McJob ist nicht McEasy
Das Image der Fast-Food-Branche ist mies: karge Löhne und jede Menge Stress. Aber wenn das so ist, wie schafft es diese Branche dennoch, fĂ€hige Mitarbeiter anzuwerben und zu halten? BWL-ProÂfesÂsor Jerry Newman versucht die Antwort im SelbÂstverÂsuch herÂauszufinden. Im Verlauf von 14 Monaten heuert er in sieben verÂschiedeÂnen Burger-RestauÂrants an, quer durch die USA. McDonaldâs und Burger King gehören natĂŒrlich dazu, auĂerdem Filialen von Wendyâs, Arbyâs und Krystal. Schnell stellt sich heraus, dass die ArbeitsablĂ€ufe hochgradig stanÂdarÂdÂisiert sind; ein McDonaldâs Hamburger Royal mit KĂ€se beispielÂsweise wird ĂŒberall gleich garniert. Was sich mitunter gravierend unÂterÂscheiÂdet, ist der Umgang der Chefs mit den MiÂtarÂbeitÂern: bei der Motivation, bei der Schulung und bei der Einstellung.
âMcJob heiĂt nicht McEasy.â
Wer den MiÂtarÂbeitÂern stĂŒndlich nur etwa sechs Dollar auszahlen kann, wie es in der SysÂtemÂgasÂtronomie ĂŒblich ist, muss andere Formen von Lohn oben drauflegen. In jedem ManÂageÂmenÂtkurs wird gelehrt, worin dieser Lohn besteht: Anerkennung, Lob, bestĂ€tigende Worte. Das ist in HamÂburger-RestauÂrants genauso notwendig wie anderswo, zumal die AblĂ€ufe so stark stanÂdarÂdÂisiert sind, dass sie Neulingen als einfach dargestellt werden. Aber das sind sie nicht â vor allem nicht, wenn es in StoĂzeiten auf Tempo ankommt. Das GefĂŒhl, bei einer âIdiotentĂ€tigkeitâ zu scheitern, greift das SelbÂstÂwertÂgefĂŒhl an. Die Folge: Es wird sehr schnell gekĂŒndigt. Schlechte Manager verbuchen das unter âSchwund ist immerâ, gute FĂŒhrungskrĂ€fte hingegen vermitteln, dass McJob eben nicht McEasy ist. In einer Filiale soll Newman den Boden aufwischen. Die Leiterin ruft laut in die Runde: âLass es dir von Ming Hoh zeigen, der kann es am besten.â Und das tut Ming Hoh, zwei Tage lang. Das Ergebnis: Er ist stolz auf eine TĂ€tigkeit, die allzu oft nur als lĂ€stig empfunden wird. Die FilÂialleiÂtÂerin vermittelt Ming Hoh, dass sie seine Arbeit wertschĂ€tzt.
Hinein ins kalte Wasser
In dieser Filiale waren die EinÂstelÂlungsÂgeÂsprĂ€che ĂŒbrigens kein lapidares âWann können Sie anfangen?â, sondern es wurde darauf geachtet, wie es um die Motivation der Kandidaten stand und ob sie ins Team passten. Das Signal: Dies ist kein leichter Job, den können nur die Besten. Schon diesen Test zu bestehen, steigert das SelbÂstÂwertÂgefĂŒhl.
âIm Fast-Food-Lokal fragte niemand nach meiner Meinung.â
So ein Vorgehen ist aber in der SysÂtemÂgasÂtronomie offenbar die Ausnahme. Das andere Extrem: Der neue Mitarbeiter wird ohne jede Einweisung hinter die Theke gestellt â direkter Kontakt zum Kunden. Erst steht zwar noch ein Kollege hinter ihm und hilft. Aber dann wird es stressig, der Kollege wird anderswo gebraucht. Die Folge: Der noch etwas langsamer arbeitende Neuling muss sich mit aufgeÂbrachten Kunden herumÂschlaÂgen, die dachten, sie seien in einem âSchnellâ-Restaurant ...
