Logistik im E-Zeitalter

Buch Logistik im E-Zeitalter

Die Welt der globalen Logistik-Netzwerke

Frankfurter Allgemeine Buch,


Rezension

Im Zuge der Glob­al­isierung und des Siegeszuges des Internets ist der Logistik in den letzten Jahren eine immer wichtigere Rolle zur Wertschöpfung im Unternehmen zugekommen. Die An­forderun­gen, die vom Kunden an Produkte und Di­en­stleis­tun­gen gestellt werden, haben auch in der Logistik zu einer rasanten Weit­er­en­twick­lung geführt. Das Buch "Logistik im E-Zeitalter" beleuchtet die ver­schiede­nen Aspekte, die sich daraus ergeben. Auch wenn das Internet ein wesentlicher Aspekt der Be­tra­ch­tun­gen ist, so werden andere wichtige Trends ebenfalls fundiert erläutert. Der Herausgeber Helmut Baumgarten hat zahlreiche Autoren aus Wis­senschaft und Praxis dazu gebracht, ihr Know-how und ihre Sichtweise beizus­teuern, und so ein facetten­re­iches Werk geschaffen. Die einzelnen Be­tra­ch­tun­gen sind ohne weiteres einzeln lesbar und verständlich. Aber auch die Lektüre des gesamten Werkes ist ohne viel Redundanz möglich. Der prax­isori­en­tierte Ansatz auf Basis fundierter wis­senschaftlicher Erkenntnis gewährleistet einen sehr hohen Nutzwert. BooksInShort.​com empfiehlt dieses Buch allen, die mit Logistik beschäftigt sind - also natürlich Lo­gis­tik-Un­ternehmen, aber auch Händlern, sei es off- oder online, die eine durchdachte, moderne Logistik nutzen möchten.

Take-aways

  • Logistik entwickelt sich immer mehr zur Schlüssel­funk­tion im Unternehmen.
  • Weltweite Produktion und weltweite Dis­tri­b­u­tion stellen hohe An­forderun­gen an eine funk­tion­ierende Logistik.
  • Mit Logistik ist längst nicht mehr nur Lagerung und Transport gemeint. Vielmehr geht es um eine ganzheitliche Ausrichtung auf den Kunden.
  • Die Aufgaben, die die Logistik zu lösen hat, sind grösser geworden und werden in den nächsten Jahren noch weiter steigen. Das erfordert Know-how, eröffnet aber auch neue Chancen.
  • In der Lo­gis­tik-Branche wird weiter fusioniert, aber auch hoch spezial­isierte Nis­chenan­bi­eter sind gefragt.
  • Lo­gis­tik-Provider haben die Aufgabe, entlang der gesamten Her­stel­lungs- und Trans­portkette Rei­bungsver­luste zu vermeiden und die Wertschöpfung nicht zu gefährden.
  • Der Erfolg des E-Commerce ist abhängig von der Fähigkeit, die angebotenen Waren logistisch optimal zu steuern.
  • E-Commerce bietet Lo­gis­tikun­ternehmen gewaltige Chancen, sich am Markt zu profilieren.
  • Eine ökologisch fundierte Kreis­laufwirtschaft eröffnet der Logistik neue Betäti­gungs­felder.
  • Moderne und wet­tbe­werbsfähige Logistik erfordert - auch mit Hilfe von IT-Modellen - ein­wand­freie Information und Kom­mu­nika­tion.
 

Zusammenfassung

Geschichtliche Entwicklung

Die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre ist geprägt von spez­i­fis­chen, in­di­vidu­ellen Kundenwünschen, verkürzten Pro­duk­tleben­szyklen und einem dynamischen, tech­nol­o­gis­chen Wandel. Diese Her­aus­forderun­gen sollen mit lo­gis­tis­chen Lösungen bewältigt werden. Mit Hilfe der Logistik werden Lieferzeiten verkürzt, die Qualität der Produkte erhöht und die eigene Flexibilität verbessert. Die Geschichte der Logistik der letzten 30 Jahre zeigt deutlich, welchen Wandel sie erfahren hat: von der reinen Trans­port­funk­tion zu einem ganzheitlichen Man­age­men­tkonzept. Dabei lassen sich mehrere Phasen un­ter­schei­den: Die klassische Logistik bestand hauptsächlich aus Transport, Verpacken und Kom­mis­sion­ieren von Waren. In der zweiten Stufe ging es verstärkt um Effizienz und rei­bungsloses Funk­tion­ieren an den Schnittstellen. In der dritten Phase lag der Schwerpunkt auf der Ko­or­di­na­tion von In­for­ma­tio­nen und in der heutigen Phase schliesslich - nicht zuletzt wegen der rasanten Entwicklung in der In­for­ma­tion­stech­nolo­gie - ist der Prozess­gedanke dominant.

