Voraussetzungen für wirtschaftliches Denken im Alltag
Dieses Buch zeigt Ihnen, dass Ökonomie (hier verstanden als das Denken in wirtschaftlichen Mustern) eine geeignete Methode ist, menschliches Verhalten in den verschiedensten Situationen vorherzusagen. Voraussetzung für das Funktionieren dieses Denkmodells sind zwei Annahmen:
- Die Individuen verfolgen Ziele und diese Ziele sind einigermassen einfach.
- Die Individuen wählen die richtigen Mittel, um diese Ziele zu erreichen.
„Wir beginnen mit einer einzigen Voraussetzung - Rationalität - und machen uns damit auf den Weg, die Welt zu erobern.“
Mit anderen Worten: Menschen verhalten sich rational. Diese Annahmen stimmen zwar nicht immer mit der Realität überein - aber sie erklären menschliche Handlungen in allen Lebenslagen ziemlich genau. Wichtig ist dabei jedoch, dass "Rationalität eine Annahme über individuelles Verhalten, nicht aber über Gruppenverhalten ist". Für mich ist es z. B. rational, im Park quer über den Rasen zu laufen (Zeitersparnis). Wenn alle so vorgehen, werden aber die Gesamtkosten dieser Handlung (zerstörter Rasen) höher sein als der Gesamtnutzen (Zeitersparnis bei allen). Es sind aber nur Nutzen (gesparte Zeit) und Kosten (geringer Schaden für den Rasen), die aus aus meiner Sicht mein Handeln bestimmen.
Wert und Wahl: Taten sind entscheidend
In der Ökonomie wird nicht alles - wie viele Leute irrtümlich glauben - in Geld beziffert. Vielmehr schlägt sich der Wert einer Sache immer in Entscheidungen zwischen verschiedenen Alternativen nieder - den so genannten Wahlentscheidungen. Kaufe ich mir ein Auto oder verwende ich das Geld für eine ärztliche Behandlung? Was ist mir mehr wert: individuelle Bewegungsfreiheit (mit dem zusätzlichen Unfallrisiko) oder meine Gesundheit (im Grenzfall sogar mein Leben)?
„Hier geht es um Ökonomie, wie viele Ökonomen - ich bin versucht zu sagen: alle guten Ökonomen - sie auch sehen: eine Mischung von Theorie, Intuition, Rätseln des wirklichen Lebens und einfallsreichen, wenn auch manchmal bizarren Lösungen.“
Der Wert zeigt sich also nicht in Worten, sondern in Taten: Kaufe ich ein Auto, habe ich meine Präferenzen offenbart. Man nennt dies das "Prinzip der bekundeten Präferenz". Nur hieran lässt sich der tatsächliche Wert ablesen. Ökonomischer Wert ist demnach der "Wert für Individuen, wie er von ihnen selbst beurteilt wird und in ihren Handlungen zum Vorschein kommt." Auch bei elementaren Dingen (Nahrungsmittel oder Arztbesuch?) drückt sich der Wert in der Wahlentscheidung aus. Gleiches gilt bei einem Preisanstieg (z. B. von Benzin), bei dem die Menschen ihre Präferenzen (d. h. den individuellen Wert) offenbaren. Denn sie haben die Möglichkeiten, durch ihre Fahrweise Energie zu sparen, Fahrgemeinschaften zu bilden, auf verbrauchsärmere Autos umzusteigen oder ganz auf das Auto zu verzichten.
Die Wahl zwischen Konsumgütern
Wie lauten die Beziehungen zwischen dem Wert eines Gutes für den Konsumenten, den Herstellungskosten und dem Marktpreis?
„Da draussen gibt es eine Welt der Rätsel, die auf unsere Werkzeuge warten. Der Landrausch hat gerade erst begonnen.“
Antwort: Der Preis entspricht gleichermassen den Herstellungskosten und dem Wert für den Nutzer, d. h. die Marktmechanismen sorgen dafür, dass auch diese beiden Grössen gleich sind. Also gilt im Modell: Preis = Wert = Kosten. Der Wert von etwas besteht darin, was wir dafür gerade noch ausgeben würden (gemessen in anderen Gütern oder in Geld). Der Wert eines Apfels kann z. B. zwei Orangen sein. Der Preis eines Gutes besteht in der Menge von etwas anderem, auf das wir verzichten müssen, um es zu bekommen. Kosten sind stets Opportunitätskosten (Alternativkosten) - die Kosten sind das, worauf Sie verzichten müssen, um es zu bekommen. Das Güterbündel, für dessen Konsum Sie sich als rationales Individuum entscheiden, ist genau das, für das gilt: Preis gleich Wert.
Warum sind Diamanten teurer als Wasser?
