Die Konkubinenwirtschaft

Buch Die Konkubinenwirtschaft

Warum westliche Unternehmen in China scheitern und die Chinesen an die Weltspitze stürmen

Hanser,


Rezension

China-Ex­perte Frank Sieren schildert, wie sich chinesische Unternehmen von Gara­gen­fir­men oder maroden Staats­be­trieben zu weltweit operieren­den Konzernen entwickelt haben. Parallel dazu zeichnet er den Leidensweg westlicher Unternehmen in China nach. Angetreten mit dem Ziel, den dy­namis­chsten Markt der Welt zu erobern, haben sie mit­tler­weile erkennen müssen, dass ihnen, wenn überhaupt, nur ein schmales Stück vom großen Kuchen übrig bleibt. Erfolg und Misserfolg haben für Sieren ein und dieselbe Ursache: die chinesische Konku­bi­nen­wirtschaft. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die ausländischen Bewerber auf dem heimischen Markt gegeneinan­der ausgespielt werden. So behalten die Chinesen nicht nur die Macht im eigenen Haus, sondern verschaffen sich auch Zugang zu hoch en­twick­el­ten ausländischen Tech­nolo­gien. Das Buch ist gleichermaßen gut recher­chiert und packend geschrieben. Leider bleibt Sieren auf der Ebene konkreter Einzelfälle; ein Kapitel, das seine Erken­nt­nisse zusam­men­fasst, fehlt. BooksInShort empfiehlt das Werk allen, die beruflich mit oder in China zu tun haben und die verstehen wollen, wie das Land in seinem Innersten funk­tion­iert.

Take-aways

  • Das Haupt­merk­mal der chi­ne­sis­chen Konku­bi­nen­wirtschaft besteht darin, westliche Unternehmen gegeneinan­der auszus­pie­len.
  • In China sind Wirtschaft und Legislative eng miteinander verflochten. Als ausländisches Unternehmen Recht zu bekommen, ist schier unmöglich.
  • Die Angst vor Sanktionen auf dem chi­ne­sis­chen Markt schreckt westliche Unternehmen davon ab, energischer gegen chinesische Regelverstöße vorzugehen.
  • Neben der Au­to­pro­duk­tion machen sich die Chinesen auch daran, mit In­vesti­tio­nen in Milliardenhöhe die Flugzeug­in­dus­trie zu erobern.
  • Vorsicht ist bei der Preisgabe des eigenen Know-hows geboten: Es kann sein, dass man dadurch den eigenen En­twick­lungsvor­sprung aus der Hand gibt.
  • Die Chinesen sind die unange­focht­e­nen Meister der Pro­duk­t­pi­ra­terie.
  • Die Chinesen sind die unange­focht­e­nen Meister der Pro­duk­t­pi­ra­terie.
  • Aus­geze­ich­nete Beziehungen pflegen die Chinesen zu den ölreichen Ländern.
  • Keines der weltweit größten Me­di­enun­ternehmen konnte bislang in China Fuß fassen.
  • Das Leben eines westlichen Managers in China kann gefährlich sein: Absurde Vorwürfe können zu langen Gefäng­nisaufen­thal­ten führen.
 

Zusammenfassung

Von der Garage auf den Weltmarkt

Lenovo ist ein typisches Beispiel für ein chi­ne­sis­ches Unternehmen, das vom unbe­deu­ten­den regionalen Produzenten zum Global Player aufgestiegen ist. Dank massiver Fi­nanzspritzen vom chi­ne­sis­chen Staat ist das Unternehmen binnen weniger Jahre zum drittgrößten Com­put­er­her­steller der Welt geworden. In Konkurrenz zu den amerikanis­chen Marktführern Dell und HP wurde das Unternehmen zunächst auf dem heimischen Markt hochgezüchtet. 2005 gelang mit dem Kauf der PC-Sparte von IBM schließlich der große Coup. Für 1,25 Milliarden Dollar erwarben die Chinesen damals nicht nur enormes technisches Know-how, sondern auch die Ein­trittskarte für den Weltmarkt. Von nun an ging das Unternehmen sys­tem­a­tisch daran, seine Position weiter auszubauen. Dabei hatte man allerdings in den folgenden Jahren mit typischen Fu­sion­sprob­le­men, vor allem mit der Integration un­ter­schiedlicher Kulturen zu kämpfen. Für kurze Zeit fiel Lenovo hinter den tai­wane­sis­chen Com­put­er­bauer Acer zurück, konnte aber im Zuge massiver Mar­ketingak­tio­nen anlässlich der Olympischen Spiele 2008 in Peking wieder Boden gutmachen.

