Der Ferkel-Faktor

Buch Der Ferkel-Faktor

Die schmutzigen Tricks der Kommunikation

Econ,


Rezension

Wer in einem Gespräch einen verbalen Seitenhieb abbekommt, ist oft einfach nur baff – und entsprechend reak­tion­sunfähig. Hier setzt das Buch von Günther Beyer an. Fast auf jeder Seite liefert es Prax­is­beispiele, die es einem erleichtern sollen, sich im Dschungel der Zwei­deutigkeiten zurechtzufinden. Dabei entdeckt wohl jeder Situationen, die er selbst schon erlebt hat und jetzt richtig deuten kann. Andere Beispiele wirken dagegen an den Haaren her­beige­zo­gen. Ein bisschen konstruiert erscheinen auch die aufge­lis­teten Täuschungsmanöver aus China und ihr jeweiliges Pendant in unserer Gesellschaft – zumal in China positiv bewertet wird, was hierzulande kriminell erscheint. BooksInShort hält das Buch dennoch für lesenswert: Nur wer verbale Gemein­heiten unmittelbar entlarvt, kann sich dagegen wehren.

Take-aways

  • Menschen, die Kom­mu­nika­tion dazu benutzen, anderen zu schaden, treffen Sie im Job ebenso wie im privaten Bereich.
  • Nur wer mit unfairen Taktiken vertraut ist, durchschaut böse Absichten.
  • Wenn jemand Ihre Ex­is­ten­zangst schürt, kann seine Absicht ganz banal sein: Er will vielleicht den Preis drücken.
  • Eingeredete Schuldgefühle und Angriffe auf Ihr Selb­st­be­wusst­sein haben zum Ziel, Sie einzuschüchtern.
  • Kontern Sie Angriffe auf Ihre Persönlichkeit mit einem un­beein­druck­ten „Ach ja?“.
  • Gegenfragen zwingen den Angreifer, sich zu erklären.
  • Vorsicht bei überschwänglichem Lob: Oft will man Sie damit nur in Sicherheit wiegen, während an Ihrem Stuhl gesägt wird.
  • Al­ter­na­tiven dienen oft der Ma­nip­u­la­tion: Meistens wählen wir automatisch die zweite Möglichkeit.
  • Die Transak­tion­s­analyse kann Ihnen helfen, Ihr Gegenüber realistisch einzuschätzen: In welcher Situation befindet sich der Angreifer?
  • Nutzen Sie die Kenntnis der schmutzigen Tricks nicht dazu, sich ihrer zu bedienen, sondern um sie zu entlarven und damit unschädlich zu machen.
 

Zusammenfassung

Wenn nur der eigene Vorteil zählt

Wenn Politiker sich gegenseitig in die Pfanne hauen, ist das für den Zuhörer oft recht amüsant. Wird man aber selbst unfair attackiert, hört der Spaß auf. Was auf der politischen Bühne schon lange Brauch ist und anscheinend einfach dazugehört, schleicht sich allmählich in unseren privaten Alltag ein: Klein halten, nie­der­ma­chen, verleumden, Hauptsache es dient dem eigenen Erfolg. Wer das Licht eines Mit­stre­it­ers auspustet, dessen eigenes leuchtet umso heller. Solches Verhalten hinterlässt allerdings einen Scher­ben­haufen an zerstörten Beziehungen.

„Führungskräfte und Mitarbeiter, aber auch Bekannte und Freunde schildern immer häufiger Gesprächssi­t­u­a­tio­nen, in denen der ‚Fer­kel-Fak­tor‘ greift, in denen sie sich aus­get­rickst, in die Enge getrieben oder bloßgestellt fühlen.“

Kaum jemand ist dabei nur Opfer. In einer Atmosphäre, in der nur noch der Erfolg zählt, bleibt Ihnen gar nicht viel anderes übrig, als die Krallen auszufahren und die Zähne zu fletschen, sonst räumen Sie dem Konkur­renten das Feld. Aber Sie müssen nicht unbedingt einen Kahlschlag hin­ter­lassen. Jeder von uns kann sich seine Grenzen selber stecken, als Angreifer ebenso wie als At­tack­ierter.

