Einstellungsgespräche erfolgreich führen

Buch Einstellungsgespräche erfolgreich führen

Ein Praxisleitfaden für die Auswahl der besten Bewerber

Gabler,


Rezension

Bewerber verhalten sich in einem Vorstel­lungs­ge­spräch nur selten spontan und natürlich. Sie sind meistens gut vorbereitet und gehen taktisch vor. Darum ist es alles andere als eine triviale An­gele­gen­heit, den geeigneten Kandidaten zu erkennen. Eberhardt Hofmann, selbst langjährig erfahrener Personaler, zeigt, wie man Bewerbern die richtigen Fragen stellt und ihre Schwächen durch gezieltes Nachhaken entdeckt. Dabei liefert das Buch keine Paten­trezepte für Stan­dard­si­t­u­a­tio­nen. Das dif­feren­zierte Konzept und die vorgestell­ten Techniken ermöglichen es dem Leser vielmehr, in­di­vidu­elle Gesprächspläne zu entwickeln. Das Buch ist übersichtlich gegliedert und enthält viele Beispiele und Grafiken, wodurch es sehr anschaulich und prax­is­tauglich daherkommt. Allerdings wird der Eindruck vermittelt, der Bewerber sei, nur weil er sich auf ein Be­wer­bungs­ge­spräch gut vorbereitet, ein Feind, dessen Täuschungsmanöver enttarnt werden müssen. Fraglich, ob das eine gute Basis für eine künftige Zusam­me­nar­beit ist. BooksInShort empfiehlt das Buch allen, die Per­son­alentschei­dun­gen treffen müssen.

Take-aways

  • Be­wer­bungs­ge­spräche haben eine hohe Ir­rtum­swahrschein­lichkeit.
  • Bewerber sind heutzutage gut vorbereitet und verhalten sich nur selten natürlich.
  • Eignen Sie sich deshalb eine pro­fes­sionelle Gesprächsführung an.
  • Bringen Sie den Bewerber mit offenen Fragen zum Sprechen und fordern Sie von ihm konkrete Aussagen und Beispiele.
  • Gehen Sie nicht vorschnell davon aus, dass man sich versteht. Oft werden dieselben Begriffe un­ter­schiedlich in­ter­pretiert.
  • Der erste Schritt bei der Suche nach den in­di­vidu­ellen Bedeutungen von Begriffen ist das genaue Zuhören.
  • Fragen Sie immer wieder genau nach, beispiel­sweise bei Ve­r­all­ge­meinerun­gen, Nom­i­nal­isierun­gen und Aus­las­sun­gen.
  • Spezielle Fragetech­niken helfen dabei, eine möglichst konkrete Antwort des Bewerbers zu erhalten.
  • Klären Sie zuerst die Erwartungen des Bewerbers und präsentieren Sie erst danach die offene Stelle und das Unternehmen.
  • Bei der Entschei­dung sollten Fakten und Bauchgefühl, ide­al­er­weise von mehreren Personen, zusam­men­wirken.
 

Zusammenfassung

Die Tücken des Be­wer­bungs­ge­sprächs

Das Interview mit Bewerbern ist eines der klassischen Instrumente der Per­son­alauswahl. Gespräche führen kann eigentlich jeder, sollte man meinen. Es ist wenig aufwändig, und man bekommt leicht einen persönlichen Eindruck. Doch was auf den ersten Blick einfach und un­kom­pliziert zu sein scheint, ist in Wirk­lichkeit sehr anspruchsvoll. Wis­senschaftliche Un­ter­suchun­gen zeigen, dass das Be­wer­bungs­ge­spräch ein relativ unzuverlässiges Instrument zur Beurteilung von Kandidaten ist. Die Gefahr ist groß, sich bei der Besetzung einer offenen Stelle zu täuschen. Eine solche Fehlbe­set­zung ist für jedes Unternehmen ein teures Vergnügen und kann den Personaler im schlimmsten Fall sogar den Job kosten.

„Ziel des Gespräches ist es, In­for­ma­tio­nen über den Bewerber zu erhalten.“

Heutzutage sind die meisten Bewerber durch Be­wer­bungstrain­ings und Rat­ge­ber­lit­er­atur bestens auf das Gespräch vorbereitet. Sie präsentieren sich von ihrer Schoko­laden­seite oder wenden sogar regelrechte Täuschungsmanöver an. Mit dem normalen, im Alltag angemesse­nen Gesprächsver­hal­ten kommt man als Per­son­alver­ant­wortlicher deshalb nicht weiter. Ohne eine pro­fes­sionelle Fragetech­nik finden Sie kaum heraus, was die Stärken und Schwächen des Bewerbers sind und ob er tatsächlich ins Unternehmen passt. Ein sys­tem­a­tis­ches Training des richtigen In­ter­viewver­hal­tens ist deshalb sinnvoll.

