Der ewige Jobfrust
Fast jeder Arbeitnehmer ist mit seinem Job unzufrieden. Bereits am Sonntagabend packt so manchen bei dem Gedanken an die bevorstehende Woche das nackte Grauen. Unausgeschlafen sitzt man am nächsten Morgen in der U-Bahn und blickt in die mürrischen Gesichter der Mitmenschen, denen es auch nicht besser geht.
„Es ist egal, für wen und wo Sie arbeiten.“
Ohne Elan schleppt man sich durch den langweiligen Arbeitstag, nur um am nächsten Tag das Gleiche durchzumachen, die ganze Woche lang bis zum ersehnten Wochenende. Danach geht es dann wieder von vorne los. Das erinnert an das Leben eines Hamsters im Laufrad, und so mancher hat deshalb schon längst innerlich gekündigt. Sollen die doch ihren Mist alleine machen! Viele Jobs halten schon lange nicht mehr, was die Stellenanzeige einst blumig versprach. Und dabei gibt es einige Faktoren, die besonders nerven ...
Zu geringes Gehalt
Auch wenn Sie Ihren Beruf nicht unbedingt des Geldes wegen gewählt haben: Was Sie verdienen, ist wichtig. Ständig werden Sie daran erinnert. Ihr Lebensstandard hängt entscheidend von Ihrem Einkommen ab: wie häufig Sie in den Urlaub fahren, ob Sie sich teure Markenprodukte leisten können, ob Sie Rücklagen für die Altersversicherung bilden und eine gute Krankenversicherung haben. Das alles kostet viel Geld. Kein Wunder, dass 80 % der deutschen Arbeitnehmer der Meinung sind, ihr Gehalt sei zu gering.
„Es ist ein Fakt: Anerkennung ist in der Arbeitswelt ein rares Gut.“
Interessant ist, dass sich diese Meinung quer durch alle Branchen und Hierarchieebenen zieht. Doch dass sich so viele Leute derart unter Wert verkaufen, ist eher unwahrscheinlich. Vielmehr entsteht das subjektive Gefühl, zu wenig zu verdienen, durch den direkten Vergleich mit anderen. Und weil die Ausgaben mit steigendem Gehalt immer weiter wachsen, nützt es nichts, sich einen Job mit besserer Bezahlung zu suchen. Das würde kaum zu größerer Zufriedenheit führen.
Fehlende Wertschätzung
Wieder einmal haben Sie bis spätabends im Büro gesessen, um einen Bericht, den der Chef dringend benötigt, fertig zu schreiben, Mit einem knappen „Danke“ nimmt er ihn entgegen, ohne Sie auch nur eines Blickes zu würdigen. So was schmerzt. Wenn er nicht etwas zu meckern oder zu korrigieren hat, kümmert er sich überhaupt nicht um die Mitarbeiter. Und die Kollegen versuchen ebenfalls nur, ihre Arbeit auf Sie abzuwälzen. Auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Sie sind tatsächlich nur eine Nummer oder ein Namenskürzel. Zwar ist jeder ein Individuum, aber tatsächlich machen sich jeden Tag auf der Erde 6,6 Milliarden Menschen auf den Weg und erledigen immer die gleichen Routinearbeiten.
„Ein probates Mittel gegen den Wahnsinn ist die Empathie: das Ein- und Mitfühlen, die Perspektivenübernahme.“
Wenn Sie nach Feierabend schnell noch was einkaufen gehen, nehmen Sie dann die Kassiererin als Menschen wahr und erkennen Sie ihre Arbeit an? Eher nicht. Sie haben auch gar nicht die Zeit dazu. Genauso geht es Ihrem Chef. Er muss vielerlei Aufgaben koordinieren und kann sich nicht lange mit jedem Mitarbeiter besprechen. Darunter leiden einer Umfrage zufolge 61 % der Mitarbeiter. Diese Zahl macht deutlich, dass das Problem der mangelnden Wertschätzung fast überall besteht. Ein Jobwechsel brächte Sie also vom Regen in die Traufe.
Fehlender Freiraum
Obwohl in der Stellenanzeige ein großer Gestaltungsspielraum versprochen war, bleibt schon nach kurzer Zeit nichts mehr davon übrig. Der eine Vorschlag, den Sie mit großem Elan ausgearbeitet hatten, wurde stark verändert, der andere gar abgelehnt, weil er mit irgendjemandem oder irgendetwas nicht vereinbar war. Übrig bleiben die ewig gleichen Routinetätigkeiten. Das frustriert, ist aber unabdingbar, denn unsere Freiheit endet dort, wo sie die Bereiche anderer berührt. Das gilt natürlich genauso für die anderen. Arbeit ist ein Zwang, denn jeder braucht sie, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wie sehr Arbeit belastet, stellt so mancher besonders nach dem Urlaub fest. Viele Deutsche empfinden ihre Freizeit als viel zu knapp. Den Amerikanern geht es sogar noch schlechter: Während man in Deutschland 28 Urlaubstage hat, kennt man in den USA nur acht. Die Arbeit belastet uns dennoch stark. Rund 40 % der Arbeitnehmer in Europa empfinden ihren Job als zu anstrengend. Sie ahnen also: Ein Jobwechsel wird hier keine Abhilfe schaffen.