„Jeder setzt das ganze Leben lang mehr oder weniger harte Taktiken und Tricks ein, um Ziele zu erreichen.“

Vielleicht haben Sie ja gar nicht gemerkt, dass man Sie aus­get­rickst hat. Die Profis mit dem Fer­kel-Fak­tor haben subtile Methoden. Diese wenden sie am liebsten gegen schwache Opfer an. Glauben Sie z. B., nicht unfair behandelt zu werden, weil Sie selbst niemals zweifel­hafte Kom­mu­nika­tion­stech­niken anwenden? Irrtum, gerade solch naives Verhalten reizt den Täter. Wenn Sie schnell verzeihen, gutmütig sind oder sich für andere aufopfern, haben Fieslinge möglicher­weise besonders leichtes Spiel mit Ihnen. Natürlich gibt es auch ein Täterprofil: Wenn jemand massiv in die Enge getrieben wird, Angst hat, sein Gesicht zu verlieren, oder neidisch auf andere blickt, fallen ihm plötzlich die übelsten Methoden ein, um anderen zu schaden und damit die eigene Situation zu verbessern.

Die Welt der üblen Tricks

Ein guter Nährboden für verbale Ferkeleien ist das Verhältnis zwischen Mitarbeiter und Chef. Wo Vorgesetzte drohen, mit Lob und Anerkennung geizen, immer das letzte Wort und von Haus aus Recht haben, wetzen die Mitarbeiter emotional die Messer. Einen offenen Kampf wagen sie selten, stattdessen bedienen sie sich der Gueril­latak­tik und entwickeln eine ausgeklügelte Form der Ich-mach-dich-fer­tig-Kom­mu­nika­tion.

„Um mit den schmutzigen Tricks umgehen zu können, muss man sie erst einmal kennen.“

Der nächste Kriegss­chau­platz: Kollegen un­tere­inan­der. So viele gute Jobs gibt es nicht, also wird erbittert darum gerungen. Wer Karriere machen will, darf nicht zimperlich sein, wenn es um unsaubere Strategien geht. Vor allem Kollegen, die bei Weitem nicht so viel können, wie sie vorgeben, müssen irgendwie tricksen, um weit­erzukom­men. Die netteste Mi­tar­bei­t­erin und der beste Freund fallen Ihnen dann mit dubiosen Aussagen unerwartet in den Rücken. Dabei können Sie froh sein, wenn Sie den Angriff überhaupt bemerken.

„Es muss sich etwas ändern – in unserer Kom­mu­nika­tion und unserem Umgang miteinander, denn sonst wird unsere Gesellschaft ernsthaft Schaden nehmen.“

Auch im Gespräch zwischen Kunde und Verkäufer ist Fairness nicht selbstverständlich. Gerade wenn es um eine einmalige Aktion wie z. B. einen Hauskauf und keine langfristige Kun­den­bindung geht, wird gnadenlos geblufft. Jede Partei sucht ihren Vorteil aus dem Geschäft zu schlagen, und manchmal geht es einfach nur darum, mit dem gemachten Schnäppchen oder dem lukrativen Abschluss vor anderen zu prahlen. Es kann eine wahre Fer­kel-Kette entstehen: Der Vertrieb manipuliert den Einkäufer, der seinerseits den Chef mit aus­ge­han­del­ten Rabatten bei Laune halten muss und ebenfalls trickst.

„Die Dein-Prob­lem-Meth­ode dient dazu, Attacken auf den Angreifer umzulenken und ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen.“

Bei solchen üblen Machen­schaften im beruflichen Alltag freuen Sie sich auf den Umgang mit der Familie, den Freunden und den Nachbarn – und erleben dort das Gleiche: Die Kinder flunkern, um vor den Eltern gut dazustehen, die Ver­wandtschaft versucht sich beim Erbe gegenseitig auszubrem­sen, und die Nachbarn schrecken im Streit vor keiner unwahren Behauptung zurück. Wohin Sie auch sehen, es wird getrickst und geblufft. Wirklich trauen können Sie offenbar keinem.

Die Liste der Tricks

Es gibt zahlreiche kom­mu­nika­tive Praktiken, die Sie zu Fall bringen sollen. Deshalb müssen Sie wissen, worauf Ihr Gegenüber abzielt. Nur wenn Sie die Absicht erkennen, die hinter einer beiläufig dahinge­sagten Bemerkung steckt, können Sie verhindern, dass die Falle zuschnappt. Wenn Gesprächspartner mit folgenden Tricks arbeiten, sollten bei Ihnen die Alar­m­glocken schrillen:

