Die Kunst des Einstellungsgesprächs
Einstellungsgespräche zu führen, um den richtigen Bewerber für eine Stelle zu finden, erfordert Geschick und Vorbereitung. Sie müssen darauf vorbereitet sein, die richtigen Fragen in der richtigen Reihenfolge zu stellen. Sie müssen bereits im Voraus wissen, welche Antworten Sie hören möchten und warum Sie sie hören möchten. Sie müssen ausserdem in der Lage sein, die Antworten zu analysieren und auszuwerten. Bestimmte Alarmsignale sollten Sie grundsätzlich gegenüber einem Bewerber misstrauisch stimmen. Dazu zählen u. a. Ungepflegtheit oder unangemessene Kleidung, Zuspätkommen, ausweichende oder vage Antworten, eine negative Haltung oder mangelnder Blickkontakt.
„Einige Interviewer machen sich selbst etwas vor, wenn sie glauben, dass sie durch Improvisation und wenig oder gar keine Vorbereitung eine Stelle erfolgreich besetzen können. Offen gesagt bin ich der Meinung, dass das nicht funktioniert.“
Um gute Bewerber anzuziehen, müssen Sie zunächst eine gute Stellenbeschreibung schaffen. Falls Sie eine hohe Mitarbeiterfluktuation verzeichnen, könnte das daran liegen, dass die Tätigkeit schlecht definiert wurde oder dass die Einzelkomponenten nicht harmonieren. Eine gut konzipierte Stelle muss eine eindeutige Anzahl von Verantwortungsbereichen und eine präzise Zweckbestimmung aufweisen. Achten Sie darauf, dass evtl. „ungenau definierte“ Verantwortungsbereiche nicht verborgene Aufgaben enthalten, die einen qualifizierten Bewerber irritieren könnten. Sie müssen eine gut verständliche, attraktive Stellenanzeige für die Tätigkeit verfassen.
Sortieren Sie die Schwachen aus
Sobald Sie Lebensläufe und Bewerbungsschreiben erhalten, sollten Sie diese zunächst auf die von Ihnen erwarteten grundlegenden Fähigkeiten sowie auf die schriftliche Gewandtheit des Bewerbers überprüfen. Sortieren Sie 50 – 80 % von vornherein aus. Einige der verbleibenden Bewerber haben vielleicht ein perfektes Bewerbungsschreiben verfasst, das genau auf die Stelle passt. Andere verfügen über geeignete Berufserfahrungen. Versehen Sie die Lebensläufe solcher Bewerber in der oberen rechten Ecke mit einem Haken. Markieren Sie alle übrigen Bewerbungen mit einem Kreuz. Wählen Sie anschliessend den Gesprächsstil, den Sie bei den Einstellungsgesprächen einsetzen möchten.
„Machen Sie es zu einer Gewohnheit, gleich zu Beginn eines jeden Bewerbergespräches wunderbar weit gefasste, offene Fragen zu stellen.“
Führungskräfte und viel beschäftigte Unternehmer ziehen vielfach das telefonische Screening vor, das darauf abzielt, eine Vorauswahl der in Frage kommenden Bewerber zu treffen, bevor diese zu persönlichen Gesprächen eingeladen werden. Es handelt sich dabei um kurze, direkte Gespräche, die jedoch u. U. ein zu grosses Gewicht auf kurzfristige Eindrücke legen.
„Eine der ersten Voraussetzungen dafür, die richtige Person für einen Arbeitsplatz einzustellen, besteht darin, dafür zu sorgen, dass es sich um einen Arbeitsplatz handelt und nicht um eine Vielzahl von unzusammenhängenden Einzelaufgaben, die selbst das Fähigkeitsspektrum von Michelangelo in Frage stellen würden.“
Achten Sie bei Telefongesprächen auf Antworten und Aussagen, die auf Selbstvertrauen, Enthusiasmus, Zuverlässigkeit und Berufserfahrung schliessen lassen. Notieren Sie die Antworten und schreiben Sie Ihren Eindruck sofort im Anschluss an das Gespräch auf. Beenden Sie das Gespräch, ohne einen Termin für ein persönliches Treffen zu vereinbaren.
