Geschichtliche Entwicklung
Die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre ist geprägt von spezifischen, individuellen Kundenwünschen, verkürzten Produktlebenszyklen und einem dynamischen, technologischen Wandel. Diese Herausforderungen sollen mit logistischen Lösungen bewältigt werden. Mit Hilfe der Logistik werden Lieferzeiten verkürzt, die Qualität der Produkte erhöht und die eigene Flexibilität verbessert. Die Geschichte der Logistik der letzten 30 Jahre zeigt deutlich, welchen Wandel sie erfahren hat: von der reinen Transportfunktion zu einem ganzheitlichen Managementkonzept. Dabei lassen sich mehrere Phasen unterscheiden: Die klassische Logistik bestand hauptsächlich aus Transport, Verpacken und Kommissionieren von Waren. In der zweiten Stufe ging es verstärkt um Effizienz und reibungsloses Funktionieren an den Schnittstellen. In der dritten Phase lag der Schwerpunkt auf der Koordination von Informationen und in der heutigen Phase schliesslich - nicht zuletzt wegen der rasanten Entwicklung in der Informationstechnologie - ist der Prozessgedanke dominant.
Trends in der Logistik
Der Bereich Logistik an der Technischen Universität Berlin und die Bundesvereinigung Logistik e. V. untersuchen seit 1988 regelmässig Trends in der Logistik. Aktuell wurden diese Trends ausfindig gemacht: Die Orientierung auf den Kunden erfordert intelligente Logistik-Systeme. Das sind z. B. integrierte Transaktionssysteme (Enterprise Resource Planning, ERP), die Auftragsbearbeitung, Buchführung, Einkauf, Produktionswirtschaft und Vertrieb durchziehen. Ebenfalls von fundamentaler Bedeutung sind interne Planungsprozesse entlang der gesamten logistischen Kette als Supply Chain Management. Mit diesen Massnahmen reagiert die Logistik auf das Phänomen der kundenindividuellen Massenanfertigung (Mass-Customization) und der Ablösung des Pull- durch das Push-Prinzip. Vorläufiger Höhepunkt dieser neuen Kundenmacht ist der Einsatz von Available-to-Promise-Systemen (ATP), mit deren Hilfe einem Kunden bereits bei Auftragserteilung ein verbindlicher Liefertermin genannt wird.
„Logistische Lösungsansätze ermöglichen es Unternehmen, Lieferzeiten zu verkürzen, die Qualität ihrer Produkte zu erhöhen, Kosten zu senken und die eigene Flexibilität zu verbessern.“
Ein weiterer aus der aktuellen Studie ablesbarer Trend ist der Abbau von Protektionismus und geographischen Grenzen. Daher werden flexible vertikale Netzwerke an Bedeutung gewinnen. Damit einher geht die Konzentration auf Kernkompetenzen mit gleichzeitiger Verlagerung von Randaktivitäten nach aussen. Ein für die Logistik umwälzender Trend der letzten Jahre ist die Entwicklung des Internets und die damit verbundene Einführung von neuen Kommunikations- und Vertriebsplattformen. E-Business bedingt E-Logistics.
So werden Netzwerke gemanagt
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat in der Studie "Produktion 2000" untersucht, wie Produktionsnetzwerke arbeiten. Dabei lassen sich Produktionsnetzwerke als Systeme charakterisieren, in denen die Produktion arbeitsteilig an verschiedenen Standorten erfolgt. Grundsätzlich gilt hier das Prinzip der Kernkompetenz. Strategische Netzwerke lassen sich wie folgt unterscheiden:
- ein führendes Unternehmen, das unmittelbare Nähe zu Kunden besitzt;
- die virtuelle Unternehmung, bei der unabhängige Unternehmen gemeinsam Projekte bearbeiten;
- das regionale Netzwerk, das auf räumlicher Nähe beruht;
- das operative Netzwerk, bei dem Partner kurzfristig gegenseitig auf freie Kapazitäten zugreifen können; sowie
- das interne Netzwerk, bei dem Geschäftsfelder in einem Unternehmen quasi selbstständig arbeiten.