„Die ‚Warum-Frage‘ hat den Nachteil, dass sie einen Verhörstil erzeugt.“

Zentral für jedes gute Interview ist, dass der Bewerber − und nicht Sie selbst − die meiste Zeit redet. Schließlich wollen Sie den Kandidaten ja kennen lernen, sein Redeanteil sollte deshalb rund 80 % der Zeit in Anspruch nehmen. Für Sie als Personaler bedeutet das eine Dop­pel­be­las­tung: Einerseits müssen Sie das Gespräch steuern, an­der­er­seits natürlich auch inhaltlich auf die Antworten Ihres Gegenübers reagieren.

Stellen Sie offene Fragen

Offene Fragen kann man nicht nur mit Ja, Nein oder einer Tatsache („Ich bin 26 Jahre alt“) beantworten, sondern sie fordern zu ausführlicheren Erklärungen auf. Oft fangen sie mit dem Buchstaben W an, etwa so: „Wie kommt es, dass ...“ Vorsicht mit zu vielen Warum-Fra­gen. Sie führen leicht dazu, dass der Bewerber sich wie in einem Verhör fühlt. Vermeiden Sie, zumindest zu Beginn, geschlossene Fragen bzw. versuchen Sie, die darin enthaltenen Einschränkungen zu entfernen. Also nicht: „Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit Spaß?“ Sondern: „Welche Vor- und Nachteile hat Ihr Job?“ Nimmt der Bewerber die offene Frageform nicht an, können Sie immer noch gezielt nachhaken. Die Reihenfolge lautet also: erst offene, dann geschlossene Fragen.

Werden Sie konkret

Viele Bewerber äußern sich auf ziemlich abstrakte Weise. Klar, je allgemeiner die Aussagen sind, desto leichter finden sie Zustimmung. Manche Kandidaten können sich auch einfach nicht präzise ausdrücken. Es ist daher wichtig, konsequent nachzufra­gen, was der Bewerber mit seinen Aussagen meint. Nur so gelangen Sie hinter die aus­tauschbaren Stan­dar­d­ant­worten aus den Be­wer­bungsrat­ge­bern. Sinkt bei Ihren Nachfragen die Qualität der Antworten rapide, können Sie davon ausgehen, dass die Antwort auf die erste Frage antrainiert war. Manche Bewerber versuchen, sich dem Nachhaken des In­ter­view­ers zu entziehen, indem sie behaupten, eine bestimmte Situation sei ihnen noch nie widerfahren. In diesem Fall hilft es, entweder mit hy­po­thetis­chen Fragen („Wie würden Sie reagieren, wenn XY einträte?“) oder mit Beobach­tun­gen aus dem Umfeld („Sie haben doch sicher schon beobachtet, dass ... Wie beurteilen Sie das?“) zu arbeiten.

„Ein einfaches und sehr effizientes Mittel, um den Gesprächsfluss aufrechtzuer­hal­ten, ist das Zusam­men­fassen.“

Es ist sehr nützlich, aber oft auch ziemlich schwierig, vom Bewerber Beispiele für einen Sachverhalt zu bekommen. Am besten fragen Sie gar nicht erst, ob es überhaupt Beispiele gibt, sondern fordern diese direkt ein, am besten gleich mehrere. Wenn der Bewerber sagt, ihm falle im Moment nichts Konkretes ein, hilft nur kon­se­quentes Nachhaken, um die Zügel nicht aus der Hand zu geben.

„Häufig ist es schwierig, dem Bewerber ein konkretes Beispiel abzuringen.“

Zusam­men­fas­sun­gen sind ein bewährtes Mittel, um ein ins Stocken geratenes Gespräch wieder in Gang zu bringen. Zudem können Sie sich so das Gesagte besser merken. Entweder fassen Sie selbst das bislang Gesagte knapp zusammen oder der Kandidat tut es, oder aber Sie wiederholen den letzten Satz des Bewerbers in Frageform. Eine Variante ist das bewusst falsche Zusam­men­fassen, womit der Bewerber zu Klarstel­lun­gen und Korrekturen gezwungen wird.

