Die wertvollste Marke der Welt
In nur etwas mehr als zehn Jahren haben die Gründer Larry Page und Sergey Brin das Unternehmen Google zur wertvollsten Marke der Welt gemacht. Im Jahr 2007 setzte ihre Kapitalgesellschaft über 16 Milliarden Dollar um und schüttete davon vier Milliarden als Gewinn aus. Der größte Anteil des Geldes ging auf die Konten der beiden Firmengründer, die die Mehrheit der Aktien halten. Die Wiege des Internetgiganten ist ein wissenschaftliches Projekt an der kalifornischen Universität Stanford. Für seine Doktorarbeit hat Elitestudent Sergey Brin 1996 das World Wide Web analysiert. Mit seinem Studienkollegen Larry Page entwickelte er mathematische Verfahren, die Internetseiten nach ihrer Wichtigkeit ordnen. Das dafür verwendete Prinzip: Je häufiger im Internet auf eine Seite verwiesen wird, desto wichtiger ist sie. Im Jahr 1999 investierte eine Risikokapitalfirma 25 Millionen Dollar in das Start-up-Unternehmen. Seit 2004 ist es börsennotiert.
Eine virtuelle Litfasssäule
Google hat alle Konkurrenten, etwa Yahoo oder Lycos, im Sauseschritt überholt. Die nervten den User mit bunten Onlineportalen, gespickt mit flackernden Werbebannern. Google dagegen präsentierte sich von Anfang an nüchtern und ruhig. Erst seit dem Jahr 2000 wird Werbung eingeblendet, dezent am Rand und immer in Bezug zur Suchanfrage. Diese Werbung macht 99 % der Einnahmen von Google aus. Das Programm Adwords setzt neben die Suchanfrage vierzeilige, inhaltlich dazu passende Textannoncen. Werden diese angeklickt, klingelt am Firmensitz im Silicon Valley die Kasse. Und das, obwohl es Page und Brin zuerst gar nicht ums Verkaufen ging. Sie waren vielmehr von einer Mission beseelt: Sie wollten alle Informationen der Welt strukturieren und die perfekte Suchmaschine erschaffen.
Allwissend und akkurat
Die 20 000 Mitarbeiter von Google arbeiten täglich daran, das Firmenarchiv zu erweitern. Dieses zählt nicht nur über eine Milliarde Bilder und acht Milliarden Netzseiten, sondern enthält sämtliche Informationen, die Nutzer in einem ihrer über 60 Online-Dienste preisgegeben haben. Zwar beteuert Google immer wieder, dieses Wissen nicht zu missbrauchen. Aber das Verhalten der Kalifornier in China hat gezeigt: Wie sie mit Daten umgehen ist nicht nur eine Frage der Moral, sondern auch des Geldes. Um bessere Klick- und Verkaufszahlen in China zu erreichen, hat Google sein Motto „Don’t be evil“ über Bord geworfen und arbeitet mit Chinas Zensoren zusammen. Erfolgreich ist der Schmusekurs allerdings noch nicht. Das Geschäft läuft schleppend, wie in Russland auch.
„Als ein Reporter des amerikanischen Magazins Red Herring ihn fragte, wie die perfekte Suchmaschine aussehen würde, antwortete Brin: ‚Sie wäre wie der Geist Gottes. Sie wüsste genau, was du willst.‘“
Für all diese Daten braucht Google riesige Rechenzentren, in denen tausende von Computern stehen. Die fressen Strom und müssen gekühlt werden. Das Unternehmen nutzt regenerative Energie nicht nur aus Überzeugung, sondern auch weil es so viel Energie braucht und Betriebsstandorte danach auswählt, wo diese günstig zu haben ist. In Oregon etwa hat Google ein eigenes Kraftwerk am Columbia River gebaut.
Datenschutz ist zweitrangig
Viele Online-Anbieter platzieren Cookies auf den Rechnern von Internetnutzern. Das sind Profildateien, die aus einer langen Reihe von Buchstaben und Zahlen bestehen. Der Vorteil für den Nutzer: Wenn er z. B. einmal in einem Onlineshop eingekauft hat, muss er sich nicht jedes Mal neu anmelden. Andererseits ist es für Hacker einfach herauszufinden, welche Person hinter einer bestimmten Profildatei steckt.
„Googles Rechnersystem ist nicht nur deshalb so riesig, damit Millionen von Surfern gleichzeitig darauf zugreifen können, sondern auch, damit Google alles speichern kann, was die Nutzer tun.“
Mit der Software Analytics beobachtet Google Menschen auf ihrem virtuellen Rundgang sehr genau. Seitenbetreiber installieren die Tracking-Software auf Wunsch von Google auf ihrer Webseite. So kann Google aufschlüsseln, woher die Besucher kommen und wie wichtig die Region für den Umsatz der Werbekunden ist. Laut Datenschutzrecht müsste jeder Nutzer beim ersten Kontakt mit einer Webseite darüber informiert werden, dass er hier durch Google-Analytics beobachtet wird. Aber kaum eine Homepage erwähnt dies.
