Jenseits von Eden

Buch Jenseits von Eden

New York, 1952
Diese Ausgabe: dtv,


Worum es geht

Kain und Abel in Kalifornien

John Steinbeck glaubte an den men­schlichen Urkonflikt: „Wir haben nur eine Geschichte. Alle Romane, alle Gedichte sind begründet auf dem nie endenden Wettstreit in uns zwischen Gut und Böse.“ Egal ob Holly-, Bolly- oder Nollywood: Fil­min­dus­trien auf der ganzen Welt haben sich dieser Sicht der Dinge ver­schrieben und sind damit gut gefahren. Auch Steinbecks Fassung des biblischen Dramas um Kain und Abel hat nicht nur Gen­er­a­tio­nen von Lesern, sondern auch Heerscharen von Kinogängern begeistert. Wer möchte, kann sich entführen lassen in eine Zeit, als der Wilde Westen in seinen letzten Zügen lag. Er darf eintreten in die Salons und Bordelle und zusehen, wie die ersten Automobile auf staubigen Straßen die Reitpferde scheu machten. Die Lit­er­a­ture­lite an der amerikanis­chen Ostküste allerdings hat mit diesem persönlichsten aller Steinbeck-Bücher immer gefremdelt. Tatsächlich fehlt es Jenseits von Eden an der erzählerischen Dichte und Konsequenz, die andere Er­fol­gsro­mane des Autors auszeichnen. Dennoch zieht einen die Fam­i­lien­saga in ihren Bann – ganz so wie ein gut gemachter Kinofilm.

Take-aways

  • Von der Kritik belächelt, vom Publikum geliebt: An John Steinbecks Jenseits von Eden scheiden sich die Geister.
  • Inhalt: Die Familie Trask ist in einem Teufel­skreis gefangen: Charles, der jüngere der beiden Söhne, hasst den beliebteren Adam und schwängert dessen schöne, aber abgrundtief böse Frau Cathy. Adam versinkt in einer Depression, Cathy ver­wirk­licht sich als Pros­ti­tu­ierte, und ihr Sohn Caleb treibt seinen Zwill­ings­bruder Aron in den Tod. Erst auf dem Sterbebett kann Adam Caleb vergeben.
  • Steinbeck erzählt die biblische Geschichte von Kain und Abel neu – über drei Gen­er­a­tio­nen hinweg.
  • Hauptthema ist der ewige Widerstreit zwischen Gut und Böse. Freiheit bedeutet, sich für das eine oder andere entscheiden zu können.
  • Die biblische Allegorie ist im Buch allgegenwärtig und reicht bis zu den Namen der Haupt­fig­uren, die Kain und Abel entsprechend mit A (gut) oder C (böse) beginnen.
  • Beim Erscheinen 1952 bemängelten Kritiker den symbolträchtigen Roman als platt und penetrant.
  • Steinbeck selbst hielt sein stark au­to­bi­ografis­ches Werk für sein größtes.
  • Er porträtierte ein Amerika, das um 1900 vom technischen Fortschritt überrollt wurde.
  • Die Verfilmung von 1955, mit James Dean als sensiblem Rebellen, prägte das Lebensgefühl einer Generation.
  • Zitat: „Ich glaube an dies: dass der freie, forschende Geist des men­schlichen Einzel­we­sens das Wertvollste ist, was es auf der Welt gibt.“
 

