Kostenfaktor Klimawandel
Der Klimawandel ist längst keine Zukunftsmusik mehr: Wir spüren seine Auswirkungen jeden Tag. Prognosen zufolge wird der globale Energiebedarf bis 2030 noch einmal um die Hälfte zunehmen und sich bis 2050 sogar verdoppeln. Um die drohende Katastrophe abzuwenden, muss der wachsende Energiehunger zumindest teilweise aus erneuerbaren Energiequellen gestillt werden. Nach Berechnungen der UN kann der weltweite Ausstoß an Treibhausgasen nur gedrosselt werden, wenn bis 2030 mindestens 140 Milliarden Euro, d. h. ca. 0,5 % des globalen BIPs, in den Klimaschutz investiert werden. Die bisherigen Erfahrungen mit dem 1997 beschlossenen Kyoto-Protokoll sind allerdings ernüchternd. 2006 überschritten die weltweiten CO2-Emissionen trotz eines umfangreichen Maßnahmenpakets den Kyoto-Referenzwert von 1990 um 27 %. Die meisten Länder sind weit davon entfernt, ihre Ziele zu erreichen. So bedauerlich das ist, zeigt es aber auch, welche Wachstumschancen der Markt für klimafreundliche Technologien und Dienstleistungen noch bietet.
„Wenn gegen die Emission von Treibhausgasen nichts unternommen wird, könnten die Folgen 5 bis 20 % des Welt-Bruttoinlandsprodukts kosten.“
Investmentfonds und Zertifikate, die auf das Phänomen der global steigenden Temperaturen setzen, verkaufen sich seit einiger Zeit wie warme Semmeln. Die Öko-Branche ist in Deutschland zudem ein echter Jobmotor: Im Jahr 2020 werden Firmen aus diesem Bereich voraussichtlich mehr Menschen beschäftigen als der Maschinenbau und die Autoindustrie. Doch Vorsicht: Kein Börsentrend währt ewig, und in Boomzeiten sind die meisten Aktien eher überbewertet. Die gängigen Portfolio-Regeln und Vorsichtsmaßnahmen gelten auch für Klimawerte: Streuen Sie so breit wie möglich und setzen Sie niemals alles auf eine Karte. Verteilen Sie Ihr Vermögen auf verschiedene Anlageklassen (Aktien, Zinspapiere, Immobilien, Rohstoffe). Investieren Sie niemals mehr als die Hälfte Ihres Vermögens in Aktien oder nicht mehr als 100 % abzüglich Ihres Lebensalters.
Auf Einzelaktien setzen
Gezielte Investments in Unternehmensaktien bieten große Chancen, aber auch Risiken, denn Klimawerte sind extremen Schwankungen ausgesetzt. Setzen Sie am besten auf den jeweiligen Marktführer in einem Segment. Recherchieren Sie, ob namhafte Großaktionäre das Unternehmen unterstützen und im Falle einer Krise eine Kapitalspritze bereitstellen könnten.
- Windkraft: Von allen erneuerbaren Energien nimmt die Windkraft als ausgereifte Technologie derzeit den größten Stellenwert ein. Einer Greenpeace-Studie zufolge wird der Windstromanteil 2020 weltweit 12 % ausmachen. Von diesem Trend profitieren aufgrund ihrer Erfahrung vor allem die deutschen Hersteller und Projektverantwortlichen. Im ständigen Auf und Ab der vergangenen Jahre hat sich in der Branche die Spreu vom Weizen getrennt. Das Risiko für Anleger ist bei einer sorgfältigen Auswahl eher gering.
- Solarenergie: Die Menge an theoretisch verfügbarer Sonnenenergie übertrifft den Weltenergiebedarf um das 10 000-fache. Sogar im wolkenverhangenen Deutschland sollen bis 2012 rund 25 Milliarden Euro in die Solarenergie investiert und die Technologie innerhalb der kommenden zehn Jahre wettbewerbsfähig gemacht werden. Auf lange Sicht könnte Solarstrom zur weltweit wichtigsten Primärenergiequelle aufsteigen. Für Anleger sind die exorbitanten Steigerungsraten interessant: Die Kapazität nutzbarer Sonnenenergie wird um geschätzte 20–30 % pro Jahr wachsen.
