Alter Wein in neuen Schläuchen?
Nach wie vor dominieren Stellenanzeigen, Karriereportale oder Auftritte auf Jobmessen den Krieg um die Köpfe – und das trotz zahlreicher Modebegriffe wie Personalmarketing, Employer-Branding oder HR-PR. Doch die große Chance, aktiv mit interessanten Geschichten aus dem eigenen Unternehmen an die Öffentlichkeit zu treten – genau das bedeutet der Begriff „HR-PR“ –, vergeben die meisten Unternehmen noch. Kein Wunder, dass Personalthemen nach wie vor meist nur im Karriereressort vorkommen und von Wirtschaftsjournalisten kaum wahrgenommen werden.
Guter Ruf dank HR-PR
Negative Personalgeschichten tauchen in den Wirtschaftsteilen und -medien gehäuft auf: Kurzarbeit, Entlassungen, Streit mit dem Betriebsrat usw. Auf der anderen Seite finden sich Nutzwertartikel etwa zum Thema MBA oder Überfliegerstorys in den Karriereressorts. Der überwiegende Teil der heutigen Arbeitswelt allerdings bleibt im Dunkeln oder schafft es höchstens in die wenig gelesenen Feuilletons. Vermeintliche Trends werden aufgegriffen, wenn sie in den Themenkreis der Journalisten – der Zielgruppe für PR – passen. Das Beispiel der zahlreichen Geschichten über Praktikantenausbeutung zeigt, dass diese Berichterstattung nicht zwangsläufig widerspiegelt, was in den meisten Branchen üblich und aus Human-Resources-Sicht relevant ist.
„Menschen schauen Menschen gerne zu, Menschen hören Menschen gerne zu, Menschen reden gerne über Menschen. Also müssen Menschen im Mittelpunkt der Kommunikationsstrategie stehen.“
Wenn ein Unternehmen eine PR-Botschaft verbreitet, wirkt sich diese sowohl auf das Unternehmensimage allgemein als auch auf den Ruf Ihrer Firma als Arbeitgeber und ggf. auf das Image an den Finanzmärkten aus. Das eine färbt auf das andere ab. Geschichten aus dem Arbeitsalltag helfen Unternehmen, sich zu profilieren – allein über Produkte ist dies zunehmend schwierig geworden. Konsumenten beachten neben ökologischen zunehmend auch die sozialen Standards der Unternehmen, mit denen sie zusammenarbeiten.
Die Medien bestimmen Ihr Image
Statt nackter Zahlen wollen die Menschen Geschichten lesen. Die Technik des Storytelling können Sie in PR-Berichten ebenso einsetzen wie in der klassischen Personalwerbung. Das zeigt die Markenkampagne von ThyssenKrupp: In diversen Anzeigenmotiven stellte das Unternehmen Mitarbeiter mit ihrer persönlichen innovativen Leistung vor.
„Der Rückzug auf die Innerlichkeit, den die Mehrzahl der Personalleute heute praktiziert, blockiert gesellschaftliche Veränderungen mit.“
Bei einem Medienbericht ist Ihr Einfluss auf die Aufbereitung eines Themas natürlich deutlich geringer als bei einer Werbekampagne. Dafür schätzen Menschen die Glaubwürdigkeit eines redaktionellen Beitrags weit höher ein. Die Medien prägen das Image Ihres Betriebes maßgeblich mit. Die Wirkung von Presseartikeln – auch nach innen – sollten Sie nicht unterschätzen und beispielsweise über einen Pressespiegel im Intranet nutzen. Redaktionelle Berichterstattung ist für Ihr Unternehmen wertvoller als eine bezahlte Kampagne.
„HR-PR baut Arbeitgebermarken auf – und spielt dabei keine Nebenrolle.“
Dennoch professionalisieren die wenigsten Unternehmen ihre Kommunikation von HR-Themen gegenüber Journalisten. Einer Studie der Personalberatungsgesellschaft Kienbaum zufolge betreiben nur 23 % der Unternehmen kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit, um Toptalente zu erreichen. Und eine Umfrage der Zeitschrift Personalwirtschaft unter im DAX 30 gelisteten Konzernen ergab, dass selbst diese Großunternehmen nicht alle HR-PR betreiben. In der Regel reagieren Unternehmen nur und beantworten Anfragen. Sie überlassen ihr Arbeitgeberimage dem Zufall.