Logistik - international betrachtet
Wie sollen Logistik-Unternehmen auf die fortschreitende Globalisierung reagieren? Zwei entgegengesetzte Thesen bieten Lösungsansätze. Zum einen heisst es "Big is beautiful", wenn es um Märkte mit hohen Eintrittsbarrieren, zum anderen "Small is flexible", wenn es um Nischen geht. Grundsätzlich gilt, dass die Entstehung globaler Produktionsnetzwerke untrennbar mit einer global ausgerichteten Logistik verbunden ist.
E-Business und E-Logistics
Logistik ist das Hauptproblem des E-Business. Nach einer Studie der Giga Group werden in den USA 95 % aller Internet-Shops mittelfristig Verluste einfahren oder ganz schliessen. Der Grund: mangelnde Logistik. Die Herausforderung besteht in der Entbündelung der Warenströme, da Kundenanfragen spontan und sporadisch erfolgen.
Chancen durch Globalisierung
Die Anfänge der Globalisierung reichen gut 15 Jahre zurück. Damals waren es die Elektronik- und Automobilindustrie, die eine Vorreiterrolle übernahmen. Mittlerweile ist die Logistik ein entscheidender Wettbewerbsfaktor im Global Sourcing, Global Production und Global Selling geworden. Wesentlicher Aspekt ist naturgemäss der Faktor Zeit. Der Logistiker managt komplett die Versorgung der Produktionsstätten zu vertretbaren Kosten. Faustregel ist, dass die Kosten der gesamten Transportkette nur 1 - 2 % des Warenwertes ausmachen dürfen. Um dies zu erreichen, wird verstärkt auf die Effizienz der Kommunikationstechniken geachtet. In der Regel ist es sinnvoll, hierfür einen kompetenten Logistikprovider einzuschalten, statt viele verschiedene Unternehmen mühsam selbst miteinander zu verknüpfen.
Trend Kreislaufwirtschaft
Schonender Umgang mit Ressourcen bei Beibehaltung oder Erhöhung des Lebensstandards auf der ganzen Welt ist nur möglich, wenn die vorherrschende lineare Wirtschaft in eine Kreislaufwirtschaft transformiert wird. Dies stellt auch Anforderungen an die Logistik. Denn Entsorgungs- und Demontagenetzwerke werden Grundlage jeder Kreislaufwirtschaft sein. Demontage und Remontage führen Produkte immer wieder dem Kreislauf zu, bis ihre Abnutzung vollkommen ist. Die Logistik stellt hierfür Hol-, Bring- und Tauschsysteme zur Verfügung, die wirtschaftlich tragbar sein müssen. Da beim Produktrecycling nur ein geringer Teil der in der Herstellungsphase erbrachten Wertschöpfung vernichtet wird, ist das Erlöspotenzial hoch.
Zukunftsmusik
Die Zukunftsforschung ist eine relativ junge wissenschaftliche Disziplin, die in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA entstanden ist. Aktive Zukunftsforschung spielt auch in der Wirtschaft eine wichtige Rolle, denn aus ihren Ergebnissen sind betriebswirtschaftliche und logistische Erkenntnisse ableitbar. Zukunftsforschung will dabei nicht ein verbindliches Zukunftsbild zeichnen, sondern Möglichkeiten aufzeigen. Zukunftsforschung ist keine Prophetie. Untersuchungsgegenstand ist denn auch weniger die Zukunft selbst, sondern die Art und Weise zukünftiger Veränderungsprozesse. Bezogen auf die Entwicklung des Logistikwesens sind die zukünftigen Entwicklungen als sehr positiv zu werten. Denn Logistik wird sich immer mehr zum Innovationsmanagement verändern. Auch die Identität (Vision) eines Unternehmens wird immer stärker von Fragen der Logistik bestimmt werden.
Ersatzteillogistik
Der After-Sales-Bereich, früher als notwendiges Übel betrachtet, entwickelt sich zum Wertschöpfungsfaktor. Dies erfordert leistungsstarke Logistiknetzwerke. Dazu gehören z. B. Bestandsführung und der effiziente Einsatz von Technikern. Vier Gruppen sind hier im Prozessmanagement involviert: Vertrieb, Hersteller, Techniker und Support-Center. Massgeblicher Faktor bei deren Vernetzung ist eine reibungslose Informations- und Kommunikationssteuerung. Aussichtsreiche Perspektiven hierfür bieten IT-Dienste, die Digitalisierung des Rundfunks sowie die Konvergenz von Informationstechnik, Telekommunikation und neuen Medien.
