Vom Kolonialismus bis heute
Das Land Südafrika wurde für die Kolonialmächte interessant, als man 1870 zunächst Diamanten und 15 Jahre später Gold entdeckte. Zuvor war der Südzipfel Afrikas lediglich von den großen Schiffslinien genutzt worden, als Zwischenstation zur Versorgung mit Obst und anderen Nahrungsmitteln. 1913 wurde von der Regierung der „Native’s Land Act“ verabschiedet: Nur Weiße durften Land besitzen, Nichtweiße wurden mit ihrem Vieh von den bislang von ihnen genutzten Weideflächen vertrieben. Weitere Gesetze führten zu einer strikten Rassentrennung, der Apartheid.
„Afrika ist anders.“
Zwischen 1990 und 1994 wurde die Apartheid schrittweise abgeschafft. 1994 gewann der African National Congress (ANC), die Partei der Widerstandsbewegung gegen die Apartheid, die allgemeinen Wahlen mit großer Mehrheit. Nelson Mandela, nach 27 Jahren Haft freigelassen, wurde Regierungschef und erster schwarzer Präsident der Republik Südafrika. Sein Nachfolger Thabo Mbeki setzte wie Mandela auf die finanzielle Stabilität des Landes. Investoren brachten umfangreiches Kapital ins Land. Heute bietet Südafrika – trotz enormer Kriminalität, hoher Arbeitslosigkeit und schwieriger Energieversorgungslage – eine Fülle lukrativer Geschäftsmöglichkeiten.
Rohstoffe
Südafrika gilt als einer der wichtigsten Rohstofflieferanten weltweit. Seine Bodenschätze sind Staatseigentum und dürfen nur mit entsprechenden Schürfrechten abgebaut werden. Südafrika ist nicht von einem einzigen Rohstoff abhängig, sondern exportiert sowohl Metalle und Baustoffe als auch Agrargüter. Das Land besitzt rund 70 % der weltweiten Chromreserven und 80 % aller bekannten Manganreserven. Außerdem führt es Gold, Platin, Vanadium, Steinkohle, Diamanten, Phosphat und Vermiculit aus.
Wachstumsbranchen
Südafrika ist in mehreren Wachstumsbranchen stark aufgestellt. Dazu gehören die Automobilindustrie, der Wohnungsbau, Kunststoffe (speziell Isolierungsmaterialien für den Wohnungsbau), Maschinen und Anlagen, die Landwirtschaft und die Agrarindustrie. Der Tourismus bietet für Groß- wie für Kleinunternehmer unterschiedlichste Geschäftsmöglichkeiten. Daneben ist die Filmindustrie mit in- wie ausländischen Produktionen in Südafrika vertreten. Investments in Filmstudioproduktionen haben gute Aussichten auf Erfolg.
Black Economic Empowerment
Seit der ANC die Regierung stellt, hat das Thema des Black Economic Empowerment (BEE) für Unternehmer, die in Südafrika tätig sind, große Bedeutung erlangt. Ziel des BEE-Prozesses ist es, die Nachteile für die mehrheitlich schwarze Bevölkerung auszugleichen und diese Gruppe wirtschaftlich erstarken zu lassen. Dazu soll eine Umverteilung nicht nur des Landes, sondern auch der Besitzanteile von Unternehmen stattfinden. Konkret bedeutet das: Ein südafrikanisches Unternehmen kann nur dann an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen, wenn es ein möglichst gutes BEE-Rating aufweist und bestimmte BEE-Kriterien erfüllt. Diese betreffen u. a.:
- den Anteil von Schwarzen, Frauen und bestimmten anderen Bevölkerungsgruppen Südafrikas im Unternehmen,
- spezielle Förder- und Weiterbildungsprogramme für Schwarze,
- die Höhe der Unternehmensanteile, die durch Schwarze gehalten werden.
„Aufgrund seiner politischen Stabilität und seiner bedeutenden und kostengünstigen Lagerstätten ist Südafrika seit Langem einer der wichtigsten Rohstofflieferanten der Welt.“
Genügend qualifizierte schwarze Mitarbeiter oder Geschäftspartner zu finden, um die BEE-Anforderungen zu erfüllen, kann für Unternehmer ein Problem sein. Die Tatsache, dass viele schwarze Arbeitskräfte während der Apartheid keinerlei Chancen auf Bildung hatten, sowie eine hohe HIV-Infektionsquote sind auf dem südafrikanischen Arbeitsmarkt deutlich spürbar und machen die Personalrekrutierung zur Herausforderung. Unternehmer in Südafrika sollten sich in Sachen BEE unbedingt von Experten wie Unternehmensberatern oder Rechtsanwälten beraten lassen.