  • Gefühle verletzen: Durch Körpersprache und Worte zeigt Ihr Gegenüber Ihnen, wie wenig Sie ihm bedeuten. Ihr Selb­st­be­wusst­sein macht einem mulmigen Gefühl Platz und Ihre Konzen­tra­tion schmilzt dahin. Was können Sie dagegen tun? Wenn der andere demon­stra­tiv zum Fenster hinaussieht oder mit den Fingern auf dem Tisch herumtrom­melt, fragen Sie ihn freundlich lächelnd, warum er das macht. Damit haben Sie seine Sug­ges­tiv-Mimik entlarvt und zeigen, dass Sie das nicht sehr beeindruckt. Genauso wenig wie aggressive Du-Botschaften wie „Sie wissen doch gar nicht ...“, auf die Sie ruhig mit Ich-Botschaften reagieren: „Ich wüsste gerne, was Sie genau damit meinen ...“.
  • Ex­is­ten­zangst schüren: Die Absicht dahinter ist vielleicht ganz banal, der andere möchte den Preis drücken. Trotzdem: Die Aussage, Ihr Produkt sei schlechter als das der Konkurrenz, trifft Sie bis ins Mark. Ganz hart ist es, wenn dazu Autoritätsbeweise wie wis­senschaftliche Studien angeführt werden. Glauben Sie nichts, lassen Sie sich diese Studien vorlegen – meistens existieren sie nämlich gar nicht. Wenn Ihnen Ihr Kontrahent auf die Pelle rückt und Ihre Tabuzone verletzt, rücken Sie entweder mit dem Stuhl ein Stück weg oder Sie bitten höflich um mehr Distanz, beispiel­sweise weil Sie angeblich weitsichtig sind.
  • Keine Rücksicht auf Moral nehmen: Sie möchten Ihr Wort nicht brechen und niemanden falsch beschuldigen. Exakt das macht sich der andere zunutze. Er behauptet z. B., Sie hätten ein Versprechen gegeben, das Sie jetzt nicht einhalten würden. Ihr schlechtes Gewissen ist sogleich zur Stelle und lässt Sie unüberlegte Zugeständnisse machen. Besser ist es, wenn Sie den anderen auffordern, Ihr angebliches Versprechen detailliert zu wiederholen. Dann können Sie seine In­ter­pre­ta­tion als Missverständnis darstellen und die Dinge gerade rücken. Wehren Sie sich, wenn man Ihnen Schuldgefühle einredet, um Sie unter Druck zu setzen. Gegenfragen sind hier das Mittel der Wahl. Fragen Sie z. B. was der andere Ihnen angeblich so genau erklärt hat und wofür genau Sie ve­r­ant­wortlich sind.
  • Kompetenz anzweifeln: Solange Sie Selb­st­be­wusst­sein ausstrahlen, sind Sie in einem Gespräch auf der Gewin­ner­seite. Also fängt Ihr Gegenüber an zu graben, damit Sie ins Wanken geraten. Dazu braucht es gar keine Wortsalven, viel stärker wirkt Schweigen. Sagt der andere auf Ihre Forderung nichts, ist das wie ein Vorwurf. Bleiben Sie jetzt ganz ruhig, halten Sie die Gesprächspause aus und warten Sie ab. Kommt keine Reaktion, beenden Sie freundlich das Gespräch. Garantiert nimmt Ihr Ver­hand­lungspart­ner an dieser Stelle den Dialog wieder auf. Vielleicht versucht er jetzt, Ihnen mit Fremdwörtern und Fachchi­ne­sisch Schweißperlen auf die Stirn zu treiben. Lassen Sie sich nicht einschüchtern, fragen Sie ganz ungeniert, was er unter XY genau versteht. Wahrschein­lich gerät er jetzt ins Schwitzen.
  • Respekt verwehren: Man lässt Sie warten, bietet Ihnen nichts an oder provoziert Sie mit Fragen wie: „Wollen Sie mit Ihrem Verhalten Ihre Firma ruinieren?“ Bevor Sie mit einer Gegenfrage kontern, z. B. „Worauf wollen Sie hinaus?“, überlegen Sie, ob Sie mit solchen Typen überhaupt zusam­me­nar­beiten möchten. Gleiches gilt für Leute, die Ihnen einen roten Teppich auslegen, an dessen Ende ein Nagelbrett auf Sie wartet. Ein Beispiel für diese Art fieser Ab­sturz­tak­tik: Der Chef lobt Sie überschwänglich vor allen Kollegen, und nach Ihrem Urlaub liegt die Versetzung auf Ihrem Schreibtisch.
  • Nerven stra­pazieren: Einer Ihrer beiden Ver­hand­lungspart­ner attackiert Sie ständig, der andere scheint auf Ihrer Seite zu stehen. Ein abgekartetes Spiel, denn letztlich werden Sie gerne auf das Angebot des fre­undlichen Gegenübers eingehen. Vielleicht stellt man Ihnen böse Kon­se­quen­zen in Aussicht, damit sie vor Schreck die überzogenen Forderungen un­ter­schreiben.
  • Sicherheit vorgaukeln: Höchste Alarmstufe gilt, sollte Ihnen jemand ein Knüllerangebot un­ter­bre­iten. Die ver­sproch­enen Folgeaufträge sind oft reine Makulatur. Auch wenn Ihr Gegenüber sich betont freundlich und an Ihrem Wohl in­ter­essiert gibt, will er sich damit evtl. nur Ihr Vertrauen er­schle­ichen.
  • Interesse ma­nip­ulieren: Bei einem Essen im Restaurant möchten Sie vielleicht gar kein Dessert, aber danach hat der Kellner nicht gefragt: Mit seiner Al­ter­na­tivfrage „Eis oder Pudding?“ hat er Sie zum Pudding gelenkt. Übrigens ist es bei Al­ter­na­tivfra­gen meist be­ab­sichtigt, dass Sie das zweite Angebot wählen. Die Konzen­tra­tion beim Zuhören ist zum Schluss am höchsten. Das macht sich ein schlauer Ver­hand­lungspart­ner zunutze und formuliert seine Frage so, dass seine fa­vorisierte Lösung am Ende steht.