Trends in der Logistik

Der Bereich Logistik an der Technischen Universität Berlin und die Bun­desvere­ini­gung Logistik e. V. untersuchen seit 1988 regelmässig Trends in der Logistik. Aktuell wurden diese Trends ausfindig gemacht: Die Ori­en­tierung auf den Kunden erfordert in­tel­li­gente Lo­gis­tik-Sys­teme. Das sind z. B. integrierte Transak­tion­ssys­teme (Enterprise Resource Planning, ERP), die Auf­trags­bear­beitung, Buchführung, Einkauf, Pro­duk­tion­swirtschaft und Vertrieb durchziehen. Ebenfalls von fun­da­men­taler Bedeutung sind interne Pla­nung­sprozesse entlang der gesamten lo­gis­tis­chen Kette als Supply Chain Management. Mit diesen Massnahmen reagiert die Logistik auf das Phänomen der kun­denin­di­vidu­ellen Masse­nan­fer­ti­gung (Mass-Cus­tomiza­tion) und der Ablösung des Pull- durch das Push-Prinzip. Vorläufiger Höhepunkt dieser neuen Kundenmacht ist der Einsatz von Avail­able-to-Promise-Sys­te­men (ATP), mit deren Hilfe einem Kunden bereits bei Auf­tragserteilung ein verbindlicher Liefer­t­er­min genannt wird.

„Logistische Lösungsansätze ermöglichen es Unternehmen, Lieferzeiten zu verkürzen, die Qualität ihrer Produkte zu erhöhen, Kosten zu senken und die eigene Flexibilität zu verbessern.“

Ein weiterer aus der aktuellen Studie ablesbarer Trend ist der Abbau von Pro­tek­tion­is­mus und ge­o­graphis­chen Grenzen. Daher werden flexible vertikale Netzwerke an Bedeutung gewinnen. Damit einher geht die Konzen­tra­tion auf Kernkom­pe­ten­zen mit gle­ichzeit­iger Verlagerung von Randaktivitäten nach aussen. Ein für die Logistik umwälzender Trend der letzten Jahre ist die Entwicklung des Internets und die damit verbundene Einführung von neuen Kom­mu­nika­tions- und Ver­trieb­splat­tfor­men. E-Business bedingt E-Logistics.

So werden Netzwerke gemanagt

Das Bun­desmin­is­terium für Bildung und Forschung (BMBF) hat in der Studie "Produktion 2000" untersucht, wie Pro­duk­tion­snet­zw­erke arbeiten. Dabei lassen sich Pro­duk­tion­snet­zw­erke als Systeme charak­ter­isieren, in denen die Produktion ar­beit­steilig an ver­schiede­nen Standorten erfolgt. Grundsätzlich gilt hier das Prinzip der Kernkom­pe­tenz. Strate­gis­che Netzwerke lassen sich wie folgt un­ter­schei­den:

  • ein führendes Unternehmen, das un­mit­tel­bare Nähe zu Kunden besitzt;
  • die virtuelle Un­ternehmung, bei der unabhängige Unternehmen gemeinsam Projekte bearbeiten;
  • das regionale Netzwerk, das auf räumlicher Nähe beruht;
  • das operative Netzwerk, bei dem Partner kurzfristig gegenseitig auf freie Kapazitäten zugreifen können; sowie
  • das interne Netzwerk, bei dem Geschäftsfelder in einem Unternehmen quasi selbstständig arbeiten.

Logistik - in­ter­na­tional betrachtet

Wie sollen Lo­gis­tik-Un­ternehmen auf die fortschre­i­t­ende Glob­al­isierung reagieren? Zwei ent­ge­genge­set­zte Thesen bieten Lösungsansätze. Zum einen heisst es "Big is beautiful", wenn es um Märkte mit hohen Ein­tritts­bar­ri­eren, zum anderen "Small is flexible", wenn es um Nischen geht. Grundsätzlich gilt, dass die Entstehung globaler Pro­duk­tion­snet­zw­erke untrennbar mit einer global aus­gerichteten Logistik verbunden ist.