Personalmarketing ist mehr als Personalwerbung
Wenn Unternehmen für sich als Arbeitgeber werben, sei es auf ihrer Website, in Imageanzeigen oder über sonstige Formen der bezahlten Kommunikation, ist das schön und gut – aber es ist keine HR-PR. Es ist Personalwerbung und nur ein Teil des Personalmarketings. Analog zu dem Begriff und der Disziplin „Marketing“ gehören zum Personalmarketing neben der Werbung und der PR-Kommunikation auch die Gestaltung des Produkts (hier: des Produkts „Arbeitswelt im Unternehmen“), die dafür notwendigen Analysen sowie die strategischen und taktischen Herangehensweisen an den Markt.
„HR-PR kann anhand von Geschichten zeigen, wie Mitarbeiter den Wandel erfolgreich gestalten.“
HR-PR bedeutet, dass Unternehmen Inhalte, Botschaften und Geschichten aus ihrer Arbeitswelt mit den üblichen Mitteln der PR verbreiten – also insbesondere über Pressemeldungen, Pressekonferenzen und Pressemappen, aber auch über Unternehmensmedien wie Kunden- oder Mitarbeiterzeitschriften und natürlich über die persönliche Ansprache von Journalisten.
Gutes tun – und dann erst darüber reden
Was als HR-Thema interessant ist, richtet sich nach der Zielgruppe und dem Medium. Eine Nachricht ist nur dann eine Nachricht, wenn sie neu und von allgemeinem Interesse ist. So kann es z. B. vor dem Hintergrund der zunehmenden Alterung interessant sein, wie sich Ihr Unternehmen auf den demografischen Wandel einstellt. Am besten machen sich Beispiele von echten Menschen, also vielleicht der aus der Rente zu Ihnen zurückgekehrte Ingenieur. Bei der Frage nach den Aussichten für Bachelor-Absolventen könnte die Integration des 100. Bachelors es eine Geschichte wert sein.
„Auch gelernte Lektionen wollen ehrlich erzählt werden.“
Um gute Geschichten anbieten zu können, brauchen Sie natürlich zuvor die entsprechenden Fakten. Die Reihenfolge des Spruchs „Tue Gutes und rede darüber“ müssen Sie unbedingt einhalten, sonst hat die beste HR-PR keinen Erfolg. Natürlich muss Ihr Unternehmen zuerst einen Betriebskindergarten und eine größere Anzahl von Müttern in individualisierten Teilzeitmodellen oder eine hohe Schwerbehindertenquote vorweisen, bevor Sie sich glaubwürdig über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder die Integration von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt auslassen können. Ein Bericht über Ihr Unternehmen muss sich aus Sicht der jeweiligen Redaktion dadurch rechtfertigen, dass Sie etwas grundlegend besser oder früher anpacken als andere Unternehmen.
Das HR-Themenmanagement
Zum Management Ihrer HR-Themen gehören die Suche nach aktuellen, relevanten Themen, die medienstrategische Überlegung, welche Geschichten aus Ihrem Haus und welche Standpunkte sich für eine aktuelle journalistische Berichterstattung eignen und welche über den Tag hinaus für ein Magazin interessant sein könnten. Themen, über die bereits etliche Tageszeitungen berichtet haben, sind für eine Zeitschrift in der Regel nicht mehr brauchbar. Sie müssen ebenfalls berücksichtigen, dass nicht alle Redaktionen und freiberuflichen Journalisten etwas mit Personalien anfangen können. Die Journalisten sind Ihre Zielgruppe – fragen Sie nach, was sie interessiert.
„Nicht immer ist die Abgrenzung zu anderen Maßnahmen der Personalkommunikation sauber, auch Recruiting-Events und Karrierewebsites werden zu Methoden von HR-PR erklärt.“
Ein aktives Management Ihrer HR-Themen können und sollten Sie intern als analytisches Instrument nutzen: Es signalisiert Ihnen, ob Sie im Personalmanagement die richtigen Themen auf dem Schirm haben. Dies ist der Schritt zu einem umfassend verstandenen Personalmarketing sowie einem Employer-Branding, das seinen Namen verdient.
Den HR-Presseverteiler zusammenstellen
Ob Sie Ihre Pressearbeit in Sachen Personal im eigenen Haus erledigen oder über eine externe Kommunikationsagentur abwickeln lassen, ist egal. Wichtig ist die Professionalität. Zu einer aktiven HR-PR gehört, dass Sie in Ihrem Unternehmen Personalthemen langfristig planen, die jeweils richtigen Interviewpartner identifizieren und aktiv und gezielt die Kontakte zu den Journalisten pflegen, die für Sie infrage kommen.
