Von der Garage auf den Weltmarkt
Lenovo ist ein typisches Beispiel für ein chinesisches Unternehmen, das vom unbedeutenden regionalen Produzenten zum Global Player aufgestiegen ist. Dank massiver Finanzspritzen vom chinesischen Staat ist das Unternehmen binnen weniger Jahre zum drittgrößten Computerhersteller der Welt geworden. In Konkurrenz zu den amerikanischen Marktführern Dell und HP wurde das Unternehmen zunächst auf dem heimischen Markt hochgezüchtet. 2005 gelang mit dem Kauf der PC-Sparte von IBM schließlich der große Coup. Für 1,25 Milliarden Dollar erwarben die Chinesen damals nicht nur enormes technisches Know-how, sondern auch die Eintrittskarte für den Weltmarkt. Von nun an ging das Unternehmen systematisch daran, seine Position weiter auszubauen. Dabei hatte man allerdings in den folgenden Jahren mit typischen Fusionsproblemen, vor allem mit der Integration unterschiedlicher Kulturen zu kämpfen. Für kurze Zeit fiel Lenovo hinter den taiwanesischen Computerbauer Acer zurück, konnte aber im Zuge massiver Marketingaktionen anlässlich der Olympischen Spiele 2008 in Peking wieder Boden gutmachen.
Die Nöte eines Unternehmers in China
Als der Schweißingenieur und Unternehmer Eginhard Vietz Ende der 80er Jahre nach China aufbrach, war er fest davon überzeugt, dort gute Geschäfte machen zu können. Das Vorhaben entwickelte sich aber anders als geplant. Nicht nur kopierte man seine Maschinen zur Herstellung von Schweißgeräten für Pipelines, die Nachbauten wurden auch noch auf dem Weltmarkt gegen ihn in Stellung gebracht. Die Chinesen nutzten sein Know-how und seine Patente, um ihn anschließend bei der Vergabe von Großaufträgen mit Dumpingpreisen auszuhebeln. Vietz wehrte sich nach Kräften: mit neu entwickelter Technologie, einer geänderten Auslandsstrategie und gezielter „Spionageabwehr“. Plötzlich zeigten sich die Chinesen deutlich kooperativer. Mittlerweile ist Vietz in der Lage, erfolgreich in China Geschäft zu machen.
Die Schaffung einer chinesischen Superbank
Im Zuge der Asienkrise Ende der 90er verbrannten auch chinesische Banken Milliarden von Dollars. Einen hohen Anteil daran hatten Provinzbanken aus der südchinesischen Provinz Kanton, die sich mit faulen Krediten übernommen hatten. Die Regierung in Peking nutzte die Krise, um Klarheit und Stabilität ins chinesische Bankensystem zu bringen. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte erlaubten Staatsbanken ausländische Beteiligungen, jedoch nur zu dem Zweck, westliches Know-how in die chinesische Finanzwelt zu holen und somit die eigene Wirtschaft anzukurbeln. Den entscheidenden Schritt machten die vier chinesischen Staatsbanken mit dem Gang an die internationalen Börsen. Enorme Geldsummen wurden dadurch in ihre Kassen gespült. So gelang es der Staatsbank ICBC neun Monate nach ihrem Börsengang, mit einem Wert von 184 Milliarden Euro zur teuersten und größten Bank der Welt zu werden.
Ohne Danone
Bereits zu Beginn der 90er Jahre begann der französische Lebensmittel- und Getränkekonzern Danone durch Zukäufe auf dem chinesischen Markt Fuß zu fassen. Das Joint Venture mit dem chinesischen Konkurrenten Wahaha lief ausgezeichnet an. Danone und der Wahaha-Geschäftsführer Zong kooperierten zu beiderseitigem strategischem Nutzen und schafften es gemeinsam, in ihrem Segment zur Nummer eins auf dem chinesischen Markt zu werden. Dann jedoch begann Zong hinter dem Rücken der Franzosen, sich auf eigene Faust Marktanteile zu sichern. Danone verklagte ihn wegen Vertragsbruchs – der Beginn einer regelrechten Schlammschlacht zwischen den beiden Unternehmen. Danone verlor den Konflikt auf fremdem Boden. Der Konzern hatte versucht, in China Recht zu bekommen, und war im Gestrüpp der Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik hängen geblieben.