„Wenn Sie während der Gesprächspausen stumm bleiben, ist das der effektivste Weg, den Bewerber dazu zu bringen, einfach weiterzureden – und genau das erwarten Sie von ihm.“
Das so genannte persönliche Screening wird oft von einem Mitarbeiter der Personalabteilung durchgeführt, der eine Vorauswahl der besten Bewerber trifft, die anschliessend zu einem Vorstellungsgespräch mit dem Manager eingeladen werden. Das persönliche Screening ist eine gute Lösung, um die geeignetsten Bewerber herauszufiltern. Oftmals mangelt es den zuständigen Personalarbeitern jedoch an direkten, aktiven Erfahrungen und Kenntnissen hinsichtlich der tagtäglichen Anforderungen der jeweiligen Tätigkeit.
Vorbereitung der Fragen
Bereiten Sie im Vorfeld des Einstellungsgesprächs vier Arten von Fragen vor:
- Auflockernde Fragen, die eine persönliche Verbindung herstellen und dazu beitragen, dass sich der Bewerber entspannt.
- Offene Fragen, die dem Bewerber die Möglichkeit geben, zu erläutern, was er kann.
- Forschende Fragen, die sich auf spezielle Fähigkeiten konzentrieren.
- „Fragen, die keine Fragen sind“, und die dem Bewerber zunächst durch vorsichtige, klare Anweisungen die Befangenheit nehmen, gefolgt von gezielten Fragen. Bitten Sie den Bewerber beispielsweise, kurz über eine Begebenheit in der Vergangenheit nachzudenken, die seine berufliche Laufbahn geprägt hat, und fordern Sie ihn dann auf, Ihnen davon zu erzählen.
Einführung in das Führen von Einstellungsgesprächen
Persönliche Einstellungsgespräche können unterschiedliche Formen annehmen. In einem Verhaltensgespräch konzentrieren Sie sich auf vergangene Erfahrungen und Sie erhalten Auskunft darüber, wie sich der Bewerber in der Vergangenheit verhalten hat. In einem Teamgespräch wird der Bewerber von mehr als einer Person befragt. Die Gruppe kann dabei den Bewerber gleichzeitig oder einer nach dem anderen befragen.
„Schätzungen zufolge können 93 % dessen, was eine Person tatsächlich beeinflusst, auf Faktoren zurückgeführt werden, die nicht mit den wörtlichen Aussagen, die sie hört, zusammenhängen. Daraus folgt, dass die Worte, die ein Bewerber zur Beantwortung Ihrer Fragen verwendet, nur einen geringen Teil des Gesamtbildes, das Sie von ihm erhalten, ausmachen.“
Sorgen Sie dafür, dass nach dem Gespräch mit dem Bewerber eine Diskussion in der Gruppe geführt werden kann. Ein Situationsgespräch besteht darin, hypothetische Fragen zu stellen, um herauszufinden, wie sich der Bewerber in bestimmten Situationen verhält. Ein Stressgespräch setzt den Bewerber unter Druck, um zu prüfen, wie er darauf reagiert. Diese Gesprächsform eignet sich für stressintensive Tätigkeiten, bei denen der Mitarbeiter hohem Druck oder schwierigen Arbeitssituationen ausgesetzt ist. In einem solchen Gespräch können die gestellten Fragen beispielsweise gezielt provozierend oder unhöflich sein.
„Die harte Wahrheit ist, dass eine Menge Arbeit vor und während des Einstellungsgespräches erforderlich ist, um die richtige Person einzustellen. Es geht dabei nicht nur darum, die richtigen Fragen während des Gesprächs zu stellen, es muss auch eine gewisse Vorbereitungszeit vor dem Gespräch eingeplant werden.“
Achten Sie auf die richtige Körpersprache, einen festen Händedruck, ein Lächeln, Blickkontakt und auf gute soziale Fähigkeiten. Der Bewerber sollte einen selbstbewussten, sicheren und kompetenten Gesamteindruck vermitteln. Er sollte klar und deutlich und mit sicherer Stimme sprechen. Die Antworten sollten schlüssig sein. Achten Sie darauf, ob der Bewerber sich die Zeit nimmt, über komplexere Fragen nachzudenken, und ob er u. U. um genauere Erklärungen solcher Fragen bittet.
