Nietzsche für Manager

Buch Nietzsche für Manager

Mit Mut zum Erfolg

Campus,


Rezension

Friedrich Nietzsche glaubte, dass sich die Geschichte immer wiederholt. Den Beleg für diese „ewige Wiederkehr des Gleichen“ liefert der Philoso­phieken­ner und Un­ternehmens­ber­ater Andreas Drosdek in seinem Buch: Was Nietzsche vor über hundert Jahren zu Themen wie Risikobere­itschaft oder Motivation gesagt hat, können die Fachkundi­gen heute nur bestätigen. Natürlich ist etwas Überset­zungsar­beit nötig, aber die leistet Drosdek mühelos. Es gelingt ihm bestens, Nietzsches Gedanken leicht verständlich zu präsentieren. Den Dichter und Privatmann Nietzsche beleuchtet er nur am Rande und konzen­tri­ert sich stattdessen ganz auf die philosophis­chen Inhalte. Diese wiederum diskutiert er kritisch und ohne falschen Respekt – also ganz im Sinne des um­strit­te­nen Denkers. Das Ergebnis ist ebenso informativ wie prax­is­be­zo­gen, auch wenn nicht jede Erkenntnis bahn­brechend ist und man sich die eine oder andere Wieder­hol­ung hätte sparen können. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Un­ternehmern und Managern, die Freude an her­aus­fordern­den Denkansätzen haben.

Take-aways

  • Nietzsche sah viele Her­aus­forderun­gen einer glob­al­isierten Welt voraus.
  • Chaotische Zustände sind für ihn eine Vo­raus­set­zung für her­aus­ra­gende Leistungen.
  • Altes zu übernehmen, ohne es zu hin­ter­fra­gen, kann gefährlich sein. Neues entsteht nur, wenn man die Ver­gan­gen­heit überwindet.
  • Der Mensch soll sich bloß als Zwis­ch­ene­tappe in seinem persönlichen En­twick­lung­sprozess begreifen.
  • Jeder Entschluss schließt einen anderen aus. Entschei­dun­gen lassen sich deshalb nicht einfach in Richtig und Falsch einteilen.
  • Macht­struk­turen sind nur dann legitim, wenn sie die Weit­er­en­twick­lung nicht unterdrücken.
  • Eine Elite ist nötig, aber ihre Stellung muss ausschließlich auf Leistung beruhen.
  • Mentale Unabhängigkeit ist zwingend, um Risiken eingehen zu können.
  • Nur wer es schafft, sich selbst zu ver­wirk­lichen, kann andere ohne Aggressivität führen.
  • Jasager und Anpasser bringen niemanden weiter. Auch nicht den Chef.
 

Zusammenfassung

Nietzsche – ein Man­age­ment­denker

Haben Philosophen früherer Epochen irgendetwas zur wirtschaftlichen Situation des 21. Jahrhun­derts zu sagen? Zunächst mag das unsinnig erscheinen. Bei näherem Hinsehen eröffnen ver­meintlich antiquierte Denker jedoch oft tiefe Einsichten in den Man­age­men­tall­tag, wie wir ihn kennen. Das gilt für Friedrich Nietzsche ganz besonders. Wer sich mit dem deutschen Philosophen au­seinan­der­setzt, erkennt schnell, dass Nietzsche seiner Zeit oft weit voraus war und viele En­twick­lun­gen vorwegnahm, mit denen wir uns heute kon­fron­tiert sehen. So erkannte er schon im 19. Jahrhundert die Bedeutung des Selb­st­man­age­ments: Erfolg hängt nie allein vom Talent ab, sagt Nietzsche. Vielmehr kann jeder Mensch sein Potenzial nur durch kon­tinuier­liche Au­seinan­der­set­zung mit der eigenen Person entfalten. Vo­raus­set­zung dafür ist vor allem der Mut, sich den täglichen Her­aus­forderun­gen zu stellen, und die Bere­itschaft, sich überhaupt weit­er­en­twick­eln zu wollen.

Globale Her­aus­forderun­gen

Die Wirtschaftswelt ist tief greifenden Veränderungen unterworfen. Nicht nur die aktuelle Finanzkrise verlangt, dass das altbewährte System der Mark­twirtschaft überdacht wird. Auch die wirtschaftliche Macht verschiebt sich schneller als zuvor. Zunehmend treten Unternehmen aus Russland, China, Indien oder Brasilien als ernst zu nehmende Global Player auf. Langjährige Wet­tbe­werb­svorteile werden durch die globale Konkurrenz infrage gestellt. Der weltweite Anstieg des Lebens­stan­dards forciert den Kampf um Ressourcen. Und moderne Kom­mu­nika­tion­s­mit­tel, allen voran das Internet, beschle­u­ni­gen die täglichen Prozesse enorm. Nichts ist mehr von langer Dauer.