„Versuch und Irrtum – so lässt sich das wichtigste Prinzip von Googles Innovationsstrategie zusammenfassen.“
Alle Daten, die Anbieter über die Nutzer ihrer Onlinedienste sammeln, speichern sie in Server-Logs. Hier landet auch die IP-Adresse des Computers, von dem aus die Seite genutzt wird. Google erfasst außerdem Datum und Uhrzeit einer Anfrage, den Typ des Internetbrowsers, über den sie erfolgte, ob jemand über Google.com oder Google.de eingestiegen ist und welche Links er als hilfreich empfunden und angeklickt hat. Wenn Google es möchte, findet das Unternehmen heraus, wer Sie sind und was Sie beschäftigt. Je nachdem, was Sie in die Suchmaske eintippen: stechende Herzschmerzen, Seitensprung, blöder Chef ... Das wiederum könnte Ihre Krankenkasse, Ihren Ehepartner oder ihren Arbeitgeber interessieren.
„Auf das zu bauen, was sich zählen und messen lässt, entspricht dem akademischen Denken, das Larry Page und Sergey Brin von klein auf geprägt hat.“
Googles Datenschutzbeauftragte versichern, es gehe nicht darum, einzelne Personen und ihre Vorlieben zu identifizieren, sondern nur darum, Profile für die Werbewirtschaft zu erstellen. Das Unternehmen brauche die Nutzerdaten, um seine Technologie weiterzuentwickeln und den Konkurrenten immer einen Schritt voraus zu sein. Darüber hinaus könne es sich nicht leisten, das Vertrauen der Menschen zu verlieren. Mit den europäischen Datenschützern gibt es dennoch immer wieder Probleme. Hier gilt der Grundsatz: Es sollen nicht mehr Informationen gesammelt werden als unbedingt nötig.
Internetnutzer, schützt eure Privatsphäre!
Wer sich im Internet tummelt, verrät dabei etwas über sich. Diese Informationen liegen auf irgendeinem Server, und Sie haben keinen Einfluss mehr darauf. Deshalb sollten Sie Ihre Privatsphäre aktiv schützen.
- Verändern Sie die Einstellungen Ihres Internetbrowsers so, dass er nicht mehr alle Cookies akzeptiert.
- Löschen Sie nach jedem Ausflug ins Internet alle Cookies.
- Es muss nicht immer Google sein. Die Suchmaschine Ixquick ist gut, speichert Daten aber nur für 48 Stunden. Dafür gab es das Europäische Datenschutzsiegel.
- Google ist so erfolgreich, weil viele Menschen drauf klicken. Diese sollten ihre Macht nutzen und vom Unternehmen fordern, alle Daten zu anonymisieren.
- Wer seine Daten bei Google gelöscht haben möchte, kann dies dort einfordern.
Über 60 verschiedene Onlinedienste
Google bietet derzeit über 60 verschiedene Onlineprodukte an. Die meisten sind für den Nutzer kostenlos. Google Earth ist ein Geobrowser, der virtuelle Weltansichten bietet. Er arbeitet mit denselben Datensätzen wie Google Maps, das Straßenkarten, Restaurants und Routen anzeigt. Täglich steuern Netznutzer Informationen bei und machen die beiden Software-Geschwister zum laufenden Weltprojekt. Derzeit sucht Google eine Möglichkeit, in beiden Programmen Werbung zu platzieren, die nicht stört.
„Diese dem Universitätsleben entlehnte Firmenkultur und die wichtige Rolle, die Rationalität, Mathematik und statistische Verfahren bei vielen Entscheidungen spielen, haben allerdings auch einen Nachteil: Viele Googler arbeiten wie in einem Elfenbeinturm.“
Nicht ganz so reibungslos läuft es mit dem 2007 vorgestellten Google-Street-View, das Rundumansichten von Städten bietet. Dafür sind Fahrer in Autos mit Kameras unterwegs. Vor allem die Europäer wehren sich dagegen, dass sie oder ihre Häuser unerlaubt gefilmt werden. Der Landesbeauftragte für Datenschutz in Schleswig-Holstein hat die Aufnahmen gerichtlich gestoppt, weil Personen auf den Bildern erkennbar sind. Programmierer versuchen dieses Problem zu lösen: Gesichter sollen automatisch verzerrt werden.