Wissenswertes für Unternehmer
In Südafrika leben derzeit rund 100 000 Deutsche, ein Drittel davon permanent. Wer sich geschäftlich auf Südafrika einlassen möchte, sollte viel Pioniergeist zeigen oder ein Abenteurer oder Querdenker sein, der bereit ist, Geschäftsideen zu entwickeln, die jenseits der hergebrachten Arbeitsweisen und Denkmuster sind.
„Es ist in Südafrika völlig normal, dass man sich selbstständig macht.“
Für handwerkliche Wertarbeit lässt sich in Südafrika ein breites Betätigungsfeld finden – was Europäer erstaunen mag. Es ist gar nicht so einfach, dort von ein paar Arbeitern eine gerade Mauer hochziehen zu lassen, wenn der Vorarbeiter fehlt. Solche Fertigkeiten wurden zu wenig vermittelt, und wenn niemand dort ist, der anleitet, bleibt die Arbeit liegen. Für gewiefte Unternehmer bietet sich hier eine gute Geschäftsmöglichkeit: mit einigen europäischen Handwerkern in Südafrika eine Firma gründen, die Arbeiter anlernen und ausbilden und schließlich Qualität „made in Germany“ anbieten.
„Interkulturelle Kompetenz gilt mittlerweile als eine der Schlüsselqualifikationen für Führungskräfte in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.“
In Südafrika ist es leichter als in Europa, eine Firma zu gründen und sie zum Erfolg zu führen. Die Gründe: Die Märkte sind noch nicht gesättigt; die Nachfrage übersteigt das Angebot in vielen Bereichen bei Weitem. Natürlich brauchen Sie ein Unternehmenskonzept und ein ausgereiftes Produkt oder eine ebensolche Dienstleistung, und vor allem müssen diese gesetzeskonform sein, d. h. den BEE-Kriterien entsprechen. Seien Sie auf Kriminalität vorbereitet und beschäftigen Sie Sicherheitspersonal, das Sie, Ihr Unternehmen und Ihre Angestellten schützt.
„Afrika ist nichts für schwache Gemüter.“
Die hohe HIV-Infektionsrate kann Auswirkungen auf den Betrieb haben. Afrikanische Banken gehen mit diesem Faktor sehr pragmatisch um und besetzen wichtige Sachbearbeiterstellen gleich dreifach, damit sie im Notfall auch in einigen Jahren noch über kompetente Leute verfügen.
Mitarbeiter finden
Die gute Nachricht: Südafrika ist dynamisch. Viele Südafrikaner sind in Aufbruchstimmung und voller Unternehmergeist. Die schlechte: Qualifizierte und zugleich leistungswillige Arbeitnehmer sind rar und entsprechend gesucht. Ungelernte Arbeitskräfte gibt es en masse, Fachkräfte, insbesondere aus technischen Bereichen, sind dagegen seltener zu finden; zudem fordern sie höhere Löhne und bessere Sozialleistungen. Als Arbeitgeber müssen Sie BEE-konform sein, die rechtlichen Rahmenbedingungen unbedingt erfüllen und die Gleichbehandlung aller absolut sicherstellen. Das Stichwort hierzu heißt „Affirmative Action“: Sie müssen darlegen können, wie Sie die Gleichstellung bzw. Chancengleichheit aller konkret unterstützen. Lassen Sie sich in puncto Arbeits- und Gesellschaftsrecht beraten, denn die BEE-Thematik ist für Europäer ungewohnt und beinhaltet zahlreiche juristische Stolpersteine.
