Friedrich und der Wettbewerb
Noch zu Friedrichs Jugendzeit Anfang des 18. Jahrhunderts war es um Preußens Chance, von einer „Spielkarte“ zu einem mächtigen „Spieler“ im europäischen Machtspiel aufzusteigen, schlecht bestellt. Im Vergleich zu den damaligen „Global Players“ Österreich, Frankreich und England war Preußen klein und zersplittert. Zwischen den einzelnen Regionen klafften Lücken, die von anderen Staaten ausgefüllt wurden. Bereits als 19-Jähriger fasste Friedrich den Entschluss, die verteilten preußischen Länder so bald wie möglich zusammenzuführen und die fehlenden Regionen zu erobern. Friedrich bereitete sich ehrgeizig und gewissenhaft auf seine Regierungszeit vor. Er befasste sich mit Geschichte und Kriegskunst und beobachtete die anderen europäischen Machthaber genau. Als Herrscher suchte er die wirtschaftlichen Stärken Preußens zu festigen. Um das Geld im eigenen Land zu behalten, gründete er lieber Fabriken, als die benötigten Güter zu importieren. Und um effiziente Abläufe und eine hohe Qualität zu gewährleisten, ließ er Fabriken und Waren durch Inspektoren überprüfen.
„Dieser Friedrich war ein Topmanager, der sein Land Preußen zum Erfolg führte und es von einem Staat unter vielen in eine europäische Großmacht verwandelte.“
Aufgrund seiner religiösen Toleranz, des attraktiven preußischen Bildungswesens und durch unmittelbare Anwerbung lockte er ausländische Fachkräfte nach Preußen, allen voran Hugenotten aus Frankreich und österreichische Protestanten. Friedrichs Kriegspolitik war letzten Endes erfolgreich, weil er sie zur Chefsache erklärte, die Heere selbst befehligte und rasch auf Veränderungen reagierte. Auf diese Weise eroberte er das für Preußen ideal gelegene Schlesien, wodurch er einen enormen Zuwachs an Bevölkerung, fruchtbarem Boden und Handelsstrukturen gewann.
Friedrich als Querdenker
In Zeiten des Umbruchs sind Kreativität und Innovation entscheidende Wettbewerbsvorteile. Als Kronprinz musste Friedrich mit seinen Ideen oft zurückstecken, denn die strenge Erziehung seines Vaters schränkte ihn ein. Später durchbrach er die von seinem Vater auferlegten Grenzen, hinterfragte bestehende Ordnungen nach Sinn und Nutzen für die Gemeinschaft und war stets für Überraschungen gut. Sogar auf dem Schlachtfeld fällte er spontane Entscheidungen, womit er seine Gegner aus dem Konzept brachte. Diese kreativen Einfälle verdankte er seiner universellen Bildung und seiner Offenheit. Durch das Studium der Geschichte konnte er einige Konzepte der Kriegskunst auf seine Feldzüge übertragen, beispielsweise die so genannte „schiefe Schlachtordnung“, mit der er seine Gegner täuschte und irritierte.
„Grundlage von Friedrichs Erfolg waren sein hoher persönlicher Einsatz, schnelle Entscheidungen und Führungsqualitäten.“
Friedrich dachte pragmatisch und betrachtete Regeln und Gesetze als Diener des Menschen. Wenn sie dieses Kriterium nicht erfüllten, setzte er sich über sie hinweg oder änderte sie ab. Es war ihm wichtig, dass seine Entscheidungen für die Menschen verständlich und nachvollziehbar waren. Aufgrund seiner weitgehenden Toleranz wanderten viele Flüchtlinge nach Preußen ein, die durch ihre wirtschaftlichen und kulturellen Anstöße das Land bereicherten. Auf juristischem Gebiet führte Friedrich verschiedene Neuerungen ein. Er ließ die Folter nur noch bei Mehrfachmördern zu, später verbot er sie ganz. Auch die Todesstrafe schaffte er für viele Vergehen ab. Für mutmaßliche Täter, für die die Beweislage nicht ausreichte, führte Friedrich stark abgemilderte Strafen ein. Der König umgab sich gern mit inspirierenden Menschen, die ebenso wie er selbst über den Tellerrand hinauszuschauen vermochten. Dazu veranstaltete er Tafelrunden und Soireen und holte den berühmten Philosophen Voltaire als Kammerherrn nach Potsdam. Zudem beschäftigte er so genannte Vorleser, die ihn mit Informationen, Unterhaltung und Ratschlägen versorgten.
