Wie im Krieg
Strategie, das bedeutet im militärischen Zusammenhang im Grunde nichts anderes als Führung. Und was schon seit Urzeiten im Krieg angewendet wird, das hat auch heute noch Gültigkeit – und zwar in den Unternehmen. Ein Manager muss sich genauso auf seine Ressourcen konzentrieren wie einst General von Clausewitz. Cäsar, Sun Tzu oder Machiavelli setzten auf Überraschungen, Innovationen und Kommunikation – auch in der heutigen Unternehmensführung wichtige Instrumente. Die eigenen Kräfte, die Organisation und die Abstimmung von Zielen spielen in der Strategie eine wesentliche Rolle. Anders gesagt: Die Vorgehensweisen, um am Markt und im Wettbewerb zu überleben, haben sich nicht geändert.
Am Anfang steht die Analyse
Bleiben wir noch einen Moment bei den Kriegsherren: Bevor Hannibal mit Elefanten über die Alpen zog, um gegen Rom zu marschieren, machte er eine Bestandsanalyse: Was hat Karthago, was Rom nicht hat? Wo ist Karthago Rom überlegen? Rom hatte mehr Soldaten und mehr Schiffe – eine Seeschlacht wäre für Karthago also sicherlich der falsche Weg gewesen. Karthago setzte darum auf das, was Rom weder hatte noch kannte: Elefanten. Das war ein Überraschungsmoment. Und so sah es zu Beginn gut für Karthago aus. Warum Hannibal den Krieg nach 17 Jahren doch verlor, das ist eine andere Geschichte. Die Anfangsstrategie war die richtige.
„Der Begriff ‚Strategie‘ entspringt dem griechischen Wort ‚strategos‘, das ‚Führung‘ im militärischen Sinne bedeutet: Es geht hierbei um die Planung des Gebrauchs von Ressourcen, um bestimmte Ziele zu erreichen.“
Auf die Neuzeit übertragen heißt das: Eine Strategie muss ganzheitlich durchdacht und langfristig angelegt sein. Sie ist nicht zufällig, sondern bewusst und gewollt; Dritte können die Strategie nachvollziehen, und sie ist handlungsorientiert. Eine gute Strategie will die Existenz eines Unternehmens langfristig sichern und betrachtet darum die relevanten Märkte sowie die Chancen und Risiken, die sich dort ergeben.
Ein fließender Prozess
Doch eine einmal festgelegte Strategie ist kein abgeschlossenes Projekt. Vielmehr ist strategisches Management ein fließender Prozess. Er besteht aus verschiedenen Phasen: Zunächst wird die Zielplanung generell angegangen. Dann gibt es sowohl eine strategische als auch eine operative Maßnahmenplanung. In der strategischen Maßnahmenplanung geht es um eine grobe Vorschau, wie die vorgegebenen Ziele erreicht werden können. Die operative Maßnahmenplanung geht dagegen bereits ins Detail: Durch Steuerung und Kontrolle werden dauernd die Ist- mit den Soll-Werten verglichen. Weicht das Resultat von der Planung ab, müssen Sie nachbessern. Für die generelle Zielplanung ist es wichtig, dass das Unternehmen jederzeit kurzfristig liquide ist. Langfristig muss sich das Unternehmen rechnen, also rentabel sein. Und schließlich sollte es mindestens durchschnittlich wachsen, und zwar im Vergleich zu den relevanten Märkten.
„Oberziel jeder Strategie ist die langfristige Existenzsicherung, und der Fokus liegt auf den relevanten Märkten und deren Chancen und Risiken.“
Das Problem dieses Ansatzes: Unter dem Verwaltungsaufwand leiden oft Kreativität und Flexibilität. Darum ist es wichtig, dass Sie in Ihrem Unternehmen Wert auf Diskussionen legen und den Austausch unter allen Beteiligten fördern. Dazu gehört auch, dass Aufgaben verteilt werden. Kein Manager ist allwissend. Und kein Mensch kann planen und organisieren, koordinieren und kontrollieren auf einmal. Dazu hat der Tag einfach zu wenige Stunden.
Kernaufgabe: Wachstum
Um langfristig existieren zu können, sollte ein Unternehmen wachsen. Ein Unternehmen wächst organisch, also von innen heraus, indem es den Markt besser durchdringt. Oder es wächst unorganisch, indem es zukauft. Mergers und Acquisitions (M & A) sind sicherlich der schnellere, aber auch der teurere Weg des Wachstums. Einige Beispiele für wachsende Unternehmen:
- Intel treibt die Entwicklung von Mikroprozessoren ständig voran. Das ist Wachstum durch Innovation und Branding.