„In Südafrika sollte man den Einheimischen, Weißen wie Schwarzen, mit Sensibilität und Respekt begegnen und darf in keinem Fall als europäischer Besserwisser auftreten.“
Für das Suchen und Einstellen von Personal in Südafrika gilt: Nutzen Sie unbedingt eine Recruiting-, Placement- oder Labour-Broking-Agentur, die Mitglied bei der Association of Personnel Services Organisations of South Africa (APSO) ist. Versuche mit selbst aufgegebenen Stellenanzeigen verlaufen meist frustrierend: Es melden sich zu viele oder gar keine Bewerber und sie sind juristisch riskant, da Sie wirklich jedes Wort auf die Goldwaage legen müssen. So ist es z. B. absolut tabu, Alter, Familienstand, Geschlecht oder Rasse als Anforderungskriterium anzuführen – dies wäre diskriminierend und würde gegen die aktuelle Gesetzgebung verstoßen. Formulierungen wie „highly organised“ oder „can work under pressure“ sind hingegen zu empfehlen, um tatsächlich nur Zuschriften von leistungswilligen Kandidaten zu erhalten.
Verhandeln in Südafrika
Um mit Südafrikanern erfolgreich zu verhandeln, ist keine grundlegend neue Taktik vonnöten. Allerdings sollten Sie sich unbedingt mit kulturellen Unterschieden, Werten, Sichtweisen und Einstellungen vertraut machen und eine „Cultural Awareness“, eine Sensibilität für die andere Kultur, mitbringen. Dass Sie über die Geschichte, die politische Situation und die aktuelle wirtschaftliche Lage Bescheid wissen, versteht sich von selbst. Außerdem gehört das Wissen um Riten, Wertvorstellungen, bestimmte Symbole und kulturspezifische Regelungen zur interkulturellen Kompetenz. Beachten Sie insbesondere Folgendes:
- In Südafrika herrscht das Senioritätsprinzip. Alter geht vor Wissen und Rang und wird von allen respektiert. Als Jüngerer einen Älteren zu kritisieren, ist tabu. Auch Widerstandskämpfer genießen viel Respekt und sind z. T. in hohe Posten gehievt worden, um sie nach dem Ende der Apartheid zu würdigen.
- Südafrika ist kollektivistisch orientiert: Die Gruppe zählt mehr als das Individuum. Das gilt vor allem für den Familienzusammenhalt sowie die Religions- oder Regionszugehörigkeit.
- Im Umgang mit südafrikanischen Mitarbeitern sind präzise Anweisungen nötig. Regeln Sie die Verantwortlichkeiten und halten Sie diese am besten schriftlich fest. Lassen Sie keine Unklarheiten aufkommen.
- Afrikanische Gesellschaften leben im Hier und Jetzt und gelten daher in der interkulturellen wissenschaftlichen Beschreibung als „kurzfristig orientiert“. Das wirkt sich u. U. auch auf das Arbeitsverhalten aus.
- Die Zeit hat in Südafrika nicht die gleiche Bedeutung wie in Europa, die Uhren ticken anders. Eine Redewendung verdeutlicht diesen Unterschied: „Die Europäer haben die Uhr, die Afrikaner die Zeit.“ Termine sind zeitliche Anhaltspunkte, mehr nicht. Insbesondere bei Treffen mit hochrangigen Beamten oder Amtsinhabern dürfen Sie nicht unbedingt davon ausgehen, dass diese zu den vereinbarten Terminen wirklich vor Ort sind. Rufen Sie kurz vorher an, das wirkt manchmal Wunder.
- Persönliche Beziehungen sind in Südafrika wichtiger als die Einhaltung von Regeln und Vereinbarungen. Wer als Tagelöhner mehrere Jobs hat, bevorzugt z. B. oft denjenigen Arbeitgeber, vor dem er den größten Respekt hat oder den er am meisten schätzt – egal, welche Vereinbarungen er getroffen hat. Für Unternehmer in Südafrika heißt das, viel Zeit in die Kontaktarbeit und in die Kommunikation mit den Mitarbeitern zu stecken. Nur so entstehen verlässliche Beziehungen.
- Südafrikaner kommunizieren anders und geben in der Regel keine kurzen, klaren und knappen Antworten. Sie betten ihre Aussagen in Metaphern, Geschichten oder Beispiele und kommunizieren indirekt. Europäer werden dabei oft nervös, sofern sie nicht gelernt haben, dies als kulturellen Unterschied anzuerkennen und zu akzeptieren. Aber Achtung: Wer als Südafrikaner schon lange im Business ist, der hat sehr wohl gelernt, präzise und auf den Punkt zu kommunizieren.
- Sie sollten sich frühzeitig um gute Kontakte und ein weites Netzwerk bemühen. Suchen Sie gezielt nach einem Partner, der gute Verbindungen zur schwarzen Business-Community hat.