Professionelle Macht
Natürlich möchten Sie Macht haben, denn sie macht unabhängig und hilft Ihnen, Ihren Platz auf den Karrieresprossen zu verteidigen. Stehen Sie also dazu und verstecken Sie sich nicht hinter Führungskompetenz. Macht an sich ist nämlich keineswegs schlecht, jedenfalls nicht nur. Es kommt immer darauf an, was Sie damit machen. Solange Sie Macht mit Ethik verbinden und sich dabei selbst treu bleiben, zeugt das von Machtkompetenz und zeichnet Sie als Profi aus. Es geht nicht darum, den Kampfgockel zu markieren. Macht stellt hohe Anforderungen an Sie, denen Sie im positiven Sinne gerecht werden müssen: wie Sie Ihre Mitarbeiter, Vorgesetzten, Kollegen behandeln, Ihre Arbeit organisieren, Entscheidungen treffen, verhandeln und kommunizieren.
„Offen oder insgeheim wünscht sich jeder Mensch Macht: über andere Leute, die Natur oder den Lauf der Gestirne.“
Grundsätzlich gilt: Macht verändert den Charakter nicht, sie bringt ihn nur ans Licht. Wenn Sie ein Mensch sind, der zuhören kann, den Rat seiner Mitarbeiter nicht in den Wind schlägt und auch Kritik annimmt, wird auch die Ihnen übertragene Macht nichts daran ändern. Macht ist kein Grund, überheblich zu werden. Vor einem Berggorilla als Chef haben die Leute zwar Angst, aber nicht wirklich Respekt. Da hilft es Ihnen nicht, wenn Sie eine kleine Gruppe Wasserträger um sich scharen. Bleiben Sie offen für alle und vor allem: Missbrauchen Sie Ihre Macht nicht. Mobbing, Einschüchterung oder Bestechung gehören nicht auf den Terminkalender eines Machtprofis.
Wertebasierte Führung
Sie können Ihren Untergeben jeden Tag demonstrieren, dass Sie der Boss sind und das Sagen haben. Oder Sie eignen sich eine Art der Menschenführung an, die Ihre Mitarbeiter zu treuen Gefolgsleuten macht, weil diese Sie als Vorbild schätzen. Die Regeln des Benedikt von Nursia, die er im Jahr 530 im Kloster Monte Cassino aufgestellt hat, können eine ausgezeichnete Basis sein. Pater Anselm Grün von der Abtei Münsterschwarzach hat diese Statuten in moderne Managementansätze übertragen und propagiert eine Führung, die sich an den Werten Gerechtigkeit, Zivilcourage, Maß und Klugheit orientiert.
Macht und Mitarbeiterführung
Die Auswahl von Mitarbeitern sollte Chefsache sein; hier dürfen Sie Ihre Macht ruhig sinnvoll nutzen. Das heißt aber auch: Entpuppt sich ein Bewerber nach der Einarbeitungszeit als ungeeignet, ist das Ihr Fehler, nicht seiner. Wird hingegen ein Topmitarbeiter daraus, dürfen Sie stolz sein. Sorgen Sie für eine Arbeitsatmosphäre, in der jeder seine optimale Leistung bringen kann. Schaffen Sie Anreize, z. B. in Form von Reisen für erfolgreiche Mitarbeiter. Achten Sie im Arbeitsalltag auf professionelles Auftreten, Fairness und Loyalität, und fördern Sie eine positive Fehlerkultur.
„Ein geschicktes Beziehungsmanagement ist einer der wichtigsten Schlüssel für Ihren Machterhalt.“
Ein wichtiger Aspekt guter Mitarbeiterführung ist das richtige Delegieren. Als Moses in der biblischen Exodus-Geschichte die Israeliten aus Ägypten führen soll, zerbricht er fast an seiner Macht; er hat die Aufstände im Volk nicht mehr im Griff. Da verteilt Gott Moses’ Weisheit auf 70 Älteste, die dem Anführer einen Teil der Verantwortung abnehmen – das erste historische Beispiel erfolgreichen Delegierens. Wenn Sie im Berufsalltag delegieren, brummen Sie Ihren Untergebenen nicht nur die miesesten Aufgaben auf, halten Sie mit Ihrem Wissen nicht hinter dem Berg und hören Sie auf zu glauben, dass nur Sie eine Angelegenheit perfekt erledigen können. Wer effizient delegiert, schafft sich Freiräume für wirkliche Führungsaufgaben. Und er motiviert seine Mitarbeiter: Die fühlen sich bestätigt, wenn ihnen anspruchsvolle Aufgaben übertragen werden und quittieren das mit doppeltem Einsatz.
„Die Führung von Mitarbeitern ist das Kernstück Ihrer Machtausübung.“
Geizen Sie nicht mit Feedback, Lob und Tadel. Nicht nur Sie brauchen Anerkennung, auch Ihre Mitarbeiter erwarten ein ehrliches Schulterklopfen und konstruktive Kritik. Damit beweisen Sie echtes Interesse an dem, was in Ihrem Unternehmen geleistet wird. Außerdem spornt beides – Lob und konstruktive Kritik – zu noch mehr Leistung an. Entscheidend ist, dass Sie Komplimente nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilen – das nimmt keiner ernst.