„Ziel eines Einstellungsgesprächs ist, den Bewerber dazu zu bringen, zu reden, reden und nochmals zu reden.“
Bei Gesprächen mit Bewerbern, die gerade die Ausbildung abgeschlossen haben, sollten Sie das Gewicht auf die persönliche Reife der Person legen. Fragen Sie nach ausserschulischen Aktivitäten und suchen Sie nach solchen, die in Bezug zur betreffenden Stelle stehen. Seien Sie vorsichtig bei Bewerbern, die zwar eine grosse Anzahl von ausserschulischen Aktivitäten, jedoch schlechte Zeugnisse aufweisen oder deren Aktivitäten eine gewisse Sprunghaftigkeit vermuten lassen. Fragen Sie den Bewerber, warum er sich für bestimmte Haupt- oder Nebenfächer entschieden hat. Stellen Sie Fragen zu schlechten Zensuren – wobei ein geeigneter Bewerber keine solchen aufweisen wird.
„Setzen Sie es sich zum Ziel, keine Bewerber einzustellen, die (insgeheim) vorhaben, nur so lange bei Ihnen zu bleiben, bis sich eine bessere Gelegenheit auftut.“
Bei Gesprächen mit Bewerbern, die bereits über Berufserfahrung verfügen, sollten Sie diese nach ihren letzten drei Arbeitsplätzen fragen. Achten Sie darauf, ob eine klare Tendenz nach oben besteht. Bei Widersprüchlichkeiten mit dem Lebenslauf, Beschwerden über ehemalige Vorgesetzte oder Mitarbeiter, Zurückstufungen oder Abteilungswechseln sollten bei Ihnen die Alarmsignale aufleuchten.
Vertiefende Fragen
Fragen Sie nach besonderen Leistungen und Rückschlägen. Prüfen Sie, ob der Bewerber für eventuelle Rückschläge allein verantwortlich war oder ob er diese vielleicht erfolgreich gelöst hat. Besitzt der Bewerber Führungsqualitäten? Suchen Sie nach Bewerbern, die bereits früher eine ähnliche Anzahl von Mitarbeitern geführt haben wie in der entsprechenden Abteilung. Fragen Sie unermüdlich nach. Fragen Sie z. B.: „Wie gehen Sie wichtige Entscheidungen an?“ Ein Bewerber, der gut vorbereitet ist, wird sich bereits über Ihre Unternehmenskultur informiert haben und die Antwort entsprechend formulieren. Sie können auch fragen: „Wer sind Ihrer Meinung nach unsere (zwei, drei oder fünf) grössten Konkurrenten?“ Achten Sie auf Bewerber, die sich eingehend auf das Gespräch vorbereitet haben. Stellen Sie offene Fragen. Achten Sie auf gezielte Antworten auf gezielte Fragen. Fragen Sie nach den Fähigkeiten, die ein Bewerber weiterentwickeln möchte, oder finden Sie heraus, welche Kritik er in der Vergangenheit von seinen Vorgesetzten erhalten hat.
„Hüten Sie sich vor Bewerbern, die sich grundsätzlich auf negative Aspekte konzentrieren oder darauf bedacht sind, die Schuld auf Kollegen, Familienmitglieder oder Vorgesetzte abzuwälzen.“
Falls Sie eine Führungskraft einstellen, sollten Sie sie über ihre Erfahrungen im Umgang mit problematischen Abteilungen bzw. Unternehmen oder der Schaffung einer Unternehmenskultur sowie zu ihren allgemeinen Zielen und Vorhaben befragen. Wie hält sich der Bewerber „auf dem Laufenden“? Wie geht er mit Mitarbeitern um, die zu einem Problem geworden sind?