Rhetorische Angriffe geschickt abwehren

Es gibt noch andere verbale Tricks, die Sie mundtot machen sollen. Beispiel­sweise verkaufen manche Menschen ihre Meinung als objektive Wahrheit nach dem Motto: „In Wirk­lichkeit sieht die Sache doch so aus ...“ Lassen Sie das so nicht stehen, sondern kontern Sie z. B. mit: „Objektiv gesehen ist das natürlich ganz anders.“ Sollten die Angriffe härter und persönlich werden, stellen Sie die Aussage des anderen einfach als sein Problem hin. Wenn er z. B. findet, dass Sie un­vor­bere­itet sind – sein Problem. Oder Sie wählen die Zweisil­ben-Meth­ode und erwidern nur kurz: „Ah ja?“, und sprechen dann un­beein­druckt weiter.

„Es spielt keine Rolle, welcher Ich-Zustand bei einem Menschen dominiert. Wichtig ist nur die Mo­men­tauf­nahme: In welchem Ich-Zustand befindet sich mein Gesprächspartner jetzt im Vergleich zu mir?“

Besonders gefährlich sind diejenigen Zeitgenossen, die auf subtile Weite fies kom­mu­nizieren oder gle­ichzeitig ver­schiedene schmutzige Tricks einsetzen, sodass Sie es viel zu spät oder gar nicht bemerken. Also schätzen Sie den anderen von vornherein richtig ein und nehmen Sie die Erken­nt­nisse der Transak­tion­s­analyse zur Hilfe: In welchem Ich-Zustand befindet er sich? Als angepasstes Kind­heits-Ich z. B. ist er eher zurückhaltend, unsicher, abwartend. So jemand arbeitet zwar mit Tricks, lässt aber schnell die Waffen fallen, wenn Sie ihn streng anschauen. Ganz anders ein kritisches Eltern-Ich. In diesem Zustand will Ihr Gegenüber beherrschen, unterdrücken und auf jeden Fall gewinnen, egal zu welchem Preis.

List im Reich der Mitte

Sich mittels verbaler Tricks einen Vorteil zu verschaffen ist absolut nicht neu. Die chinesische Kultur kennt 36 Arten von List, die dort seit jeher eingesetzt werden. In China gilt ein listiger Mensch allerdings als weise und man zieht vor ihm den Hut. Die Erschöpfungstak­tik ist beispiel­sweise so eine chinesische List und bedeutet: Abwarten, bis der Gegner müde und nachlässig geworden ist, und dann zuschlagen. Bei der Aas­geier­tak­tik nutzen z. B. Plünderer eine Feuers­brunst zum Rauben – auf die westliche Welt übertragen profitiert etwa ein überteuerter Ab­schlep­p­di­enst von der Notlage des Fahrers eines liegen gebliebenen Autos.

„Die in diesem Buch beschriebe­nen schmutzigen Tricks, Taktiken, Fallen und Listen werden sowohl im Berufs- als auch im Privatleben immer häufiger eingesetzt. Wer sie nicht kennt und nicht pro­fes­sionell kontern kann, ist oftmals der Dumme.“

List und schmutzige Tricks funk­tion­ieren immer nur, solange der andere sie nicht bemerkt. Andernfalls laufen sie ins Leere. Die Kenntnis all der verbalen Gemein­heiten soll Sie nun nicht dazu befähigen, zum Menschen mit dem höchsten Fer­kel-Fak­tor aufzusteigen, sondern eben diesen aufzudecken und damit wirkungslos zu machen. Denn auf Dauer ist nur eine faire und kon­struk­tive Kom­mu­nika­tion eine tragbare Basis für jede Art von Beziehung.

Über den Autor

Günther Beyer arbeitet als Coach und Trainer von Führungskräften. Er ist auch Autor des Buches Der Lüge auf der Spur.