Die Nöte eines Un­ternehmers in China

Als der Schweißingenieur und Unternehmer Eginhard Vietz Ende der 80er Jahre nach China aufbrach, war er fest davon überzeugt, dort gute Geschäfte machen zu können. Das Vorhaben entwickelte sich aber anders als geplant. Nicht nur kopierte man seine Maschinen zur Herstellung von Schweißgeräten für Pipelines, die Nachbauten wurden auch noch auf dem Weltmarkt gegen ihn in Stellung gebracht. Die Chinesen nutzten sein Know-how und seine Patente, um ihn anschließend bei der Vergabe von Großaufträgen mit Dump­ing­preisen auszuhebeln. Vietz wehrte sich nach Kräften: mit neu en­twick­el­ter Technologie, einer geänderten Aus­landsstrate­gie und gezielter „Spi­onage­ab­wehr“. Plötzlich zeigten sich die Chinesen deutlich ko­op­er­a­tiver. Mit­tler­weile ist Vietz in der Lage, erfolgreich in China Geschäft zu machen.

Die Schaffung einer chi­ne­sis­chen Superbank

Im Zuge der Asienkrise Ende der 90er verbrannten auch chinesische Banken Milliarden von Dollars. Einen hohen Anteil daran hatten Prov­inzbanken aus der südchi­ne­sis­chen Provinz Kanton, die sich mit faulen Krediten übernommen hatten. Die Regierung in Peking nutzte die Krise, um Klarheit und Stabilität ins chinesische Banken­sys­tem zu bringen. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte erlaubten Staats­banken ausländische Beteili­gun­gen, jedoch nur zu dem Zweck, westliches Know-how in die chinesische Finanzwelt zu holen und somit die eigene Wirtschaft anzukurbeln. Den entschei­den­den Schritt machten die vier chi­ne­sis­chen Staats­banken mit dem Gang an die in­ter­na­tionalen Börsen. Enorme Geldsummen wurden dadurch in ihre Kassen gespült. So gelang es der Staatsbank ICBC neun Monate nach ihrem Börsengang, mit einem Wert von 184 Milliarden Euro zur teuersten und größten Bank der Welt zu werden.

Ohne Danone

Bereits zu Beginn der 90er Jahre begann der französische Lebens­mit­tel- und Getränkekonzern Danone durch Zukäufe auf dem chi­ne­sis­chen Markt Fuß zu fassen. Das Joint Venture mit dem chi­ne­sis­chen Konkur­renten Wahaha lief aus­geze­ich­net an. Danone und der Wa­haha-Geschäftsführer Zong kooperierten zu bei­der­seit­igem strate­gis­chem Nutzen und schafften es gemeinsam, in ihrem Segment zur Nummer eins auf dem chi­ne­sis­chen Markt zu werden. Dann jedoch begann Zong hinter dem Rücken der Franzosen, sich auf eigene Faust Mark­tan­teile zu sichern. Danone verklagte ihn wegen Ver­trags­bruchs – der Beginn einer regel­rechten Schlamm­schlacht zwischen den beiden Unternehmen. Danone verlor den Konflikt auf fremdem Boden. Der Konzern hatte versucht, in China Recht zu bekommen, und war im Gestrüpp der Ver­flech­tun­gen zwischen Wirtschaft und Politik hängen geblieben.

Telekom­mu­nika­tion made in China

Ein weiteres Beispiel für den rasanten Aufstieg eines chi­ne­sis­chen Un­ternehmens auf dem Weltmarkt ist der Telekom­mu­nika­tions-Di­en­stleis­ter Huawei. Die Firma hat es geschafft, überall auf der Welt am Bau von Telekom­mu­nika­tion­snet­zen beteiligt zu sein – und das trotz einer vormals deutlich stärkeren, technisch weiter en­twick­el­ten Konkurrenz. Zunächst sicherten sich die Chinesen den Zugang zu kleineren, unbe­deu­ten­deren Märkten, um sich dort für größere Projekte in Europa und den USA zu empfehlen. Tech­nol­o­gis­che Nachteile glichen sie durch geringere Per­son­alkosten aus, verbunden mit einem deutlich besseren Service. Mit­tler­weile ist Huawei in die absolute Topliga der weltweiten Net­z­be­treiber aufgestiegen und beliefert u. a. Vodafone und die Deutsche Telekom.