Zusammenfassung

Zwei ungleiche Brüder

Der Bürgerkrieg wütet, als Adam Trask auf einer Farm in Connecticut geboren wird. Sein Vater Cyrus kehrt sechs Wochen darauf mit einem Holzbein aus dem Krieg zurück und steckt seine Frau mit dem Tripper an. Mrs. Trask sieht in der Krankheit eine Strafe Gottes und ertränkt sich in einem Teich. Cyrus heiratet darauf die junge, schweigsame Alice. Adam ist etwas über ein Jahr alt, als sein Halbbruder Charles geboren wird. Der Vater steigert sich nun in eine fiktive Sol­datenkar­riere hinein und gibt vor, an allen großen Schlachten teilgenom­men zu haben. Seine Söhne richtet er zu kleinen Soldaten ab. Während Charles zu einem gewalttätigen, jähzornigen Mann heranwächst, hasst der empfindsame Adam den Drill. In einem Gespräch unter vier Augen sagt Cyrus dem älteren Sohn, dass er ihn zum Heer schicken werde. Adam wehrt sich, doch der Vater ist uner­bit­tlich. Er gesteht seinem Er­st­ge­bore­nen, dass er ihn mehr liebe als den Bruder. Charles hat die Unterredung eifersüchtig beobachtet, denn er ahnte, dass sein Vater Adam bevorzugt. Er lockt Adam nach draußen, verprügelt ihn und will ihn töten. Doch während Charles eine Axt aus dem Schuppen holt, versteckt Adam sich in einem Ab­wasserkanal und rettet so sein Leben.

Ein zweifel­haftes Erbe

Adam geht wie befohlen zur Armee. Das Gemetzel in den westlichen In­di­an­erge­bi­eten macht ihm zu schaffen; er schießt absichtlich daneben. Nachdem Alice an der Schwind­sucht gestorben ist, nimmt der Vater in Washington eine Stellung als militärischer Berater an. Charles betreibt die Farm nun allein. Bei dem Versuch, einen großen Felsblock mit einer Eisenstange aus dem Ackerboden zu heben, zieht er sich eine böse Stirnwunde zu, von der zu seinem großen Ärger eine dunkle, gezackte Narbe zurückbleibt. Aus Angst vor der Rückkehr verpflichtet Adam sich für weitere fünf Jahre. Als auch diese vorüber sind, treibt er sich als Land­stre­icher herum. Zweimal wird er in Florida verhaftet und in eine Straßen­baukolonne gesteckt. Vor Ablauf seiner zweiten Strafe gelingt ihm die Flucht. Bei ihrem ersten Wiedersehen nach 13 Jahren eröffnet Charles Adam, dass der Vater gestorben ist und ihnen ein Vermögen vermacht hat. Inzwischen ist klar, dass Cyrus’ soldatische Heldentaten frei erfunden waren; die 100 000 Dollar sind of­fen­sichtlich un­ter­schla­genes Geld. Adam gesteht Charles, den Vater nie geliebt zu haben. Charles aber ist bitter enttäuscht: Sein Vater, ein Lügner und Dieb?

Der Teufel im En­gels­ge­wand

Die engelhaft schöne Cathy wächst in der Provinz in Mass­a­chu­setts zu einer gewis­senlosen Frau heran. Als Zehnjährige verführt sie zwei Nach­barsjun­gen und hat keinerlei Schuldgefühle, als die Jungen zur Strafe in der Besserungsanstalt landen. Später treibt sie ihren Latein­lehrer in den Selbstmord. Als ihr Vater sie davon abhalten will, von zu Hause fortzu­laufen, schließt sie die Türen von außen ab und setzt das Gebäude in Brand. Die Eltern sterben, und Cathy, ebenfalls tot geglaubt, ver­schwindet. In Boston wickelt sie den Zuhälter Mr. Edwards um den kleinen Finger. Der Mann betreibt ein flo­ri­eren­des Geschäft mit drit­tk­las­si­gen Huren, die er alle zwei Wochen in ein anderes Provinznest schickt. Er macht Cathy zu seiner Kurtisane und überschüttet sie mit Luxus. Als ihm ein Artikel über den Hausbrand in die Hände gerät, packt ihn Wut und Angst. Er fährt mit Cathy in eine der Provinzstädte und schlägt mit Peitsche, Fäusten und einem Ziegelstein so lange auf sie ein, bis sie sich nicht mehr rührt. Doch Cathy ist nicht tot. Sie schleppt ihren zer­schun­de­nen Körper zum Trask’schen Hof und bricht dort bewusstlos zusammen. Adam pflegt sie au­fopfer­ungsvoll. Charles aber traut ihr nicht. Er möchte sie aus dem Haus jagen, auch weil er merkt, wie sehr sie einander ähneln – nicht nur wegen der dunklen Narbe, die auf Cathys Stirn zurückgeblieben ist. Mit Adam hat das Mädchen hingegen ein leichtes Spiel. Noch bevor sie ganz genesen ist, heiratet er sie. In der Hochzeit­snacht schüttet sie ihm Schlafmit­tel in den Tee und schlüpft zu Charles ins Bett.