E-Business und E-Logistics

Logistik ist das Haupt­prob­lem des E-Business. Nach einer Studie der Giga Group werden in den USA 95 % aller In­ter­net-Shops mit­tel­fristig Verluste einfahren oder ganz schliessen. Der Grund: mangelnde Logistik. Die Her­aus­forderung besteht in der Entbündelung der Warenströme, da Kun­de­nan­fra­gen spontan und sporadisch erfolgen.

Chancen durch Glob­al­isierung

Die Anfänge der Glob­al­isierung reichen gut 15 Jahre zurück. Damals waren es die Elektronik- und Au­to­mo­bilin­dus­trie, die eine Vor­re­it­er­rolle übernahmen. Mit­tler­weile ist die Logistik ein entschei­den­der Wet­tbe­werb­s­fak­tor im Global Sourcing, Global Production und Global Selling geworden. Wesentlicher Aspekt ist naturgemäss der Faktor Zeit. Der Logistiker managt komplett die Versorgung der Pro­duk­tion­sstätten zu vertret­baren Kosten. Faustregel ist, dass die Kosten der gesamten Trans­portkette nur 1 - 2 % des Warenwertes ausmachen dürfen. Um dies zu erreichen, wird verstärkt auf die Effizienz der Kom­mu­nika­tion­stech­niken geachtet. In der Regel ist es sinnvoll, hierfür einen kompetenten Lo­gis­tikprovider einzuschal­ten, statt viele ver­schiedene Unternehmen mühsam selbst miteinander zu verknüpfen.

Trend Kreis­laufwirtschaft

Schonender Umgang mit Ressourcen bei Beibehal­tung oder Erhöhung des Lebens­stan­dards auf der ganzen Welt ist nur möglich, wenn die vorherrschende lineare Wirtschaft in eine Kreis­laufwirtschaft trans­formiert wird. Dies stellt auch An­forderun­gen an die Logistik. Denn Entsorgungs- und De­mon­ta­genet­zw­erke werden Grundlage jeder Kreis­laufwirtschaft sein. Demontage und Remontage führen Produkte immer wieder dem Kreislauf zu, bis ihre Abnutzung vollkommen ist. Die Logistik stellt hierfür Hol-, Bring- und Tauschsys­teme zur Verfügung, die wirtschaftlich tragbar sein müssen. Da beim Pro­duk­tre­cy­cling nur ein geringer Teil der in der Her­stel­lungsphase erbrachten Wertschöpfung vernichtet wird, ist das Erlöspotenzial hoch.

Zukun­ftsmusik

Die Zukun­fts­forschung ist eine relativ junge wis­senschaftliche Disziplin, die in den vierziger Jahren des 20. Jahrhun­derts in den USA entstanden ist. Aktive Zukun­fts­forschung spielt auch in der Wirtschaft eine wichtige Rolle, denn aus ihren Ergebnissen sind be­trieb­swirtschaftliche und logistische Erken­nt­nisse ableitbar. Zukun­fts­forschung will dabei nicht ein verbindliches Zukun­fts­bild zeichnen, sondern Möglichkeiten aufzeigen. Zukun­fts­forschung ist keine Prophetie. Un­ter­suchungs­ge­gen­stand ist denn auch weniger die Zukunft selbst, sondern die Art und Weise zukünftiger Veränderung­sprozesse. Bezogen auf die Entwicklung des Lo­gis­tik­we­sens sind die zukünftigen En­twick­lun­gen als sehr positiv zu werten. Denn Logistik wird sich immer mehr zum In­no­va­tion­s­man­age­ment verändern. Auch die Identität (Vision) eines Un­ternehmens wird immer stärker von Fragen der Logistik bestimmt werden.

Er­satzteil­lo­gis­tik

Der Af­ter-Sales-Bere­ich, früher als notwendiges Übel betrachtet, entwickelt sich zum Wertschöpfungs­fak­tor. Dies erfordert leis­tungsstarke Lo­gis­tiknet­zw­erke. Dazu gehören z. B. Bestandsführung und der effiziente Einsatz von Technikern. Vier Gruppen sind hier im Prozess­man­age­ment involviert: Vertrieb, Hersteller, Techniker und Sup­port-Cen­ter. Mass­ge­blicher Faktor bei deren Vernetzung ist eine rei­bungslose In­for­ma­tions- und Kom­mu­nika­tion­ss­teuerung. Aus­sicht­sre­iche Per­spek­tiven hierfür bieten IT-Dienste, die Dig­i­tal­isierung des Rundfunks sowie die Konvergenz von In­for­ma­tion­stech­nik, Telekom­mu­nika­tion und neuen Medien.

