Wenn nur der eigene Vorteil zählt
Wenn Politiker sich gegenseitig in die Pfanne hauen, ist das für den Zuhörer oft recht amüsant. Wird man aber selbst unfair attackiert, hört der Spaß auf. Was auf der politischen Bühne schon lange Brauch ist und anscheinend einfach dazugehört, schleicht sich allmählich in unseren privaten Alltag ein: Klein halten, niedermachen, verleumden, Hauptsache es dient dem eigenen Erfolg. Wer das Licht eines Mitstreiters auspustet, dessen eigenes leuchtet umso heller. Solches Verhalten hinterlässt allerdings einen Scherbenhaufen an zerstörten Beziehungen.
„Führungskräfte und Mitarbeiter, aber auch Bekannte und Freunde schildern immer häufiger Gesprächssituationen, in denen der ‚Ferkel-Faktor‘ greift, in denen sie sich ausgetrickst, in die Enge getrieben oder bloßgestellt fühlen.“
Kaum jemand ist dabei nur Opfer. In einer Atmosphäre, in der nur noch der Erfolg zählt, bleibt Ihnen gar nicht viel anderes übrig, als die Krallen auszufahren und die Zähne zu fletschen, sonst räumen Sie dem Konkurrenten das Feld. Aber Sie müssen nicht unbedingt einen Kahlschlag hinterlassen. Jeder von uns kann sich seine Grenzen selber stecken, als Angreifer ebenso wie als Attackierter.
„Jeder setzt das ganze Leben lang mehr oder weniger harte Taktiken und Tricks ein, um Ziele zu erreichen.“
Vielleicht haben Sie ja gar nicht gemerkt, dass man Sie ausgetrickst hat. Die Profis mit dem Ferkel-Faktor haben subtile Methoden. Diese wenden sie am liebsten gegen schwache Opfer an. Glauben Sie z. B., nicht unfair behandelt zu werden, weil Sie selbst niemals zweifelhafte Kommunikationstechniken anwenden? Irrtum, gerade solch naives Verhalten reizt den Täter. Wenn Sie schnell verzeihen, gutmütig sind oder sich für andere aufopfern, haben Fieslinge möglicherweise besonders leichtes Spiel mit Ihnen. Natürlich gibt es auch ein Täterprofil: Wenn jemand massiv in die Enge getrieben wird, Angst hat, sein Gesicht zu verlieren, oder neidisch auf andere blickt, fallen ihm plötzlich die übelsten Methoden ein, um anderen zu schaden und damit die eigene Situation zu verbessern.
Die Welt der üblen Tricks
Ein guter Nährboden für verbale Ferkeleien ist das Verhältnis zwischen Mitarbeiter und Chef. Wo Vorgesetzte drohen, mit Lob und Anerkennung geizen, immer das letzte Wort und von Haus aus Recht haben, wetzen die Mitarbeiter emotional die Messer. Einen offenen Kampf wagen sie selten, stattdessen bedienen sie sich der Guerillataktik und entwickeln eine ausgeklügelte Form der Ich-mach-dich-fertig-Kommunikation.
„Um mit den schmutzigen Tricks umgehen zu können, muss man sie erst einmal kennen.“
Der nächste Kriegsschauplatz: Kollegen untereinander. So viele gute Jobs gibt es nicht, also wird erbittert darum gerungen. Wer Karriere machen will, darf nicht zimperlich sein, wenn es um unsaubere Strategien geht. Vor allem Kollegen, die bei Weitem nicht so viel können, wie sie vorgeben, müssen irgendwie tricksen, um weiterzukommen. Die netteste Mitarbeiterin und der beste Freund fallen Ihnen dann mit dubiosen Aussagen unerwartet in den Rücken. Dabei können Sie froh sein, wenn Sie den Angriff überhaupt bemerken.
„Es muss sich etwas ändern – in unserer Kommunikation und unserem Umgang miteinander, denn sonst wird unsere Gesellschaft ernsthaft Schaden nehmen.“
Auch im Gespräch zwischen Kunde und Verkäufer ist Fairness nicht selbstverständlich. Gerade wenn es um eine einmalige Aktion wie z. B. einen Hauskauf und keine langfristige Kundenbindung geht, wird gnadenlos geblufft. Jede Partei sucht ihren Vorteil aus dem Geschäft zu schlagen, und manchmal geht es einfach nur darum, mit dem gemachten Schnäppchen oder dem lukrativen Abschluss vor anderen zu prahlen. Es kann eine wahre Ferkel-Kette entstehen: Der Vertrieb manipuliert den Einkäufer, der seinerseits den Chef mit ausgehandelten Rabatten bei Laune halten muss und ebenfalls trickst.
„Die Dein-Problem-Methode dient dazu, Attacken auf den Angreifer umzulenken und ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen.“
Bei solchen üblen Machenschaften im beruflichen Alltag freuen Sie sich auf den Umgang mit der Familie, den Freunden und den Nachbarn – und erleben dort das Gleiche: Die Kinder flunkern, um vor den Eltern gut dazustehen, die Verwandtschaft versucht sich beim Erbe gegenseitig auszubremsen, und die Nachbarn schrecken im Streit vor keiner unwahren Behauptung zurück. Wohin Sie auch sehen, es wird getrickst und geblufft. Wirklich trauen können Sie offenbar keinem.