Der Garten Eden

Adam zieht mit Cathy nach Kalifornien. Dass sie keine Lust dazu hat, kümmert ihn nicht. Er lebt wie in einer Seifenblase. Von Adam unbemerkt unternimmt Cathy einen Ab­trei­bungsver­such, doch als der Arzt ihr mit einer Anzeige droht, fügt sie sich zähneknirschend in die Schwanger­schaft. Adam kauft ein herrliches, fruchtbares Stück Land im Salinas-Tal und macht sich daran, ein altes, spanisches Herrenhaus wieder herzurichten. Dann bittet er Samuel Hamilton, ihm bei der Suche nach Wasser behilflich zu sein. Der aus Irland stammende Patriarch mit seinem langen, weißen Bart ist in der Gegend eine Institution. Von dem eigenen armseligen und trockenen Hügel konnte er seine Frau Liza und die neun Kinder nie ernähren, aber der Autodidakt hält sich als Schmied, Erfinder und Gele­gen­heits­dok­tor über Wasser. Er hätte ein reicher Mann sein können, wäre er nicht zu gutmütig, um Rechnungen einzutreiben. Adam schickt seinen chi­ne­sis­chen Koch und den Diener Lee, um Samuel von seiner Farm abzuholen. Lee spricht zunächst Pid­gin-En­glisch, wie es von Chinesen erwartet wird. Doch Samuel durchschaut ihn und stellt fest, dass Lee ein belesener Mann ist. Auf Adams Farm findet der Ire mit seiner Weidenrute „ein ganzes Weltmeer“ an Wasser. Er verspricht, Brunnen für den Garten Eden zu bauen, den Adam für seine Eva anlegen will. Als Samuel die hochschwan­gere Cathy sieht, überläuft ihn ein Schaudern. Sie kommt ihm unwirklich, ja un­men­schlich vor, und sie scheint seine Abneigung zu erwidern.

Vertreibung aus dem Paradies

Samuel hat alle seine Kinder wie auch diejenigen vieler Nachbarn auf die Welt gebracht, aber bei Cathy ist er mit seinem Latein am Ende. Während der Geburt faucht und zischt sie und beißt ihn wie ein tollwütiger Hund in die Hand. Sie bringt Zwillinge zur Welt und befiehlt, die beiden Knaben sofort aus dem Raum zu schaffen. Samuel liegt danach tagelang mit einer Blutvergif­tung im Bett, während Liza sich um die Neuge­bore­nen kümmert. Nach einer Woche im Kindbett will Cathy abhauen. Adam sperrt sie in ihr Zimmer, aber sie bringt ihn schme­ichelnd dazu, wieder aufzuschließen. Dann zielt sie mit einem Revolver auf seine Schulter und drückt ab. Adam überlebt, doch er ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Sämtliche Arbeiten auf der Farm lässt er einstellen; durch die namenlosen Zwillinge sieht er hindurch. Nach einem Jahr bittet Lee Samuel um Hilfe. Dieser beschimpft Adam auf unflätigste Weise und drückt ihm die Gurgel zu, bis er aus seinem Stumpfsinn erwacht. Dann suchen die beiden in der Bibel nach Namen für die Jungen und stoßen dabei auf die Geschichte von Kain, der seinen Bruder Abel totschlug, weil Gott diesen bevorzugte. Es sei die Geschichte der men­schlichen Schuld, seufzt Lee: Verwerfung, Zorn, Rache, Missetat, Schuldgefühl – ein Teufel­skreis ohne Ausweg. Die Zwillinge bekommen die Namen Caleb und Aron. Cathy nennt sich nun Kate; sie ist bei der Puffmutter Faye in Salinas un­tergekom­men und gewinnt bald das Herz der gutmütigen Frau. Faye vermacht Kate ihr Vermögen, und diese beginnt daraufhin, ihre „Mutter“ allmählich zu vergiften. Sie selbst schluckt ungefährliche Pillen, die den Anschein erwecken, sie sei ebenfalls erkrankt. Als Faye stirbt, scheint Kate vor Schmerz den Verstand zu verlieren.