„Glauben Sie nicht, durch Delegation mehr Mußestunden zu haben. Aber Sie können Ihren Arbeitsalltag besser nutzen, nämlich für Ihre Leitungsaufgaben.“
Übrigens: Auch Ihre Sekretärin ist eine Mitarbeiterin – eine, die viel für Ihre Macht tun kann. Je mehr Sie mit ihr ein unschlagbares Team bilden, umso mehr Zeit bleibt Ihnen für Ihre Führungsfunktion. Trauen Sie ihr ruhig viel zu und fordern Sie sie: In vielen erfolgreichen Unternehmen hat die rechte Hand des Chefs fast eine Managerposition inne. Mit Briefe tippen und Kaffeekochen wird sie jedenfalls nicht glücklich.
Entscheidungen und Verhandlungen
Die Kompetenz, Entscheidungen zu treffen, ist kein Alleinstellungsmerkmal für Führungskräfte; auch auf unterster Ebene wird immer wieder zwischen verschiedenen Möglichkeiten gewählt. Aber als Chef fällen Sie dank Ihrer Macht besonders gravierende Entschlüsse. Tun Sie das nicht aus dem Bauch heraus, bereiten Sie jede Entscheidung sorgfältig vor. Dazu gehören Gespräche mit Fachabteilungen, das Abwägen von Risiken und die Berücksichtigung aller Folgen für die Firma und die Mitarbeiter. Für die Umsetzung ist ein Aktionsplan notwendig. Reagieren Sie auf Kritik diplomatisch und bleiben Sie flexibel.
„Verhandlungen sind kein Schönwettergebiet, sondern ein Ort der Auseinandersetzung, gar ein Kampfplatz mit manchmal lauten Begleiterscheinungen.“
Stehen bahnbrechende Entscheidungen an oder gilt es, einen Interessenkonflikt zu lösen, wird verhandelt. Wenn Sie Verhandlungen führen, zeugt das unmissverständlich von Ihrer Macht. Um die zu festigen, brauchen Sie Erfolge. Treten Sie mit Nachdruck für Ihre Ziele ein, aber machen Sie sich dabei nicht den Rest der Welt zum Feind. Die beliebte Win-win-Strategie ist vielleicht nur selten zu verwirklichen, aber der Gegner sollte zumindest das Gefühl haben, dass Sie fair verhandeln. Lassen Sie ihm ein paar Haare, Sie wissen nicht, wann Sie ihn noch brauchen.
Machtvolle Worte
Ob Sie verhandeln oder nur ein Gespräch mit Ihren Mitarbeitern führen: Kommunikation ist ein schlagkräftiges Machtinstrument. Bei Stellungsnahmen, Interviews, Präsentationen oder Pressekonferenzen: Immer haben Sie die Chance, andere zu überzeugen und damit Ihre Ziele zu erreichen, vorausgesetzt, Sie wissen, was Sie wann, wo und wie sagen wollen, und zwischen Ihren Worten und Ihren Tagen klaffen keine Abgründe. Was Sie ja vor allem möchten, ist, dass Ihr Gegenüber Sie richtig versteht. Das erreichen Sie, indem Sie versuchen, die andere Position einzunehmen, sich in Ihr Gegenüber zu versetzen. Sprechen Sie anschaulich, so ausführlich wie nötig und so kurz wie möglich.
„Ist eine Stufe auf der Karriereleiter genommen, stellt sich ein kurzes Glücksgefühl ein und schon ist die nächste Sprosse fest im Blick.“
Auch wenn Sie mit Lampenfieber zu kämpfen haben: Nutzen Sie jede Gelegenheit zu Vorträgen und Präsentationen, um – gut vorbereitet – ein für Sie wichtiges Thema anderen zu vermitteln. Jürgen Sudhoff, einst deutscher Pressereferent in Tel Aviv, überzeugte Helmut Kohl mit einem Vortrag derart, dass dieser sich noch Jahre später erinnerte und ihn zum Staatssekretär machte. Zuhörer fesseln zu können, ist eine besondere Gabe. Doch auch weniger begnadete Rhetoriker erzielen gute Ergebnisse, wenn sie ihre Präsentation richtig organisieren (liegen die Folien bereit, funktioniert der Beamer?) und positiv auf ihr Publikum zugehen. Suchen Sie den Blickkontakt, sprechen Sie zum Auditorium, rennen Sie nicht nervös auf und ab und kommen Sie pünktlich zum Schluss, bevor alle wegdösen.