Telekommunikation made in China
Ein weiteres Beispiel für den rasanten Aufstieg eines chinesischen Unternehmens auf dem Weltmarkt ist der Telekommunikations-Dienstleister Huawei. Die Firma hat es geschafft, überall auf der Welt am Bau von Telekommunikationsnetzen beteiligt zu sein – und das trotz einer vormals deutlich stärkeren, technisch weiter entwickelten Konkurrenz. Zunächst sicherten sich die Chinesen den Zugang zu kleineren, unbedeutenderen Märkten, um sich dort für größere Projekte in Europa und den USA zu empfehlen. Technologische Nachteile glichen sie durch geringere Personalkosten aus, verbunden mit einem deutlich besseren Service. Mittlerweile ist Huawei in die absolute Topliga der weltweiten Netzbetreiber aufgestiegen und beliefert u. a. Vodafone und die Deutsche Telekom.
Deutsche Heimwerker flüchten
Zu den Unternehmen, die auf dem chinesischen Markt Fuß fassen wollten, gehörte auch die Baumarktkette OBI. Ansatz und Strategie schienen überzeugend. Ende der 90er ließ OBI eine Vielzahl von Produkten in China herstellen und versuchte in der Folge, diese gleich an Ort und Stelle zu verkaufen. Nachdem sich anfangs mit deutschem Management die Erfolge nicht einstellen wollten, setzte man mit dem in Köln promovierten Li Fengjiang einen chinesischen Manager ein, der das Geschäft bald darauf auf Trab brachte. Ein Joint Venture mit dem chinesischen Haier-Konzern schien beste Umsätze zu versprechen. Dann aber häuften sich die Schwierigkeiten bei OBI. Die chinesischen Kunden wollten das deutsche Konzept nicht annehmen; auch der Service entsprach nicht ihren Erwartungen. Mittlerweile hat sich OBI fast vollständig aus dem China-Geschäft zurückgezogen.
Mit Hochgeschwindigkeit zum chinesischen Auto
Der Bau von chinesischen Autos für den heimischen Markt, aber auch für den Export, ist in den vergangenen Jahren massiv vorangetrieben worden. Die Nachfrage nach Pkws in China ist immens und wird noch steigen, schließlich besitzen erst drei von 100 Chinesen überhaupt ein Auto. Der größte chinesische Automobilhersteller Chery hatte 2007 bereits knapp 400 000 Autos verkauft. Um noch rascher voranzukommen, zeigten sich die Chinesen einmal mehr als Meister der Produktpiraterie. So war der QQ von Chery mit dem Modell Spark von General Motors nahezu identisch. Als Chery mit dem QQ auch in Amerika Fuß fassen wollte, verklagte GM die Chinesen, zog die Anzeige aber bald darauf zurück, weil man den eigenen Absatz auf den chinesischen Märkten nicht gefährden wollte. Noch hat Chery aber Schwierigkeiten, sich auf den hoch entwickelten Automärkten zu etablieren. So ist es bis dato noch nicht gelungen, die hohen Sicherheitsansprüche amerikanischer und europäischer Käufer genügend zu berücksichtigen.
Keine Handys aus China
Dass auch im Reich der Mitte nicht alles zu Gold wird, was Unternehmer anpacken, zeigt sich am Beispiel der Mobilfunkfirma Bird. Im Schatten der Großen – Nokia, Motorola, Samsung – legte das chinesische Unternehmen ein enormes Wachstum an den Tag. Bereits 2003 eroberte es eine Spitzenposition auf dem heimischen Markt. Ein Jahr später war Bird jedoch wieder hinter die drei Großen in der Mobilfunksparte zurückgefallen, eine Abwärtsbewegung, die sich in den kommenden Jahren fortsetzen sollte. Selbst die Zusammenarbeit mit Siemens auf dem chinesischen wie auf den ausländischen Märkten fruchtete nicht. Bird wurde von der Konkurrenz in die Zange genommen und ist mittlerweile vom Markt verschwunden.