Die Liste der Tricks
Es gibt zahlreiche kommunikative Praktiken, die Sie zu Fall bringen sollen. Deshalb müssen Sie wissen, worauf Ihr Gegenüber abzielt. Nur wenn Sie die Absicht erkennen, die hinter einer beiläufig dahingesagten Bemerkung steckt, können Sie verhindern, dass die Falle zuschnappt. Wenn Gesprächspartner mit folgenden Tricks arbeiten, sollten bei Ihnen die Alarmglocken schrillen:
- Gefühle verletzen: Durch Körpersprache und Worte zeigt Ihr Gegenüber Ihnen, wie wenig Sie ihm bedeuten. Ihr Selbstbewusstsein macht einem mulmigen Gefühl Platz und Ihre Konzentration schmilzt dahin. Was können Sie dagegen tun? Wenn der andere demonstrativ zum Fenster hinaussieht oder mit den Fingern auf dem Tisch herumtrommelt, fragen Sie ihn freundlich lächelnd, warum er das macht. Damit haben Sie seine Suggestiv-Mimik entlarvt und zeigen, dass Sie das nicht sehr beeindruckt. Genauso wenig wie aggressive Du-Botschaften wie „Sie wissen doch gar nicht ...“, auf die Sie ruhig mit Ich-Botschaften reagieren: „Ich wüsste gerne, was Sie genau damit meinen ...“.
- Existenzangst schüren: Die Absicht dahinter ist vielleicht ganz banal, der andere möchte den Preis drücken. Trotzdem: Die Aussage, Ihr Produkt sei schlechter als das der Konkurrenz, trifft Sie bis ins Mark. Ganz hart ist es, wenn dazu Autoritätsbeweise wie wissenschaftliche Studien angeführt werden. Glauben Sie nichts, lassen Sie sich diese Studien vorlegen – meistens existieren sie nämlich gar nicht. Wenn Ihnen Ihr Kontrahent auf die Pelle rückt und Ihre Tabuzone verletzt, rücken Sie entweder mit dem Stuhl ein Stück weg oder Sie bitten höflich um mehr Distanz, beispielsweise weil Sie angeblich weitsichtig sind.
- Keine Rücksicht auf Moral nehmen: Sie möchten Ihr Wort nicht brechen und niemanden falsch beschuldigen. Exakt das macht sich der andere zunutze. Er behauptet z. B., Sie hätten ein Versprechen gegeben, das Sie jetzt nicht einhalten würden. Ihr schlechtes Gewissen ist sogleich zur Stelle und lässt Sie unüberlegte Zugeständnisse machen. Besser ist es, wenn Sie den anderen auffordern, Ihr angebliches Versprechen detailliert zu wiederholen. Dann können Sie seine Interpretation als Missverständnis darstellen und die Dinge gerade rücken. Wehren Sie sich, wenn man Ihnen Schuldgefühle einredet, um Sie unter Druck zu setzen. Gegenfragen sind hier das Mittel der Wahl. Fragen Sie z. B. was der andere Ihnen angeblich so genau erklärt hat und wofür genau Sie verantwortlich sind.
- Kompetenz anzweifeln: Solange Sie Selbstbewusstsein ausstrahlen, sind Sie in einem Gespräch auf der Gewinnerseite. Also fängt Ihr Gegenüber an zu graben, damit Sie ins Wanken geraten. Dazu braucht es gar keine Wortsalven, viel stärker wirkt Schweigen. Sagt der andere auf Ihre Forderung nichts, ist das wie ein Vorwurf. Bleiben Sie jetzt ganz ruhig, halten Sie die Gesprächspause aus und warten Sie ab. Kommt keine Reaktion, beenden Sie freundlich das Gespräch. Garantiert nimmt Ihr Verhandlungspartner an dieser Stelle den Dialog wieder auf. Vielleicht versucht er jetzt, Ihnen mit Fremdwörtern und Fachchinesisch Schweißperlen auf die Stirn zu treiben. Lassen Sie sich nicht einschüchtern, fragen Sie ganz ungeniert, was er unter XY genau versteht. Wahrscheinlich gerät er jetzt ins Schwitzen.
- Respekt verwehren: Man lässt Sie warten, bietet Ihnen nichts an oder provoziert Sie mit Fragen wie: „Wollen Sie mit Ihrem Verhalten Ihre Firma ruinieren?“ Bevor Sie mit einer Gegenfrage kontern, z. B. „Worauf wollen Sie hinaus?“, überlegen Sie, ob Sie mit solchen Typen überhaupt zusammenarbeiten möchten. Gleiches gilt für Leute, die Ihnen einen roten Teppich auslegen, an dessen Ende ein Nagelbrett auf Sie wartet. Ein Beispiel für diese Art fieser Absturztaktik: Der Chef lobt Sie überschwänglich vor allen Kollegen, und nach Ihrem Urlaub liegt die Versetzung auf Ihrem Schreibtisch.
