Die wahren Gründe für ein Audit
Die Einladung zum Management-Audit verunsichert Sie? Das ist verständlich: Ihre Vorgesetzten sollten Sie doch eigentlich kennen! Was soll das Management-Audit – auch Management-Review oder Management-Appraisal genannt – bezwecken? Wollen Ihre Vorgesetzten Sie womöglich elegant loswerden? Zweifel kommen leicht auf, wenn die mit der Einladung angegebenen Gründe nicht sehr plausibel wirken. Schließlich ist ein Audit selten zwingend, auch nicht in angespanntem wirtschaftlichem Umfeld, bei einer Neustrukturierung der Führungsebene oder im Rahmen der allgemeinen Personalentwicklungsplanung. Dafür wären andere Maßnahmen ebenso geeignet. Die wirklichen Gründe für die Wahl dieses Instruments der Potenzialeinschätzung werden oft verschwiegen.
„Es gibt zwei Grundrechte im Audit: Der Teilnehmer hat das Recht, sich möglichst erfolgreich und positiv darzustellen, die Einschätzer haben das Recht, einen möglichst realistischen und unverzerrten Blick auf die Person und ihre Fähigkeiten oder ihr Potenzial zu erhalten.“
Häufig ist der Grund für ein Audit der Führungsebene darin zu suchen, dass der Unternehmenswert vor einem Unternehmensverkauf bestimmt werden soll. Bezeichnenderweise stammt das Instrument aus dem Mergers&Acquisitions-Bereich. Manchen Auftraggebern eines Audits reicht es, die Ergebnisse präsentiert zu bekommen. Sie glauben, nicht über ausreichend Personalwissen zu verfügen, und lassen deshalb ein Audit von externen Beratern durchführen.
Was für ein Audit erwartet Sie?
Bemühen Sie sich, die Gründe für das Audit zu verstehen. Vorbehalte schaden Ihnen selbst am meisten, denn sie hindern Sie daran, das Beste für sich herauszuholen. Sie müssen aktiv sein: Im Audit gestalten Sie Ihren Erfolg maßgeblich selbst. Klären Sie zuallererst, welche Zwecke damit verfolgt werden. Nur so können Sie die Anforderungen überhaupt erfüllen. Fragen Sie, wozu das Audit konkret dient: ob es eher darum geht, dass Sie sich durch Leistung für eine bestimmte Position oder Funktion empfehlen, oder ob das Ziel ist, Ihr Potenzial und Ihren Entwicklungsbedarf einzuschätzen.
„Sie müssen zwar nicht teilnehmen, aber es gibt viele Gründe, es zu tun, und noch mehr, sich bewusst dafür zu entscheiden.“
Sollen Sie sich für eine Funktion bewähren, müssen Sie sich bestmöglich präsentieren. Aber: Vertuschen von Schwächen oder Tricksen hilft nicht. Manipulationsversuche werden einem geschulten Auditor sofort auffallen – und schon der Verdacht geht zu Ihren Lasten. Wenn Sie tatsächlich eine Schwäche haben – und wer hat die nicht? –, sollten Sie sich nicht scheuen, offen darüber zu sprechen und konkrete Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Nutzen Sie das Audit als Test für sich und sehen Sie es als Chance, sich gezielt in die gewünschte Richtung zu entwickeln.
„Von Aussagen im Interview sowie von der Leistung in Fallstudien und Simulationen wird auf das Verhalten im Arbeitsalltag geschlossen. Das ist die evidente Logik des Verfahrens.“
Bei einer reinen Potenzialeinschätzung dürfen und sollen Sie gerade Ihren Entwicklungsbedarf – also auch Schwächen – zu erkennen geben. Dafür sitzen Sie im Audit. Natürlich soll dabei auch Ihr Potenzial zur Geltung kommen. Machen Sie sich klar, auf welche Eigenschaften Auditoren üblicherweise achten, dann fällt es Ihnen leichter, Ihre Vorzüge zur Geltung zu bringen.
„Eine sehr spezielle Frage, die viele Interviewer interessiert, lautet: Ist jemand bereit und in der Lage, eigene Schwächen, Fehler, Unzulänglichkeiten, Entwicklungsfelder zu erkennen, in ihren Auswirkungen einzuordnen und zu beschreiben?“
Einer Anforderung sind Sie in jedem Audit ausgesetzt: Sie werden von mehreren Personen eingeschätzt. Konzentrieren Sie sich stets auf Ihren jeweiligen Ansprechpartner, ohne die übrigen Teilnehmer zu ignorieren oder sie im Übermaß einzubeziehen. Sollten die Auditoren bei Kollegen, Vorgesetzten, Mitarbeitern, Kunden oder Lieferanten Feedback über Sie einholen, halten Sie sich heraus. Und: Wichtige Daten Ihrer beruflichen Entwicklung müssen Sie parat haben: Jahreszahlen, Inhalte und Schwerpunkte, Umsätze und Budgets, Erfahrungen mit Projektmanagement und Führung – alles, was für Sie als Führungskraft spricht.
