McJob

Buch McJob

Erkenntnisse durch die Arbeit hinter dem Tresen

Wiley-VCH,


Rezension

Welchen Unterschied macht der Mensch? Einen gewaltigen. Das stellt Jerry Newman fest, als er nacheinan­der in sieben ver­schiede­nen Fast-Food-Restau­rants anheuert. In jedem einzelnen sind die Ar­beitss­chritte strikt stan­dar­d­isiert – erst kommt die Zwiebel, dann die Gurke. Alles ist auf UniformitĂ€t angelegt. Trotzdem sieht BWL-Pro­fes­sor Newman frap­pierende Un­ter­schiede: In einem Restaurant eine Belegschaft, die bei allem Stress versucht, Spaß bei der Arbeit zu haben, und sich anschließend auf ein Bier trifft, in einem anderen sprachlose Gestalten, die lustlos ihren Aufgaben nachgehen, bevor sie in die Nacht entschwinden. Das hat laut Newman nichts damit zu tun, welcher Kette die Restaurants angehören, sondern mit einem einzigen Menschen: dem Fil­ialleiter. Je freigebiger er mit Lob umgeht und je mehr er seine Mitarbeiter erkennbar wertschĂ€tzt, desto mehr wird er mit Leistung und einem guten Be­trieb­sklima belohnt. Newmans amĂŒsant geschriebener Er­fahrungs­bericht ist ein versteckter Aufruf an alle FĂŒhrungskrĂ€fte, sich ihrer Aufgabe zu stellen. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Managern, die vergessen haben, dass sie selbst fĂŒr den entschei­den­den Unterschied sorgen können.

Take-aways

  • In der Fast-Food-Branche lĂ€sst sich einiges lernen, z. B.: AblĂ€ufe können stan­dar­d­isiert werden, Menschen nicht.
  • Wer ehrgeizige Ziele erreichen will, braucht Mitarbeiter, die mitziehen.
  • Ve­r­ant­wortlich fĂŒr Leistung und ProduktivitĂ€t der Belegschaft ist vor allem der Chef.
  • Chefs können loben und wertschĂ€tzen – und erhalten Leistung als Belohnung.
  • Verzichten Chefs auf Lob und WertschĂ€tzung, mĂŒssen sie sich auf unwillige Mitarbeiter einstellen.
  • Wenn Menschen fĂŒr ihr Tun anerkannt werden, steigen ihre Effizienz und ProduktivitĂ€t.
  • Gute FĂŒhrungskrĂ€fte versuchen bewusst, das Be­trieb­sklima zu verbessern.
  • Ein­stel­lungs­ge­sprĂ€che werden unterschĂ€tzt: Jede neue Kraft sollte ins Team passen.
  • Schulungen werden ebenfalls unterschĂ€tzt: Je besser der Mitarbeiter eingear­beitet wird, desto eher bringt er Leistung.
  • Wer sich ignoriert und ĂŒberfordert fĂŒhlt, kĂŒndigt rasch – das kostet Zeit und Geld.
 

Zusammenfassung

McJob ist nicht McEasy

Das Image der Fast-Food-Branche ist mies: karge Löhne und jede Menge Stress. Aber wenn das so ist, wie schafft es diese Branche dennoch, fĂ€hige Mitarbeiter anzuwerben und zu halten? BWL-Pro­fes­sor Jerry Newman versucht die Antwort im Selb­stver­such her­auszufinden. Im Verlauf von 14 Monaten heuert er in sieben ver­schiede­nen Burger-Restau­rants an, quer durch die USA. McDonald’s und Burger King gehören natĂŒrlich dazu, außerdem Filialen von Wendy’s, Arby’s und Krystal. Schnell stellt sich heraus, dass die ArbeitsablĂ€ufe hochgradig stan­dar­d­isiert sind; ein McDonald’s Hamburger Royal mit KĂ€se beispiel­sweise wird ĂŒberall gleich garniert. Was sich mitunter gravierend un­ter­schei­det, ist der Umgang der Chefs mit den Mi­tar­beit­ern: bei der Motivation, bei der Schulung und bei der Einstellung.