„Verwerfen Sie den Gedanken, unentbehrlich zu sein. Ihr Arbeitgeber wird Sie sofort ersetzen, wenn Sie längere Zeit ausfallen, gleichgültig, ob Sie der oberste Chef sind oder im mittleren Management arbeiten.“
Die Macht der Worte wird auch im Umgang mit E-Mail und Handy deutlich, zumal wir heute dank dieser Errungenschaften jederzeit und überall erreichbar sind. Dämmen Sie die E-Mail-Flut in Ihrem Unternehmen ein. Es muss nicht immer die ganze Belegschaft eine Kopie erhalten, und als Chef brauchen Sie nicht jede Mail selbst zu beantworten, dazu haben Sie eine Sekretärin. Ihr Handy dürfen Sie ruhig mal ausschalten. Wichtige Mitteilungen erreichen Sie auch über Ihre Mailbox. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran und rufen Sie Ihre Mitarbeiter nicht am Sonntagvormittag oder mitten in der Arbeit an, nur weil Ihnen just eine brillante Idee gekommen ist.
Rauf auf die Karriereleiter
Natürlich möchten Sie Karriere machen. Allerdings ist die heute gar nicht mehr so einfach zu planen: Die schnellen wirtschaftlichen Veränderungen können Ihnen rasch einen Strich durch die Rechnung machen. Stellen werden gestrichen oder durch Fusionen überflüssig. Das ist jedoch kein Grund zu resignieren, im Gegenteil, Sie müssen umso härter an Ihrem Erfolg arbeiten. Am leichtesten tun Sie sich, wenn Sie in einem Unternehmen eine Stelle z. B. als Trainee in der Vorstandsetage erhaschen. Dann fällt Ihr Können gleich an der richtigen Stelle auf. Verhalten Sie sich intelligent und rücksichtsvoll, aber nicht um jeden Preis authentisch. Machtprofis betrachten ihr wahres Ich als reine Privatsache. Achten Sie jedoch auf einen einwandfreien Leumund, Ihr guter Ruf ist die Basis Ihres Erfolgs.
Wenn Macht krank macht
Die Medien zeigen den typischen Manager entweder als Jet-Set-Tiger mit Superjacht und schönen Frauen oder als gestressten Herzinfarktkandidaten mit Burn-out-Syndrom. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Mal läuft es gut, mal weniger, und einen Burnout können auch Schüler haben. Als Chef sollten Sie genauso auf Ihre Gesundheit achten wie jeder andere auch. Wichtig ist, dass Sie Ihre Machtposition als zeitlich begrenzt akzeptieren, dass Sie daneben auch Hobbys haben und nicht zum Workaholic werden. Sie müssen selbst für das richtige Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit, für Ihre Work-Life-Balance sorgen. Und hören Sie auf, sich über jede Kleinigkeit zu ärgern, das erspart Ihnen Bluthochdruck und Magengeschwüre. Gerade in einer Machtposition sind Ruhe und Gelassenheit angesagt. Nur damit behalten Sie den Überblick auch dann, wenn um Sie herum die Panik ausbricht. Begegnen Sie Ihren Mitarbeitern mit Geduld, anstatt durch Druck noch mehr Chaos zu stiften. Wenn Veränderungen anstehen, dann lassen Sie diese zu. Die Einsicht, dass nur die Unbeständigkeit Bestand hat, hilft Ihnen im Privat- wie auch im Berufsleben.
„Das Geheimnis für stoische Ruhe ist ganz einfach – seien Sie gelassen.“
Ein beliebtes Zerrbild ist das des furchtlosen Managers, der mit Gewinnerlächeln jedes unternehmerische Erdbeben im Griff hat. Angst kennt so ein Typ natürlich nicht. Auch das hat mit dem echten Leben nicht viel zu tun: Führungskräfte haben viele Ängste. Sie können ihren Grund in Vorgesetzten haben, in Kollegen und Kunden, im eigenen Versagen, in Intrigen oder Versetzungen. Am meisten Angst haben Führungskräfte davor, ihre Macht zu verlieren. Dagegen hilft nur eines: jede Veränderung als Chance zu sehen.
Nach der Macht
Sie bleiben nicht Ihr Leben lang oberster Boss. Irgendwann geben Sie das Zepter ab und wechseln in den wohlverdienten Ruhestand. Es ist gut, wenn Sie sich beizeiten darüber Gedanken machen und Ihr Ausscheiden aus der Firma planen. 100 Tage sollten reichen, um letzte Projekte abzuwickeln und den Nachfolger einzuarbeiten. Überlegen Sie auch, was Sie mit der vielen freien Zeit künftig anfangen wollen. Auch wenn Sie noch so mächtig waren, Ihre Firma wird Sie schnell vergessen. Orientieren Sie sich also neu, engagieren Sie sich ehrenamtlich, unterstützen Sie Jungunternehmer oder passen Sie auf Ihre Enkel auf.
„Wenn Ihre Leute Sie mit einer Träne im Auge verabschieden, haben Sie das Ziel erreicht. Dann waren Sie wirklich mächtig.“
Ihr Ziel sollte sein, dass man Sie nach Ihrer Zeit positiv als ehemaligen Chef in Erinnerung behält, dass man gerne an die Zusammenarbeit mit Ihnen zurückdenkt, dass man die Erfolge sieht, die Sie kraft Ihrer Macht erzielen konnten. Dann haben Sie es verstanden, diese Macht uneigennützig einzusetzen.