Die Freiheit der Wahl

Nach dem Tod seiner Tochter Una wird Samuel plötzlich alt. Seine Kinder überreden ihn und Liza zur Übersiedlung in die Stadt. Er reitet noch einmal zu Adams Anwesen, um Lebewohl zu sagen. Die mit­tler­weile elfjährigen Zwillinge haben sich gut entwickelt. Der dunkle Cal ist ein ver­schlossener, verwegener Junge und scheint ständig mit sich zu ringen. Dagegen wirkt der blonde, blauäugige Aron offen und unbedarft. Lee erzählt von seinen Hebräischstudien und einem Überset­zungs­fehler, den er in der Geschichte über den Brudermord entdeckt hat. Demnach sagt Gott nicht – wie es in den gängigen Überset­zun­gen heißt – Kain solle oder werde die Sünde beherrschen. Er lässt ihm vielmehr die Wahl: „Timschal – du kannst.“ Für Samuel ist das eine Offenbarung. Beim Abschied sagt er Adam die Wahrheit über Cathy. Ihre Spezialität sei es, junge, frische Männer anzulocken, um sie dann seelisch verstümmelt fallen zu lassen. Im Frühjahr darauf stirbt Samuel. Nach der Beerdigung besucht Adam Kate in ihrem Bordell. Sie hat ein Bäuchlein angesetzt, und ihre kleinen Hände sind runzelig wie Affenpfoten. Auf einmal sieht Adam sie so, wie sie ist. Kate zeigt ihm Fotografien hoch angesehener Herren in Sado­maso-Posen und verkündet, die Männer mithilfe der Fotos vernichten zu wollen. Als Adam sie fragt, was aus ihren gemeinsamen Söhnen werden solle, erwidert sie gehässig, die habe ohnehin Charles gezeugt. Adam ist das gleichgültig. Kate hat ihre Macht über ihn verloren.

Gespielt und verloren

Wenige Wochen darauf erhält Adam einen Brief von Charles’ Nach­lassver­wal­tern: Sein Bruder ist gestorben und hat ihm und seiner Frau je zur Hälfte ein Vermögen von über 100 000 Dollar vermacht. Adam schickt die Jungen früh zu Bett und bespricht sich mit Lee. Cal lauscht an der Tür und erfährt so die Wahrheit über seine angeblich tote Mutter. Am nächsten Tag zeigt Adam Kate das Testament. Mis­strauisch versucht sie, einen Haken an der Sache zu finden. Dass Adam ihr die Hälfte aus schierer Rechtschaf­fen­heit zukommen lässt, macht sie nur noch wütender.

„Stets verspürte ich in mir Angst vor dem Westen und Liebe zum Osten.“ (S. 9)

Die Trasks ziehen nach Salinas, damit die Jungen eine bessere Schule besuchen können. Aron findet in der bildhübschen Abra eine Freundin und einen Mut­ter­ersatz. Cal bleibt Einzelgänger. Auf der Suche nach einer Beschäftigung kauft Adam die Eisfabrik im Ort. Er plant, in Eis gepackten, frischen Salat an die Ostküste zu exportieren. Zunächst läuft alles bestens. Doch dann wird der Zug mehrmals aufgehalten, sodass nur noch grüner Matsch in New York ankommt. Adam hat fast sein ganzes Geld verloren. Die Zwillinge werden als Salatköpfe verspottet. Cal treibt sich nachts in Bars herum, und auf einem seiner Streifzüge besucht er Kates Bordell. Er fürchtet, das Böse von ihr geerbt zu haben. Lee redet ihm das aus: Jeder habe es in sich. Aber anders als seine Mutter besitze Cal auch das Gute.

