Führen in alle vier Himmelsrichtungen
Führungskräfte des mittleren Managements haben es schwer. Sie befinden sich in einer „Sandwich-Position“ zwischen den Ansprüchen der Vorgesetzten und den Bedürfnissen der Untergebenen. Dazu kommt ein hohes Arbeitspensum, Konkurrenzdruck aus der eigenen Managementebene und der Anspruch, eine ausgewogene Balance zwischen Job, Familie und Freizeit hinzubekommen. Manager, die sich in dieser Situation befinden, müssen „360-Grad-Leadership“ betreiben, d. h. sie weiten ihre Führungsaktivitäten auf vier Ebenen aus: auf sich selbst, auf die ihnen unterstellten Mitarbeiter, auf die Managementkollegen und auf ihren Vorgesetzten bzw. das Topmanagement.
Sich selbst führen
Für Sie als Führungskraft ist Selbstreflexion und Arbeit an der eigenen Persönlichkeit ebenso wichtig wie das Führen von Mitarbeitern. Diese Aspekte sind dabei relevant:
- Integrität: Mitarbeiter vertrauen nur Führungskräften, die sie als integer einschätzen. Ihre Mitarbeiter erkennen sehr schnell, ob Sie zu dem stehen, was Sie sagen. Ihre Taten werden stärker bewertet als Ihre Worte. Fehlverhalten Ihrerseits erkennen die Mitarbeiter sofort. Ihre Integrität wird vor allem von den Werten und Tugenden bestimmt, die Ihnen wichtig sind. Ihr eigenes Wertesystem zu kennen, wie z. B. Tatkraft, Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit, ermöglicht es Ihnen, diese Werte auch zu kommunizieren und danach zu handeln. Das schafft Vertrauen. Um Integrität vorzuleben, sollten Sie gegebene Versprechen unbedingt einhalten, über nicht anwesende Personen nicht schlecht reden, unangenehme Dinge nicht auf Ihre Mitarbeiter abwälzen, sondern selbst erledigen, und Grenzüberschreitungen offen ansprechen.
- Eigene Stärken: Erstaunlicherweise kennen die wenigsten Manager ihre wesentlichen Stärken. Als Stärke gilt die Summe aus Talent, Wissen und Können. Erst wenn Sie Ihre Stärken identifizieren, können Sie sie sinnvoll einsetzen, bessere Ergebnisse erzielen und Ihre Karriere ankurbeln. Die besten Erfolgschancen haben Sie, wenn Sie sich ein Unternehmen bzw. eine Position suchen, die genau zu Ihren Stärken passt.
- Gefühle empfinden: Nur wer Zugang zu seiner Gefühlswelt hat und Emotionen angemessen ausdrücken kann, ist auch in der Lage, sich in die Gefühlswelt anderer hineinzuversetzen. Gefühle im Business sollten daher keineswegs verpönt sein, vielmehr sind sie ein weiteres Element, um erfolgreich zu führen. Wer die Gefühle seiner Mitarbeiter respektiert, beweist Einfühlungsvermögen und Führungsqualität. Damit sind keineswegs unkontrollierte Gefühlsausbrüche gemeint, sondern die Wahrnehmung von und Auseinandersetzung mit den eigenen Emotionen wie Angst, Freude, Ärger und Überraschung.
- Glaubenssätze: Die meisten Menschen werden von Glaubenssätzen gesteuert, die im Unterbewusstsein ihr Denken und Handeln bestimmen und ihren Ursprung oft in der Kindheit haben. Das sind verinnerlichte Aussagen wie: „Ich bin nur wert, geliebt zu werden, wenn ich Leistung erbringe.“ Oder: „Ich muss hart zu mir selbst sein.“ An Ihrem Handeln können Sie Ihre dahinter stehenden Glaubenssätze am besten erkennen – und sie notfalls korrigieren. Denn wer z. B. durch „hart zu sich selbst sein“ gesteuert wird, hat die Tendenz, dies auch seinen Mitarbeitern abzuverlangen – was seine Führungskompetenz nicht gerade fördert.
- Glück: Als Führungskraft sollten Sie diejenigen Tätigkeiten, Momente und Rituale kennen, die Sie Glück empfinden lassen. Das hat viel mit der Geschwindigkeit zu tun, mit der Sie durch das Leben gehen. Oft ist Entschleunigung die erste Maßnahme, um wieder sensibel für Glücksmomente zu werden. Dies ist wichtig, um nicht auszubrennen und um Zufriedenheit erlangen und ausstrahlen zu können. Weder eine Gehaltserhöhung noch mehr Verantwortung oder eine neue Aufgabe können Ihnen langfristig dieses Gefühl der Zufriedenheit geben.