âIch machte die Erfahrung, dass ArÂbeitÂsanÂweisunÂgen eherne Gesetze waren.â
So ein Verhalten vergrĂ€tzt nicht nur die Kunden und die neuen Mitarbeiter, sondern ist auch schĂ€dlich fĂŒr den FilÂialleiter. Der bekommt strikte Vorgaben, was die Wartezeiten angeht â und die lassen sich heutzutage problemlos durch ComÂputÂerkassen feststellen. Werden diese Zeiten ĂŒberschritÂten, wird Druck ausgeĂŒbt. FilÂialleiter, die die Vorgaben auf Dauer verfehlen, werden ausÂgeÂtauscht. Um das zu vermeiden, geben die Chefs den Druck nach unten weiter.
Die FĂŒhrungskrĂ€fte
Das Herstellen der Speisen und das Auftreten gegenĂŒber den Kunden ist fest reÂgleÂmenÂtiert â doch das ist nicht bestimmend fĂŒr die BeÂtriebÂskulÂtur. Das Verhalten der Chefs und die dahinter liegenden Werte machen den Unterschied aus. Folgende vier Cheftypen gibt es:
- Der destruktive Vorgesetzte: Tritt der Chef vulgĂ€r und sarkastisch auf, passt sich der Umgangston der AngestellÂten an. Mobbt der Chef, mobben auch die UnÂtergebeÂnen. Das Klima wird giftig, es fehlt der Respekt fĂŒr die Kollegen und deren Leistung.
- Der mechanische Vorgesetzte: Meist ist er nicht der FilÂialleiter, sondern dessen Vertreter. Er ist nach jahrelanger TĂ€tigkeit im Team aufgestiegen und ahnt, dass dies fĂŒr lange Zeit das Ende der FahÂnenÂstange sein wird. Die Motivation ist entsprechend gering.
- Der beziehungÂsoriÂenÂtierte Vorgesetzte: Eine seltene Spezies. Diese Art Chef baut Beziehungen zu seinen MiÂtarÂbeitÂern auf, geht â wenn möglich â auf ihre WĂŒnsche ein und zeigt so, dass sie ihm nicht gleichgĂŒltig sind. Dadurch schafft er ein Klima der FreÂundlichkeit und HilÂfsÂbereÂitschaft.
- Der leisÂtungÂsoriÂenÂtierte Vorgesetzte: Dieser Typ Chef baut ebenfalls Beziehungen auf, erwartet dafĂŒr allerdings eine entsprechende Leistung und macht dies unmissverstĂ€ndlich klar.
Die Mitarbeiter
Diese Cheftypen haben es in Fast-Food-FilÂialen mit einer Belegschaft zu tun, die oft wechselt. Der Anteil von MĂ€nnern und Frauen ist ungefĂ€hr gleich, die meisten sind unter 30 Jahre alt. Sie alle lassen sich in vier Gruppen zusamÂmenÂfassen:
- Die ĂberlebenskĂ€mpfer: Sie denken, sie hĂ€tten keine andere Wahl.
- Die Durchreisenden: Sie verdienen sich auf dem Weg zur High School oder zum College etwas Geld dazu.
- Die Ziellosen: Als sie anfingen, waren sie noch auf dem Weg zu etwas. Nun akzeptieren sie das Provisorium als etwas Dauerhaftes.
- Die KarÂriÂerisÂten: Der Weg nach oben fĂŒhrt ĂŒber Teamleiter und Schichtleiter zum ManÂageÂment-AsÂsisÂtenÂten. Diese ersten Sprossen sind, auch wegen der hohen Fluktuation, recht leicht zu erklimmen. Die Position des FilÂialleitÂers ist sehr begehrt, doch davon werden nur wenige frei (durchÂschnitÂtliche Wartezeit: zehn Jahre). Der Grund: Es gibt nur sehr wenige Posten als BezirkÂsleiter, der nĂ€chsten Stufe nach dem FilÂialleiter.
