Verkauft und nichts verraten

Buch Verkauft und nichts verraten

Kommunikation im Zeitalter sich wandelnder Finanzmärkte

Frankfurter Allgemeine Buch,


Rezension

Beteili­gungs­ge­sellschaften, Hedgefonds und sozial engagierte Aktionäre haben eines gemeinsam: Als so genannte aktive Investoren mischen sie sich zunehmend in die strate­gis­che Ausrichtung und die Man­age­mententschei­dun­gen ein. Das kann ein Unternehmen beflügeln; nicht selten aber sind die Auswirkun­gen auf die Firma und die Mitarbeiter negativ. Kein Wunder, dass die „Heuschrecken“ am Stammtisch verflucht werden und dass selbst die mediale Diskussion sehr hitzig geführt wird. Die Autoren dieses Sam­mel­ban­des wollen die Debatte ver­sach­lichen. Fundiert erläutern die Branchenken­ner die Motive, Praktiken und Ziele der aktiven Investoren. Ganz einig sind sie sich allerdings nicht: Die Beurteilung fällt je nach Verfasser un­ter­schiedlich aus. Wer wissen will, wie die Branche tickt, ist mit diesem Buch bestens bedient. BooksInShort empfiehlt es allen Managern und Kom­mu­nika­tionsver­ant­wortlichen – ob sie die Heuschrecken nun als Plage ansehen oder nicht.

Take-aways

  • Der klassische, passive Aktionär hatte zwei Hand­lung­sop­tio­nen: Halten oder Verkaufen.
  • Der aktive Anleger (Activist Investor) greift dagegen in die Un­ternehmen­spoli­tik ein.
  • Aktive Investoren sind z. B. Hedgefonds (bei börsen­notierten Unternehmen) oder Pri­vate-Eq­uity-Gesellschaften (bei nicht börsen­notierten Firmen).
  • Das Ziel der Investoren sind in der Regel Son­der­ausschüttungen oder Wert­steigerun­gen.
  • Viele aktive Investoren trimmen Unternehmen strikt auf kurzfristige Effizienz. Langfristige Ziele bleiben auf der Strecke.
  • Erreicht ein Investor mit seinem Aktienpaket die gesetzliche Melde­schwelle, ist das ein erster Warnschuss für das Unternehmen.
  • Nur wer die In­hab­er­struk­tur genau analysiert, kann mögliche Angriffe abwehren.
  • Mit trans­par­enter, kon­tinuier­licher Information können Sie vermeiden, dass Investoren Ihr Unternehmen öffentlich unter Druck setzen.
  • Ein De­fence-Hand­book hilft, im Notfall vorbereitet zu sein und schnell reagieren zu können.
  • Der Ruf nach Selb­st­beschränkung der Investoren ist weltfremd. Die Politik muss Leitplanken setzen.
 

Zusammenfassung

Die Heuschrecken kommen

Der klassische Aktionär hat sich kaum in die Geschäfte seiner Unternehmen eingemischt. Seine Hand­lung­sop­tio­nen beschränkten sich nor­maler­weise auf zwei Al­ter­na­tiven: Loyalty oder Exit. Also: Loyalität zum Unternehmen, Halten – sowohl der Papiere als auch des Mundes. Oder: Verkaufen, wenn man mit den Man­age­mententschei­dun­gen nicht ein­ver­standen war.

„Schon auf Basis relativ geringer Min­der­heits­beteili­gun­gen bee­in­flussen Aktionäre heute die Agenda von Ak­tienge­sellschaften.“

Doch angesichts der enormen Summen, die in den letzten Jahrzehnten in den Aktienmarkt geflossen sind, ist der Verkauf für viele in­sti­tu­tionelle Anleger zunehmend zu einer eher the­o­retis­chen Option geworden – irgendwo muss das Geld ja schließlich hin. Dadurch können Manager, die eher die eigenen Interessen als die der Aktionäre im Blick haben, praktisch nicht mehr mit einem Verkauf „bestraft“ werden. Heute versuchen deshalb immer mehr Anleger, die Un­ternehmen­spoli­tik aktiv zu bee­in­flussen. Aus dem passiven ist ein aktiver Aktionär geworden.

„Manches von dem, was die Finanzmärkte ausgelöst haben, hat die Weltwirtschaft durchaus vo­r­ange­bracht.“

Manchen aktiven Investoren geht es gar nicht um den schnöden Mammon: Sie wollen vielmehr gesellschaftliche Ziele erreichen und beispiel­sweise Kinder­ar­beit oder Umweltver­schmutzung verhindern. Man spricht in diesem Zusam­men­hang von einem Value-based Approach. Doch das ist die Ausnahme, in den meisten Fällen ist das Ziel schlicht und ergreifend Geld (Value-seek­ing Approach). Einige Firmen setzen diesen Ansatz in ein Geschäftsmodell um: Die so genannten Corporate Raiders suchen gezielt Unternehmen mit versteckten Reserven, kaufen sich ein und erzwingen eine Ausschüttung der schlum­mern­den Werte an die Aktionäre. Auch Hedgefonds treten nor­maler­weise als so genannte Activist Investors auf, um eine Überrendite zu erzielen.