- Ryanair hat die Regeln des Marktes gebrochen – und ist damit zur erfolgreichen Konkurrenz der großen Fluganbieter geworden.
- Vodafone ist durch Zusammenschlüsse und Partnerschaften zu einem globalen Mobilfunkanbieter geworden. Die Strategie heißt Globalisierung.
- E.ON setzt auf sein Kerngeschäft und hat Unternehmensbereiche verkauft.
- Porsche konzentriert sich nur noch auf wenige Themenfelder wie Entwicklung, Innovation und Marketing. Die vertikale Integration wird durch Outsourcing reduziert.
- Total Fina wurde durch Zukäufe die Nummer vier unter den Ölfirmen. Die Strategie: Marktpräsenz und Konsolidierung durch M & A.
- Puma hat drei Standorte mit einer virtuellen Zentrale. Es gibt keine eigene Produktion mehr. Das ist eine Strategie, die auf Netzwerke, Partnerschaften und Virtualisierung setzt.
Auf der Suche nach der passenden Strategie
Wachstumsstrategien gibt es also zuhauf. Doch die Frage ist: Welche Strategie passt zu meinem Unternehmen? Um hier den richtigen Weg zu gehen, müssen Sie, bevor Sie eine Strategie entwickeln, den Ist-Zustand feststellen. Dazu bietet sich die SWOT-Analyse an. Die Abkürzung steht für Strenghts (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken). Der Grundgedanke ist, dass ein Unternehmen je nach seinen Stärken und Schwächen auf die Chancen und Risiken des Marktes reagieren kann. Die SWOT-Analyse ist die Grundlage für alle weiteren Maßnahmen zur Entwicklung einer Unternehmensstrategie.
„Steuerung und Kontrolle der operativen Planung schließen den Ansatz der strategischen Planung und damit auch das organisierte Verständnis von Strategie ab.“
Ist das Ergebnis der SWOT-Analyse z. B., dass es auf neuen Märkten kaum Chancen für das alte Produkt gibt, und ist außerdem das Unternehmen saisonalen Schwankungen ausgesetzt, dann könnte Wachstum auf horizontaler Ebene die richtige Strategie sein. Manager greifen hierbei auf die Produkt/Markt-Matrix von Ansoff zurück, bei der gegenwärtige und neue Produkte in Beziehung gesetzt werden zu gegenwärtigen und neuen Märkten. Ein wichtiges Stichwort lautet Diversifikation. Dadurch erreicht man nicht nur Wachstum, sondern auch Risikostreuung.
„Im Allgemeinen ist die Marke für die Konsumenten eine verdichtete Information, die ihm bei der Orientierung in der Vielfalt der Angebote hilft.“
Diese Matrix lässt sich gut kombinieren mit der Portfolio-Analyse. So lassen sich alle Geschäftsfelder und Tochtergesellschaften eines Konzerns bewerten. Anhand dieser Ergebnisse kann dann die unternehmensweite Strategie erstellt werden. Die bekannteste Portfolio-Matrix wird nach der Boston Consulting Group, die sie entwickelt hat, BCG-Matrix genannt. Dabei werden die Geschäftsfelder aufgeteilt in Melkkühe, Sterne, Fragezeichen und arme Hunde. Mit dem Geld, das durch die Melkkühe hereinkommt, werden Sterne und Fragezeichen aufgebaut. Fragezeichen können so eines Tages zu Sternen werden, und Sterne sollten sich zu Melkkühen entwickeln. Arme Hunde sollten aus dem Portfolio eliminiert werden, weil sie nur Managementzeit kosten und im schlimmsten Fall nicht einmal Geld einbringen.
Geschäftsfelder unter der Lupe
Eine schlüssige Unternehmensstrategie bedeutet auch, dass Sie Ihre Geschäftsfelder ganz genau betrachten müssen: Wo liegen Ihre Wettbewerbsvorteile? Wo gibt es Defizite? Welche Märkte passen zum Produkt? Um diese Fragen zu beantworten, gibt es zwei Ansätze:
- Market-Based View: Hierbei geht es um die Frage: Was muss ich anbieten, um am Markt erfolgreich zu sein? Bei der MBV spielt es eine Rolle, wie der Wettbewerb in der Branche ist, welche Verhandlungsstärke Lieferanten und Abnehmer haben und ob sich durch andere Anbieter eine Gefahr für das eigene Unternehmen abzeichnet.