„Nietzsche war ein scharf­sin­niger Men­schenken­ner, und er konnte bereits aus den Ansätzen seiner Zeit ablesen, dass die Machtbe­stre­bun­gen der un­ter­schiedlichen Nationen und Denkrich­tun­gen in der Zukunft un­weiger­lich eine globale Dimension annehmen würden.“

Manager und Wirtschafts­bosse stehen unter erhöhtem Druck. Die Anforderung, einerseits Profit zu er­wirtschaften und an­der­er­seits globale Ve­r­ant­wor­tung zu tragen, macht den Un­ternehmen­sall­tag komplexer. Nietzsche hat viel von dieser Entwicklung vo­raus­ge­se­hen – schon gegen Ende des 19. Jahrhun­derts. So war er sich sicher, dass ein westeuropäisches Bündnis entstehen und die Wirtschaft der Motor der Glob­al­isierung sein würde. Dem Kampf um natürliche und menschliche Ressourcen maß er in dieser Hinsicht zentrale Bedeutung bei. „Die Zeit für kleine Politik ist vorbei“, erkannte er. Schon im nächsten Jahrhundert werde es „um die Erd­herrschaft“ gehen.

Chaos­man­age­ment

Nietzsche begrüßte chaotische Zustände nicht nur, sie waren für ihn geradezu eine Vo­raus­set­zung, um her­aus­ra­gende Leistungen erbringen, neue Strukturen entwickeln und sich mit Freude Her­aus­forderun­gen stellen zu können. Eindeutig „richtige“ Entschei­dun­gen gibt es nicht mehr, das war ihm klar. Man kann etwas durchaus zugleich richtig und falsch machen – je nach Sichtweise. Solche Widersprüche sind für Nietzsche ein wesentlicher Bestandteil des Lebens und liefern erst den Samen der Kreativität. Ein prominentes Beispiel eines fruchtbaren Paradoxons ist China: Trotz seiner kom­mu­nis­tis­chen Staatsstruk­tur gelingt es dem Land ein­drucksvoll, die eigene Wirtschaft kap­i­tal­is­tisch auszurichten.

„Überlegen­heit entsteht laut Nietzsche nur aus einer überragenden persönlichen Leistung.“

Besonders weit­blick­end war Nietzsche in seinem Aufruf zu mehr Selbstständigkeit im Denken und Handeln. Die Betonung der Eigen­ver­ant­wor­tung gehört zu den wesentlichen Merkmalen der heutigen Busi­ness­welt. Für Nietzsche folgen die Menschen letztlich nur zwei bedeutenden Hand­lungsim­pulsen: Sie wollen sich selbst ver­wirk­lichen, und sie haben das Bedürfnis, her­aus­ra­gende Persönlichkeiten bei ihrer Entwicklung zu unterstützen. Manche neigen stärker zum ersten Impuls, manche eher zum zweiten. Daraus ergibt sich eine Hierarchie: Wer selbst viel leistet, erwirbt sich damit auch das Recht, andere zu führen.

Ständiges Hin­ter­fra­gen

Sind Manager nicht schon zu narzis­stisch und egoistisch, um ihnen auch noch mit Nietzsche zu kommen? Tatsächlich begegnet man dem radikalen Philosophen heute oft mit Vorurteilen. Das mag daran liegen, dass in der Öffentlichkeit meist nur die extremsten Gedanken des Philosophen diskutiert werden. Ihm wird Nihilismus und eine alles verneinende Haltung unterstellt. Seine Schriften belegen jedoch etwas anderes: Nietzsche lehnt vor allem das ab, was bislang un­hin­ter­fragt übernommen wurde – um dann auf den Trümmern der alten Überzeu­gun­gen Neues entstehen zu lassen. Traditionen und al­therge­brachte Vorstel­lun­gen will er genauso überwinden wie scheinbar unerschütterliche Werte. Dies darum, weil geistige und moralische Weit­er­en­twick­lung in seinen Augen nur möglich ist, wenn man sich einen offenen Blick für die aktuellen Her­aus­forderun­gen bewahrt. Die Dinge ändern sich laufend, also können auch die Antworten nicht dieselben bleiben. Diese kann jeder nur für sich selbst finden. Wahrheit ist für Nietzsche nichts Objektives, sondern hängt von der subjektiven Wahrnehmung des Einzelnen ab.