„Die Googler benötigen so viele Daten wie möglich, damit sie ihre Technologie weiterentwickeln und beim Ringen um die Nutzer die Nase vorn behalten können.“
Im Oktober 2006 hat Google die Internetplattform Youtube für 1,65 Milliarden Dollar gekauft. Hier können registrierte Nutzer selbstgedrehte oder irgendwo herausgeschnittene Videos hochladen. In jeder Minute werden über zehn Stunden Filmmaterial online gestellt. Zu viel, um jeden Beitrag zu prüfen, deshalb befinden sich darunter auch Nazi-Propaganda oder Gewaltclips. Allerdings reagiert Google umgehend auf Beschwerden von Nutzern und nimmt anstößige Clips sofort aus dem Netz. Wenn auf Youtube bald Werbeplätze zu kaufen sind, wird viel Geld fließen: Allein im März 2008 haben Amerikaner über vier Milliarden Mal Youtube angeklickt.
„Technisch wären die Googler jederzeit in der Lage, Nutzerdaten zusammenzufassen und aus den einzelnen Datenschnipseln so viel herauszulesen, dass Verhaltensprofile von namentlich bekannten Einzelpersonen daraus werden.“
Mit Google Health und 23Andme steigen die Kalifornier in den Zukunftsmarkt Gesundheit ein. 23Andme verbindet Internet mit Genetik. Kunden zahlen 1000 $ und spucken in ein Röhrchen. Das schicken sie an 23Andme und erhalten eine ausführliche Genanalyse. So soll eine Genomdatenbank entstehen, die wissenschaftliche Rückschlüsse zulässt. Um die Dienste von Google Health kostenlos zu nutzen, ist nur ein Gmail-Benutzerkonto nötig. Sie geben Ihre Gesundheitsdaten ein und werden dann per Mail über für Sie interessante Neuigkeiten informiert. Selbst bei der Arztsuche hilft das Programm.
„Am Beispiel China zeigt sich, dass die Maßstäbe, die angelegt werden, viel mit der Interessenlage des Unternehmens zu tun haben und beileibe nicht von allen Google-Nutzern geteilt werden.“
Trotz des Streits um Urheberrechte will Google alle Bücher dieser Welt digitalisieren. Derzeit lassen 28 europäische und US-amerikanische Bibliotheken ihre Bestände für Google Book Search einscannen und indexieren. Seit September 2007 können User in der virtuellen Bibliothek MyLibary Digitalkopien ihrer Lieblingsbücher speichern.
„Internetnutzer müssen lernen, ihre Privatsphäre in der digitalen Welt aktiv zu managen.“
Google Apps ist sozusagen „Software aus der Leitung“ und eine Kriegserklärung an Microsoft und alle anderen Anbieter von Programmen. Die Vision ist, Software nicht mehr auf den einzelnen PCs zu installieren, sondern auf zentralen Google-Servern. Damit ist sie jederzeit via Internet abrufbar. Dieses so genannte Cloud Computing läuft schlecht. Zwar sind die Anwendungen günstiger als bei Microsoft und Co., aber aus Angst vor Industriespionage lässt niemand gerne Firmendaten auf fremden Servern herumliegen. Google lässt sich davon jedoch nicht beirren und arbeitet mit IBM an einem Weltrechnernetz.
„Es gibt für so gut wie alle Google-Dienste im Internet Alternativen, an die sich Kunden wenden können, die von Google enttäuscht sind.“
Im Projekt Android sollen Handys mit Funktionen ausgestattet werden, die es bislang noch nicht gibt und die Google garantieren, an Handywerbung zu verdienen. Im März 2008 sind Brin und Page außerdem mit dem Kauf der Firma Doubleclick in die Online-Bannerwerbung eingestiegen. Die Cookietechnologie von Doubleclick ist so weit entwickelt, dass der Erfolg von Werbung genau messbar ist.
Die Geheimnisse des Erfolges
Warum wächst Brins und Pages Imperium unaufhörlich?
- Der Service ist top. Die weltweit einmalige Rechnerstruktur liefert in Sekundenbruchteilen Ergebnisse. Das Rechnernetz besteht aus selbst entwickelter Software und normaler Hardware. Es verändert sich laufend und reagiert sehr schnell auf kleine Systemveränderungen. Die 32 Google-Suchportale fallen so gut wie nie aus.
- Alle Anwendungen und Produkte basieren ausschließlich auf mathematischen Verfahren. So sind sie universell anwendbar.
- Dank seines riesigen Datenbestandes weiß Google, welche Produkte sich lohnen.
- Google kauft vielversprechende Firmen auf.
- Brin und Page werben außerordentlich talentierte Menschen aktiv an. Sie pflegen ihr Image als Kultfirma mit flachen Hierarchien.
- Jeder Angestellte entscheidet selbst, wann und wie er seine Arbeit erledigt. Ein Fünftel der Arbeitszeit darf jeder Mitarbeiter in eigene Ideen und Projekte investieren.
- In den USA ist Google der beliebteste Arbeitgeber. Wer dort unterkommt, ist rundum versorgt: Essen, Trinken, Fitnessstudios, Wäschedienst und vieles mehr gibt es kostenlos.