Deutsche Heimwerker flüchten

Zu den Unternehmen, die auf dem chi­ne­sis­chen Markt Fuß fassen wollten, gehörte auch die Bau­mark­tkette OBI. Ansatz und Strategie schienen überzeugend. Ende der 90er ließ OBI eine Vielzahl von Produkten in China herstellen und versuchte in der Folge, diese gleich an Ort und Stelle zu verkaufen. Nachdem sich anfangs mit deutschem Management die Erfolge nicht einstellen wollten, setzte man mit dem in Köln pro­movierten Li Fengjiang einen chi­ne­sis­chen Manager ein, der das Geschäft bald darauf auf Trab brachte. Ein Joint Venture mit dem chi­ne­sis­chen Haier-Konz­ern schien beste Umsätze zu versprechen. Dann aber häuften sich die Schwierigkeiten bei OBI. Die chi­ne­sis­chen Kunden wollten das deutsche Konzept nicht annehmen; auch der Service entsprach nicht ihren Erwartungen. Mit­tler­weile hat sich OBI fast vollständig aus dem China-Geschäft zurückgezogen.

Mit Hochgeschwindigkeit zum chi­ne­sis­chen Auto

Der Bau von chi­ne­sis­chen Autos für den heimischen Markt, aber auch für den Export, ist in den vergangenen Jahren massiv vo­r­angetrieben worden. Die Nachfrage nach Pkws in China ist immens und wird noch steigen, schließlich besitzen erst drei von 100 Chinesen überhaupt ein Auto. Der größte chinesische Au­to­mo­bil­her­steller Chery hatte 2007 bereits knapp 400 000 Autos verkauft. Um noch rascher vo­ranzukom­men, zeigten sich die Chinesen einmal mehr als Meister der Pro­duk­t­pi­ra­terie. So war der QQ von Chery mit dem Modell Spark von General Motors nahezu identisch. Als Chery mit dem QQ auch in Amerika Fuß fassen wollte, verklagte GM die Chinesen, zog die Anzeige aber bald darauf zurück, weil man den eigenen Absatz auf den chi­ne­sis­chen Märkten nicht gefährden wollte. Noch hat Chery aber Schwierigkeiten, sich auf den hoch en­twick­el­ten Automärkten zu etablieren. So ist es bis dato noch nicht gelungen, die hohen Sicher­heit­sansprüche amerikanis­cher und europäischer Käufer genügend zu berücksichtigen.

Keine Handys aus China

Dass auch im Reich der Mitte nicht alles zu Gold wird, was Unternehmer anpacken, zeigt sich am Beispiel der Mo­bil­funk­firma Bird. Im Schatten der Großen – Nokia, Motorola, Samsung – legte das chinesische Unternehmen ein enormes Wachstum an den Tag. Bereits 2003 eroberte es eine Spitzen­po­si­tion auf dem heimischen Markt. Ein Jahr später war Bird jedoch wieder hinter die drei Großen in der Mo­bil­funksparte zurückgefallen, eine Abwärtsbewegung, die sich in den kommenden Jahren fortsetzen sollte. Selbst die Zusam­me­nar­beit mit Siemens auf dem chi­ne­sis­chen wie auf den ausländischen Märkten fruchtete nicht. Bird wurde von der Konkurrenz in die Zange genommen und ist mit­tler­weile vom Markt ver­schwun­den.

Bohren für den Staat

Öl ist für China lebenswichtig, das hat die Regierung in Peking längst erkannt. Nur ein permanenter Zufluss des Rohstoffs kann die Millionen von Arbeitsplätzen garantieren und den Staat längerfristig vor sozialen Unruhen schützen. Kon­se­quenter­weise wurde sehr viel Geld in den Zukauf von Erdöl investiert, nicht zuletzt, um es in riesigen Tanks zu lagern und sich damit gegen Liefer­stopps oder -ausfälle zu wappnen. Profitiert hat von diesem Erdölboom vor allem die chinesische CNOOC, die wiederum gewaltige Summen im Ausland investiert, um sich an Erdölliefer­un­gen zu beteiligen. Die CNOOC wird im Hintergrund von der chi­ne­sis­chen Regierung gesteuert. Bei ihren Versuchen, durch Zukäufe in den USA Fuß zu fassen, wurde sie von der Regierung Bush abgewiesen. Der En­ergiehunger der Chinesen ist immens, und das wird sich auch in den nächsten Jahrzehnten nicht ändern.