- Nachwachsende Rohstoffe: Die Nutzung von Biomasse als Energielieferant ist klimaneutral, d. h. es wird so viel CO2 freigesetzt, wie zuvor durch die Fotosynthese der Pflanzen gebunden wurde. Die Klimabilanz ist besonders positiv, wenn Abfallstoffe wie Altholz, Mist und Grünabfälle verwertet werden. Biodiesel wird dagegen meist aus Rapsöl und das dem Benzin beigemischte Bioethanol aus zucker- oder stärkehaltigen Pflanzen gewonnen. Die Kritik, dass „Lebensmittel in den Tank wandern“ und deshalb die Weltpreise für Mais und Weizen explodieren, ist zu kurz gegriffen. Zum einen deutet nichts darauf hin, dass die Produktion von Biosprit direkt mit der von Lebensmitteln konkurriert. Zum andern arbeiten Wissenschaftler fieberhaft an der Herstellung von Biosprit aus Zellstoff, der u. a. in den Abfallstoffen der Nahrungsmittelproduktion enthalten ist. Biogas wird z. B. aus der Vergärung von Gülle oder Pflanzen gewonnen. Es liefert Energie für die Stromherstellung und Gärreste zur Bodendüngung. Besonders positiv ist die Klimabilanz, wenn speziell aufbereitetes Biogas ins Erdgasnetz eingespeist wird. Einer Studie zufolge könnte Biogas langfristig das Erdgas in der EU ersetzen.
- Geothermie: Allein in Deutschland soll der Marktanteil der Geothermie (Nutzung von Erdwärme zur Energiegewinnung) von heute 0,04 % auf 7 % im Jahr 2020 wachsen. Weltweit wird eine Steigerung im zweistelligen Prozentbereich erwartet. Das geothermische Potenzial ist regional sehr unterschiedlich. Innovative Methoden zur Tiefenbohrung ermöglichen heute die Nutzung von Erdwärme in Gegenden, die noch vor Jahren nicht in Betracht kamen.
- Wasserstoff: Das Speicherungsmedium eignet sich dazu, die in der Nacht erzeugte, überschüssige Windenergie aufzufangen und an einem anderen Ort in anderer Form zu nutzen – etwa zur Betreibung von Brennstoffzellen in Autos. Außerdem gibt es vielversprechende Forschungsansätze, Pflanzen mithilfe gentechnischer Verfahren als „Bio-Kraftwerke“ zur Wasserstoffgewinnung zu nutzen.
- „Green Buildings“: Die Europäische Kommission hat 2005 das Green-Building-Programm beschlossen, mit dem europaweit Energieeinsparprogramme für Nichtwohngebäude gefördert werden. In Deutschland wird seit Juli 2008 für neue und sanierte Gebäude ein Energiepass mit genauen Angaben über den Energieverbrauch verlangt. Mittelfristig wird dies einen Boom für alle Unternehmen auslösen, die Baumaterialien (z. B. Dämmstoffe), Technologien oder Komplettlösungen für energieeffiziente Gebäude anbieten.
- Versteckte Gewinner und Verlierer: Einige Sektoren profitieren indirekt vom Klimawandel. Ölservice-Dienstleister, die Förderanlagen nach einer Hurrikankatastrophe reparieren, Hersteller spezieller Dünge- und Saatmittel, die ihre Produkte u. a. mithilfe der Gentechnik an veränderte Klimabedingungen anpassen, oder die Entwickler von Enzymen für Biogas- oder Bioethanolanlagen. Umgekehrt werden Versicherungen, Fluggesellschaften oder die Hersteller herkömmlicher Autos zu den Verlierern des Klimawandels gehören.
Indizes und Investmentfonds
Eine Alternative zu Einzelinvestitionen sind so genannte Öko- und Nachhaltigkeits-Indizes. Neben den Vorgaben zum Umweltschutz erfüllen die darin vertretenden Unternehmen angeblich auch ethische Grundsätze. Viele Aktivisten zweifeln jedoch an der Aussagekraft dieser Indizes. Schließlich sind sogar Banken und Ölkonzerne darin vertreten, wenn sie geringfügig nachhaltiger wirtschaften als ihre Konkurrenz. Beispiele etablierter Indizes dieser Art sind der Credit Suisse Global Warming Index, der von der Stuttgarter Börse betriebene S-Box Climate Change Index, der deutsche Natur-Aktien-Index (NAI) und der Dow Jones Sustainability World Index.