Nach unten führen
Diese Ebene ist die zeitintensivste und diejenige, die man als Erstes mit Führen in Zusammenhang bringt. Sie ist zweifellos vielschichtig, aber zu bewältigen. Darauf kommt es an:
- Den Überblick bewahren: Ständiges Troubleshooting bringt Sie langfristig nicht weiter, so ehrenwert es auch sein mag. Besser für Sie ist es, wenn Sie Ihre Zeit und Aufmerksamkeit auf diese Punkte richten: Verbessern Sie die eigene Arbeitsmethodik. Analysieren Sie die Stärken und Schwächen Ihrer Mitarbeiter und überlegen Sie, wo Sie sie am besten einsetzen. Analysieren Sie die Stärken und Schwächen Ihres Bereichs oder Ihrer Abteilung. Wer stärkenorientiert führt und zudem die Arbeitsabläufe verbessert, hat mehr Zeit für das Wesentliche und steigert Leistung und Zufriedenheit des Teams.
- Prioritäten mit Pareto: Die wenige freie Zeit, die nicht von Chefs, Mitarbeitern und Kunden beansprucht wird, müssen Sie sich exzellent einteilen, um effektiv zu sein. Das Pareto-Prinzip (80/20-Prinzip) hilft Ihnen dabei. Es besagt, dass z. B. 20 % aller Kunden ca. 80 % des Umsatzes ausmachen. Das Prinzip lässt sich auch auf viele andere Bereiche anwenden. Analysieren Sie Ihre Arbeitsweise und Ihre Zahlen daraufhin und investieren Sie konsequent nur in die relevanten 20 %.
- Motivieren: Am besten motivieren Sie Ihre Mitarbeiter, indem Sie ihnen Vertrauen entgegenbringen, gut vorbereitete Gespräche führen und dabei interessiert zuhören, und indem Sie Verantwortung und spannende Aufgaben verteilen. Außerdem gehören Lob und Anerkennung zu den wirksamsten Motivationsrezepten.
Auf gleicher Ebene führen
Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit und Energie, indem Sie gegen Ihre gleichgestellten Kollegen agieren. Schalten Sie auf Kooperation statt auf Konkurrenz und erreichen Sie die besseren Ergebnisse für sich und das Unternehmen. Das müssen Sie tun:
- Intelligent kooperieren: Die Grundfrage im Umgang mit Ihren Managerkollegen sollte lauten: „Wie können wir erreichen, dass wir beide profitieren?“ Diese Win-win-Einstellung gilt es zu erlangen. Das bedeutet, dass Sie zwar Ihre Interessen vertreten, aber zugleich Rücksicht auf die Interessen des anderen nehmen. Durch diese grundsätzliche Geisteshaltung lassen sich häufig bessere und neue Lösungen finden. Zum intelligenten Kooperieren gehört auch, dass Sie lernen, zunächst den anderen zu verstehen, bevor Sie selber verstanden werden können. Zu oft hören wir einfach nicht richtig zu oder stürmen gleich mit der Tür ins Haus.
- Angriffe parieren: Nicht jeder Kollege ist Ihnen wohl gesinnt; manch einer wird Sie sogar verbal attackieren oder auflaufen lassen. Bei persönlichen Angriffen haben Sie mehrere Möglichkeiten der Reaktion: Sie können den unsachlichen und persönlichen Angriff als solchen benennen, damit anderen klar wird, was hier gerade geschieht. Sie können auch einfach, nach einer Kunstpause, mit „Ach, was“ antworten. Das wirkt oft Wunder. Wer hingegen die Grenzen guten Geschmacks überschreitet, von dem sollten Sie direkt eine Entschuldigung einfordern und das Gespräch ggf. abbrechen.
- Einfluss ausüben: In jedem Unternehmen bestehen zwei Arten von Netzwerken, ein Beraternetzwerk und ein Vertrauensnetzwerk. Ersteres zeichnet sich durch fachliches Know-how aus, Letzteres durch eine persönliche Sympathie- und Vertrauensverbindung. Zeichnen Sie das für Sie relevante Berater- und Vertrauensnetzwerk auf, um es gezielt nutzen zu können.