Verwerfung und Rache

Kate leidet unter schwerer Arthritis. Und sie hat Angst: Ethel, eine Hure, die Kate einst her­aus­ge­wor­fen hat, ist wieder aufgetaucht und versucht, sie zu erpressen. Sie behauptet, im Besitz der Glas­flaschen zu sein, mit deren Inhalt Kate Faye vergiftet hat. Kate lässt Ethel vom Sheriff ausweisen, bereut diese Entschei­dung aber bald. Sie schickt ihren Angestell­ten Joe, die Hure zu suchen und herzubrin­gen. Joe weiß nicht, wovor seine Herrin sich fürchtet, aber er wittert eine Chance, ihre Angst auszunutzen. Als er von Ethels Tod erfährt, behält er die Nachricht für sich.

„Es lässt sich nicht leugnen, dass von Men­sch­enel­tern richtige Ungeheuer in die Welt gesetzt werden.“ (S. 94)

Cal leiht sich 5000 Dollar von Lee, um sie mit Will Hamiltons Hilfe in den Bohnenanbau zu investieren. Kurz vor dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg spekulieren sie auf einen Anstieg der Lebens­mit­tel­preise. Cal möchte seinem Vater das beim Salat-De­saster verlorene Geld zurückerstatten und seinem Bruder den Col­legebe­such ermöglichen. Aron hat eisern gebüffelt und ein Schuljahr übersprungen. An der Uni fühlt er sich jedoch einsam. Er schottet sich ab und schreibt Abra flammende Liebes­briefe, die eher an die heilige Madonna als an ein Mädchen aus Fleisch und Blut gerichtet zu sein scheinen. An Thanks­giv­ing kommt Aron heim. Er überrascht seinen Vater mit der Ankündigung, dass er nicht zur Uni zurückkehren werde. Adam, der auf Aron ganz besonders stolz ist, wischt das beiseite. Dann überreicht Cal seinem Vater feierlich 15 000 Dollar, den Erlös aus dem Bohnengeschäft. Adam ist entgeistert. Als Mitarbeiter des Rekru­tierungsbüros schicke er junge Männer in den Tod, und nun solle er von dem Krieg profitieren? Er will das Geld nicht. Cals Enttäuschung verwandelt sich in Hass. Er führt Aron zu Kate.

Einzug ins Gelobte Land

Beim Anblick seiner tot geglaubten Mutter wird Aron wahnsinnig. Er läuft davon und meldet sich freiwillig zum Krieg­sein­satz. Kate quälen die Erinnerung an Aron, ihre Schmerzen und die Angst vor neuen Er­pres­sungsver­suchen. Auf einem kleinen Zettel hinterlässt sie Aron ihr gesamtes Vermögen, dann nimmt sie sich mit einer Überdosis Morphium das Leben. Joe findet sie und steckt alles ein, was sich verwerten lässt, einschließlich der Fotos berühmter Kunden. Als er zur Kontrolle seiner Fingerabdrücke ins Revier gebeten wird, versucht er zu fliehen und wird erschossen. Der Sheriff vernichtet die Fotos. Er weiß, dass sie die Macht haben, seinen Bezirk in Flammen aufgehen zu lassen. Unterdessen verbrennt Cal die 15 000 Dollar, in der Hoffnung, das Opfer werde ihm den Bruder zurückgeben.

„Greise, die nicht wussten, ob sie über die Jahrhun­der­twende stolpern würden, blickten mit Widerwillen in die Zukunft. (...) Ach, die Erdbeeren schmeckten nicht mehr wie ehedem, und der Schenkelschluss der Weiber hat keine Kraft mehr!“ (S. 161)

In den Monaten darauf kommen sich Cal und Abra näher. Abra gesteht, sie habe Aron schon vor seinem Weggang nicht mehr geliebt, weil er sie nur als blütenreine Märchenfee verehrt habe. Ende Mai unternehmen sie einen Ausflug, um die Azaleenblüte zu feiern. Bei der Rückkehr empfängt Lee die beiden mit der Nachricht, dass Aron im Krieg gefallen sei und Adam einen schweren Schla­gan­fall erlitten habe. Er ist fast gänzlich gelähmt. Cal versucht, zu ihm durchzu­drin­gen, erzählt von seiner Tat vor Arons Flucht und gesteht seine Schuld an dessen Tod. Am Ende geht Lee noch einmal mit Cal in das Zimmer des Kranken und bittet ihn, seinem Sohn zu verzeihen. Adam nimmt all seine Kraft zusammen und flüstert: „Timschal.“

