenlos zu nutzen, ist nur ein Gmail-Be­nutzerkonto nötig. Sie geben Ihre Gesund­heits­daten ein und werden dann per Mail über für Sie in­ter­es­sante Neuigkeiten informiert. Selbst bei der Arztsuche hilft das Programm.

„Am Beispiel China zeigt sich, dass die Maßstäbe, die angelegt werden, viel mit der In­ter­essen­lage des Un­ternehmens zu tun haben und beileibe nicht von allen Google-Nutzern geteilt werden.“

Trotz des Streits um Urhe­ber­rechte will Google alle Bücher dieser Welt dig­i­tal­isieren. Derzeit lassen 28 europäische und US-amerikanis­che Bib­lio­theken ihre Bestände für Google Book Search einscannen und indexieren. Seit September 2007 können User in der virtuellen Bibliothek MyLibary Dig­italkopien ihrer Lieblingsbücher speichern.

„In­ter­net­nutzer müssen lernen, ihre Privatsphäre in der digitalen Welt aktiv zu managen.“

Google Apps ist sozusagen „Software aus der Leitung“ und eine Kriegserklärung an Microsoft und alle anderen Anbieter von Programmen. Die Vision ist, Software nicht mehr auf den einzelnen PCs zu in­stal­lieren, sondern auf zentralen Google-Servern. Damit ist sie jederzeit via Internet abrufbar. Dieses so genannte Cloud Computing läuft schlecht. Zwar sind die Anwendungen günstiger als bei Microsoft und Co., aber aus Angst vor In­dus­tries­pi­onage lässt niemand gerne Firmendaten auf fremden Servern herumliegen. Google lässt sich davon jedoch nicht beirren und arbeitet mit IBM an einem Wel­trech­n­er­netz.

„Es gibt für so gut wie alle Google-Di­en­ste im Internet Al­ter­na­tiven, an die sich Kunden wenden können, die von Google enttäuscht sind.“

Im Projekt Android sollen Handys mit Funktionen aus­ges­tat­tet werden, die es bislang noch nicht gibt und die Google garantieren, an Handy­wer­bung zu verdienen. Im März 2008 sind Brin und Page außerdem mit dem Kauf der Firma Doubleclick in die On­line-Ban­ner­wer­bung eingestiegen. Die Cook­i­etech­nolo­gie von Doubleclick ist so weit entwickelt, dass der Erfolg von Werbung genau messbar ist.

Die Geheimnisse des Erfolges

Warum wächst Brins und Pages Imperium unaufhörlich?

  • Der Service ist top. Die weltweit einmalige Rech­n­er­struk­tur liefert in Sekun­den­bruchteilen Ergebnisse. Das Rechnernetz besteht aus selbst en­twick­el­ter Software und normaler Hardware. Es verändert sich laufend und reagiert sehr schnell auf kleine Systemveränderungen. Die 32 Google-Such­por­tale fallen so gut wie nie aus.
  • Alle Anwendungen und Produkte basieren ausschließlich auf math­e­ma­tis­chen Verfahren. So sind sie universell anwendbar.
  • Dank seines riesigen Datenbe­standes weiß Google, welche Produkte sich lohnen.
  • Google kauft vielver­sprechende Firmen auf.
  • Brin und Page werben außeror­dentlich talentierte Menschen aktiv an. Sie pflegen ihr Image als Kultfirma mit flachen Hierarchien.
  • Jeder Angestellte entscheidet selbst, wann und wie er seine Arbeit erledigt. Ein Fünftel der Arbeitszeit darf jeder Mitarbeiter in eigene Ideen und Projekte investieren.
  • In den USA ist Google der beliebteste Arbeitgeber. Wer dort unterkommt, ist rundum versorgt: Essen, Trinken, Fit­nessstu­dios, Wäschedienst und vieles mehr gibt es kostenlos.

Über den Autor

Lars Reppesgaard ist freier Journalist. Er schreibt u. a. für das Han­dels­blatt, die Süddeutsche Zeitung, die Financial Times Deutschland, die Wirtschaftswoche und IT-Fach­magazine. Seine Spezial­ge­bi­ete sind Wirtschaft und In­for­ma­tion­stech­nik.