Gut gemeint ist nicht gut gemacht
Die Deutschen meinen es gut: Viele kleine Schritte ergeben einen großen, und wer mutig vorangeht, dem werden die anderen schon folgen. Deshalb setzen sie auf Windkraft und Sonnenkollektoren, füllen Biosprit in ihre Benzin sparenden Autos und helfen so, die Welt vor dem Klimakollaps zu retten. Denken sie zumindest.
„Der Klimawandel ist keine eingebildete, sondern echte Bedrohung der Menschheit.“
Die Wirklichkeit sieht anders aus. Biostrom wird durch Subventionen unterstützt, die den Lebensstandard und die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen gefährden. Internationale Verträge (Kyoto-Protokoll) schreiben vor, was mit EU-weit gehandelten Zertifikaten umgesetzt wird: dass jede in Deutschland eingesparte Tonne Kohlendioxid irgendwo anders in die Luft geblasen werden darf. Und je billiger das Öl wird, desto ungenierter nutzen Amerikaner und Chinesen die Vorräte; entsprechend schneller gehen diese zur Neige. Paradox? Durchaus. Das Bessere wollen und das Schlechtere bewirken – das ist im Moment die Klimapolitik der Deutschen. Wer wirklich etwas erreichen will, muss diese Paradoxa durchschauen.
„Das Klimaproblem ist zu ernst für einen ideologischen Streit.“
Kohlendioxid ist zu mehr als 60 % für den Treibhauseffekt verantwortlich. Diesen Faktor kann der Mensch beeinflussen. Kohlendioxid zersetzt sich nicht: Was jetzt in die Luft geblasen wird, bleibt auch dort – mindestens für die nächsten 30 000 Jahre. Der jährliche Ausstoß hat sich seit den 1930er Jahren mehr als versiebenfacht. Das führt dazu, dass die durchschnittliche Temperatur der Erde in den kommenden Jahrzehnten um mehrere Grad Celsius ansteigen wird. Die Folgen:
- Savannen und Wüsten werden sich ausbreiten, u. a. im Mittelmeerraum, in Australien, Mexiko und Kalifornien. Die Zahl der Waldbrände wird zunehmen.
- Die Menschen werden aus den unwirtlichen Regionen aufbrechen und sich in Ländern mit gemäßigterem Klima niederlassen.
- Der Meeresspiegel wird um etwa einen Meter gegenüber der vorindustriellen Zeit ansteigen. Bangladesch wird ein Fünftel seiner Landfläche verlieren, viele Inseln werden im Meer versinken.
- Die Zahl der Stürme wird zunehmen, weil sich die Temperaturunterschiede zwischen den Regionen – auch zwischen Meer und Land – vergrößern.
Ein sinnvoller Ansatz: Zertifikate
Die erste ernst zu nehmende globale politische Reaktion auf diese Entwicklung ist das Kyoto-Protokoll von 1997, in dem sich die meisten der 181 Unterzeichnerstaaten verpflichtet haben, ihren Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren. Zu den Ausnahmen zählen die beiden größten Verschmutzer, die USA und China. Deutschland hat sich vorgenommen, den Ausstoß an Kohlendioxid von 1990 bis 2020 um 40 % zu reduzieren – rund 16 % sind zurzeit schon geschafft. Die meisten anderen westeuropäischen Länder haben trotz ähnlicher Ziele ihren Ausstoß im Vergleichszeitraum erhöht, Irland beispielsweise um 45 %, Portugal um 48 % und Spanien sogar um 57 %.
„Die grüne Politik ist voller Paradoxa.“
Eigentlich könnte das diese Staaten teuer zu stehen kommen, schließlich werden EU-weit so genannte Emissionszertifikate ausgegeben. Diese legen fest, wer wie viel Treibhausgase absetzen darf. Wer mehr verschmutzt als vereinbart, muss zusätzliche Zertifikate kaufen – von Unternehmen, die ihre eigenen nicht alle brauchen und also finanziell davon profitieren, dass sie die Luft weniger stark mit schädlichen Gasen anreichern.
„Das Leben auf der Erde wird wegen des Treibhauseffekts nicht erlöschen.“
Die Idee funktionierte in der ersten Phase gut – zu gut. Es wurden so viele Zertifikate verteilt, dass Umweltsünder sie schließlich zum Schnäppchenpreis erwerben konnten. Ein Grund dafür ist, dass viele Anlagen modernisiert und in der Folge viele Zertifikate nicht mehr gebraucht wurden. In der 2008 angelaufenen zweiten Phase wird eine geringere Zahl an Zertifikaten wieder zu vertretbaren Preisen ver- und gekauft. Das beweist: Es ist grundsätzlich sinnvoller, das Problem über Angebot und Nachfrage in den Griff zu bekommen als etwa über technische Auflagen. Das sieht die UNO genauso und ist dabei, ähnliche Zertifikate weltweit einzuführen. Ein sinnvoller Anfang ist gemacht.