„McJob heißt nicht McEasy.“

Wer den Mi­tar­beit­ern stĂŒndlich nur etwa sechs Dollar auszahlen kann, wie es in der Sys­tem­gas­tronomie ĂŒblich ist, muss andere Formen von Lohn oben drauflegen. In jedem Man­age­men­tkurs wird gelehrt, worin dieser Lohn besteht: Anerkennung, Lob, bestĂ€tigende Worte. Das ist in Ham­burger-Restau­rants genauso notwendig wie anderswo, zumal die AblĂ€ufe so stark stan­dar­d­isiert sind, dass sie Neulingen als einfach dargestellt werden. Aber das sind sie nicht – vor allem nicht, wenn es in Stoßzeiten auf Tempo ankommt. Das GefĂŒhl, bei einer „IdiotentĂ€tigkeit“ zu scheitern, greift das Selb­st­wert­gefĂŒhl an. Die Folge: Es wird sehr schnell gekĂŒndigt. Schlechte Manager verbuchen das unter „Schwund ist immer“, gute FĂŒhrungskrĂ€fte hingegen vermitteln, dass McJob eben nicht McEasy ist. In einer Filiale soll Newman den Boden aufwischen. Die Leiterin ruft laut in die Runde: „Lass es dir von Ming Hoh zeigen, der kann es am besten.“ Und das tut Ming Hoh, zwei Tage lang. Das Ergebnis: Er ist stolz auf eine TĂ€tigkeit, die allzu oft nur als lĂ€stig empfunden wird. Die Fil­iallei­t­erin vermittelt Ming Hoh, dass sie seine Arbeit wertschĂ€tzt.

Hinein ins kalte Wasser

In dieser Filiale waren die Ein­stel­lungs­ge­sprĂ€che ĂŒbrigens kein lapidares „Wann können Sie anfangen?“, sondern es wurde darauf geachtet, wie es um die Motivation der Kandidaten stand und ob sie ins Team passten. Das Signal: Dies ist kein leichter Job, den können nur die Besten. Schon diesen Test zu bestehen, steigert das Selb­st­wert­gefĂŒhl.

„Im Fast-Food-Lokal fragte niemand nach meiner Meinung.“

So ein Vorgehen ist aber in der Sys­tem­gas­tronomie offenbar die Ausnahme. Das andere Extrem: Der neue Mitarbeiter wird ohne jede Einweisung hinter die Theke gestellt – direkter Kontakt zum Kunden. Erst steht zwar noch ein Kollege hinter ihm und hilft. Aber dann wird es stressig, der Kollege wird anderswo gebraucht. Die Folge: Der noch etwas langsamer arbeitende Neuling muss sich mit aufge­brachten Kunden herum­schla­gen, die dachten, sie seien in einem „Schnell“-Restaurant ...

„Ich machte die Erfahrung, dass Ar­beit­san­weisun­gen eherne Gesetze waren.“

So ein Verhalten vergrĂ€tzt nicht nur die Kunden und die neuen Mitarbeiter, sondern ist auch schĂ€dlich fĂŒr den Fil­ialleiter. Der bekommt strikte Vorgaben, was die Wartezeiten angeht – und die lassen sich heutzutage problemlos durch Com­put­erkassen feststellen. Werden diese Zeiten ĂŒberschrit­ten, wird Druck ausgeĂŒbt. Fil­ialleiter, die die Vorgaben auf Dauer verfehlen, werden aus­ge­tauscht. Um das zu vermeiden, geben die Chefs den Druck nach unten weiter.

Die FĂŒhrungskrĂ€fte

Das Herstellen der Speisen und das Auftreten gegenĂŒber den Kunden ist fest re­gle­men­tiert – doch das ist nicht bestimmend fĂŒr die Be­trieb­skul­tur. Das Verhalten der Chefs und die dahinter liegenden Werte machen den Unterschied aus. Folgende vier Cheftypen gibt es:

  1. Der destruktive Vorgesetzte: Tritt der Chef vulgĂ€r und sarkastisch auf, passt sich der Umgangston der Angestell­ten an. Mobbt der Chef, mobben auch die Un­tergebe­nen. Das Klima wird giftig, es fehlt der Respekt fĂŒr die Kollegen und deren Leistung.
  2. Der mechanische Vorgesetzte: Meist ist er nicht der Fil­ialleiter, sondern dessen Vertreter. Er ist nach jahrelanger TĂ€tigkeit im Team aufgestiegen und ahnt, dass dies fĂŒr lange Zeit das Ende der Fah­nen­stange sein wird. Die Motivation ist entsprechend gering.
  3. Der beziehung­sori­en­tierte Vorgesetzte: Eine seltene Spezies. Diese Art Chef baut Beziehungen zu seinen Mi­tar­beit­ern auf, geht – wenn möglich – auf ihre WĂŒnsche ein und zeigt so, dass sie ihm nicht gleichgĂŒltig sind. Dadurch schafft er ein Klima der Fre­undlichkeit und Hil­fs­bere­itschaft.
  4. Der leis­tung­sori­en­tierte Vorgesetzte: Dieser Typ Chef baut ebenfalls Beziehungen auf, erwartet dafĂŒr allerdings eine entsprechende Leistung und macht dies unmissverstĂ€ndlich klar.