âGute FĂŒhrungskrĂ€fte setzen auf eine unbegrenzt verfĂŒgbare Form der Entlohnung: Anerkennung.â
Manchen FilÂialleitÂern ist es egal, welche der MiÂtarÂbeitÂerÂtypen sie einstellen. Das rĂ€cht sich: Je kĂŒrzer das EinÂstelÂlungsÂgeÂsprĂ€ch, desto kĂŒrzer die VerÂweilÂdauer. Dabei ist das GesprĂ€ch natĂŒrlich nur ein Symptom fĂŒr das Interesse oder DesinÂterÂesse des Chefs an seiner Belegschaft. Vielen FilÂialleitÂern ist nur eines wichtig: Will der oder die wirklich arbeiten? Die Fluktuation ist hoch in der Branche. Einige Betriebe tauschen â statistisch gesehen â die Belegschaft wĂ€hrend eines Jahres fĂŒnfmal komplett aus. Wer unÂentschuldigt nicht zur Arbeit kommt oder nicht arbeitsfĂ€hig ist, ist drauĂen. Und zwar spĂ€testens beim zweiten Mal.
âKorrektes Verhalten, das zu guten Leistungen fĂŒhrt, verdient Anerkennung.â
Wer sich statt fĂŒnf Minuten eine ganze Stunde Zeit fĂŒr das EinÂstelÂlungsÂgeÂsprĂ€ch nimmt, kann bei dieser Gelegenheit auch schon einige Grundregeln des Betriebs vermitteln. Das ist klug, denn zu Beginn eines neuen Jobs ist jeder lern- und aufÂnahÂmewilÂlig.
Anreize jenseits des Lohns
GrundsĂ€tzlich gilt in HamÂburger-RestauÂrants: Alle sollen alles können. Das fĂŒhrt dazu, dass Mitarbeiter, die anspruchsvolle TĂ€tigkeiten besonders gut ausfĂŒhren, belohnt werden. Nicht durch Geld, sondern durch ArÂbeitsstunÂden: Diese Mitarbeiter bekommen die Schichten, die sie wollen â und so viele oder so wenige Stunden, wie sie wollen. Umgekehrt werden auf diese Weise auch Mitarbeiter aus dem Betrieb gedrĂ€ngt: Wer den AnsprĂŒchen nicht genĂŒgt, bekommt weniger Stunden als gewĂŒnscht.
âIch habe nie erlebt, dass ein ernst gemeintes Lob seine positive Wirkung verfehlte.â
Wer die HĂ€lfte des Tages bei der Arbeit verbringt, wird dort einen FreÂunÂdeskreis aufbauen. Es gibt Ketten, die das zu unterbinden suchen. Und es gibt FilÂialleiter, die den Aufbau von Beziehungen fördern. Sie haben erkannt: FĂŒr den miesen Stundenlohn kommt niemand zur Arbeit â also muss ich AlÂterÂnaÂtiven anbieten. Das stĂ€rkt nicht nur die Anbindung an die Kollegen, sondern auch an den Arbeitgeber.
âGute FĂŒhrungskrĂ€fte betrachten die EinarÂbeitung als eine Gelegenheit, eine Beziehung zu neuen MiÂtarÂbeitÂern aufzubauen.â
Gute FilÂialleiter belohnen ĂŒberdies mit Lob. In den sieben Restaurants, in denen Jerry Newman jobbte, nutzten nur zwei Chefs dieses Mittel. Wichtig beim Loben ist, nicht pauschal mit freÂundlichen Worten um sich zu werfen. Das Lob muss ernst gemeint sein, um ernst genommen zu werden. Eine Steigerung des Lobs ist das konÂstrukÂtive Feedback: Auch wenn einzelne Punkte kritisiert werden, so bleibt doch hĂ€ngen, dass die eigene Arbeit gesehen und wertgeschĂ€tzt wird.