Die Deutschen vorneweg
Das hochgesteckte deutsche Ziel, den Ausstoß an schädlichen Gasen zu reduzieren, beweist viel guten Willen. Ebenso der Plan, den Anteil der erneuerbaren Energie am Gesamtverbrauch auf 18 % zu steigern. Aber trotz aller Windflügel und Solarzellen beträgt der Anteil der regenerativen Energie zurzeit nur rund 7,5 %, und davon stammen mehr als zwei Drittel aus dem Bereich Biomasse – darunter fällt auch das Verbrennen von Holz.
„Riesige Migrationsströme vom Süden in den Norden sind zu erwarten.“
Um den Einsatz regenerativer Energien zu fördern, ist die Ökosteuer eingeführt worden. Mit ihr wird der Verbrauch fossiler Energien wie Kohle, Erdöl und Erdgas zusätzlich belastet. Allerdings ist die unterschiedliche Höhe der Steuer je nach Verwendungszweck logisch kaum nachvollziehbar. Die Ökosteuer trifft nicht alle gleich, sondern macht Unterschiede. Das meiste zahlen Autofahrer an den Tankstellen, als Aufschlag auf Benzin und Diesel. Auch dahinter steckt guter Wille, aber die Ergebnisse sind kontraproduktiv. Die Kosten, um Kohlendioxid einzusparen, sind – staatlich forciert – so unterschiedlich, dass in einigen Bereichen nicht das Einsparen, sondern faktisch das Verschwenden belohnt wird. Dagegen gäbe es ein ebenso einfaches wie Erfolg versprechendes Mittel: ein einheitlicher Preis pro Tonne Kohlendioxid-Ausstoß. Den Rest übernimmt dann der Markt. Würde Deutschland komplett auf Ökosteuern verzichten, würde EU-weit der Kohlendioxid-Ausstoß nicht steigen, denn der ist durch die Zahl der ausgegebenen Zertifikate beschränkt.
„Deutschland hat sich den erneuerbaren Energien wie kein anderes Land dieser Erde verschrieben.“
Die Ökosteuer wird ergänzt um das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), durch das der Einsatz von Wasser- und Windkraft, Deponie-, Klär- und Grubengas, Biomasse, Erdwärme und Sonnenlicht subventioniert wird. Derzeit kostet das EEG jährlich mehrere Milliarden Euro an Subventionen. Das erklärt vielleicht, warum überall Windparks errichtet werden: Es lohnt sich finanziell.
„Der Nettoeffekt der deutschen Verbrauchssenkung für Europa und die Welt ist null Komma null.“
Gegen alle Einwände bringen die Politiker gern das Argument vor, der Trend zu alternativen Energien schaffe Arbeitsplätze. Tatsächlich arbeitet in der Branche mittlerweile eine sechsstellige Zahl von Menschen. Allerdings muss gegengerechnet werden, wie viele Arbeitsplätze durch Subvention von Forschungen an alternativen Energieträgern verloren gehen. Es ist jedenfalls kein Netto-Plus an Arbeitsplätzen, das hier entsteht. Von all den Argumenten, die aufgefahren werden, sind nur zwei halbwegs akzeptabel: Zum einen ist es sinnvoll, den Weg zu einer technologischen Führerschaft zu unterstützen, zum anderen ist eine geringere Abhängigkeit von Öl und Gas aus anderen Ländern hilfreich.
Was aus all dem Raps wird
Zwei Drittel des Rapses, der im Frühling auf deutschen Feldern blüht, wandern später als Biodiesel in Autotanks. Biodiesel ist eine deutsche Spezialität: Mehr als 40 % der weltweiten Produktion kommen aus Deutschland. In Amerika wird dagegen auf Bioethanol gesetzt, das vor allem aus Mais und Weizen hergestellt wird. In Deutschland werden beide Biokraftstoffe, gesetzlich vorgeschrieben, dem normalen Diesel und Benzin beigemischt.