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Roman gliedert sich in vier Teile, 55 Kapitel sowie unzählige Un­terkapi­tel und spannt einen erzählerischen Bogen über drei Gen­er­a­tio­nen und fast 60 Jahre amerikanis­cher Geschichte. Steinbeck zieht darin viele schrift­stel­lerische Register seiner Zeit: Mit metapho­rischen Naturbeschrei­bun­gen nimmt er Ereignisse vorweg. Er erzählt aus wechselnden Per­spek­tiven, schiebt allgemeine philosophisch-his­torische Be­tra­ch­tun­gen in der Ich-Form ein und durchbricht die Chronologie der Handlung, um die Spannung zu steigern. Überall ist die biblische Allegorie präsent: Adam und Eva, Kain und Abel und das Motiv vom Kampf zwischen Gut und Böse finden sich in ver­schiede­nen Per­so­n­enkon­stel­la­tio­nen und Handlungen wieder. Trotz des dunklen und tragischen Untertons gelingt es Steinbeck, die Lektüre mit skurrilen Anekdoten und witzigen Dialogen aufzu­lock­ern. Man folgt dem Erzähler mit einem lachenden und einem weinenden Auge und wird jederzeit in Atem gehalten – auch wenn die leben­spralle Geschichte bisweilen zu entgleiten droht.

In­ter­pre­ta­tion­sansätze

  • Jenseits von Eden handelt vom ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, der sowohl unter den Menschen als auch im Innern jedes Einzelnen tobt. Die biblische Geschichte von Kain und Abel dient auf mehreren Erzählebenen als Schablone und bestimmt selbst die An­fangs­buch­staben der Fig­uren­na­men: Cyrus und Alice, Adam und Charles, Aron und Caleb, Abra und Cathy – im A ist das Gute, im C das Böse angelegt.
  • Ausschließlich böse ist nur die als Schlange gezeichnete Cathy: Mit ihren weit au­seinan­der­liegen­den Augen und den kleinen, spitzen Vorderzähnen ähnelt sie auch äußerlich dem biblischen Teufelssym­bol. Cathys Glauben an das Schlechte im Menschen wird allerdings mehrmals erschüttert. Let­z­tendlich geht sie daran zugrunde und das Gute triumphiert.
  • Für alle anderen gilt das „Timschal“-Prinzip, d. h. die menschliche Freiheit, zwischen Gut und Böse zu entscheiden. Obwohl Cal für den Tod seines Bruders ve­r­ant­wortlich ist, verzeiht ihm der Vater. Steinbecks Botschaft: Wir können den Teufel­skreis des Bösen durch­brechen, wenn wir die moralische Ve­r­ant­wor­tung für unser Handeln übernehmen.
  • Das unrechtmäßig erworbene Fam­i­lien­vermögen der Trasks ist ein Symbol für die Erbsünde, die von Generation zu Generation weit­ergegeben wird. Adam flieht davor, indem er seinen Teil verjubelt. Aron wird von seinem Anteil erdrückt und in den Tod getrieben. Cal kommt als Einziger ohne Erbe davon. Er wendet das Kain-Schick­sal ab und erreicht wie sein biblischer Na­menspa­tron Caleb das Gelobte Land.
  • Die Frage, inwiefern menschliche Eigen­schaften angeboren oder erworben sind („nature vs. nurture“), bleibt offen. Einerseits legt der Autor Samuel ein Plädoyer für die Bedeutung von Erziehung und Sozial­i­sa­tion in den Mund. An­der­er­seits beschreibt er Cathy als eine Art moralische Missgeburt, der das Böse in den Genen liegt.
  • Mit großer De­tail­ver­liebtheit und einem Schuss Nostalgie setzt Steinbeck dem un­terge­hen­den Wilden Westen ein lit­er­arisches Denkmal. Er verneigt sich vor denen, die für ihn das Wesen Amerikas verkörpern: den Pionieren und Unangepassten, den Ruhelosen und Prahlern, den Maßlosen und un­verbesser­lichen Idealisten.

