Die Bedeutung von Vertrieb und Verkauf wird sich ändern
Vertrieb und Verkauf werden in Zukunft immer weniger eine eigenständige Einheit innerhalb des Marketing bilden. Denn häufig sind die Prozesse, die innerhalb des Vertriebs ablaufen, eine Black Box: Persönliche Erfahrung und charakterbezogene Qualifikationen der Vertriebsmitarbeiter werden als die wesentlichen Erfolgsfaktoren betrachtet, und es ist bisher nicht gelungen, den Verkaufsprozess zu analysieren und ihn mit den anderen Marketing-Tools zu verknüpfen. Die individuellen Kundenkontakte entziehen sich weitgehend einer Standardisierung. Ihre Unterschiede zu den sonstigen Werbemitteln, Dokumentationen oder gar den Produkten sind oft unerwartet gross. Um diesen Zustand zu verbessern, müssen Sie Ihren Verkauf und Vertrieb mit Ihren Unternehmens- und Marketingstrategien verknüpfen.
„Vertrieb und Verkauf müssen in Zukunft ihre Aufgabe in der Wertschöpfung für Kunden kritisch prüfen.“
Viele Unternehmen befinden sich bereits im Wandel. Mercuri International hat eine Studie zu den Trends im Vertrieb und Verkauf vorgelegt. Das Ergebnis: Die Rolle des Verkaufs wird wichtiger. Jedoch sind zahlreiche Geschäftsführer und Marketingmanager der befragten Unternehmen der Ansicht, dass die Bedeutung des persönlichen Verkaufs sinken wird. Das Verkaufspersonal in den Unternehmen wird demnach in Zukunft selektiver eingesetzt werden. Da die Bedeutung des Verkaufs generell zunehmen wird und die Rolle des persönlichen Verkaufs abnimmt, ist damit zu rechnen, dass ausserdem weitere Personenkreise in die Vertriebsarbeit eingebunden werden. Ausserdem wird die Informatik den Vertrieb verändern.
Wodurch entsteht Ihr Verkaufserfolg?
Ihr Verkaufserfolg verbirgt sich in der Analyse der Verkaufsprozesse. Anhand dieser Ergebnisse können Sie objektive Kriterien entwickeln, die die Effizienz und Effektivität des Verkaufs erhöhen.
„Es gilt, die steigenden Erwartungen des Kunden in relevanten Bereichen zu übertreffen.“
Ein Beispiel: Leiten Sie den Marketingmix aus den einzelnen Prozessschritten ab. Welche Massnahmen dienen der Unterstützung der Förderung von Erstkontakten zum Kunden? Welche dem vertiefenden Zweitgespräch, der Kundenüberzeugung und dem Angebot? In der bisherigen Praxis findet sich jedoch oft das Gegenteil: Die Marketingaktionen bilden den Rahmen, in den sich die Verkäufer einfügen müssen - manchmal leider mehr schlecht als recht.
„Abschied von dem ‚Black-Box’-Vertrieb: Unternehmen entwickeln die Fähigkeiten und Leistungen im Vertrieb in Zukunft systematischer und überlassen sie nicht Individualisten im Verkauf.“
In Verbindung mit dem Verkaufsprozess und auf diesen abgestimmt müssen Sie auch die Vertriebsstrategie, die Vertriebsstrukturen, unterstützende und steuernde Systeme (Kundendaten, Karrieresysteme etc.), den Führungsstil und Ihr Wissen über die Kunden entwickeln. Wenn Sie all diese Faktoren mit den unterschiedlichen Vertriebsprozessen abstimmen, sind Sie in der Lage, viele Unternehmensbereiche auf die Anforderungen des Verkaufs auszurichten. So schaffen Sie ein marketing- und letztlich kundenorientiertes Unternehmen. Dies ist nötiger denn je, denn die Anforderungen der Kunden und die Kunden selbst verändern sich. Zur Zukunft des Vertriebs und der Kundenbeziehungen gelten folgende Thesen und Szenarien:
„Viel stärker als in der Vergangenheit werden die Unternehmen ihr Geschäft mit Key Performance Indikatoren führen - auch im Vertrieb.“
Neue Kunden mit neuen Bedürfnissen
- Der Kunde im B2B-Geschäft hat heute komplexere Bedürfnisse und eine zunehmende Macht gegenüber dem Lieferanten.
- Er wählt aus einer zunehmenden Vielfalt von Produkten und Einkaufsformen.
- Er sucht nach Problemlösungen anstatt nach Produkten.
- Er will nicht mit den Koordinationsproblemen des Anbieters konfrontiert werden.
- Er sucht strategische Partnerschaften mit den Lieferanten.
- Er will international einheitlich, gleichzeitig aber differenziert betreut werden.
- Er verlangt vom Lieferanten, sich in seine eigene Infrastruktur zu integrieren.