Die Mitarbeiter

Diese Cheftypen haben es in Fast-Food-Fil­ialen mit einer Belegschaft zu tun, die oft wechselt. Der Anteil von MÀnnern und Frauen ist ungefÀhr gleich, die meisten sind unter 30 Jahre alt. Sie alle lassen sich in vier Gruppen zusam­men­fassen:

  1. Die ÜberlebenskĂ€mpfer: Sie denken, sie hĂ€tten keine andere Wahl.
  2. Die Durchreisenden: Sie verdienen sich auf dem Weg zur High School oder zum College etwas Geld dazu.
  3. Die Ziellosen: Als sie anfingen, waren sie noch auf dem Weg zu etwas. Nun akzeptieren sie das Provisorium als etwas Dauerhaftes.
  4. Die Kar­ri­eris­ten: Der Weg nach oben fĂŒhrt ĂŒber Teamleiter und Schichtleiter zum Man­age­ment-As­sis­ten­ten. Diese ersten Sprossen sind, auch wegen der hohen Fluktuation, recht leicht zu erklimmen. Die Position des Fil­ialleit­ers ist sehr begehrt, doch davon werden nur wenige frei (durch­schnit­tliche Wartezeit: zehn Jahre). Der Grund: Es gibt nur sehr wenige Posten als Bezirk­sleiter, der nĂ€chsten Stufe nach dem Fil­ialleiter.
„Gute FĂŒhrungskrĂ€fte setzen auf eine unbegrenzt verfĂŒgbare Form der Entlohnung: Anerkennung.“

Manchen Fil­ialleit­ern ist es egal, welche der Mi­tar­beit­er­typen sie einstellen. Das rĂ€cht sich: Je kĂŒrzer das Ein­stel­lungs­ge­sprĂ€ch, desto kĂŒrzer die Ver­weil­dauer. Dabei ist das GesprĂ€ch natĂŒrlich nur ein Symptom fĂŒr das Interesse oder Desin­ter­esse des Chefs an seiner Belegschaft. Vielen Fil­ialleit­ern ist nur eines wichtig: Will der oder die wirklich arbeiten? Die Fluktuation ist hoch in der Branche. Einige Betriebe tauschen – statistisch gesehen – die Belegschaft wĂ€hrend eines Jahres fĂŒnfmal komplett aus. Wer un­entschuldigt nicht zur Arbeit kommt oder nicht arbeitsfĂ€hig ist, ist draußen. Und zwar spĂ€testens beim zweiten Mal.

„Korrektes Verhalten, das zu guten Leistungen fĂŒhrt, verdient Anerkennung.“

Wer sich statt fĂŒnf Minuten eine ganze Stunde Zeit fĂŒr das Ein­stel­lungs­ge­sprĂ€ch nimmt, kann bei dieser Gelegenheit auch schon einige Grundregeln des Betriebs vermitteln. Das ist klug, denn zu Beginn eines neuen Jobs ist jeder lern- und auf­nah­mewil­lig.

Anreize jenseits des Lohns

GrundsĂ€tzlich gilt in Ham­burger-Restau­rants: Alle sollen alles können. Das fĂŒhrt dazu, dass Mitarbeiter, die anspruchsvolle TĂ€tigkeiten besonders gut ausfĂŒhren, belohnt werden. Nicht durch Geld, sondern durch Ar­beitsstun­den: Diese Mitarbeiter bekommen die Schichten, die sie wollen – und so viele oder so wenige Stunden, wie sie wollen. Umgekehrt werden auf diese Weise auch Mitarbeiter aus dem Betrieb gedrĂ€ngt: Wer den AnsprĂŒchen nicht genĂŒgt, bekommt weniger Stunden als gewĂŒnscht.

„Ich habe nie erlebt, dass ein ernst gemeintes Lob seine positive Wirkung verfehlte.“

Wer die HĂ€lfte des Tages bei der Arbeit verbringt, wird dort einen Fre­un­deskreis aufbauen. Es gibt Ketten, die das zu unterbinden suchen. Und es gibt Fil­ialleiter, die den Aufbau von Beziehungen fördern. Sie haben erkannt: FĂŒr den miesen Stundenlohn kommt niemand zur Arbeit – also muss ich Al­ter­na­tiven anbieten. Das stĂ€rkt nicht nur die Anbindung an die Kollegen, sondern auch an den Arbeitgeber.