Schulung muss sein
Fast-Food-RestauÂrants mĂŒssten weniger Kritik einstecken, wĂŒrde mehr MĂŒhe auf die Schulung und EinarÂbeitung der neuen Mitarbeiter verwandt. Denn wer die Regeln vermittelt, baut darĂŒber auch Beziehungen auf. Wer behauptet, âalles ganz einfach hierâ, ĂŒbersieht, wie schwierig das scheinbar Einfache am ersten Tag ist. Besser ist es, wenn jemand den Neuen in den ersten Tagen mit allem vertraut macht, was es zu wissen gibt. Umso eher ist der Neue nicht mehr neu, sondern hat sich eingearÂbeitet. Dabei gilt es zwei simple Regeln zu beherzigen:
- Die Aufgaben werden so prÀzise wie möglich erklÀrt.
- Jemand beobachtet die Fortschritte und korrigiert Fehler, bevor sie zur schlechten Gewohnheit werden.
âSoziale Beziehungen verstĂ€rken die Bindung an den ArÂbeitÂsplatz enorm.â
Eine dritte (Bonus-)Regel wÀre, zu erklÀren, warum etwas so und nicht anders gemacht werden soll.
Das Einarbeiten kann nicht an eine InÂforÂmaÂtions-DVD delegiert werden â was dort gezeigt wird, hat mit dem ArÂbeitÂsallÂtag nur wenig zu tun. Denn auch wenn die AblĂ€ufe eigentlich strikt vorgeschrieben sind: Um effizienter arbeiten zu können, werden die Vorgaben hĂ€ufig kreativ optimiert. Das allerdings brauchen die VorgeÂsetÂzten nicht unbedingt zu wissen â die ganz oben schon gar nicht.
Gewappnet fĂŒr neue Aufgaben
Die Fluktuation in der SysÂtemÂgasÂtronomie ist nicht so hoch, weil die Löhne so niedrig sind. Sie ist deshalb hoch, weil der Job zwar wie erwartet eintönig ist, ĂŒberdies aber auch hĂ€rter als erwartet. Wenn dieser Frust nicht aufgefangen wird, fĂŒhrt der nĂ€chste Schritt zur TĂŒr hinaus â auf NimÂmerÂwiederÂseÂhen.
âGute FĂŒhrungskrĂ€fte wĂ€hlen Mitarbeiter danach aus, ob sie zum Team passen.â
Das kommt die Unternehmen teuer zu stehen. Denn das Anlernen neuer KrĂ€fte, mag es noch so rasch vonstatten gehen, kostet Zeit und Geld. Dazu kommen die AuswirkunÂgen auf das BeÂtriebÂsklima, wenn Woche fĂŒr Woche neue Kollegen angelernt werden: So kann kein GemeinÂschaftsÂgefĂŒhl entstehen. Meist gibt es bei einer 30-Mann-Belegschaft ein Stammteam von etwa zehn MĂ€nnern und Frauen â der Rest wird durchgewechÂselt.
âIn der SysÂtemÂgasÂtronomie zĂ€hlt vor allem ZuverlĂ€ssigkeit. Wer nicht zuverlĂ€ssig ist, fliegt raus.â
Ein McJob ist ein harter Job. Eben deshalb sollte er nicht als SchmudÂdeljob hingestellt werden, denn hinter dem Tresen kann man eine Menge lernen: zu tun, was zu tun ist â und zwar dann, wann es getan werden muss. Wer McJob-gestĂ€hlt ist, fĂŒrchtet weder Stress noch harte Arbeit und hat gelernt, im Team zu arbeiten. Damit ist solch ein Job die optimale VorÂbereÂitung auf jede Form von Berufsleben.