Anforderungen an Mass-Customization
Hauptfrage in Zeiten des immer enger werdenden Wettbewerbs ist: Wie löse ich das Paradoxon der individuellen Massenproduktion (Mass-Customization). Ein Mittel dazu sind Marketingmethoden in Form von Customer Relationship Management (CRM) und One-to-One-Marketingformen. Nach Schätzungen der Meta Group wird der Markt für CRM-Lösungen bis zum Jahr 2003 auf 18 Milliarden US-Dollar wachsen. Die Bereitstellung eines Call-Centers reicht als CRM-System nicht aus. Vielmehr muss ein alle Prozesse umfassender Regelkreis gebildet werden (Closing the loop).
Beispiel: Flughafen München
Ein Flughafen stellt schon an sich eine logistische Herausforderung dar. Besonders schwierig ist es, Schwankungen im Betrieb, z. B. verspätete Flüge, mit einzuplanen. Die Flughafen München AG (FMG) setzt daher auf eine fortschrittliche, hoch flexible Informationslogistik. Diese E-Logistik wird als Produkt, Strategie und Philosophie zugleich verstanden. Um Schnelligkeit und Sicherheit zu gewährleisten, wurde eine zentrale Datenbank angelegt, die Informationen von allen Datenlieferanten prüft und speichert. Zu diesen gehören z. B. die Flugabfertigung, das Parksystem und die Umweltschutzsysteme.
E-Commerce verändert die Logistikbranche
E-Commerce ohne Logistik funktioniert nicht. Aber auch umgekehrt gilt: Für die Logistikbranche ist E-Commerce ein Erfolgsfaktor. Logistiker sollen sich also nicht damit zufrieden geben, als zweitrangige Dienstleister in der zweiten oder dritten Reihe des boomenden E-Commerce zu agieren, sondern selbst neue Geschäftsideen auf Basis des E-Commerce und des Internets entwickeln.
Das sind die Megatrends im Kurier- und Expressmarkt
Fünf massgebliche Trends lassen sich im Kurier- und Expressmarkt ausmachen: die anhaltende Konsolidierung, steigende Qualitätsanforderungen, Veränderung der Sendungsstruktur, die Nachfrage nach Added-Value-Leistungen sowie die Nachfrage nach e-commerce-orientierten Produkten und Dienstleistungen. Konsolidierung heisst Fusionen und Blockbildung. So wird der europäische Kurier- und Express-Markt (KEP) in Zukunft von fünf grossen Unternehmen beherrscht werden: Es sind dies die Postgesellschaften Deutschland, Frankreichs, Englands und der Niederlande sowie UPS. Dass Kunden auf Qualität Wert legen, ist eindeutig. Der Faktor Qualität entwickelt sich zur Marktbarriere schlechthin. Die Veränderung der Sendungsstruktur bedeutet, dass die durchschnittliche Sendungsgrösse weiter zurückgeht. Ursachen sind die weitere Zersplitterung von Kundenbestellungen und der Zwang zu kleinen Lagerbeständen. Was der Kunde zusätzlich immer stärker nachfragt, sind Added-Value-Leistungen. Gerade hier bieten sich Chancen für flexible Express- und Kurierdienste, die verschiedene Zusatzdienstleistungen anbieten. Beispiel ist das Unternehmen TNT, bei dem der dringend benötigte Ersatz-PC nicht nur über Nacht geliefert, sondern auch sofort in Betrieb genommen wird. Natürlich müssen Mitarbeiter entsprechend geschult werden. Deshalb hat TNT auch eine eigene Akademie eingerichtet.
Der Herausgeber Prof. Dr.-Ing. Helmut Baumgarten ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Technologie und Management, Fachbereich Wirtschaft und Management, Bereich Logistik, an der Technischen Universität Berlin. Baumgarten leitet ferner den Fachkreis "Berlin - Stadt der Logistik" beim Senat von Berlin. Er ist auch Mehrheitsgesellschafter der Logplan GmbH, die sich auf Logistikprojekte für Flughäfen spezialisiert hat.