Das Vorgehen der Activists

Solche Activist Investors gehen individuell un­ter­schiedlich vor, trotzdem gibt es einige typische Grundzüge: Die angepeilten Unternehmen werden vorab genau unter die Lupe genommen und auf Erfolg ver­sprechende Merkmale abgeklopft, beispiel­sweise geringe Ausschüttungsquoten oder Managementmängel. Ist das Zielobjekt ausgewählt, kauft sich der Investor mit kleinen Anteilen oder über Derivate ein. Irgendwann erhöht er gezielt seine Anteile, bis die gesetzliche Melde­schwelle erreicht ist. Das ist der erste Warnschuss an die Firma, die bis dahin oft noch gar nicht bemerkt hat, mit wem sie es zu tun hat.

„Die Bankenverträge sind beinhart und werden konsequent gehandhabt.“

Nun folgen direkte Kon­tak­tauf­nah­men in der Absicht, das Management zu einem Kurswechsel zu zwingen. Man beginnt freundlich, dann wird der Ton rauer, um Druck aufzubauen. Zunächst läuft alles per Brief und persönlich. Reicht das nicht aus, schaltet der Investor die Medien ein – dabei gelangen u. U. auch ver­trauliche Unterlagen ans Licht der Öffentlichkeit. Außerdem verbündet er sich mit Altaktionären, um den Druck zu erhöhen. Der Showdown findet an der Hauptver­samm­lung statt: Dort hat es der Aktivist aufgrund seiner Vorarbeiten und der tra­di­tionell geringen Präsenz der Aktionäre oft leicht, auch mit relativ kleinen Anteilen einen Mehrheits­beschluss in seinem Sinn herbeizuführen.

Private Equity

Nicht nur börsen­notierte Ak­tienge­sellschaften sind von solchen Aktivitäten betroffen. Pri­vate-Eq­uity-Gesellschaften kaufen sich seit einigen Jahren in vielver­sprechende Unternehmen ein. Das Ziel ist immer eine Wert­steigerung des Un­ternehmens, um es nach einer Haltedauer von einigen Jahren gewinnbrin­gend weit­er­verkaufen zu können. Verlockend für die bisherigen Eigentümer ist dabei vor allem der überdurch­schnit­tliche Kaufpreis. Doch dieses Geld gibt es nicht umsonst: Ein möglichst hoher Anteil des Kaufpreises wird fremd­fi­nanziert – für die Banken aufgrund hoher Gebühren ein gutes Geschäft. Die Bedienung dieser Kredite wird dem gekauften Unternehmen auferlegt.

„Die Hauptver­samm­lung ist häufig das finale Element einer Ac­tivist-Kam­pagne.“

In der Folge wird mit fester Hand an der Ef­fizien­zschraube gedreht, Ren­di­teer­wartun­gen von 20–30 % sind in der Branche nicht unüblich. Allerdings mehren sich die Anzeichen, dass solche Renditen auf Dauer nicht mehr re­al­isier­bar sein werden. Nach dem Kauf übernimmt die Beteili­gungs­ge­sellschaft die Führung. Das Management wird ggf. ganz oder teilweise aus­ge­tauscht, die strikte Erfüllung des Geschäftsplanes konsequent einge­fordert. Um das Engagement zu steigern, werden die Führungskräfte und auch der Beirat zu bevorzugten Konditionen am Unternehmen beteiligt.

Umstrittene Aktionen

Bei guten Mark­tbe­din­gun­gen kann das strikte Vorgehen aktiver Investoren durchaus positive Folgen haben: Das Unternehmen hat Kapital für In­vesti­tio­nen, das es in dieser Höhe von den Banken vielleicht nicht direkt erhalten hätte, und kann folglich schneller wachsen. Es wird effizienter geführt als vorher, weil Alleingänge des Managements gegen die Interessen der Eigentümer kaum noch möglich sind. Und natürlich ist nicht jede Kritik per se Unsinn, nur weil sie von einem Investor stammt. Im besten Fall kann das Unternehmen also durchaus profitieren. Anders sieht die Sache aus, wenn sich das Umfeld verändert, die Ren­diteziele aber gle­ich­bleibend hochge­hal­ten werden. In diesem Fall ist Kostensenkung das einzige Mittel, die Forderungen der Banken zu bedienen; für un­ternehmerisch sinnvolle Entschei­dun­gen und In­vesti­tio­nen bleibt kein Geld. Das Resultat: kurzfristiges Denken, Kostensenkun­gen und Per­son­al­ab­bau, exzessive Ver­schul­dung, im schlimmsten Fall die Zer­schla­gung des Un­ternehmens oder (Teil-)Insolvenz.