„Selbst Anleger, die die erste Welle an Gewinnen mit Solar- oder Windkraft-Investments verpasst haben, besitzen noch gute Chancen, dauerhaft überdurchschnittliche Renditen in diesem Umfeld zu erzielen.“
Eine weitere Möglichkeit sind Anlagen in aktiv gemanagten, breit gestreuten Klimawandel-Fonds. Diese beinhalten meist eine Auswahl von Unternehmen, die einen Vorteil aus dem Phänomen Klimawandel ziehen oder ziehen werden. Sie können, müssen aber nicht unbedingt ökologisch ausgerichtet zu sein. So konzentrieren sich diese Fonds auf Firmen, die z. B. dazu beitragen, die Folgen der Temperaturveränderung besser zu meistern, oder auf regenerative Energien setzen. Berücksichtigen Sie immer auch die Nebenkosten eines Investmentfonds: Meist fällt ein Ausgabeaufschlag von 5 % an. Jährliche Gebühren von 1-2 % reduzieren die Rendite zusätzlich. Neben den offenen Investmentfonds existieren geschlossene Fonds, d. h. Beteiligungen an Kommanditgesellschaften. Bis vor wenigen Jahren waren diese Fonds vor allem wegen ihrer steuerlichen Vorteile beliebt. Der Gesetzgeber hat die großzügigen Abschreibungsmöglichkeiten jedoch weitgehend abgeschafft. Es ist zu erwarten, dass sich dadurch die langfristige Wirtschaftlichkeit der Projekte verbessert. Sie können über diese Fonds gezielt in Solar-, Windkraft- oder Biomasseprojekte investieren. Doch Vorsicht: Nicht selten basieren die Geschäftsmodelle auf zu optimistischen Annahmen. Es handelt sich um ein langfristiges Engagement, aus dem Sie nur mit deutlichen Verlusten vorzeitig aussteigen können. Auch die versprochenen Renditen sind in der Regel eher bescheiden.
Zertifikate und Genussscheine
Zertifikate eignen sich zur Feinabstimmung Ihres Anlageprofils. Es handelt sich dabei um Inhaberschuldverschreibungen, deren Rückzahlungswert vom Kurs eines Indexes abhängt. Spezielle Typen wie etwa Outperformance- oder Sprintzertifikate ermöglichen es dem Anleger, stärker von Kursgewinnen zu profitieren. Mit Bonus-, Discount- oder Express-Zertifikaten können Sie in stagnierenden Märkten Kasse machen. Zertifikate sind äußerst liquide und bieten Privatanlegern die Möglichkeit, in schwer zugängliche Segmente wie z. B. Rohstoffe zu investieren. Mit Blick auf ein ausgeglichenes Klimaportfolio ist das unverzichtbar. Denn die Preise von Agrarrohstoffen wie Zucker, Weizen, Mais und Soja werden aufgrund des Klimawandels weiter steigen.
„In den vergangenen Monaten mussten die meisten Klimawandel-Fonds im Zuge der weltweiten Korrekturen an den Kapitalmärkten Kursverluste hinnehmen. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Entwicklung sich bald umkehren wird.“
Einige Unternehmen emittieren auch Genussscheine. Diese stellen eine Mischung aus Anleihe und Aktie dar: Einerseits sind es fest verzinste Papiere mit einer bestimmten Laufzeit, andererseits ist die Höhe der Ausschüttungen vom Unternehmensgewinn abhängig, und die volle Rückzahlung des Kapitals ist nicht gewährleistet. Genussscheine bewegen sich meist im „grauen“ Kapitalmarkt, d. h. sie sind nicht an der Börse notiert. Der Privatanleger „bezahlt“ relativ hohe Zinsen oft mit einem unangemessen hohen Risiko, ohne vom möglichen Erfolg des Unternehmens wirklich profitieren zu können.
Nebenwirkungen und -schauplätze
Dramatischer Wassermangel am einen und katastrophale Überschwemmungen am andern Ende der Welt – dieses Ungleichgewicht wird der Klimawandel noch verschärfen. Immer mehr Menschen konkurrieren um immer weniger Süßwasservorräte. Wie bei der Energie muss auch beim Einsatz von Wasser die Effizienz erheblich verbessert werden, um eine gefährliche Zuspitzung beim Kampf um diese lebensnotwendige Ressource zu verhindern. Die Weltbank schätzt, dass in den kommenden zehn Jahren Investitionen von mindestens 600 Milliarden Dollar anfallen, nur um die Wassernot in den Entwicklungsländern zu lindern. Die Wasserinfrastruktur der USA soll sogar eine Billion Dollar für Modernisierungen benötigen. Für Unternehmen, die in dieser Branche tätig sind, eine Goldgrube! Wasseraktien und -zertifikate schneiden schon seit Jahren bedeutend besser ab als der Gesamtmarkt.
„Das Thema Klimawandel an den Börsen kann zweifelsohne als ,Megatrend in seiner Anfangsphase‘ bezeichnet werden.“
Auch ein Blick in die großen Schwellenländer China und Indien mit ihrem schier unstillbaren Energiehunger lohnt sich: Wirksamer Klimaschutz wird ohne diese Länder nicht möglich sein. China deckt heute fast 80 % seines Energiebedarfs mit veralteten Kohlekraftwerken und bläst mehr CO2 in die Atmosphäre als jedes andere Land. Noch möchten China und Indien sich nicht auf verbindliche Klimaschutzziele festlegen. Doch das Problembewusstsein wächst. In Indien gibt es sogar ein Ministerium für „nicht-konventionelle Energie“ und das Land preist sich stolz als „Supermacht bei der Windkraft“: Ein weites Feld für Anbieter grüner Technologien und damit für alle Anleger, die auf den Klimaschutz setzen.