Bohren für den Staat
Öl ist für China lebenswichtig, das hat die Regierung in Peking längst erkannt. Nur ein permanenter Zufluss des Rohstoffs kann die Millionen von Arbeitsplätzen garantieren und den Staat längerfristig vor sozialen Unruhen schützen. Konsequenterweise wurde sehr viel Geld in den Zukauf von Erdöl investiert, nicht zuletzt, um es in riesigen Tanks zu lagern und sich damit gegen Lieferstopps oder -ausfälle zu wappnen. Profitiert hat von diesem Erdölboom vor allem die chinesische CNOOC, die wiederum gewaltige Summen im Ausland investiert, um sich an Erdöllieferungen zu beteiligen. Die CNOOC wird im Hintergrund von der chinesischen Regierung gesteuert. Bei ihren Versuchen, durch Zukäufe in den USA Fuß zu fassen, wurde sie von der Regierung Bush abgewiesen. Der Energiehunger der Chinesen ist immens, und das wird sich auch in den nächsten Jahrzehnten nicht ändern.
Der Aufbau der chinesischen Flugzeugindustrie
Die chinesische Flugzeugindustrie wird nach dem gleichen Schema aufgebaut wie die Autoindustrie. Zunächst werden fertige Produkte importiert, dann folgt die Produktion im Land, wobei die meisten Teile noch aus dem Ausland stammen. Anschließend werden immer mehr lokale Zulieferer eingebunden, bis schließlich komplett im Inland produziert wird, evtl. unter Rückgriff auf internationale Zulieferer. Nach dem Motto „Konkurrenz belebt das Geschäft“ ließ die chinesische Regierung gleich zwei Flugzeugbauunternehmen gründen, AVIC I und AVIC II. Es scheint, als würde die reichere AVIC I das Rennen für sich entscheiden. Nach mehreren missglückten Anläufen will man bis 2011 eine 150-Passagier-Maschine entwickeln, die Boeing und Airbus Konkurrenz machen soll.
Qualitätssiegel „Made in China“
Mit der Technologie und dem Know-how des deutschen Haushaltgeräteherstellers Liebherr hat sich der chinesische Konzern Haier innerhalb von zwei Jahrzehnten zu einem der Weltmarktführer beim Verkauf von Kühlschränken entwickelt. Im Unterschied zu anderen chinesischen Unternehmen setzte Haier fast von Beginn an auf hohe Qualität und hat damit Erfolg. Mittlerweile hat Haier seine Produktpalette erweitert: Die Chinesen produzieren und verkaufen nun auch Klimaanlagen und Flachbildschirme, und das sehr erfolgreich.
Rupert Murdochs China-Crash
„Wir sind in China an die Wand gefahren“ – dieses Resümee zog der Medienunternehmer Rupert Murdoch Ende 2006, nachdem er über ein Jahrzehnt lang vergeblich versucht hatte, sich Zugang zu den chinesischen Medien, allen voran zum Fernsehmarkt, zu verschaffen. Murdoch wurde auf klassische Weise ein Opfer der Konkubinenwirtschaft. Die chinesische Regierung nutzte sein Know-how in der Produktion erfolgreicher TV-Formate, ließ ihn aber zugleich – zumal man ihm auch politisch misstraute – am ausgestreckten Arm verhungern. Durch geschickte Schachzüge erreichten die Chinesen außerdem, dass die Berichterstattung der Murdoch-Medien über die chinesische Politik sehr mild ausfiel. Murdoch ist kein Einzelfall: Keines der weltweiten Medienimperien konnte bislang dauerhaft in China Fuß fassen.
Gefangener im System
Als Geschäftsführer der Niederlassung eines mittelständischen deutschen Baumaschinenherstellers in China geriet Ulrich Reichert unter die Räder der chinesischen Zollbehörden. Er wurde der Beihilfe zum Schmuggel bezichtigt. Die Maschinen, die von seiner Firma nach China importiert wurden, sollen die vorgeschriebene minimale Einbaubreite um einen Zentimeter unterschritten haben. Reichert kam ins Gefängnis, obwohl die Staatsanwaltschaft den Vorwurf der Zollbehörde mehrfach mangels Beweisen abschmetterte. Selbst als er das Gefängnis verlassen konnte, durfte er für längere Zeit nicht ins Ausland reisen. Die Unterstützung durch die deutsche Botschaft war halbherzig. Reichert ist ein mahnendes Beispiel dafür, dass China – bei allen technischen, ökonomischen und politischen Fortschritten – immer noch weit von einem Rechtsstaat entfernt ist.