„Gute FĂŒhrungskrĂ€fte betrachten die Einar­beitung als eine Gelegenheit, eine Beziehung zu neuen Mi­tar­beit­ern aufzubauen.“

Gute Fil­ialleiter belohnen ĂŒberdies mit Lob. In den sieben Restaurants, in denen Jerry Newman jobbte, nutzten nur zwei Chefs dieses Mittel. Wichtig beim Loben ist, nicht pauschal mit fre­undlichen Worten um sich zu werfen. Das Lob muss ernst gemeint sein, um ernst genommen zu werden. Eine Steigerung des Lobs ist das kon­struk­tive Feedback: Auch wenn einzelne Punkte kritisiert werden, so bleibt doch hĂ€ngen, dass die eigene Arbeit gesehen und wertgeschĂ€tzt wird.

Schulung muss sein

Fast-Food-Restau­rants mĂŒssten weniger Kritik einstecken, wĂŒrde mehr MĂŒhe auf die Schulung und Einar­beitung der neuen Mitarbeiter verwandt. Denn wer die Regeln vermittelt, baut darĂŒber auch Beziehungen auf. Wer behauptet, „alles ganz einfach hier“, ĂŒbersieht, wie schwierig das scheinbar Einfache am ersten Tag ist. Besser ist es, wenn jemand den Neuen in den ersten Tagen mit allem vertraut macht, was es zu wissen gibt. Umso eher ist der Neue nicht mehr neu, sondern hat sich eingear­beitet. Dabei gilt es zwei simple Regeln zu beherzigen:

  1. Die Aufgaben werden so prÀzise wie möglich erklÀrt.
  2. Jemand beobachtet die Fortschritte und korrigiert Fehler, bevor sie zur schlechten Gewohnheit werden.
„Soziale Beziehungen verstĂ€rken die Bindung an den Ar­beit­splatz enorm.“

Eine dritte (Bonus-)Regel wÀre, zu erklÀren, warum etwas so und nicht anders gemacht werden soll.

Das Einarbeiten kann nicht an eine In­for­ma­tions-DVD delegiert werden – was dort gezeigt wird, hat mit dem Ar­beit­sall­tag nur wenig zu tun. Denn auch wenn die AblĂ€ufe eigentlich strikt vorgeschrieben sind: Um effizienter arbeiten zu können, werden die Vorgaben hĂ€ufig kreativ optimiert. Das allerdings brauchen die Vorge­set­zten nicht unbedingt zu wissen – die ganz oben schon gar nicht.

Gewappnet fĂŒr neue Aufgaben

Die Fluktuation in der Sys­tem­gas­tronomie ist nicht so hoch, weil die Löhne so niedrig sind. Sie ist deshalb hoch, weil der Job zwar wie erwartet eintönig ist, ĂŒberdies aber auch hĂ€rter als erwartet. Wenn dieser Frust nicht aufgefangen wird, fĂŒhrt der nĂ€chste Schritt zur TĂŒr hinaus – auf Nim­mer­wieder­se­hen.

„Gute FĂŒhrungskrĂ€fte wĂ€hlen Mitarbeiter danach aus, ob sie zum Team passen.“

Das kommt die Unternehmen teuer zu stehen. Denn das Anlernen neuer KrĂ€fte, mag es noch so rasch vonstatten gehen, kostet Zeit und Geld. Dazu kommen die Auswirkun­gen auf das Be­trieb­sklima, wenn Woche fĂŒr Woche neue Kollegen angelernt werden: So kann kein Gemein­schafts­gefĂŒhl entstehen. Meist gibt es bei einer 30-Mann-Belegschaft ein Stammteam von etwa zehn MĂ€nnern und Frauen – der Rest wird durchgewech­selt.

„In der Sys­tem­gas­tronomie zĂ€hlt vor allem ZuverlĂ€ssigkeit. Wer nicht zuverlĂ€ssig ist, fliegt raus.“

Ein McJob ist ein harter Job. Eben deshalb sollte er nicht als Schmud­deljob hingestellt werden, denn hinter dem Tresen kann man eine Menge lernen: zu tun, was zu tun ist – und zwar dann, wann es getan werden muss. Wer McJob-gestĂ€hlt ist, fĂŒrchtet weder Stress noch harte Arbeit und hat gelernt, im Team zu arbeiten. Damit ist solch ein Job die optimale Vor­bere­itung auf jede Form von Berufsleben.

Über den Autor

Jerry Newman lehrt als Professor fĂŒr Be­trieb­swirtschaft­slehre an der State University of New York in Buffalo. Neben seiner LehrtĂ€tigkeit arbeitet er als Berater, u. a. fĂŒr McDonald’s und Burger King.