- Resource-Based View: Hier ist die primäre Frage, was das Unternehmen kann, und die sekundäre, wo die Märkte dafür sind. Es zählt nur, was als Kernkompetenz identifiziert wird. Aufgrund dieser Erkenntnis wählen Sie die passenden Märkte aus.
„Starke Marken können zu Trägheit führen, indem die Verantwortlichen sich auf den Erfolgen ausruhen und dann die Kontrolle über die Marke verlieren.“
Das Problem: Die Märkte haben sich geändert. Sie sind dynamischer und vernetzter geworden – und dadurch haben sowohl MBV als auch RBV an Bedeutung verloren. Ende der 90er Jahre hat sich gezeigt, dass schnelle Märkte einfache Regeln brauchen. Denn zu jener Zeit boomte die Technologisierung durch das Internet. Das wiederum führte zu einer Globalisierung von Prozessen und schließlich auch von Unternehmen. Dadurch entstand der so genannte Geschäftsmodellansatz, der von einem Wandel von alten zu neuen Geschäftsmodellen ausgeht. Unternehmen aus verschiedenen Branchen fanden sich für eine begrenzte Zeit zusammen und boten eine Wertschöpfungskette anstelle einzelner Produkte an. Diese Firmenform wird gern als virtuelles Unternehmen bezeichnet.
Business Process Reengineering
Business Process Reengenineering (BPR) gehört eigentlich in den Bereich des operativen Managements. Aber es geht dabei um die Kernprozesse eines Unternehmens, und die sind eng mit der Strategie verbunden. BPR kann Abläufe beschleunigen, Kosten senken und das Qualitätsstreben fördern. Auch darum ist diese „Wunderwaffe“ Teil des strategischen Managements. Ein Transformationsprojekt bedarf zu Beginn natürlich auch einer Bestandsaufnahme, dann wird das eigentliche Redesign oder Reengineering gemacht und schließlich das Ganze in die Abläufe des Unternehmens implementiert. So ein Prozess dauert mindestens ein Jahr, er kann sich aber auch leicht über mehrere Jahre ziehen.
Strategisches Markenmanagement
Marktorientierte Unternehmensführung gibt es hauptsächlich bei den großen Konzernen, die Konsumgüter produzieren. Besonders starke Markenkerne sind beispielsweise Coca-Cola oder Nivea. Der Kern der Marke wird im Regelfall nicht verändert, denn er bindet die Kunden, und das oft über viele Jahre. Allerdings kann beispielsweise die Verpackung einer Marke vorsichtig verändert werden, oder Sie können ihre Eigenschaften verbessern. Das Ziel ist, dass der Kunde dem Produkt eine Qualität zuschreibt, die sich auf seine Markentreue auswirkt.
„Wenn das Produkt zu einer Marke geworden ist, dann verfügt es im Innersten über einen Markenkern, da sind die schwer verrückbaren relevanten Werte und Gedächtnisstrukturen.“
Eine Marke ist also wichtig für ein Unternehmen, denn dadurch kann es sich von der Konkurrenz abheben. Allerdings muss sich das Management darüber Gedanken machen, wie breit oder tief eine Marke sein soll: General Electric beispielsweise ist eine Dachmarke, während Volkswagen mit seinem Golf, Lupo oder Phaeton die Mehrmarkenstrategie fährt. Auch die Hierarchie der Marken spielt eine Rolle: Warum ist z. B. der Phaeton eine Untermarke von Volkswagen und nicht wie Audi oder Bentley eine Hauptmarke? Schließlich ist auch die Frage zu berücksichtigen, wie das Gesamtmarkenportfolio aussehen soll.
Regeln sind zum Brechen da
Manager müssen wissen, wie ihr Markt tickt. Und oft ist es richtig und wichtig, sich an die Regeln des Marktes zu halten. Es gibt aber auch Situationen, in denen es notwendig ist, sie zu brechen, um als Unternehmer weiterzukommen. Denken Sie an die Billigfluggesellschaft Ryanair, die mit einem gezielten Regelbruch Erfolg hatte. Wer darüber nachdenkt, Regeln zu brechen, muss zunächst den Ist-Zustand der Branche, der Nation oder einzelner Wertschöpfungsabschnitte analysieren: Welche Regeln und welche Alternativen gibt es? Warum sind die alternativen Regeln die besseren? Was ermöglichen sie? Welche treibenden Faktoren stecken dahinter? Wie könnte man sie ins eigene Unternehmen übertragen? Im nächsten Schritt vergleichen und kombinieren Sie die Ergebnisse. So ergeben sich kreative neue Gedanken. Im dritten Schritt übertragen Sie sie auf das eigene Unternehmen – das ist die größte Herausforderung.