Erkennen Sie in­di­vidu­elle Bedeutungen

Auch wenn man sich im Gespräch scheinbar bestens versteht, muss dies nicht zwingend wirklich so sein. Selbst wenn beide Seiten dieselben Wörter verwenden, meint möglicher­weise jeder etwas anderes. Das gilt ganz besonders, wenn es um Abstraktes, um persönliche Ein­stel­lun­gen oder Bewertungen geht, und genau das sind ja zentrale Themen jedes Jobin­ter­views. Es ist also keineswegs selbstverständlich, dass Ihr Gesprächspartner dasselbe meint wie Sie, wenn von „kollegialem Verhalten“ oder „ko­op­er­a­tivem Führungsstil“ die Rede ist. Leider hat unser Gehirn die Tendenz, eigentlich fragliche Sachver­halte vorschnell in die Kategorien Richtig oder Falsch einzuordnen. Notwendiges Nachfragen unterbleibt, weil das Gehirn das Thema abhaken möchte. Gewiefte Bewerber versuchen zudem gezielt, mit eher allgemeinen Aussagen Übere­in­stim­mung zu erzielen, um keine „falschen“ Antworten zu geben. Daher müssen Sie her­aus­finden, was der Bewerber mit bestimmten Begriffen meint, Sie müssen die in­di­vidu­elle Bedeutung der Worte entschlüsseln. Solche Gespräche können zwar zeitaufwändig, zäh und mühsam sein, doch lernen Sie nur so den Bewerber wirklich kennen. Dies ist letztlich auch in seinem Interesse, denn es verbessert die Grundlagen Ihrer Entschei­dung.

Hören Sie gut zu

Der erste Schritt zu diesem in­di­vidu­ellen Verständnis ist das sensorisch genaue Zuhören. Versuchen Sie wortwörtlich zu wiederholen, was der Bewerber gesagt hat. Das ist oft nicht einfach; speziell vom ersten Teil des Gesagten bleiben oft nur ein paar Schlagworte hängen, und das führt genau zum oben beschriebe­nen Scheinverständnis. Prüfen Sie, an welchen Stellen der Bewerber mit schwammigen Ausdrücken eine Nicht­in­for­ma­tion gegeben hat, und fragen Sie gezielt nach. Nor­maler­weise klärt sich die in­di­vidu­elle Bedeutung der Begriffe erst beim zweiten oder dritten Nachfragen. Allerdings müssen Sie aufpassen, nicht vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen; Sie dürfen den Überblick über den Gesprächsverlauf nicht verlieren. Übrigens neigen nicht nur Bewerber, sondern auch Personaler selbst zur Verwendung schwammiger Worthülsen. Darum ist eine gewisse Vorsicht bei der internen Abstimmung durchaus angebracht.

Iden­ti­fizieren Sie die Signalwörter

Natürlich können Sie nicht bei jedem zweiten Wort nachhaken, sondern nur gezielt, bei den wichtigen Signalwörtern. Doch wie findet man die? Achten Sie besonders auf Folgendes:

  • Uni­ver­salquan­tifizierun­gen: Das sind For­mulierun­gen, die kein konkretes Einzelphänomen, sondern eine unbestimmte Menge bezeichnen, etwa „die Fachwelt“, „wir“ oder „nirgends“. Gegenmittel: Fragen Sie nach Namen oder Beispielen.
  • Nom­i­nal­isierun­gen: Hierbei handelt es sich um so genannte „falsche“ Hauptwörter – abstrakte Substantive, die aus Verben gebildet werden und im Gegensatz zu den „richtigen“ Hauptwörtern nicht gesehen oder angefasst werden können, z. B. „Zusam­me­nar­beit“. Wenn der Bewerber Nom­i­nal­isierun­gen verwendet, fragen Sie nach, indem Sie den Begriff zurück in die Verbform bringen: „Wie arbeiten Sie mit Ihren Kollegen zusammen?“
  • Tilgungen: Keine Aussage ist bekanntlich auch eine Aussage, und das gilt besonders im Be­wer­bungs­ge­spräch. Achten Sie deshalb darauf, was der Kandidat nicht sagt, und haken Sie nach. Fällt also z. B. der Satz „Ich bin neugierig“, dann fragen Sie: „Worauf?“
„Zentral ist, dass zuerst die Person des Bewerbers im Fokus steht und erst danach die zu besetzende Stelle.“