Entscheidungen bestehen in einer Wahl unter alternativen Möglichkeiten. Die rationale Konsumentscheidung richtet sich nach dem Grenzwert: Wie viel ist es mir wert, eine weitere Einheit zu konsumieren und dafür auf andere Güter zu verzichten? Ein rationaler Verbraucher kauft also genau die Menge, für die der Grenzwert dem Preis entspricht.
„Wie es Alfred Marshall ausdrückte, ist die Frage, ob Angebot oder Nachfrage den Preis bestimmen, so als würde man fragen, welche Schneide der Schere das Papier schneidet.“
Wie kann es z. B. sein, dass Dinge, ohne die die meisten von uns gut auskommen (z. B. Diamanten), so viel teurer sind als lebensnotwendige Dinge (z. B. Wasser)? Antwort: Der Gesamtwert von Wasser ist zwar sehr viel höher als der von Diamanten (auf Diamanten können wir verzichten, auf Wasser nicht). Aber der Grenzwert eines zusätzlichen Liters Wasser ist sehr viel geringer (Wasser ist zu sehr geringen Kosten verfügbar) als der Grenzwert von Diamanten (die sehr selten sind). Da der Preis gleich dem Grenzwert ist, kosten Diamanten viel mehr als Wasser.
Die Produktion
Die Logik der (einfachen) Produktion aus Sicht der Produzenten vollzieht sich in drei Schritten:
- Der erste besteht darin, zu entscheiden, wie viel man produzieren will;
- der zweite besteht darin, die Ergebnisse der Entscheidungen vieler Produzenten miteinander zu kombinieren und
- im dritten Schritt dann die Gesamtnachfrage (Summe der nachgefragten Mengen zu einem bestimmten Preis) mit dem Gesamtangebot bei einem Preis in Übereinstimmung zu bringen.
„Ökonomie ist keine Methode, das Bruttosozialprodukt vorherzusagen, sondern ein leistungsstarker Motor zum Verständnis von Verhalten - in erster Linie menschlichem Verhalten, aber anwendbar auch auf Gene, Computer und Tiere.“
Der Profit eines Produzenten ist der Gewinn, der Wertüberschuss (die Produzentenrente). Der Wertüberschuss für Verbraucher (die Konsumentenrente) ist der persönliche Reingewinn am Verbrauch, also der Nettovorteil aus dem Kauf dieser Menge zu diesem Preis. Die Kosten für die Produktion sind für den Produzenten (bei einer angenommenen Produktion ohne Input) der Preis der Arbeit, also der Lohn. Wobei der Lohn dem Grenzwert der Freizeit entspricht.
„Das Problem des öffentlichen Gutes führt auf privaten wie auf öffentlichen Märkten zu Ineffizienz!“
Der Handel zwischen Konsumenten und Produzenten führt zu Marktpreisen und Mengen: Die Preistheorie einer einfachen Volkswirtschaft Der Gleichgewichtspreis für ein Gut auf einem Markt ist der Preis, zu dem die angebotene Menge der nachgefragten Menge entspricht. Dabei muss man beachten, dass Veränderungen der Nachfrage ebenso unterschiedliche Auswirkungen haben wie Veränderungen im Angebot. Beispielsweise führt eine Erhöhung der Nachfrage zu einem höheren Preis, was wiederum die angebotene Menge erhöht. Aber das Angebot selbst hat sich nicht verändert. Mit anderen Worten: Wird der Preis vom Wert des Gutes für den Käufer (Nachfrage) bestimmt oder von den Kosten der Herstellung (Angebot)?
„Das Problem der öffentlichen Güter liegt nicht darin, dass eine Person für etwas bezahlt, das eine andere bekommt, sondern dass niemand etwas bezahlt und niemand etwas bekommt, selbst wenn das Gut mehr wert ist, als seine Erzeugung kosten würde.“
Antwort: Von beiden! Der Preis wird sowohl vom Wert für die Verbraucher als auch von den Herstellungskosten bestimmt. Denn ein rational handelnder Konsument erhöht so lange die nachgefragte Menge, bis der Wert der letzten zusätzlichen Einheit (Grenzwert) genau seinem Preis entspricht. Und ein rational handelnder Produzent erhöht die angebotene Menge, bis die Kosten für die letzte produzierte Einheit (Grenzkosten) dem Preis entsprechen, zu dem er seine Güter verkaufen kann.
Die Theorie des Unternehmens
Aus einer Produktionsfunktion berechnet der Unternehmer seine Gesamtkosten. Daraus folgen die Kurven für Durchschnittskosten und Grenzkosten. Hieraus leitet das Unternehmen seine Angebotskurve ab. Unter der Annahme der Gewinnmaximierung (Gewinn = Umsatz - Kosten) gelangt man zu der für das Unternehmen optimalen Produktionsmenge, bei der die Grenzkosten dem Preis entsprechen. Ähnliches kann man für eine gesamte Branche berechnen. Ergebnis: Der Marktmechanismus sorgt also dafür, dass das Optimum der einzelnen Unternehmen, der Konsumenten und der gesamten Branche übereinstimmen!