Chefs und Kollegen
Der Chef nervt, denn er schränkt Ihre Freiheit ein und halst Ihnen zu viel Arbeit auf. Er kritisiert Sie zu Unrecht und gibt Ihnen nie ein Feedback, geschweige denn ein Lob. Ihre mit Feuereifer entworfenen Verbesserungsvorschläge oder Präsentationen lehnt er ab oder verändert sie bis zur Unkenntlichkeit. Bei Beförderungen werden Sie übergangen. Vermutlich halten Sie Ihren Chef auch für inkompetent und menschlich unangenehm. Damit sind Sie nicht allein: Einer Umfrage zufolge findet lediglich jeder vierte Mitarbeiter seinen Vorgesetzen qualifiziert. Die Unzufriedenheit mit dem Chef liegt zum einen daran, dass er die Arbeitswelt schlechthin verkörpert, zum anderen ist auch er nur ein Mensch mit seinen Launen und Fehlern. Sie können davon ausgehen, dass der nächste Vorgesetzte nicht besser sein wird. Ähnlich verhält es sich mit den nervigen und heuchlerischen Kollegen.
Der psychologische Arbeitsvertrag
Nur wenn Ihre Probleme mit dem Vorgesetzen, den Kollegen, der Frust über das zu niedrige Gehalt oder den eingeengten Gestaltungsspielraum wirklich die berühmte Ausnahme von der Regel darstellen, wird Ihnen ein Jobwechsel helfen. Das wäre z. B. der Fall, wenn Ihr Gehalt objektiv weit unter dem branchenüblichen Lohn liegt. Erkennen Sie Ihre Probleme im Job dagegen genau in den bisher geschilderten Beispielen wieder, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie nach einem Wechsel früher oder später mit den gleichen Dingen zu kämpfen haben werden. Diese Schwierigkeiten existieren losgelöst von Ihrem derzeitigen Job. Sie entstehen aus den sozialen Strukturen des Erwerbslebens und sind tief in der menschlichen Psyche verankert. Wenn Sie nämlich eine Stelle angenommen haben, knüpfen Sie daran bestimmte Erwartungen. Sie wünschen sich Anerkennung, ein höfliches Miteinander und Gestaltungsfreiräume. Ihr Vorgesetzter wiederum wünscht sich von Ihnen gute Leistung, problemlose Eingliederung ins Unternehmen und Denken im Sinne der Firma. Diese Wünsche beider Seiten, die so nicht im Arbeitsvertrag stehen, sind der psychologische Arbeitsvertrag. Für mehr Zufriedenheit im Job gilt es, diesen Vertrag zu erfüllen.
Festgefahrene Verhaltensweisen
Das Leben erscheint einem manchmal als Qual, dauernd fühlt man sich unter Druck gesetzt. Wer den Ärger aus dem Job mit nach Hause nimmt, verdirbt sich mit schlimmen Gedanken über die Gemeinheiten und Ungerechtigkeiten des Tages den Feierabend und fühlt sich dabei hilflos. Diese hässlichen Gedanken, die Sie vermutlich völlig zu Recht in Ihrem Kopf hin und her wälzen, machen alles nur noch schlimmer. Es entsteht ein schrecklicher Kreislauf: das Hamsterrad-Phänomen. Doch anders als ein Hamster können Sie sich wehren. Sagen Sie Stopp! Machen Sie sich an einem ruhigen Ort ein paar Notizen. Betrachten Sie Ihren derzeitigen Job und denken Sie an besonders unangenehme Situationen. Überlegen Sie, ob die eine oder andere Situation sich so ähnlich schon einmal abgespielt hat. Diese Fragen helfen Ihnen, herauszufinden, ob bestimmte Probleme und Verhaltensmuster schon häufiger aufgetreten sind oder sich gar durch Ihr ganzes Leben ziehen. Derart verfestigte Grundmuster können nicht so einfach abgeschüttelt werden. Sie haben sich tief in Ihre Psyche eingegraben.