His­torischer Hintergrund

Die Dampfwalze des Fortschritts

Steinbecks Epos erstreckt sich über die Zeit zwischen dem Amerikanis­chen Bürgerkrieg (1861–1865) und dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918. Innerhalb eines einzigen Men­schenal­ters en­twick­el­ten sich die Vereinigten Staaten vom Agrarland zur größten In­dus­triemacht der Welt. Die Grundlage dafür war das moderne Eisen­bahn­netz, das um 1890 alle großen Städte von der Ost- bis zur Westküste miteinander verband. Zwischen 1860 und 1900 wuchs die Bevölkerung um 140 %, neue Tech­nolo­gien rev­o­lu­tion­ierten den Alltag, und 1908 kam mit Henry Fords Model T erstmals ein Automobil für die Massen auf den Markt. Amerikaner aller Klassen und Hautfarben ver­schrieben sich der neuen Religion des Fortschritts.

Kalifornien, seit 1850 der 31. Staat der USA, war der Inbegriff dieses Vertrauens in unbegrenzte Möglichkeiten: Günstiges, fruchtbares Land und hohe Löhne lockten Tausende neuer Einwanderer an. Freilich gab es in dieser Zeit auch viele Verlierer: Die indianische Urbevölkerung wurde im Zuge der Landnahme nahezu ausgerottet. Und die Chinesen, die als billige Arbeiter für den Bau der ersten tran­skon­ti­nen­talen Eisenbahn ins Land geholt worden waren, sahen sich massiver Diskri­m­inierung ausgesetzt. Sie durften weder amerikanis­che Staatsbürger werden noch vor Gericht gegen Weiße aussagen. Das Ideal der Gründerväter von einer Nation freier, unabhängiger Farmer war damit un­wider­ru­flich verloren. Die Zukunft gehörte den Geschäftsleuten, Werbern und Fabrikanten.

Entstehung

Jenseits von Eden „ist die Geschichte meines Landes und meine eigene Geschichte“, schrieb John Steinbeck in einem Brief an seinen Lektor. Elf Jahre lang hatte er über den Stoff nachgedacht, bevor er 1948 in seine Geburtsstadt Salinas zurückkehrte und im Archiv der Lokalzeitung zu forschen begann. In die „Au­to­bi­ografie des Sali­nas-Tals“, wie Steinbeck sein Werk auch nannte, flossen de­tail­lierte Kind­heit­serin­nerun­gen ein. Samuel Hamilton orientiert sich an Steinbecks Großvater, und viele im Buch erzählte Anekdoten über die kauzigen Hamiltons haben sich tatsächlich so zugetragen. Der Autor wollte mit dem Roman seinen damals vier und sechs Jahre alten Söhnen die Farben, Gerüche und Geräusche der eigenen Kindheit nahebringen. In einem ersten Entwurf sprach er sie direkt an und erteilte ihnen väterliche Lehren, die später dem Rotstift des Verlegers zum Opfer fielen.

Inspirieren ließ sich Steinbeck von der alttes­ta­men­tarischen Geschichte über den Brudermord Kains an Abel. Was den Titel betrifft, verwarf er zunächst mehrere Ideen. Erst nachdem er die 16 Zeilen der biblischen Geschichte niedergeschrieben hatte, entschied er sich für deren letzte drei Worte. Stilistisch entfernte er sich vom Realismus früherer Werke und ex­per­i­men­tierte mit einer offeneren Form, die wechselnde Per­spek­tiven sowie philosophis­che und au­to­bi­ografis­che Exkurse ermöglichte. Steinbecks Vorbilder hierfür waren André Gides Die Falschmünzer, Herman Melvilles Moby Dick und Henry Fieldings Tom Jones. Steinbeck schrieb, er habe seine gesamte schrift­stel­lerische Erfahrung in dem Romanepos vereint: „Ich glaube, dass alles andere im Grunde nur eine Übung dafür war.“ Die Bilanz seines künst­lerischen Gipfel­sturms: Der Verbrauch von 300 Bleistiften und 17 000 Blatt Papier, 350 000 geschriebene Worte sowie eine Schwiele am Mit­telfin­ger der rechten Hand.