- Nerven strapazieren: Einer Ihrer beiden Verhandlungspartner attackiert Sie ständig, der andere scheint auf Ihrer Seite zu stehen. Ein abgekartetes Spiel, denn letztlich werden Sie gerne auf das Angebot des freundlichen Gegenübers eingehen. Vielleicht stellt man Ihnen böse Konsequenzen in Aussicht, damit sie vor Schreck die überzogenen Forderungen unterschreiben.
- Sicherheit vorgaukeln: Höchste Alarmstufe gilt, sollte Ihnen jemand ein Knüllerangebot unterbreiten. Die versprochenen Folgeaufträge sind oft reine Makulatur. Auch wenn Ihr Gegenüber sich betont freundlich und an Ihrem Wohl interessiert gibt, will er sich damit evtl. nur Ihr Vertrauen erschleichen.
- Interesse manipulieren: Bei einem Essen im Restaurant möchten Sie vielleicht gar kein Dessert, aber danach hat der Kellner nicht gefragt: Mit seiner Alternativfrage „Eis oder Pudding?“ hat er Sie zum Pudding gelenkt. Übrigens ist es bei Alternativfragen meist beabsichtigt, dass Sie das zweite Angebot wählen. Die Konzentration beim Zuhören ist zum Schluss am höchsten. Das macht sich ein schlauer Verhandlungspartner zunutze und formuliert seine Frage so, dass seine favorisierte Lösung am Ende steht.
Rhetorische Angriffe geschickt abwehren
Es gibt noch andere verbale Tricks, die Sie mundtot machen sollen. Beispielsweise verkaufen manche Menschen ihre Meinung als objektive Wahrheit nach dem Motto: „In Wirklichkeit sieht die Sache doch so aus ...“ Lassen Sie das so nicht stehen, sondern kontern Sie z. B. mit: „Objektiv gesehen ist das natürlich ganz anders.“ Sollten die Angriffe härter und persönlich werden, stellen Sie die Aussage des anderen einfach als sein Problem hin. Wenn er z. B. findet, dass Sie unvorbereitet sind – sein Problem. Oder Sie wählen die Zweisilben-Methode und erwidern nur kurz: „Ah ja?“, und sprechen dann unbeeindruckt weiter.
„Es spielt keine Rolle, welcher Ich-Zustand bei einem Menschen dominiert. Wichtig ist nur die Momentaufnahme: In welchem Ich-Zustand befindet sich mein Gesprächspartner jetzt im Vergleich zu mir?“
Besonders gefährlich sind diejenigen Zeitgenossen, die auf subtile Weite fies kommunizieren oder gleichzeitig verschiedene schmutzige Tricks einsetzen, sodass Sie es viel zu spät oder gar nicht bemerken. Also schätzen Sie den anderen von vornherein richtig ein und nehmen Sie die Erkenntnisse der Transaktionsanalyse zur Hilfe: In welchem Ich-Zustand befindet er sich? Als angepasstes Kindheits-Ich z. B. ist er eher zurückhaltend, unsicher, abwartend. So jemand arbeitet zwar mit Tricks, lässt aber schnell die Waffen fallen, wenn Sie ihn streng anschauen. Ganz anders ein kritisches Eltern-Ich. In diesem Zustand will Ihr Gegenüber beherrschen, unterdrücken und auf jeden Fall gewinnen, egal zu welchem Preis.
List im Reich der Mitte
Sich mittels verbaler Tricks einen Vorteil zu verschaffen ist absolut nicht neu. Die chinesische Kultur kennt 36 Arten von List, die dort seit jeher eingesetzt werden. In China gilt ein listiger Mensch allerdings als weise und man zieht vor ihm den Hut. Die Erschöpfungstaktik ist beispielsweise so eine chinesische List und bedeutet: Abwarten, bis der Gegner müde und nachlässig geworden ist, und dann zuschlagen. Bei der Aasgeiertaktik nutzen z. B. Plünderer eine Feuersbrunst zum Rauben – auf die westliche Welt übertragen profitiert etwa ein überteuerter Abschleppdienst von der Notlage des Fahrers eines liegen gebliebenen Autos.
„Die in diesem Buch beschriebenen schmutzigen Tricks, Taktiken, Fallen und Listen werden sowohl im Berufs- als auch im Privatleben immer häufiger eingesetzt. Wer sie nicht kennt und nicht professionell kontern kann, ist oftmals der Dumme.“
List und schmutzige Tricks funktionieren immer nur, solange der andere sie nicht bemerkt. Andernfalls laufen sie ins Leere. Die Kenntnis all der verbalen Gemeinheiten soll Sie nun nicht dazu befähigen, zum Menschen mit dem höchsten Ferkel-Faktor aufzusteigen, sondern eben diesen aufzudecken und damit wirkungslos zu machen. Denn auf Dauer ist nur eine faire und konstruktive Kommunikation eine tragbare Basis für jede Art von Beziehung.