„Wie man es auch dreht und wendet, die Förderung des grünen Stroms dient dem Klima nicht wirklich.“
Um die EU-Vorgabe von 10 % Anteil an Biokraftstoffen zu erreichen, müsste mehr als ein Viertel aller Ackerflächen für Raps & Co. bereitgestellt werden. Als Folge könnten weniger Nahrungsmittel produziert werden, und ihr Preis würde steigen. Genau das passiert seit 2006 bei Mais, Reis und Weizen. Wer sich die teuren Nahrungsmittel nicht mehr leisten kann, muss hungern. Zu Hungersnöten kam es bereits, beispielsweise auf Haiti, in Ägypten und im Senegal. Den Betroffenen ist durchaus bewusst, was da passiert. Protest ist unausweichlich. Wir wissen nur noch nicht, welche Formen und Dimensionen er annehmen wird.
„Nie werden die Armen der Welt akzeptieren, dass die Reichen in den Tank stecken, was sie gerne auf dem Teller hätten.“
Eine mögliche Alternative ist in Deutschland so gut wie tabu: Atomstrom. Während überall auf dem Globus neue Atommeiler gebaut werden, beharrt Deutschland als einzige Nation der Welt auf dem Atomausstieg und verzichtet damit auf einen praktikablen Weg, das Klima zu schützen. Gerade in Deutschland tragen viele Menschen ideologische Scheuklappen, die ihnen die Erkenntnis verunmöglichen, wie viel sicherer Atomkraftwerke geworden sind.
Angebot und Nachfrage
Vor lauter Anstrengungen der deutschen Politik und der umweltbewussten Bürger auf der Nachfrageseite wird die Angebotsseite vernachlässigt. Der größte Effekt der deutschen Umweltpolitik besteht darin, dass sie senkend auf die Weltmarktpreise wirkt. Das macht Öl, Gas und Kohle für andere Länder erschwinglich. Es wird also genauso viel Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen wie vorher – nur eben in anderen Ländern.
„Zukünftige Generationen werden sich zu Recht darüber aufregen, wie heute das Erdöl verschleudert wird.“
Vom Öl steckt noch jede Menge in der Erde – erst ein Sechstel der Ressourcen ist bislang verbraucht worden. Bei Erdgas und Kohle ist der Anteil noch geringer. Soll heißen: Die Hoffnung, dass ein Ende der Ressourcen auch ein Ende des Klimawandels bedeutet, ist trügerisch.
Bekanntlich sind diese Ressourcen ungleich verteilt. Ihre Besitzer stehen vor der Wahl, wie sie damit umgehen: Entweder sie gehen schnell auf den Markt damit, auch auf die Gefahr hin, dass der Preis sinkt – dann machen sie mehr Profit auf den Kapitalmärkten als mit dem Öl. Oder aber sie strecken die Förderung und setzen auf steigende Preise bei abnehmenden Vorräten. Diese Entscheidung fällt nicht unter einem ethisch-moralischen Aspekt, sondern unter einem streng ökonomischen: Was rentiert sich besser? Eine privat-, keine volkswirtschaftliche Abwägung. Weil die sozialen Kosten nicht eingerechnet werden, können die Märkte das Klimaproblem nicht in den Griff bekommen und schon gar nicht lösen.
Was lässt sich tun?
Die Energievorräte langsamer abzubauen als bisher und so das Aufheizen der Atmosphäre zumindest zu drosseln, ist wohl der einzig sinnvolle Ansatz. Wer allerdings bei der Nachfrageseite ansetzt – wie die deutsche Politik –, wird scheitern. Der richtige Ansatzpunkt kann nur die Angebotsseite sein. Ziel muss sein, dass es wenig reizvoll ist, die Vorräte so schnell wie möglich aus dem Boden zu holen und zu versilbern. Die Botschaft sollte lauten: So richtig viel Profit lässt sich erst später machen.
„Die Politik muss die Nachfrage und damit die Preise in der Gegenwart in einem gewissen Sinne stärker drücken als in der Zukunft. Nur dann verlangsamt sich der Klimawandel.“
Eine Politik, die auf regenerative Energien setzt, vermittelt aber den Eindruck, die Zeit der fossilen Brennstoffe liefe ab – was zur Folge hat, dass die Reserven zu Geld gemacht werden, solange es sich noch lohnt. Also heute. Darin besteht das grüne Paradoxon.
Es gibt drei Chancen: eine Quellensteuer auf Zinsen, die dort erhoben wird, wo die Kapitalerträge anfallen. Ein weltumfassendes Zuteilungssystem, das von der UNO kontrolliert wird. Und, eigentlich ganz simpel, das Anpflanzen von Wäldern, damit das Kohlendioxid von den Bäumen aufgenommen und in Sauerstoff umgewandelt wird. Die Wahrscheinlichkeit, eine der beiden ersten Chancen zu realisieren, ist gering. Und Möglichkeit drei? Derzeit wird eher abgeholzt als aufgeforstet. Wenig Hoffnung also. Und die Zeit drängt.