„Ein guter Rat wird nicht bereits dadurch zu einem schlechten, dass er von einem Activist Investor stammt.“

Genau mit solchen Beispielen sind aktive Investoren immer wieder in die Medien gekommen – das geflügelte Wort der „Heuschrecken“ prägt die öffentliche und politische Diskussion. In den Medien werden die Beteili­gun­gen oft negativ dargestellt. Das, so sieht es die Branche, liegt vor allem an der ungenügenden Kom­mu­nika­tion der Unternehmen. Man ignorierte den kulturellen Hintergrund in Deutschland, das mit dem angelsächsischen Phänomen der Beteili­gungs­ge­sellschaften nicht vertraut war. Außerdem agierte man gern hinter ver­schlosse­nen Türen und gab sich bei Nachfragen zuknöpft – ein idealer Nährboden für Speku­la­tio­nen und Ängste. Kein Wunder, dass die Medien sich andere Gesprächspartner suchten. Klar auch, dass diese nicht immer die Interessen der Branche vertraten. Inzwischen hat man dazugelernt.

Vorbeugen ist besser als heilen

Die Kom­mu­nika­tions­fehler eines Un­ternehmens bieten aktiven Investoren einen zentralen Ansatzpunkt. Deren Erfolg wird in vielen Fällen überhaupt erst möglich, weil die Selb­st­wahrnehmung des Un­ternehmens von der öffentlichen Wahrnehmung abweicht. Um seine Ziele durchzuset­zen, ist der aktive Investor ja auf Unterstützung von außen angewiesen. Er muss beispiel­sweise Altaktionäre davon überzeugen, dass seine Kritik und seine Forderungen berechtigt sind. Außerdem gehört es schon fast zum Stan­dard­reper­toire vieler Activists, das Management unter Beschuss zu nehmen. Das kann jedoch nur gelingen, wenn man In­for­ma­tio­nen bietet, die bislang noch weitgehend unbekannt sind.

„Für die ganz überwiegende Mehrzahl der börsen­notierten deutschen Unternehmen zeichnet sich eine recht trans­par­ente Eigenkap­i­tal­ge­ber­struk­tur ab.“

Unternehmen sollten also sowohl in ihrer Öffentlichkeit­sar­beit als auch in ihren In­vestor-Re­la­tions auf eine offene, trans­par­ente und nachhaltige Kom­mu­nika­tion setzen. Wichtig ist es, die Stakeholder aktiv darüber zu informieren, warum welche Man­age­mentstrate­gie verfolgt wird. Dies und ein offener Umgang mit eventuellen Problemen sind der beste Schutz vor überraschen­den Attacken. Mit allgemein bekannten Sachver­hal­ten kann man nun mal keinen Skandal mehr auslösen.

„Es wird wohl in den seltensten Fällen gelingen, ak­tion­is­tis­chen Aktionären einen konkreten Rechtsmiss­brauch vorzuwerfen.“

Trotz aller Kritik, trotz geplanter Regulierung und sinkender Renditen: Aktive Investoren haben sich etabliert und werden uns wohl auch weiterhin erhalten bleiben. Deshalb gilt für jedes Unternehmen: Vorbeugen ist besser als heilen. Feindliche Übernahmen, also Verkäufe hinter dem Rücken des Vorstands, sind aufgrund der hohen Imageschäden für die Beteili­gungs­ge­sellschaften relativ selten; üblicher ist die freundliche Übernahme. Viele Unternehmen haben inzwischen trotzdem ein so genanntes De­fence-Hand­book, eine Art Notfallplan, um im Falle eines Falles vorbereitet zu sein und zeitnah reagieren zu können.