Flucht vor sich selbst
Sie müssen diese Grundmuster aufbrechen und dürfen nicht mehr vor den unangenehmen Seiten des Arbeitslebens fliehen. Sonst fliehen Sie auch vor sich selbst. Es gilt, das eigene Ich zu erkennen. Nur dann können Sie sich auch selbst respektieren. Dies bedarf eines inneren Wandels. Denn leider wollen Sie Ihr Problem gar nicht lösen! Ihr Unterbewusstsein hält nämlich am Altbewährten fest. Daher muss es vorsichtig überzeugt werden. Schon im Kindergartenalter haben Sie gewiss bemerkt, dass andere besseres Spielzeug haben. Und heute grübeln Sie darüber nach, warum andere mehr verdienen, nettere Kollegen haben oder eine bessere Ehe führen. Der Neid frisst Sie auf. Das Grübeln ermüdet. Hören Sie sofort damit auf! Die Welt ist ungerecht, das ist Fakt. Wer einfach das annimmt, was kommt, lebt viel glücklicher. Die Inder beispielsweise sind einer Studie zufolge glücklicher als die Menschen im Westen, obwohl sie teilweise in bitterer Armut leben. Sie glauben an ein höheres Ziel und fühlen einen inneren Reichtum. Der Rat, die Dinge anzunehmen, bedeutet übrigens nicht, dass Sie ab jetzt alle negativen Gefühle verdrängen sollen. Denn das kann ernsthaft krank machen. Nein, Sie sollten vielmehr ab jetzt Psychohygiene betreiben. Das heißt, Ihre Gefühle ernst nehmen und sie dann an eine höhere Instanz (Himmel, Gott, Schicksal) abgeben.
Was habe ich erreicht?
Im Fernsehen und in Hochglanzbroschüren wimmelt es von Reichen und Schönen. Sie haben tolle Villen, makellose, trainierte Körper oder besitzen sogar eigene Inseln. So ein Leben ist für Normalsterbliche unerreichbar, und das macht viele unglücklich. Schuld sind ihre Gedanken, die unablässig darum kreisen, wie mies es ihnen geht und wie unfair der Chef heute wieder war. Halten Sie inne und machen Sie sich davon frei! Schaffen Sie Raum für kleine Glücksmomente. Akzeptieren Sie Zustände, die Sie sowieso nicht ändern können. Statt zu bedauern, was Sie alles nicht haben, schauen Sie, was Sie bis heute erreicht haben. Sie haben eine Berufsausbildung gemacht und eine Stelle bekommen, um die Sie mit vielen anderen konkurriert haben. Das ist doch was. Oft ist es nämlich so, dass wir die Dinge nicht mehr zu schätzen wissen, sobald wir sie erreicht haben.
Die anderen haben es auch nicht besser
Wir alle sind erstaunlich gut darin, andere zu beurteilen und zu kritisieren. Man vergisst schnell, dass man selber gelegentlich schlecht gelaunt oder müde zur Arbeit kommt, und ärgert sich stattdessen lieber über eine zickige Kollegin. Dieses Verhalten hat seinen Grund: Sie schützen Ihren Selbstwert, indem Sie das Verhalten, das Sie beim Kollegen aufs Schärfste kritisieren, bei sich selbst völlig in Ordnung finden. Man erkennt seine eigenen Fehler bei anderen wieder, und indem man sich über sie aufregt, schadet man sich letztlich selbst. Hören Sie damit auf und versuchen Sie, Ihre Kollegen und Vorgesetzten so zu akzeptieren, wie sie sind! Natürlich ist das nicht einfach.
„Wenn Sie sich verändern, verändern sich die anderen automatisch auch – ähnlich wie bei einer Dominoreihe, deren erster Stein umfällt.“
Wenn Sie sich maßlos über jemanden ärgern, verlassen Sie den Ort des Geschehens, bis es Ihnen besser geht, oder stellen Sie sich zur Not vor, die betreffende Person wieder und wieder zu verprügeln, bis Sie Ihre Wut losgeworden sind. Erst dann ist gewaltfreie Kommunikation möglich. Statt zu streiten, können Sie nun versuchen, sich in Ihr Gegenüber hineinzuversetzen. Sie brauchen nicht alle Menschen zu lieben. Aber Ihr Einfühlungsvermögen hilft Ihnen, zu erkennen, dass es den anderen auch nicht immer rosig geht.
Wie ich dir, so du mir
Viele Leute werden den Eindruck nicht los, dass ihr Chef und die Kollegen sie nicht respektieren. Gleichzeitig sind sie unzufrieden mit ihrem Job, machen sich selbst Vorwürfe und fühlen sich schuldig. Eine solche Einstellung zeigt sich dann im Verhalten, und das merken die Mitmenschen. Wollen Sie also mehr Respekt, müssen Sie nicht die anderen, sondern sich selbst ändern. Dieser Prozess kann langwierig und schmerzhaft sein. Doch Sie können Ihr Unterbewusstsein Schritt für Schritt konditionieren und sich einen größeren Selbstwert schaffen. Seien Sie behutsam und geben Sie sich und Ihren Mitmenschen Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Geben Sie selbst all das, was Sie im Arbeitsleben vermissen: Seien Sie aufmerksam, loben Sie ruhig ab und zu die Kollegen und seien Sie unbedingt authentisch. Bieten Sie Ihrem Vorgesetzten höflich ein Feedback an, wenn Sie Ihre Meinung zu einer Sache äußern wollen. Sie werden sehen, dass sich das Miteinander positiv verändert und der Job Ihnen wieder Spaß macht.