„Das Motto lautet: You only can manage what you can measure.“
Beispiel: Die gegenwärtigen Kundenbeziehungen der Automobil-Zulieferindustrie stehen exemplarisch für ein erfolgreiches Eingehen auf diese Anforderungen. So gelingt es der deutschen Zulieferindustrie zunehmend, zusammen mit ihren Kunden Gesamtlösungen zu entwickeln, statt isolierte Einzelkomponenten zu fertigen, und ihre Produkte den strategischen Zielen ihrer Kunden anzupassen.
„Performance Measurement im Vertrieb darf nicht zu einem neuen Taylorismus führen. Vielmehr sollte man versuchen, die ‚Geheimnisse’ des Verkaufs situationsbezogen im Team zu analysieren.“
Wovon hängt in Zukunft der Erfolg des Vertriebs ab?
- Vertrieb und Verkauf sind unternehmerische Kernkompetenzen.
- Die Verkaufsprozesse werden systematisiert - nicht zuletzt durch informatikgestützte Prozessorientierung.
- Die Vertriebsleistung wird zukünftig stärker in die Unternehmens- und Marketingleistung integriert.
- Preise werden international harmonisiert.
- Die Arbeitsteilung von Zentrale und Niederlassungen löst sich auf.
- Die Unternehmen werden transnational.
„Verkaufen ist immer weniger die ausschliessliche Aufgabe des Aussendienstes. Der Topmanager wird ebenso zum Verkäufer wie der Leiter des Kundendienstes und seine Mitarbeiter, der Leiter der Produktion, der Verantwortliche für das Marketing.“
Beispiel: Ein Textilzulieferer im Jahr 2005 wird neben den klassischen Kriterien Qualität und Liefertreue auch Local Content und Effizienz im Einkauf und in der Logistik in seine Kundenbeziehung einbringen. Er bildet Partnerschaften mit seinen Kunden und ist in der Lage, just in time ein weltweites Produkt-, Service- und Betreuungsprogramm sicherzustellen. Vorbei ist die Zeit, in der sein Verkaufspersonal aus fachkundigen, aber selbstherrlichen Einzelkämpfern bestand. Jeder Vertriebsmitarbeiter arbeitet mit internen Supply-Chain-Teams, bestehend aus Marketing, Produktion, Logistik und Finanzwesen.
„Der Global Account Manager der Zukunft ist nicht mehr in erster Linie klassischer Verkäufer, sondern Unternehmer, Koordinator und Mitarbeiter.“
Vertriebspartnerschaften oder "Alleine sind wir schwach"
- Ergänzungsanbieter nutzen die Vertriebsstrukturen des Hauptprodukts.
- Zwischen verschiedenen Unternehmen entstehen Vertriebs- und Leistungskoalitionen zur Erschliessung neuer Märkte.
- Für spezifische Teilaufgaben werden externe Partner einbezogen.
„Verkäufer - vom Künstler zum Ingenieur: Verkaufen ist beschränkt erklärbar, aber entwicklungsfähig.“
Beispiel: "Keiner gewinnt alleine." Dies ist der Schlüssel zum Vertriebs- und Unternehmenserfolg der Zukunft. Partnerschaften werden mit Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten, Finanziers und Wettbewerbern gefunden. Firmen und ihre Verkäufer werden ausschliesslich auf der Basis vernetzter Systeme erfolgreich sein.
„Der Kunde will keine Produkte, sondern eine Problemlösung. Dabei definiert er seine Rolle selbst.“
Vertriebssysteme und -kanäle werden sich grundsätzlich verändern
- Zwischenstufen der Distribution werden zunehmend abgeschafft.
- In Schlüsselmärkten etablieren Lieferanten direkte Vertriebssysteme.
- Distributionspartner werden mit Unterstützungspaketen ausgestattet.
- Kunden beauftragen bei schwierigen Einkaufsentscheidungen zunehmend unabhängige Spezialisten.
- Anbieter diversifizieren ihre Vertriebskanäle bei gleichzeitiger Diversifizierung der Produktpalette.
- E-Commerce revolutioniert Vertrieb und Verkauf.
„Die erfolgreichsten Firmen der Zukunft werden ausschliesslich auf der Basis vernetzter Systeme erfolgreich sein. Technisch wie persönlich.“
Beispiel: IBM denkt darüber nach, mittelfristig seinen Kunden individuell eingerichtete Websites mit Informationen und Tools anzubieten, die exakt ihren Bedürfnissen entsprechen. Es stellt sich heraus, dass Selbstbedienungskanäle im Internet immer stärker nachgefragt werden und hier zum grössten Teil die Endanwender von IT-Produkten direkt ordern. Das führt zu zwei unterschiedlichen Vertriebskanälen: dem "High Quality Channel" für komplexe, integrierte Lösungen und dem "Fast and Easy Channel" für problemlose Beschaffung via E-Commerce.