„Der Dialog zwischen Beteili­gungs­man­agern und Politikern ist weitaus intensiver, als so manche öffentliche Rhetorik suggerieren mag.“

Wichtig ist auch, die eigene In­hab­er­struk­tur genau zu analysieren. Oft genug kennen Unternehmen ihre Besitzer nicht genau und werden von den Aktionen der Activist Investors überrumpelt. Zwar wissen die großen Unternehmen in der Regel über ihre wichtigsten Investoren Bescheid und stehen auch in engem Kontakt mit ihnen. Dies gilt aber nicht unbedingt für die Fremd­kap­i­tal­ge­ber. Aufgrund der Han­del­barkeit von Krediten sind viele Firmen also nicht genau darüber im Bild, wer die eigentlichen Eigentümer sind. Aktive Investoren treten bereits lange Zeit vor ihrem eigentlichen Einstieg in Erscheinung, etwa bei Roadshows oder anderen Events. Eine gezielte Auf­bere­itung entsprechen­der Daten ist deshalb sinnvoll. Sie kann an spezial­isierte Di­en­stleis­ter ausgelagert werden. Die so gewonnene „Mar­ket-In­tel­li­gence“ soll garantieren, dass Tendenzen im Aktionariat frühzeitig erkannt werden. Dazu zählen beispiel­sweise eine Konzen­tra­tion von Streube­sitza­k­tien bei wenigen Investoren oder Ver­schiebun­gen in der Aktionärsstruktur. So kann man bereits bei ersten Anzeichen reagieren und viele Probleme oder kritische Situationen rechtzeitig entschärfen.

Umstrittene Bewertung

Die gesellschaftliche und volk­swirtschaftliche Beurteilung der aktiven Investoren ist umstritten. Als Pluspunkte werden erhöhte Liquidität, mehr Wach­s­tum­skap­i­tal und geringere In­for­ma­tion­sasym­me­trien zwischen Management und An­teil­seign­ern genannt. Pri­vate-Eq­uity-Fir­men haben grundsätzlich ein Interesse daran, das Unternehmen nachhaltig zu führen: Nur so können sie den Wert der Firma steigern und bei einem Weit­er­verkauf entsprechende Gewinne erzielen. Die aktive Beteiligung der Investoren kann also zu ef­fizien­terem Management und steigendem Un­ternehmenswert führen. Das Resultat sind im Idealfall er­fol­gre­iche Unternehmen und sichere Arbeitsplätze. Außerdem profitieren nicht nur die Gesellschaften von hohen Renditen, sondern auch die All­ge­mein­heit – letztlich ist es ja das Geld aus Lebensver­sicherun­gen, Fondssparplänen u. Ä., mit dem die Investoren ihre Geschäfte finanzieren.

„Alle Appelle zu mehr Moral in der Wirtschaft wirken wie Realsatire.“

Allerdings werden die hohen Verkauf­s­gewinne allein vom Investor kassiert. Der Fiskus geht oft leer aus, weil Beteili­gungs­ge­sellschaften in so genannten Steueroasen sitzen. Auch ist nicht erwiesen, dass das Engagement eines Activist Investors eine Wert­steigerung wirklich effizienter erreicht als das Management des betroffenen Un­ternehmens selbst. In der Praxis stehen nicht selten die Fi­nanz­in­ter­essen der Kap­i­tal­ge­ber und entsprechend riskante Transak­tio­nen im Vordergrund. Die Unternehmen stehen unter extremen Ren­dit­e­druck, vielfach dominiert blanke Gier die Entschei­dun­gen. Die Kon­se­quen­zen der rück­sicht­slosen Bere­icherung einiger weniger sind hinlänglich bekannt. Juristisch kann gegen diese Aktivitäten jedoch kaum vorgegangen werden. Der Ruf nach mehr Moral in der Wirtschaft und nach Selb­st­beschränkung der Akteure war schon immer weltfremd und ist es angesichts immer engerer globaler Ver­flech­tun­gen noch mehr. Hier ist letztlich die Politik gefordert. Derzeit dominieren markige Sprüche die politische Arena. In der Praxis ist die Politik aber nicht ganz so negativ eingestellt, schließlich hat die öffentliche Hand bei ihren Pri­vatisierungs­bemühungen erheblich von Beteili­gungskap­i­tal profitiert. Grundsätzlich will etwa die deutsche Bun­desregierung Fi­nanz­in­vesti­tio­nen fördern, nicht verhindern. Allerdings wird angesichts der jüngsten En­twick­lun­gen und der Folgen der Finanzkrise vermehrt eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte gefordert.

Über die Autoren

Miriam Meckel ist Professorin für Corporate Com­mu­ni­ca­tion an der Universität St. Gallen. Sie ist auch Autorin des Buches Das Glück der Un­err­e­ich­barkeit. Christian Fieseler ist Lehrbeauf­tragter am Institut für Medien- und Kom­mu­nika­tion­s­man­age­ment dieser Universität. Christian Hoffmann ist als Pro­jek­tleiter am gleichen Institut tätig und außerdem Dozent an der Hochschule für Wirtschaft Zürich. Die weiteren Autoren des Buches befassen sich als Ökonomen, Berater und Unternehmer mit dem Thema Beteili­gungs­ge­sellschaften.