Was Ihr Topmanagement über Führung denkt
Es klingt nach einer Binsenweisheit, aber sie hat es in sich: Je nach Aufbau des Audits können Sie auf die Grundannahmen schließen, die die Unternehmensspitze in Bezug auf Führung hegt. Setzen die Auditoren ausschließlich oder vorrangig auf Interviews, gehen Ihre Vorgesetzten davon aus: „Wenn einer sagt, was er tut, dann tut er, was er sagt.“ Für Sie kommt es dann in erster Linie darauf an, glaubwürdig zu sein, und Sie haben sehr großen Einfluss auf das Ergebnis. Beantworten Sie den Kern jeder Frage. Setzen Sie abstrakte Sachverhalte in Bezug zu Ihnen selbst, bringen Sie Beispiele. Reflektieren Sie und setzen Sie sich inhaltlich kritisch und differenziert mit den Fragen auseinander.
„Fehler und Misserfolge gehören zur Entwicklung, ein konstruktiver Umgang damit ist in aller Regel sehr erwünscht und eine differenzierte Betrachtung der eigenen Schwächen wird positiv bewertet.“
Vielfach werden neben Interviews auch Simulationsmethoden wie Fallstudien oder Rollenspiele eingesetzt. Sie basieren auf folgender Grundannahme: „Wenn einer zeigt, was er kann, dann sieht man, was er tut.“ In diesem Fall ist es wichtig, dass Sie mit Aufgeregtheit und Unsicherheit zurechtzukommen. Setzen Sie sich im Vorfeld mit Ihren Befürchtungen auseinander. Beruhigen Sie sich, indem Sie sich fachlich vorbereiten.
Was Auditoren interessiert
Ein Audit soll differenzierte Erkenntnisse über die eingeschätzte Führungsperson bringen, es geht um konkrete Eigenschaften und Fähigkeiten. Den Auditor interessieren z. B. persönliche Kompetenzen wie Entscheidungsfreude, Flexibilität, Frustrationstoleranz, Engagement, Strukturierungsvermögen, Umgang mit Mehrdeutigkeit und Komplexität, Ziel- und Ergebnisorientierung, aber auch die Ausstrahlung des Prüflings. Soziale Kompetenzen sind ebenfalls wichtig, etwa Ihre Art, zu argumentieren, Beziehungen aufzubauen, zu kommunizieren und sich durchzusetzen, sich Kritik oder Konflikten zu stellen oder Kontakte aufzubauen.
„Aller Erfahrung nach ist die innere Haltung dem Verfahren gegenüber von ganz entscheidender Bedeutung für den Verlauf und auch das Ergebnis eines Management-Audits.“
Im Interview geht es nicht darum, sich Eigenschaften anzuheften oder Phrasen zu dreschen, sondern darum, konkrete Beispiele zu finden und Ihre Haltung in den Antworten durchklingen zu lassen. Neben den inhaltlich abgefragten Aspekten haben Sie auch die Chance zu zeigen, wie kontaktstark, dynamisch und aufmerksam Sie sind und wie gut Sie Sachverhalte differenzieren und strukturieren können. Wenn etwas unklar ist, fragen Sie ruhig nach. Das spricht für Ihr Urteilsvermögen und Ihr Selbstbewusstsein – schließlich ist es viel besser, als eine auf Vermutungen basierende Antwort zu geben und damit womöglich am Interesse des Auditors vorbeizureden.
„Es gibt ganz sicher eine Frage, auf die sich alle Teilnehmer an Interviews vorbereiten: die Frage nach ihren Stärken und Schwächen.“
Darüber hinaus geht es auch um spezifische Führungs- und Businesskompetenzen. Ob ein Manager führungsfähig ist, zeigt sich daran, wie gut er einschätzen und beurteilen, motivieren, delegieren und kontrollieren kann und wie er sich als Entwickler seiner Mitarbeiter versteht. Für jedes Unternehmen zählt letztlich das Geschäft. Daher punkten Sie, egal in welcher Funktion, natürlich auch mit Ihrem Instinkt für die Akquisition, Ihrer Orientierung am Kunden und seinem Bedarf, Ihrer Veränderungs- und Innovationsbereitschaft sowie Ihrer Fähigkeit, Marktbedingungen einzuschätzen und sie in strategisches Denken und Handeln umzumünzen. Auch dass Sie sich Ihrer Rolle im Gesamtprozess der Unternehmenstätigkeit bewusst sind, wird mit Sicherheit positiv vermerkt werden.