Friedrich als Innovator
Friedrich stieß in vielen Bereichen Innovationen an und ging dabei mitunter sehr raffiniert vor: Um z. B. den widerwilligen Bauern den Kartoffelanbau schmackhaft zu machen, tarnte er die Anlage der ersten Kartoffelfelder als Geheimprojekt. Er ließ die Knollen von Soldaten pflanzen und bewachen. Doch weil diese Finte nicht die erhoffte Neugierde der Bauern entfachte, schob er den bekannten Kartoffelbefehl hinterher, um den Anbau der damals noch ungewohnten Nutzpflanze voranzutreiben.
„Kaum lag sein Vater unter der Erde, nahm Friedrich mehrere Reformen in Angriff, allen voran die des preußischen Heeres.“
Friedrich war ein starker Förderer von Bildung und Wissenschaft. Er schrieb z. B. öffentliche Preisaufgaben aus, um schwierige wissenschaftliche Probleme zu lösen. Er gründete Akademien, um junge Adlige umfassend zu schulen. Der Unterricht beinhaltete so unterschiedliche Fächer wie Geschichte, Geometrie, Philosophie, Rhetorik – aber auch Reiten und Tanzen. Die jeweils zwölf besten Absolventen eines Jahrgangs bildete Friedrich persönlich zu Generalstabsoffizieren aus. Er verlangte ebenfalls eine gute Ausbildung für die Schullehrer.
„Friedrich sah sich immer als ,ersten Diener des Staates‘.“
Auch die staatliche Verwaltung gestaltete Friedrich neu. Er teilte die Zentralbehörde, das Generaldirektorium, in verschiedene Ressorts, die er jeweils hierarchisch gliederte − ein System, das den Weg zum heutigen Beamtentum ebnete. Im Rechtswesen forderte er eine fundierte Juristenausbildung, klare Gesetze und die Vermeidung von Interessenskonflikten, indem er Juristen die gleichzeitige Tätigkeit als Verteidiger und Ankläger untersagte. Nicht zuletzt gründete Friedrich die staatliche Giro- und Lehnbank, die später in Preußische Bank und noch später in Reichsbank umbenannt wurde. Außerdem errichtete er ein Überseehandelsunternehmen als Aktiengesellschaft, wovon er knapp 90 % der Aktien hielt.
Friedrich und der Wandel
Trotz seiner Innovationsfreude setzte sich Friedrich der Große nur für vernünftige Veränderungen – „nach Maß und Sinn“ − ein, denn seiner Ansicht nach benötigten Neuerungen ausreichend Zeit, um Wurzeln zu schlagen. Zu viele und zu schnelle Veränderungen hielt er für abträglich, da sie Widerstand, Chaos und Verwirrung nach sich zögen. Um solchen Gefahren entgegenzuwirken und eine gewisse Kontinuität aufrechtzuerhalten, hinterließ Friedrich – wie zuvor schon sein Vater – ein politisches Testament für seinen Nachfolger, das die Richtlinien für die Abwicklung der Staatsgeschäfte beinhaltete. Bereits zu Friedrichs Zeiten propagierte der Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz die nachhaltige Nutzung der Wälder: Es sollten nur so viele Bäume abgeholzt werden, wie neue nachwuchsen. Dieses Ansinnen sowie den Erhalt von Natur- und Kulturschätzen unterstütze Friedrich auch dadurch, dass er sich bemühte, bereits erfolgte Schäden wieder auszugleichen.
Friedrichs Leitbilder
Um Leitbilder zu entwickeln, benötigen Führungskräfte Visionen − und die hatte Friedrich: Er beabsichtigte, das zersplitterte Preußen in einen einheitlichen und vorbildlich funktionierenden Staat zu verwandeln. Ferner war ihm daran gelegen, dass sich die Bevölkerung wohl fühlte und jeder Bürger möglichst gerecht behandelt wurde. Daraus formulierte Friedrich zwei Leitbilder: den Erhalt und die Vergrößerung Preußens sowie das Streben nach den sprichwörtlichen preußischen Tugenden wie Aufrichtigkeit, Bescheidenheit, Fleiß, Gerechtigkeitssinn, tolerante Gottesfurcht, Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit, Treue und Zuverlässigkeit. Friedrich verkörperte seine Leitbilder in geradezu idealer Weise, wodurch sie Bestand hatten.
Friedrichs Volksnähe
Friedrich war eine Führungspersönlichkeit zum Anfassen. Er verschanzte sich nicht und verlor nicht den Kontakt zu den einfachen Leuten. Auf seinen zahlreichen Inspektionsreisen hatte er ein offenes Ohr für die Sorgen und Wünsche der Bevölkerung. Es war ihm stets bewusst, dass er dem Staat und den Menschen dienen und ihre Bedürfnisse befriedigen musste. Die Motivation der Truppen stellte er dadurch sicher, dass er im Krieg selbst an vorderster Front mitkämpfte.