Das Problem des Marktversagens
Fährt ein Autofahrer im dichten Berufsverkehr bei Gelb noch auf die Kreuzung, verhält er sich aus seiner Sicht rational - vielleicht schafft er es ja noch hinüberzukommen. Nachteile hat er keine zu befürchten, auch wenn er auf der Kreuzung stecken bleibt und damit den Verkehr der anderen Richtungen blockiert. Ist dies der Fall, schadet seine Fahrweise den anderen Fahrern. Der Schaden ist grösser als der Nutzen, obwohl die Einzelentscheidung rational war. Rationales Handeln eines Gruppenmitgliedes kann sich also nachteilig für alle Mitglieder der Gruppe auswirken - individuelle Rationalität führt zu Gruppenirrationalität. Die Ökonomen nennen dieses Phänomen "Marktversagen". Denn es erklärt, warum wirkliche Wettbewerbsmärkte nicht so effizient sind, wie durch die ökonomische Theorie vorausgesagt wird. Es gibt zwei Formen des Marktversagens:
- das Problem der öffentlichen Güter oder Kollektivgüter. Beispiele hierfür sind saubere Luft oder der Rundfunk: Jeder, der einen Empfänger besitzt, kann Radio hören, ohne dafür bezahlen zu müssen oder ausgeschlossen werden zu können.
- die externen Effekte, d. h. zusätzliche Nachteile (externe Kosten) oder Vorteile (externer Nutzen) der Produktion eines Gutes. Beispiel für einen negativen externen Effekt: Das öffentliche Gut "saubere Umwelt" wird durch den Produzenten in Anspruch genommen (Immission von Schadstoffen), ohne bei ihm Kosten zu verursachen. Aber er verursacht erhebliche externe Kosten (Gesundheitsbelastung der Bevölkerung).
„Einer der Gründe für die Erfolge des ‚Wirtschaftsimperialismus’ (gemeint ist natürlich die Anwendung ökonomischer Methoden auf alltägliche Probleme, d.Red.) liegt darin, dass interessante Ideen interessante Leute anziehen. Ein anderer ist, dass wir ein unberührtes Terrain bearbeiten, und jungfräuliches Land erweist sich häufig als fruchtbar.“
Lösungen für das Problem des Marktversagens sind:
- Das Eingreifen des Staates durch Verordnungen und Verbote. Da die Betriebe jedoch ihre Kosten übertreiben, führt dies höchstwahrscheinlich zu einem ineffizienten Ergebnis.
- Eine bessere Lösung ist die der Immissionsabgabe in genau der Höhe der Kosten, die die Umweltverschmutzung verursacht.
- Private Lösungen können das Verhandeln der Marktteilnehmer oder der Zusammenschluss von Eigentümern bzw. das Regeln von Eigentumsrechten sein ("Umweltzertifikate").
Eine Anwendung: Die Ökonomie der Politik ("Public Choice")
Analysiert man den Bereich der öffentlichen Institutionen und den Prozess der politischen Entscheidungsfindung mit den Methoden der ökonomischen Theorie (Politiker und Wähler handeln als Individuen rational), ergeben sich für die Leistung der politischen Märkte folgende Voraussagen:
- Politiker begünstigen Lobbys mit gebündelten Interessen (im Vergleich zu Gruppen mit gestreuten Interessen, wie z. B. Konsumenten). So dient ein Zoll ausschliesslich den gebündelten Interessen der Produzenten eines Gutes. Er geht aber auf Kosten der Käufer dieses Gutes und der Erzeuger von Exportgütern (gestreutes Interesse). Die Gesamtkosten sind also höher als der Gesamtvorteil - aber sie sind für Politiker weniger gewichtig auf dem politischen Markt.
„Wirtschaftswissenschaftlicher Witz: Zwei Männer treffen auf einen Bären. Einer schickt sich an, wegzulaufen. ‚Das ist doch hoffnungslos’, sagt ihm der andere, ‚du kannst doch nicht schneller laufen als ein Bär.’ ‚Nein’, gibt der andere zurück, ‚aber ich kann vielleicht schneller laufen als du.’“
Politiker ziehen Transfers vor, deren Wirkungen verschleiert sind, d. h. bei denen es für die Beteiligten so teuer wie möglich ist, herauszufinden, was wirklich vor sich geht. So stösst eine (direkte) Steuer, die von den Verbrauchern (gestreute Interessen) erhoben werden soll, um das Geld den Automobilkonzernen (gebündelte Interessen) weiterzugeben, auf grösseren Widerstand als ein (indirekter) Automobilzoll, der exakt dieselbe Wirkung hat.