„Der Anspruch von HR, über die Grenzen des Unternehmens hinaus medial zu kommunizieren und damit den Ruf des Unternehmens zu mehren, bleibt ein hehrer Spruch, wenn nicht zugleich ein Prozesskorsett eingezogen wird.“
Wie ernst z. B. der Elektronikzulieferer Bosch, die Allianz-Versicherung oder der Chemiekonzern Bayer die HR-PR nehmen, zeigt sich schon daran, dass sie alle einen Sprecher für Personalthemen in der Kommunikationsabteilung beschäftigen. Die Allianz hat einen eigenen Verteiler für Pressemitteilungen speziell für HR-Fachjournalisten eingerichtet. Das ist sinnvoll: Die in vielen Unternehmen praktizierte regionale Medienansprache ist bei Personalthemen nicht angebracht.
Die Mitarbeiter sind die besten Botschafter
Vor allem dienstleistungsorientierte Unternehmen haben erkannt, wie wichtig die Mitarbeiter als Botschafter ihres Unternehmens sind. So hat der Autovermieter Avis Südafrika eigens ein Trainingsprogramm entwickelt, in dem die Angestellten neben Motivations- und Kommunikationstraining auch Team- und Leitbild des Unternehmens vermittelt bekommen. Die Mitarbeiterzufriedenheit stieg auf über 90 %. Der Öffentlichkeit wurde dies natürlich mitgeteilt.
„Unternehmen können Personalmarketing nicht erfolgreich betreiben ohne einen vernünftigen Umgang mit der Presse.“
Dass über ein Personalgroßprojekt in der Presse berichtet wird, wie beispielsweise über Gründung der Firmenuniversität des Autozulieferers Conti in Rumänien, ist aus Unterneh¬menssicht ein seltener Glücksfall. Gleich mehrere für das Unternehmen strategisch interessante Themen waren in den Berichten präsent: wie das Unternehmen Talente gewinnt oder wie es international eine Arbeitgebermarke aufbaut.
„Es gibt genug Personalmarketingleute, die in diesen Job hineinkommen und überhaupt nicht wissen, wie mit der Presse umzugehen ist.“
Viel Erfolg hatte eine PR-Aktion der Europäischen Union: Die EU-Kommission schickte ihre Mitarbeiter an ihre ehemaligen Schulen in den diversen europäischen Ländern, um Schülern und Lehrern dort von ihrer Arbeit bei der EU zu erzählen.
Die Prozesse müssen stimmen
Damit Ihre HR-PR effektiv läuft, müssen die Verantwortlichen in der HR- und Pressestelle eng zusammenarbeiten. Ohne den Input der Personalverantwortlichen wissen die Presseleute meist nicht, welche Themen für Unternehmen und Öffentlichkeit interessant sind. Den Personalern wiederum fehlt häufig das nötige Know-how in Sachen Pressekommunikation und Storytelling – und oft auch die Fähigkeit, sich selbst als Akteure in Szene zu setzen. Die Kommunikation gegenüber den Medien lässt sich in Medientrainings einüben. Gerade die Personalverantwortlichen großer Unternehmen nutzen diese Möglichkeit.
„Gute Presse kriegt man nicht, indem man zu manipulieren versucht. Sondern, indem man das Anliegen des Journalisten ernst nimmt und ihn, wenn es in die aktuelle Kommunikationsstrategie passt, unterstützt.“
Hoheitsfragen müssen geklärt sein, damit nicht Kompetenzgerangel und Eifersüchteleien die externe Kommunikation blockieren. Wichtig ist, dass Ihre internen Kommunikationsprozesse stimmen, damit Anfragen rasch abgewickelt werden können – auch wenn sich Journalisten vielleicht erst nach Monaten wegen eines Themas melden.
Vermeiden Sie Patzer
Bei Medienanfragen sind Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit Trumpf. Leider patzen viele Unternehmen, wenn sie mit einer Redaktion im Gespräch sind und ein Artikel zu einem für sie strategisch wichtigen Thema bereits geplant ist: Sie halten Absprachen nicht ein, sagen ein angefragtes Interview nicht rechtzeitig zu oder ab oder liefern versprochene Informationen nicht oder zu spät. Damit erschweren sie den Journalisten die Arbeit – und sorgen dafür, dass die sich womöglich nicht mehr so schnell wegen eines Personalthemas melden werden.