Erzählen Sie einmal etwas über Ihren derzeitigen Arbeitsplatz ...
Sie sollten mit dem Bewerber über dessen derzeitige Stelle sprechen. Befragen Sie ihn zu seinen Aussichten, die er hätte, wenn er dort bliebe. Erwartet er eine Beförderung? Seien Sie auf der Hut bei Bewerben, die direkt dazu übergehen, sich zu beschweren, und eine negative Haltung annehmen. Ein cleverer Bewerber wird seine Unzufriedenheit sehr vorsichtig ausdrücken und sich eher auf den Wunsch konzentrieren, durch die von Ihrem Unternehmen angebotene Stelle mehr Verantwortung und Möglichkeiten zu erhalten und seine Kenntnisse zu vertiefen.
Haben Sie Fragen an mich?
Wenn Sie den Bewerber fragen, ob er Fragen hat, sollte er schlüssige, klare und intelligente Fragen stellen – in jedem Falle aber sollte er etwas fragen. Seien Sie auf die gezielten Fragen vorbereitet, die Ihnen gestellt werden. Dabei kann es sich um Fragen zu den Produkten und Dienstleistungen Ihres Unternehmens, zu Schlüsselmärkten, Marktanteil, Zukunftsplänen, Wachstumsaussichten, Eigentumsstrukturen, Aus- und Weiterbildungsprogrammen, Konkurrenten, Zielen und Einstellungskriterien handeln. Ebenso können Fragen zur betreffenden Abteilung gestellt werden, beispielsweise zu deren Organisationsstrukturen, der Anzahl der Mitarbeiter, den Problemen und Zielen der Abteilung.
„Achten Sie darauf, dass ein Bewerbungsgespräch nicht zu einem Verkaufsgespräch verkommt. Der Bewerber sollte den Grossteil des Gesprächs übernehmen – und sich selbst verkaufen -, während Sie sich zurücklehnen und entscheiden sollten, ob Sie bereit sind, ihm das Gesagte abzukaufen.“
Der Bewerber stellt evtl. auch Fragen zur Tätigkeit, beispielsweise zur Dauer der Ausbildung, zur Zahl der ihm unterstellten Mitarbeiter oder zu den Gründen, weshalb die Stelle frei wurde. Er wird eine genauere Beschreibung der Tätigkeit verlangen oder Sie bitten, einen typischen Tagesablauf bei dieser Tätigkeit widerzugeben sowie das Arbeitsumfeld oder die Mitarbeiter etc. zu beschreiben. Unter Umständen bittet er Sie, ihm das Büro zu zeigen, oder er möchte der Person vorgestellt werden, die diese Stelle als letzte innehatte. Achten Sie darauf, ob die gestellten Fragen zeigen, dass sich der Bewerber gut vorbereitet hat.
Beiläufige Fragen und rechtliche Fallen
Abschliessend können Sie noch einige beiläufige Fragen stellen. Im Grunde gibt es so etwas wie beiläufige Fragen nicht, da jede gestellte Frage wertvolle Informationen aufdecken kann. Fragen zur Gesundheit oder zu den sportlichen Aktivitäten des Bewerbers können Aufschluss darüber geben, welches Risiko Sie eingehen.
„Indem Sie ein und dieselbe Frage drei- oder viermal unterschiedlich formulieren, können Sie herausfinden, ob sich der Bewerber in Widersprüchen verstrickt.“
Fragen zu seinen Hobbys können Aufschluss über seinen Charakter geben. Seien Sie vorsichtig bei Bewerbern, die kontroverse oder gefährliche Hobbys nennen (ein cleverer Bewerber wird diese für sich behalten). Hüten Sie sich auch vor Bewerbern, die keinerlei Hobbys angeben. Stellen Sie Fragen zu Reisen oder zur Bereitschaft hinsichtlich einer Versetzung, falls dies für die Stelle von Bedeutung ist.