„Simulationen stellen reale Anforderungskonstellationen nach.“
Bei einem Audit setzen die Berater ihre Methoden gezielt und bewusst ein, um Aufschluss über die für sie bedeutsamen Fähigkeiten, Eigenschaften und Potenziale zu erhalten. Dies tun sie in standardisierten Verfahren, ehrlich, konzentriert, fair und in jedem Fall respektvoll – so zumindest das Ideal. Machen Sie sich bewusst, was Sie bezüglich der zu begutachtenden Fähigkeiten und Eigenschaften zu bieten haben und woran ein Beobachter bei Ihnen die gewünschten Eigenschaften erkennen könnte. Ihr Verhalten wird dadurch positiv beeinflusst und Sie finden zielsicher aussagekräftige Beispiele. Darauf kommt es im Interview an.
Die vier Seiten Ihres beruflichen Erfolgs
Bei Ihren beruflichen Erfahrungen sind vier Aspekte zentral:
- Persönliche Schwerpunkte: Hier punkten Sie mit allem, was Sie besser können als andere – Spezialkenntnisse sowie fachliches oder produktspezifisches Wissen. Eventuelle Lücken sollten Sie nicht kaschieren: Fliegen diese im Gespräch durch geschicktes Nachbohren auf, ist das ein Minuspunkt. Besser, Sie räumen Defizite ein – dass Sie diese erkennen und sich zur Einarbeitung in neue Felder bereit zeigen, ist ein Plus.
- Zahlen aus Ihrem bisherigen Berufsleben: Dies sind Ihre unter dem Strich erzielten Leistungen, messbar in Umsätzen oder Budgets. Wichtig ist, dass Sie Ihre persönliche Verantwortung und Leistung herausstellen können – auch in Bezug auf Teamerfolge.
- Projektmanagementerfahrung: Hier punkten Sie vor allem, wenn Sie Ihre Projekte differenziert, strukturiert und dabei knapp vorstellen können.
- Führungsverantwortung: Legen Sie dar, warum Ihnen Führung wichtig ist, wie Sie Ziel- und Ergebnisorientierung sowie die Motivation der Mitarbeiter beibehalten und dass Sie um die Erfolgsfaktoren wissen. Zeigen Sie außerdem, dass Sie sich in unternehmensstrategische Fragestellungen hinein- und diese auch weiterdenken können. Geben Sie den Auditoren zu spüren, dass Sie Ihre Kunden – inner- wie außerhalb des Unternehmens – und deren Belange kennen.
Zeigen Sie sich als Mensch
Der Auditor will Sie im Gespräch als Mensch erfassen – bieten Sie ihm diese Möglichkeit. Es geht darum, was Sie antreibt, was Sie zufrieden oder unzufrieden macht. Dies sollten Sie sich schon vorher klarmachen, speziell wenn Sie eine neue Aufgabe übernehmen wollen oder sollen. Auch wie Sie Ihre Stärken und Schwächen einschätzen und wie Sie ticken, also nach welchen Maßstäben Sie interpretieren, entscheiden und handeln, interessiert den Auditor. Verunsichert Sie eine seiner Fragen, haken Sie nach, um zu erfahren, welche Folgerungen Ihr Gegenüber aus der Antwort zieht. So können Sie Schlüsse bestätigen oder hinterfragen.
„Trauen Sie Ihrer Erfahrung mit vielen beruflichen Situationen, die Sie kennen gelernt haben, reflektieren Sie, was Sie jeweils angesichts bestimmter Fragen oder Situationen aus welchen Gründen für richtig und sinnvoll halten, und verlassen Sie sich auch auf Ihr Gefühl für die Situation und die handelnden Personen.“
Falls Sie einen Persönlichkeitsfragebogen ausfüllen sollen – keine Panik. Er dient in der Regel dazu, Informationen zu ergänzen und zu vertiefen. Es geht u. a. darum, wie stressresistent, emotional stabil, offen, verträglich, gewissenhaft und umgänglich Sie sind. Der Fragebogen kann eher allgemeiner Natur oder auf die konkreten beruflichen Zwecke abgestimmt sein.
Was Sie tun, zählt
Bei der Bearbeitung von Fallstudien müssen Sie vor allem unter Beweis stellen, wie gut Sie die vorgelegten Informationen analysieren und sinnvolle Schlussfolgerungen aus ihnen ableiten können. Zudem spielt es eine Rolle, von welcher Qualität die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen sind. Außerdem müssen Sie überzeugend präsentieren können. Bei einer reinen Präsentationsaufgabe ist es wichtig, dass diese von der Analyse bis zum Lösungsvorschlag alle Schritte umfasst – egal ob es um eine Strategie für bestimmte Ziele, das Konzept für die Markteinführung eines Produkts oder ein Change-Management-Konzept geht.
„Die emotionale Stabilität ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen positiven Verlauf des Management-Audits.“
Tun Sie Simulationen wie Rollenspiele, Fallstudien oder Präsentationen nicht leichtfertig ab. Der oft gehörte Einwand, sie seien realitätsfern, stimmt nicht – im Gegenteil: Wenn Sie die Spiele ernst nehmen und zeigen, dass Sie den Anforderungen gewachsen sind, überzeugen Sie die Auditoren davon, dass Sie mit neuen Situation schnell und gewandt umgehen können.