„Unternehmen eliminieren zunehmend Zwischenstufen der Distribution, die nicht nötig sind und Marge beanspruchen.“
Informatik im Verkauf: Die virtuelle Firma reist mit
- Die kompetente Nutzung der neuen elektronischen Informationssysteme im Verkauf ist entscheidend für den Erfolg.
- Telefonmarketing hat eine goldene Zukunft.
- Elektronische Informationssysteme sind keine Einbahnstrasse: Der Verkäufer informiert und ist informiert.
- Internes Wissensmanagement ist Verkaufsmanagement.
„E-Commerce: Internet, Intranet und E-Commerce revolutionieren den Vertrieb und Verkauf.“
Beispiel: Moderne Informationstechnologie befähigt den Vertriebsmitarbeiter, sämtliche wichtigen Kunden-, Produkt- und Dienstleistungsinformationen stets und überall parat zu haben. Dadurch gewinnt er Zeit, sich spezifischer und tiefer mit den Besonderheiten seiner Kunden zu befassen. Vor allem für den Verkauf von Systemlösungen bietet sich hier ein entscheidender Vorteil.
Die Fähigkeiten des Verkäufers und seine Kundenbeziehungen werden differenzierter
- Der Verkäufer der Zukunft hat mehr Wissen über die Prozesse seiner eigenen Firma und über die Branchen seiner Kunden.
- In Zukunft werden Systeme verkauft, weniger Produkte.
- Die Verkaufsfähigkeiten von Topmanagern, Technikern und Marketingleitern nehmen zu.
- Der Verkäufer entwickelt sich zum Kundenbetreuer.
Beispiel: Stadtmarketing und das Marketing des Einzelhandels verzahnen sich und werden sich zunehmend an den Konsumbedürfnissen der Menschen ausrichten. Anstatt die Konsumenten in und im Umfeld der City ihrem Schicksal zu überlassen, werden umfassende Service- und Informationsleistungen angeboten. Die Verkaufsbeziehung der in der Stadt angesiedelten Geschäfte zu ihren Kunden beinhaltet die gesamte Gestaltung der City und ihrer Dienstleistungen. Die Kompetenz der Verkäufer in den Geschäften erstreckt sich auf diese externen Dienstleistungen und auf sämtliche verkaufsrelevanten Prozesse ihres Hauses.
Das Vertriebscontrolling wird weiterentwickelt, Verkaufsmaschinen wird es jedoch nicht geben
- Realistische Mengengerüste und Vorgaben entsprechen den Kapazitäten der Verkäufer.
- Ein betriebsübergreifendes Benchmarking für den Vertrieb wird entwickelt.
- Die Geschwindigkeit der Innovationen wird in Zukunft den Fähigkeiten des Vertriebs angepasst, diese auch umsetzen zu können.
Beispiel: Die Verkaufsprozesse werden differenzierter als früher analysiert. Dies ermöglicht genauere Vorgaben für das Verkaufspersonal. Dennoch kommt es vor, dass Verkäufer trotz mittelmässiger Bewertungen anhand dieser prozessorientierten Beurteilungskriterien höhere Umsätze als diejenigen erzielen, die sämtliche Kriterien gut erfüllen. Hier kommt wieder die subjektive Komponente ins Spiel, die sich trotz aller Mess- und Informationssysteme nicht objektivieren lässt. Sie muss stets als wesentlicher Faktor des Verkaufserfolgs berücksichtigt werden. Ein neuer Taylorismus im Vertrieb ist deshalb kontraproduktiv.
Neue Verkaufssysteme und technische Unterstützung führen nur dann zum Erfolg, wenn sie den spezifischen Anforderungen des Verkaufspersonals entsprechen und von diesen als Hilfe und nicht als Belastung erlebt werden. Die weichen Faktoren des Verkaufs werden sich dem dennoch entziehen und können nur in das Wissensmanagement integriert werden, wenn Sie sie im Team situationsbezogen besprechen. Die Bedeutung des persönlichen Verkaufs wird vielleicht abnehmen, nicht jedoch die Kompetenz der Verkäufer.
Prof. Dr. Christian Belz ist Professor für Marketing am Forschungsinstitut für Absatz und Handel der Universität St. Gallen. Er beschäftigt sich mit der Effektivität und Effizienz der Marktbearbeitung. Dipl.-Kaufmann Wolfgang F. Bussmann ist geschäftsführender Gesellschafter der Mercuri International Deutschland GmbH, Autor verschiedener Bücher zum Verkaufsmanagement und seit Anfang 2000 CEO der gesamten Mercuri-Gruppe. 56 weitere Autoren aus Wirtschaft und Forschung haben die Fallbeispiele und Szenarien des Buches erstellt.