Nach oben Führen
Auch Ihr Vorgesetzter lässt sich führen – vorausgesetzt, Sie wissen, wie. Hier einige Ansatzpunkte:
- Unmögliche Chefs: Wenn Ihr Chef Sie nervt, ist das zwar kein Einzelfall, aber dennoch unangenehm. Unangenehm kann aber auch diese Erkenntnis sein: Derjenige, der das Problem mit dem nervenden Chef hat, sind Sie, nicht er. Sie können ihn nicht ändern, aber Sie können Ihre Einstellung zu Ihrem Chef ändern. Denn Sie sind, ob Sie wollen oder nicht, Teil des Konflikts. Um den Zündstoff aus der Beziehung zu nehmen, können Sie damit beginnen, die Eigenschaften oder Fähigkeiten Ihres Vorgesetzten, die Sie wertschätzen, zu notieren, seine guten Seiten also. Überlegen Sie nun, was Sie konkret tun können, um die Arbeitsbeziehung zu verbessern. Wer weiterhin denkt „Mein Chef ist ein inkompetenter Idiot“, wird das Problem nicht lösen können.
- Sich positiv verankern: Sie denken vielleicht, dass Ihre Vorgesetzten schon wüssten, welchen Job Sie täglich stemmen. Zahlreiche Beispiele belegen das Gegenteil – wie das des langjährigen Krisenreporters, der eines Tages vom Vorgesetzten gefragt wird, was denn eigentlich seine Aufgabe im Unternehmen sei. Damit Ihnen so etwas nicht passiert, sollten Sie Ihre Leistung und die Ihres Teams immer wieder kommunizieren. Und zwar elegant-positiv, nicht marktschreierisch. Denken und argumentieren Sie in der Sprache des Managements. Bei der Vorstellung eines neuen Projekts sollten Sie folgende Fragen beantworten: Was bringt es? Wie schnell geht es? Wie sicher ist es? Vermitteln Sie Ergebnisse oder Einsparungen, nicht Kosten oder Aufwand. Erzählen Sie Ihrem Vorgesetzten von gelösten Problemen. Werfen Sie ihm nicht Probleme vor die Füße und erwarten, dass er sie löst. Wenn Sie im Kollegen- oder Managementkreis von beruflichen Dingen erzählen, legen Sie den Fokus auf die Lösung, nicht darauf, wie schwer und eigentlich unmöglich alles sei. Sie inszenieren sich so als Problemlöser und nicht als Problemträger. Vermitteln Sie einen Eindruck der Leichtigkeit. Das setzt voraus, dass Sie an Ihrer Einstellung, Ihrem Wissen und Können und Ihrem Zeitmanagement arbeiten. Dann gehen Ihnen die Führungsaufgaben auch wirklich leichter von der Hand. Menschen, die Leichtigkeit und Freude vermitteln, sind sympathischer als jene, die immer Mühen und Qualen hervorheben und lamentieren. Und an die Positiven erinnert man sich einfach lieber. So wenig objektiv ist der Mensch nun mal, leider. Nutzen Sie es für sich.
- Den Chef zähmen: Es ist Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Sie Ihr Arbeitsziel kennen. Vorgesetzte nennen dies nämlich häufig nicht explizit. Betreiben Sie vor jedem Projekt eine saubere Auftragsklärung, um Überraschungen zu vermeiden. Wenn Sie Extraaufgaben mit kurzer Frist erhalten, sollten Sie das Aufgabenpaket in Arbeitsschritte, Einzelpakete und den benötigten Zeitbedarf zerteilen und dann erneut mit Ihrem Chef verhandeln. Treffen Sie vorher keine übereilten Pauschalzusagen. Wenn Ihr Chef gerne Entscheidungen herauszögert, machen Sie es ihm leichter: Erstellen Sie eine Entscheidungsmatrix, die Eckdaten, Vor- und Nachteile und vor allem Folgen bei Terminüberschreitung komprimiert auf einem Blatt darstellt. In der Regel erhalten Sie Ihre Entscheidung dann sehr schnell.
„Integer zu sein bedeutet, dass Sie sagen, wofür Sie stehen, und zu dem stehen, was Sie sagen.“
Bei alldem gilt: Kleine, konstante Schritte führen zum Erfolg. Greifen Sie sich aus den vielen Anregungen nur drei heraus und setzen Sie diese in den nächsten Monaten tatsächlich um.