Der Aufbau der chi­ne­sis­chen Flugzeug­in­dus­trie

Die chinesische Flugzeug­in­dus­trie wird nach dem gleichen Schema aufgebaut wie die Au­toin­dus­trie. Zunächst werden fertige Produkte importiert, dann folgt die Produktion im Land, wobei die meisten Teile noch aus dem Ausland stammen. Anschließend werden immer mehr lokale Zulieferer eingebunden, bis schließlich komplett im Inland produziert wird, evtl. unter Rückgriff auf in­ter­na­tionale Zulieferer. Nach dem Motto „Konkurrenz belebt das Geschäft“ ließ die chinesische Regierung gleich zwei Flugzeug­bau­un­ternehmen gründen, AVIC I und AVIC II. Es scheint, als würde die reichere AVIC I das Rennen für sich entscheiden. Nach mehreren missglückten Anläufen will man bis 2011 eine 150-Pas­sagier-Mas­chine entwickeln, die Boeing und Airbus Konkurrenz machen soll.

Qualitätssiegel „Made in China“

Mit der Technologie und dem Know-how des deutschen Haushaltgeräteherstellers Liebherr hat sich der chinesische Konzern Haier innerhalb von zwei Jahrzehnten zu einem der Weltmarktführer beim Verkauf von Kühlschränken entwickelt. Im Unterschied zu anderen chi­ne­sis­chen Unternehmen setzte Haier fast von Beginn an auf hohe Qualität und hat damit Erfolg. Mit­tler­weile hat Haier seine Pro­duk­t­palette erweitert: Die Chinesen produzieren und verkaufen nun auch Kli­maan­la­gen und Flach­bild­schirme, und das sehr erfolgreich.

Rupert Murdochs China-Crash

„Wir sind in China an die Wand gefahren“ – dieses Resümee zog der Me­di­enun­ternehmer Rupert Murdoch Ende 2006, nachdem er über ein Jahrzehnt lang vergeblich versucht hatte, sich Zugang zu den chi­ne­sis­chen Medien, allen voran zum Fernsehmarkt, zu verschaffen. Murdoch wurde auf klassische Weise ein Opfer der Konku­bi­nen­wirtschaft. Die chinesische Regierung nutzte sein Know-how in der Produktion er­fol­gre­icher TV-Formate, ließ ihn aber zugleich – zumal man ihm auch politisch misstraute – am aus­gestreck­ten Arm verhungern. Durch geschickte Schachzüge erreichten die Chinesen außerdem, dass die Berichter­stat­tung der Mur­doch-Me­dien über die chinesische Politik sehr mild ausfiel. Murdoch ist kein Einzelfall: Keines der weltweiten Me­di­en­im­pe­rien konnte bislang dauerhaft in China Fuß fassen.

Gefangener im System

Als Geschäftsführer der Nieder­las­sung eines mittelständischen deutschen Bau­maschi­nen­her­stellers in China geriet Ulrich Reichert unter die Räder der chi­ne­sis­chen Zollbehörden. Er wurde der Beihilfe zum Schmuggel bezichtigt. Die Maschinen, die von seiner Firma nach China importiert wurden, sollen die vorgeschriebene minimale Ein­baubre­ite um einen Zentimeter un­ter­schrit­ten haben. Reichert kam ins Gefängnis, obwohl die Staat­san­waltschaft den Vorwurf der Zollbehörde mehrfach mangels Beweisen ab­schmetterte. Selbst als er das Gefängnis verlassen konnte, durfte er für längere Zeit nicht ins Ausland reisen. Die Unterstützung durch die deutsche Botschaft war halbherzig. Reichert ist ein mahnendes Beispiel dafür, dass China – bei allen technischen, ökonomischen und politischen Fortschrit­ten – immer noch weit von einem Rechtsstaat entfernt ist.

Über den Autor

Frank Sieren ist Autor, Print- und TV-Jour­nal­ist und lebt seit Mitte der 90er Jahre in China. Er ist auch Autor des Buches Der China Schock.