Wider das Mitläufer- und Anpassertum

Was Nietzsches Schriften wie ein roter Faden durchzieht, ist sein extremer In­di­vid­u­al­is­mus. Mitläufer und Anpasser sind für ihn „Her­den­men­schen“ und das Hindernis jeder bedeutenden Entwicklung – egal, ob es sich um die Entwicklung einer einzelnen Persönlichkeit oder einer Gruppe handelt. Aus diesem Streben nach un­be­hin­derter Entfaltung hat Nietzsche das Konzept des Übermenschen entworfen, womit er sich starker Kritik aussetzte. Was er damit aber vor allem zum Ausdruck bringen wollte, ist, dass der Mensch sich selbst nicht als Endstufe der Evolution, sondern als Zwis­ch­ene­tappe in seinem persönlichen En­twick­lung­sprozess begreifen soll.

„Der Manager muss sich mit Paradoxien au­seinan­der­set­zen und muss seinen eigenen Weg durch dieses Gestrüpp aus widersprüchlichen An­forderun­gen, Werten und Prioritäten finden.“

Ebenfalls umstritten ist Nietzsches Ansicht, dass sich die Geschichte ständig wiederhole, wie man anhand der im­mer­gle­ichen Konflikte sehen könne. Daraus folgert er, dass die Förderung der wenigen her­aus­ra­gen­den Persönlichkeiten, die eine Zeit kenne, oberste Priorität haben müsse. Diese Persönlichkeiten seien das eigentliche Produkt der Geschichte – nicht eine andere, bessere Zukunft.

„Ein stures Festhalten an alten Grundsätzen, selbst wenn sich für diese keine sinnvollen Begründungen in der Gegenwart finden lassen, war für Nietzsche im besten Fall ein Zeichen von Schwäche.“

Nietzsche sprach sich damit für eine Elite aus – aber für eine Elite, die ihre führende Stellung ausschließlich ihrer Leistung und nicht Macht­spie­len verdankt. Überhaupt fordert er dazu auf, Macht­struk­turen radikal zu hin­ter­fra­gen. Dort, wo sie nicht die Weit­er­en­twick­lung der Menschen fördern, sondern diese nur ausbeuten würden, seien sie abzuschaf­fen. Wahre Macht liegt für Nietzsche im Willen zur Selb­stver­ant­wor­tung und im Streben nach höheren Potenzialen. Das dient durchaus auch der Gemein­schaft: Erst der Respekt vor sich selbst ermöglicht das Zugehen auf andere Menschen und eine Zusam­me­nar­beit, die nicht von Egoismus geprägt ist.

Offenheit und Ex­per­i­men­tier­freude

Nietzsche erkannte schon früh, dass die Glob­al­isierung das Zusam­men­leben ganz neu ordnet. Nichts ist mehr sicher. Die weltweiten Märkte, die Techniken und das Wissen ändern sich so rasant, dass es für tra­di­tionelle Wet­tbe­werb­svorteile, für Un­ternehmensmod­elle und damit für Arbeitsplätze keine Garantie mehr gibt. Selbst die beste Ausbildung sichert heute nicht mehr automatisch eine Karriere im Management.

„Für die Masse der Menschen gibt es kein Ende der primitiven Konflikte zwischen Ideologien oder Religionen.“

In diesem tief greifenden Wandel besitzt jeder Mensch die Entschei­dungs­frei­heit, entweder die al­t­bekan­nten Strukturen und Gewohn­heiten zu bewahren oder sich mutig der Her­aus­forderung einer neuen, unbekannten Zukunft zu stellen. Letzteres setzt allerdings voraus, dass man jeder Situation völlig offen und unbelastet sowie mit spielerischer Ex­per­i­men­tier­freude begegnet. Nietzsche vergleicht diese Haltung mit dem un­schuldigen Blick eines Kindes, das das Leben erforschen möchte.