An­forderun­gen an Mass-Cus­tomiza­tion

Hauptfrage in Zeiten des immer enger werdenden Wettbewerbs ist: Wie löse ich das Paradoxon der in­di­vidu­ellen Massen­pro­duk­tion (Mass-Cus­tomiza­tion). Ein Mittel dazu sind Mar­ket­ing­meth­o­den in Form von Customer Re­la­tion­ship Management (CRM) und One-to-One-Mar­ket­ing­for­men. Nach Schätzungen der Meta Group wird der Markt für CRM-Lösungen bis zum Jahr 2003 auf 18 Milliarden US-Dollar wachsen. Die Bere­it­stel­lung eines Call-Cen­ters reicht als CRM-System nicht aus. Vielmehr muss ein alle Prozesse umfassender Regelkreis gebildet werden (Closing the loop).

Beispiel: Flughafen München

Ein Flughafen stellt schon an sich eine logistische Her­aus­forderung dar. Besonders schwierig ist es, Schwankun­gen im Betrieb, z. B. verspätete Flüge, mit einzuplanen. Die Flughafen München AG (FMG) setzt daher auf eine fortschrit­tliche, hoch flexible In­for­ma­tion­slo­gis­tik. Diese E-Logistik wird als Produkt, Strategie und Philosophie zugleich verstanden. Um Schnel­ligkeit und Sicherheit zu gewährleisten, wurde eine zentrale Datenbank angelegt, die In­for­ma­tio­nen von allen Daten­liefer­an­ten prüft und speichert. Zu diesen gehören z. B. die Flu­gabfer­ti­gung, das Parksystem und die Umweltschutzsys­teme.

E-Commerce verändert die Lo­gis­tik­branche

E-Commerce ohne Logistik funk­tion­iert nicht. Aber auch umgekehrt gilt: Für die Lo­gis­tik­branche ist E-Commerce ein Er­fol­gs­fak­tor. Logistiker sollen sich also nicht damit zufrieden geben, als zweitrangige Di­en­stleis­ter in der zweiten oder dritten Reihe des boomenden E-Commerce zu agieren, sondern selbst neue Geschäftsideen auf Basis des E-Commerce und des Internets entwickeln.

Das sind die Megatrends im Kurier- und Ex­press­markt

Fünf mass­ge­bliche Trends lassen sich im Kurier- und Ex­press­markt ausmachen: die anhaltende Kon­so­li­dierung, steigende Qualitätsan­forderun­gen, Veränderung der Sendungsstruk­tur, die Nachfrage nach Added-Value-Leis­tun­gen sowie die Nachfrage nach e-com­merce-ori­en­tierten Produkten und Di­en­stleis­tun­gen. Kon­so­li­dierung heisst Fusionen und Block­bil­dung. So wird der europäische Kurier- und Ex­press-Markt (KEP) in Zukunft von fünf grossen Unternehmen beherrscht werden: Es sind dies die Post­ge­sellschaften Deutschland, Frankreichs, Englands und der Niederlande sowie UPS. Dass Kunden auf Qualität Wert legen, ist eindeutig. Der Faktor Qualität entwickelt sich zur Mark­t­bar­riere schlechthin. Die Veränderung der Sendungsstruk­tur bedeutet, dass die durch­schnit­tliche Sendungsgrösse weiter zurückgeht. Ursachen sind die weitere Zer­split­terung von Kun­denbestel­lun­gen und der Zwang zu kleinen Lagerbeständen. Was der Kunde zusätzlich immer stärker nachfragt, sind Added-Value-Leis­tun­gen. Gerade hier bieten sich Chancen für flexible Express- und Kuri­er­di­en­ste, die ver­schiedene Zusatz­di­en­stleis­tun­gen anbieten. Beispiel ist das Unternehmen TNT, bei dem der dringend benötigte Ersatz-PC nicht nur über Nacht geliefert, sondern auch sofort in Betrieb genommen wird. Natürlich müssen Mitarbeiter entsprechend geschult werden. Deshalb hat TNT auch eine eigene Akademie ein­gerichtet.

Über den Autor

Der Herausgeber Prof. Dr.-Ing. Helmut Baumgarten ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Technologie und Management, Fachbereich Wirtschaft und Management, Bereich Logistik, an der Technischen Universität Berlin. Baumgarten leitet ferner den Fachkreis "Berlin - Stadt der Logistik" beim Senat von Berlin. Er ist auch Mehrheits­ge­sellschafter der Logplan GmbH, die sich auf Lo­gis­tikpro­jekte für Flughäfen spezial­isiert hat.