„Friedrich wollte stets über alles informiert sein. Allerdings wollte er keine Romane zu lesen bekommen.“
Friedrich stellte sich auch äußerlich kaum über andere Menschen. Er war stets in seiner abgewetzten Militäruniform unterwegs, gestaltete seine Privatzimmer schlicht, vermied die Errichtung von Prachtbauten und scheute sogar teure Reparaturen. In seiner Bescheidenheit betonte er, ein König sei auch nur ein durch Zufall erstgeborener Mensch. Gemäß einer Anekdote traf Friedrich in Berlin auf eine Ansammlung von Menschen. Sie scharten sich um eine Karikatur, die sich über den Geiz des Preußenkönigs lustig machte. Als er hinzutrat, schlug er den Leuten vor, das Bild niedriger zu hängen, damit sie sich nicht die Hälse verrenken müssten.
Friedrich als Stimmungsmacher
Friedrich bemühte sich stets um ein positives „Betriebsklima“. Schon als Kronprinz machte er die Erfahrung, wie sehr selbst kleine Gesten und Aufmerksamkeiten die Stimmung heben und Dankbarkeit erzeugen können. Als er ein Regiment übernahm und seine Soldaten neu uniformiert wurden, hielt er einen Umtrunk am Lagerfeuer für angemessen. Unter großem Jubel animierte er die Soldaten, ihre alten Uniformen ins Feuer zu werfen. Er besaß das Talent, seine Leute aufzumuntern, zu ermutigen und die positiven Seiten von Situationen hervorzuheben. Ein Beispiel: Kurz nachdem Friedrichs Truppen in ein Dorf einmarschiert waren, stürzte die Kirchenglocke zu Boden, was die Soldaten als unheilvolles Omen betrachteten. Friedrich deutete das Ereignis kurzerhand um − und interpretierte den Fall der Glocke als deutliches Sinnbild für den Fall des Feindes.
Friedrichs Personalpolitik
Um leistungsfähiges Personal für Armee, Landwirtschaft und Handwerk zu rekrutieren, ließ Friedrich sich einiges einfallen. Er warb Soldaten feindlicher Armeen an und bot ihnen einen höheren Lebensstandard und bessere Ernährung als im übrigen Europa. Arbeitskräfte lockte er ins Land, indem er viele neue Manufakturen gründete. Diese neuen Arbeiter sollten natürlich auch genug Lebensraum haben, deshalb ließ er Sumpfregionen entwässern und urbar machen, um dort zahlreiche Dörfer und Siedlungen errichten zu können.
„Friedrich war vor allem Klarheit ein Anliegen − auch und gerade im Justizwesen.“
Friedrich schätzte zielgerichtetes und sinnvolles Arbeiten und verlangte dies auch von seinen Untergebenen. Er duldete keine Ablenkungen und unnützen Tätigkeiten. Daher waren ihm Wankelmut, Halbherzigkeiten und zu viel Bürokratie zuwider. Ihm war bewusst, dass der Vorgesetzte seinen Führungsstil dem Charakter der Gruppe oder des Volkes anpassen musste. Eine rebellische oder zu Intrigen neigende Gruppe benötigte seiner Meinung nach eine andere Führung als eine friedfertige. Er bemühte sich, jeden nach seinen Talenten und Fähigkeiten einzusetzen und keinen zu über- oder zu unterfordern. Einige Male pro Jahr traf Friedrich mit seinen Offizieren zu einer Art „Feedbackgespräch“ zusammen.
Friedrichs Führungs- und Kommunikationsstil
Eine Schwäche hatte Friedrich: Er konnte nicht delegieren, er wollte alle Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen oder zumindest kontrollieren. Der positive Aspekt dabei war: Dank seines exzellenten Gedächtnisses war er über alles aus erster Hand informiert. Auch mit seinem autoritären Führungsstil würde er heute in Schwierigkeiten geraten. Aber er stachelte seine Generäle und Untergebenen zu herausragenden Leistungen an, indem er ihnen vertraute und die konstruktive Umsetzung seiner Ziele erwartete. Befördert wurde nur derjenige, der etwas leistete. Friedrich forderte von seinen Gesprächspartnern Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Er bevorzugte einen knappen und deutlichen Kommunikationsstil. Wenn es um Informationen ging, wollte er keine Romane lesen. Er verlangte auch klare und verständliche Gesetzestexte, die nicht verdreht werden konnten. Einmal schob er ein Todesurteil, das er unterzeichnen sollte, auf, weil er das Juristen-Latein nicht verstand.