Mut: die Man­age­ment-Tu­gend schlechthin

Unter Mut versteht Nietzsche ein Bündel von sieben Eigen­schaften. Als wichtigste betrachtet er die bereits erwähnte Selb­stver­ant­wor­tung. Unter dem Begriff Selb­st­man­age­ment taucht dieser Aspekt heute häufig in der Wirtschaft auf. Für Nietzsche bedeutet Selb­stver­ant­wor­tung den Willen, her­auszufinden, welches Potenzial in einem steckt, und dieses gegen alle möglichen Widerstände zum Ausdruck zu bringen. Wer sich darauf einlässt, erlangt nicht nur Zufrieden­heit im Alltag, sondern kann auch andere Menschen ohne Aggressivität führen. Manager würden sich dann z. B. nicht in heuch­lerischen Gebaren verlieren, sondern sich auf das konzen­tri­eren, was den Erfolg ihrer Arbeit ausmacht: exzellente Leistungen.

„Der Mensch neigt dazu, die Gegenwart zu unterschätzen.“

Um Selb­stver­ant­wor­tung leben zu können, ist ein entsprechen­des Ar­beit­sum­feld notwendig. Dazu gehören etwa die Möglichkeit des freien Denkens, das Zulassen von Fehlern oder die Gelegenheit, sich der persönlichen Entfaltung zu widmen. Auf die Fähigkeit zur mentalen Unabhängigkeit legt Nietzsche besonders viel Gewicht. Weit­er­en­twick­lung und das unerlässliche Eingehen von Risiken sind für ihn nur vor dem Hintergrund dieser Freiheit möglich.

„Nur wer Macht hat, weil er der Stärkere ist, hat wirklich Macht.“

Der zweite Aspekt von Nietzsches Mut-Verständnis ist das Vertrauen in die Intuition. Er geht davon aus, dass die Welt, die die Menschen erleben, nicht auf Fakten basiert. Realität ist für ihn vor allem eine subjektive In­ter­pre­ta­tion der gegebenen Situationen. Die Wirk­lichkeit lässt sich aus seiner Sicht weder logisch erklären noch durch Wert­ede­f­i­n­i­tio­nen schaffen. Realität können die Menschen nur über die Wahrnehmung der eigenen Gefühle und das Vertrauen in die persönliche Erfahrung erkennen. Für das moderne Management ergibt sich daraus die Auf­forderung, eine Un­ternehmen­skul­tur zu etablieren, in der alle Formen der men­schlichen Wahrnehmung, nicht nur die rationale, gefördert werden.

Leis­tungs­bere­itschaft und Kritikfähigkeit

Die nächsten beiden Be­standteile des Mutes bedingen einander gegenseitig: das Bekenntnis zur Leistung und die Akzeptanz von Eliten. Nietzsche ist ein aus­ge­sproch­ener Verfechter von Anstrengung und unermüdlichem Arbeiten. Dabei geht es ihm nicht einfach darum, beschäftigt zu sein. Das Streben nach Leistung ist für ihn vielmehr die einzige Möglichkeit des Menschen, sich aus seiner Neigung zur Trägheit zu lösen und brach­liegen­des Potenzial auszuschöpfen. Daher legt Nietzsche viel Wert auf geistige Arbeit, die eine Au­seinan­der­set­zung mit den eigenen Fähigkeiten ermöglicht.

„Wer Missstände zumindest innerlich anerkennt und sich dann dazu entschließt, sie zu bekämpfen und zu überwinden, der braucht Mut.“

Auch die drei letzten Facetten von Nietzsches Mut-Begriff haben ihre Entsprechun­gen im heutigen Man­age­men­tall­tag. Es sind der kühne Entwurf radikaler Visionen, das Bekenntnis zu einer auf die Entfaltung von Potenzialen aus­gerichteten Führung und der Wille zur Macht über sich selbst. Manager, die wirklich Neues schaffen wollen, also ihre bisherigen Sichtweisen auf den Prüfstand stellen und wenn nötig verwerfen, werden keine bloßen Jasager und Lakaien heranziehen. Sie werden Mitarbeiter fördern, die kritisch denken und die ihr Augenmerk ebenfalls auf noch unerreichte Ziele richten. Solche Manager wenden sich in ihrer Macht nicht gegen andere, sondern nutzen sie für sich selbst. Sie haben keine Angst, dass jemand besser sein könnte, denn sie haben sich dem bestmöglichen Ergebnis ihres Un­ternehmens ver­schrieben.

Über den Autor

Dr. Andreas Drosdek ist freier Journalist, Un­ternehmens­ber­ater und Experte für die Verbindung von Philosophie und Management. Er hat mehrere Bücher zum Thema geschrieben, darunter Hagakure für Führungskräfte.