Weitere Fragetech­niken

  • Um spontane, nicht ein­studierte Antworten zu erhalten, können Sie z. B. konträre Fragen stellen, die gängigen Stereotypen zuwider­laufen. Nehmen Sie einen üblicher­weise positiv besetzten Begriff und fragen Sie nach seinen negativen Aspekten, etwa: „Wo sehen Sie die Nachteile der Teamarbeit?“
  • Hilfreich sind auch sehr allgemeine Fragen, z. B.: „Wie lautet Ihr Lebensmotto?“
  • Auf zirkuläre Fragen, in denen Sie nicht nach der Selb­stein­schätzung, sondern nach der Einschätzung durch andere fragen, erhalten Sie oft in­ter­es­sante Antworten. Fragen Sie also nicht: „Wo sehen Sie Ihre Stärken?“, sondern: „Welche Pluspunkte haben Sie aus der Sicht Ihrer Kollegen?“
  • Projektive Fragen geben Aufschluss über die Werte des Bewerbers. Bitten Sie ihn z. B., andere Personen zu beschreiben. Achten Sie auf die nonverbalen Signale. Kommt eine Antwort wie aus der Pistole geschossen und wird sie von relativ wenig Gestik und Mimik begleitet, ist die Wahrschein­lichkeit, dass sie einstudiert ist, groß.
  • Eine spezielle Technik sind mehrgliedrige Fragen. Daran, ob der Bewerber nur die erste Teilfrage oder alle beantwortet, erkennen Sie, wie komplex er denkt.

Der Verlauf des Gesprächs

Achten Sie bei der Gesprächsvor­bere­itung auf praktische Aspekte wie die richtige Sitzordnung oder die optimale Zeitplanung, und machen Sie sich Notizen, zumal man gerade bei mehreren Bewerbern viele In­for­ma­tio­nen schnell wieder vergisst. Nach der Begrüßung und ein paar allgemeinen Worten, die den Bewerber zum Sprechen bringen sollen, z. B. über die Anreise oder das Wetter, erklären Sie ihm den Ablauf des Gesprächs. Im ersten Teil geht es vor allem darum, die Vorstel­lun­gen und Erwartungen des Aspiranten zu erfassen. Am besten sprechen Sie über die folgenden Punkte:

  • wichtige Faktoren der Ar­beit­szufrieden­heit wie Ar­beitsin­halte oder Ar­beits­be­din­gun­gen,
  • eventuelle Mitwirkung des Kandidaten an Entschei­dun­gen,
  • typische Führungs­dilem­mata (nur bei Führungspo­si­tio­nen),
  • Wünsche an die Un­ternehmen­skul­tur,
  • Vorstel­lun­gen des Bewerbers von idealer Grup­pe­nar­beit.
„Es ist unbedingt ratsam, sich während des Gesprächs Notizen zu machen.“

Sinnvoll ist es außerdem, den Kandidaten zu seinem wahrschein­lichen Verhalten in Situationen zu befragen, die charak­ter­is­tisch für die zu besetzende Stelle sind. Oft ist es auch auf­schlussre­ich, den Bewerber eine kleine Präsentation durchführen zu lassen, da auf diese Weise sein situatives Verhalten beurteilt werden kann.

„Zentral ist es, beide Seiten, die rationale und die intuitive, intensiv zu nutzen und das Bauchgefühl transparent zu machen sowie mehrere Bäuche zu beteiligen.“

Erst wenn die Vorstel­lun­gen und Wünsche des Bewerbers hinreichend geklärt sind, geben Sie ihm Ihrerseits In­for­ma­tio­nen zum Unternehmen und zu seinem konkreten Auf­gaben­bere­ich. Selbstverständlich muss der Bewerber noch Gelegenheit bekommen, Fragen zu stellen. Reka­pit­ulieren Sie das Gespräch kurz, bevor Sie sich dem nächsten Kandidaten widmen. Bei der endgültigen Stel­lenbe­set­zung sollte neben der Auswertung von Fakten auch das Bauchgefühl eine Rolle spielen. Gespräche sollten ide­al­er­weise von mehreren In­ter­view­ern geführt werden, die ihre Eindrücke austauschen und die Entschei­dung damit auf eine rationalere Grundlage stellen.

Über den Autor

Eberhardt Hofmann ist als Arbeits-, Betriebs- und Or­gan­i­sa­tion­spsy­chologe seit vielen Jahren mit Per­son­alentschei­dun­gen befasst. Derzeit ist er für die Per­son­alauswahl und -en­twick­lung in einem Großunternehmen ve­r­ant­wortlich. Daneben hat er Lehraufträge an ver­schiede­nen Hochschulen und Weit­er­bil­dung­sein­rich­tun­gen.