Wirkungs­geschichte

Der Roman erschien im September 1952 in einer um 90 000 Worte gekürzten Version. Im Nu führte Jenseits von Eden die Best­sellerlis­ten an, doch die Kritik reagierte verschnupft: Viele Rezensenten fanden die biblischen Allegorien penetrant, die Charaktere holzschnit­tar­tig und vor allem die Figur Cathys unglaubwürdig. Die New York Times nannte es Steinbecks „wohl prob­lema­tis­chstes Buch“, und die New York Review of Books ätzte: „Aufgeblasen, prätentiös und unsicher ... ein erbärmliches und auf­dringliches Buch.“ Steinbeck schien das geahnt zu haben, denn er machte sich schon im Vorfeld über die erwarteten Verrisse lustig. Ungeachtet aller Kritik hielt er es zeitlebens für sein größtes Werk – für die „great american novel“, die er hatte schreiben wollen.

1955 verfilmte Elia Kazan unter Mitwirkung Steinbecks den vierten Teil des Romans. Der junge James Dean feierte darin als Cal sein Kinodebüt und prägte mit der Darstellung des grüblerischen Rebellen das Lebensgefühl einer Generation. 1981 produzierte der US-Fernsehsender ABC eine dreiteilige Miniserie, die sich stärker an der Ro­man­vor­lage orientierte. 2003 eröffnete die Talk­mas­terin Oprah Winfrey ihren Buchklub amerikanis­cher Meister mit dem populären Klassiker. Erneut rümpften viele Lit­er­aturken­ner die Nase, doch das Lesevolk gab Oprah Recht: 51 Jahre nach der Erstveröffentlichung schoss Jenseits von Eden auf Platz zwei der nationalen Best­sellerliste. Bis heute streiten Kritiker und Fans über Steinbecks Platz im amerikanis­chen Lit­er­aten-Pan­theon.

Über den Autor

John Steinbeck wird am 27. Februar 1902 im kali­for­nischen Salinas geboren. Er ist deutsch-irischer Abstammung. 1919 schreibt er sich an der Eli­te­u­ni­ver­sität Stanford in San Francisco für die Fächer Literatur und Jour­nal­is­mus ein, kann mit dem Stu­den­ten­leben aber nichts anfangen. Wichtiger sind ihm die Gele­gen­heit­sjobs, mit denen er sich sein Studium finanziert. Wie viele seiner späteren Ro­man­fig­uren arbeitet er als Farmer, auf Baustellen und in Fabriken. Um als freier Schrift­steller leben zu können, bricht er 1925 sein Studium ab und zieht nach New York, kehrt allerdings bald nach Kalifornien zurück. Seine ersten drei Romane werden von Kritik und Publikum ignoriert. Erst mit dem Schel­men­ro­man Tortilla Flat gelingt ihm 1935 der Durchbruch. Steinbeck ist in der Folge als Journalist tätig und beschreibt das Schicksal der Wan­der­ar­beiter während der Großen Depression. Seine Eindrücke aus dieser Zeit fließen in die beiden Romane Von Mäusen und Menschen (Of Mice and Men, 1937) und Früchte des Zorns (The Grapes of Wrath, 1939) ein. Letzterer wird zu einem gewaltigen Erfolg und macht Steinbeck vorübergehend zum bekan­ntesten Autor des Landes. Wegen der im Buch geäußerten Kap­i­tal­is­muskri­tik wird er aber von kon­ser­v­a­tiver Seite als Kommunist angefeindet. Während des Zweiten Weltkriegs ist er als Kriegsre­porter in Italien, in den Jahren danach reist er durch Europa, Nordafrika und Russland. Mit dem Roman Jenseits von Eden (East of Eden, 1952) landet er noch einmal einen großen Erfolg. Steinbeck, mit­tler­weile zum dritten Mal verheiratet, reist mit seinem Pudel Charley in einem umgebauten Kleinlaster durch die USA und schreibt darüber eine Ar­tikelserie, die er 1962 unter dem Titel Die Reise mit Charley (Travels with Charley) veröffentlicht. Im selben Jahr wird ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Am 20. Dezember 1968 stirbt er in New York an Herzver­sagen.