Die Storytheater-Methode

Buch Die Storytheater-Methode

Strategisches Geschichtenerzählen im Business

Gabal,


Rezension

Wenn ungeübte und unin­spiri­erte Redner einen Vortrag halten, ist es oft ein Trauerspiel: Einige Zuhörer spielen mit ihren Handys, anderen fällt vor Müdigkeit das Kinn auf die Brust, und die Zeit zieht sich in die Länge wie ein Kaugummi. Nichts bleibt hängen, und alle Beteiligten vergeuden ihre Zeit. Doug Stevensons Gegenmittel leuchtet ein: Mit viel Humor und ganzem Körpereinsatz Geschichten aus dem Leben erzählen, die in einer frohen Botschaft oder einprägsamen Moral gipfeln. Der gelernte Schaus­pieler verbindet altbekannte Mantras aus dem Mo­ti­va­tion­strain­ing mit erprobten Tipps zu Darstellung, Stimmarbeit und Hu­mor­ein­la­gen. Spätestens seit dem jüngsten US-Präsidentschaftswahlkampf hat man den Eindruck, dass er damit in seiner amerikanis­chen Heimat offene Türen einrennt: In den dortigen Poli­tik­erre­den gibt es fast mehr Geschichten über hart arbeitende Durch­schnittsbürger als konkrete Vorschläge zur Lösung ihrer Probleme. Deutschsprachige Redner und Re­den­schreiber können sich freilich von den geschicht­en­ver­liebten Amerikanern einiges abschauen, findet BooksInShort und empfiehlt das Buch allen Gele­gen­heit­sred­nern, die sich ein Publikum mit offenen Mündern wünschen – ein staunendes, nicht ein gähnendes.

Take-aways

  • Wenn Sie öfter Vorträge halten müssen, sollten Sie lernen, Geschichten einzubauen.
  • Geschichten sind Brücken zum Publikum: Sie verringern die Distanz und bieten eine Iden­ti­fika­tionsfläche.
  • Eine gute Geschichte bewegt die Zuhörer und enthält eine universelle Wahrheit.
  • Ihr eigenes Leben ist die beste Quelle für solche Geschichten. Auch in Anekdotenbüchern oder Zeitungsar­tikeln finden Sie gute Storys.
  • Sie können z. B. über Feuerproben und Bewährungen sprechen oder komische Ver­wick­lun­gen schildern.
  • Das Grundgerüst ist stets gleich: Sie gehen auf eine Reise, stoßen auf ein Hindernis und überwinden es.
  • „Sprechen“ Sie die Geschichte immer zur Vor­bere­itung auf Papier: Schreiben Sie so, wie Sie reden.
  • Bringen Sie die Botschaft mit einem einprägsamen Slogan auf den Punkt.
  • Spielen Sie Freude und Trauer, Dialoge und innere Monologe mit wechselnden Stimmen und ganzem Körpereinsatz.
  • Karriere macht nur, wer gut kom­mu­nizieren kann. Geschicht­en­erzählen ist das beste Training dazu.
 

Zusammenfassung

Brücken bauen für die Karriere

Geschichten sind wie Brücken: Sie schaffen eine Verbindung zu den Zuhörern, garantieren Aufmerk­samkeit, verleihen Glaubwürdigkeit und motivieren die, die zuhören. Sie lassen Un­ter­schiede in der Hierarchie ver­schwinden und schaffen ein Gefühl von Nähe und Gemein­samkeit. Warum ist das so? Geschichten sprechen die rechte Gehirnhälfte an, in der Überzeu­gun­gen entstehen und Entschei­dun­gen getroffen werden. In der linken Hälfte sammeln sich die In­for­ma­tio­nen, die wir für diese Entschei­dun­gen abrufen. Verbinden Sie in Ihrem Vortrag beide Seiten, indem Sie die wichtigen Fakten mit Geschichten stützen. Der Zuhörer erlebt eine gut erzählte Geschichte am eigenen Leibe. Er leidet und freut sich mit dem Erzähler, wenn dieser seinen Gefühlen Ausdruck verleiht. Davon profitieren auch Sie als Vor­tra­gen­der: Gute Geschicht­en­erzähler sind beliebt und bleiben im Gedächtnis. Wenn Sie Karriere machen wollen, ist gute Kom­mu­nika­tionsfähigkeit die Schlüsselqual­i­fika­tion. Um mit der Sto­rythe­ater-Meth­ode Erfolg zu haben, überprüfen und verändern Sie zunächst Ihre Einstellung zum Reden vor Publikum:

  • Beobachten Sie sich während des Vortrags – aber kritisieren Sie sich nicht!
  • Befreien Sie sich von den Reaktionen des Publikums: Nicht jedes Gähnen oder jeder Blick auf die Uhr hat notwendi­ger­weise mit Ihnen zu tun.
  • Eine Brücke zum Zuhörer zu bauen heißt nicht, es jedem Recht zu machen. Wichtig ist, dass Sie sich selbst mögen und das zum Ausdruck bringen.
  • Passen Sie einzelne Inhalte und deren „Ver­pack­un­gen“ Ihrem Publikum an. Ändern Sie aber niemals das Wesentliche Ihrer Botschaft.

Metaphern aus dem Leben

Gute Geschichten sind Metaphern für ähnliche Erfahrungen Ihrer Zuhörer. Sie tragen dazu bei, dass diese sich mit Ihnen und den vor­ge­tra­ge­nen Inhalten iden­ti­fizieren. Sie erzählen von echten Begeben­heiten und Beziehungen, sind anschaulich, lehrreich, enthalten eine positive, mo­tivierende Botschaft und können mit Ihrem Beruf in Verbindung gebracht werden. Entspannen Sie sich und überlegen Sie zunächst, welche Frage Sie beantworten möchten. Gehen Sie auf Zeitreise und denken Sie an bestimmte Abschnitte Ihres Lebens, an Menschen, die diese Zeit prägten, und die Her­aus­forderun­gen. Suchen Sie nach wichtigen Wen­depunk­ten. Welche Einsicht haben Sie damals gewonnen? Und welche universelle Wahrheit können Sie ableiten?

„Mein Lieblingschef hat mir einmal gesagt: ,Wenn es um Karriere geht, dann gilt: Entweder du kom­mu­nizierst oder du stagnierst.‘“

Alternativ können Sie in einer Buch­hand­lung oder Bibliothek nach Stoff für Geschichten suchen. Wahre Fundgruben sind Anekdotenbücher oder Zi­taten­samm­lun­gen. Zeitungsar­tikel bieten brauchbare Porträts über Menschen, ihre Sorgen und Er­run­gen­schaften. Biografien etwa von Nelson Mandela oder Anne Frank sind voll von Beispielen für Mut, Ausdauer und Unabhängigkeit. Auch der ganz normale Alltag ist ein her­vor­ra­gen­der Geschicht­en­liefer­ant: Halten Sie die Augen offen und machen Sie sich regelmäßig Notizen. Sie werden sich wundern, wie bunt und vielschichtig Ihr Leben ist.

Eine Geschichte für jeden Zweck

Beim strate­gis­chen Geschicht­en­erzählen lassen sich die folgenden Typen un­ter­schei­den:

  1. Vignetten: Kurze Anekdoten, die zur Il­lus­tra­tion eingesetzt werden. Sie lassen sich oft in einer Minute erzählen und müssen nicht so ausführlich aus­gear­beitet sein wie Geschichten.
  2. Feuerproben und Bewährungen: Sie erzählen davon, wie Sie unglaublichen Widrigkeiten die Stirn geboten haben. Beispiele sind das Überwinden einer schweren Krankheit oder der Trauer um einen ver­stor­be­nen Angehörigen. Beginnen Sie aber niemals damit – Ihr Publikum sollte Sie erst einmal ken­nen­ler­nen. Arbeiten Sie mit humorvollen Einschüben und Schweigepausen an besonders tiefgründigen Stellen.
  3. Verwickelte Geschichten: Damit nehmen Sie sich selb­stiro­nisch auf den Arm, setzen Komik und viel Körperarbeit ein. Das Publikum lacht nicht über Sie, sondern mit Ihnen.
  4. Minerva-Geschichten: Parabeln über Weisheiten aus alter Zeit, z. B. der amerikanis­chen Indianer, aus keltischen Sagen oder religiösen Texten.
  5. Glaubwürdigkeits­geschichten: Erlebnisse und Porträts anderer Menschen, die durch ihr Verhalten herausragen und die Botschaft belegen, die Sie vermitteln möchten. Vorsicht: Immer die Quelle nennen, sonst machen Sie sich des Plagiats schuldig!
  6. Geschichten mit Grundmuster: Mehrmals wiederkehrende Elemente, die durch den immer gleichen Satz, ein Schul­terzucken oder einen überraschten Gesicht­saus­druck un­ter­strichen werden. Ziel ist es, die Aufmerk­samkeit des Publikums zu steigern.
  7. Lehrgeschichten: Im Gegensatz zu den anderen Typen beinhaltet diese nicht nur eine Lehre sondern mehrere. Gliedern Sie die Geschichte in Einzelteile (Punkt 1, 2, 3, etc.) und nehmen Sie Ihre Zuhörer an die Hand, indem Sie die wichtigsten Lehrsätze wiederholen.

Auf Papier sprechen

Bereiten Sie Ihre Geschichte auf einem Blatt Papier vor. Wer glaubt, eine aus dem Stehgreif vor­ge­tra­gene Geschichte wirke am besten, der irrt. Verfassen Sie jedoch niemals einen Schu­lauf­satz. Sie sollten genau so schreiben, wie Sie sprechen. Die folgenden vier Schritte helfen Ihnen beim Entwurf:

  1. Sprechen Sie aufs Blatt, was Ihnen in den Sinn kommt – spontan und un­struk­turi­ert.
  2. Streichen Sie Elemente, die weder zum Verständnis oder Fortgang der Geschichte beitragen, noch die Motive der Handelnden erklären, noch dramatische Qualität besitzen. Ziel ist es, die Geschichte verständlich zu machen und ihr einen linearen Charakter zu verleihen.
  3. Fügen Sie kleine Details hinzu, die der Geschichte eine Seele geben und grundle­gende Wahrheiten vermitteln. Beantworten Sie für jeden Abschnitt die Frage: „Was noch?“
  4. Gehen Sie die Geschichte buchstäblich durch: Üben Sie Bewegungen, die Einnahme ver­schiedener Rollen und pan­tomimis­che Dar­bi­etun­gen.
„Sie müssen den Zuhörern etwas In­ter­es­san­teres anbieten als das, was ihnen sonst noch im Kopf herum­schwirrt.“

Anschließend struk­turi­eren Sie die Geschichte: Schaffen Sie einen Rahmen, indem Sie grob den Zusam­men­hang erklären. Stellen Sie dann die Haupt­per­so­nen vor, indem Sie ihr Aussehen und besondere Eigenarten beschreiben. Nun beginnen Sie die „Reise“: Jede gute Geschichte handelt letztlich davon, im wörtlichen oder übertragenen Sinn. Irgendwann stoßen Sie auf ein Hindernis, z. B. eine Person oder eine schwierige Entschei­dung. Spielen Sie Ihre Reaktion, Ihre Angst oder Enttäuschung so emotional wie möglich und lassen Sie das Publikum daran teilhaben. Beschreiben Sie, wie Sie das Hindernis überwinden, etwa, indem Sie laut mit sich selbst reden. Finden Sie einen runden Schluss und formulieren Sie dann die Aussage, z. B. „Konzen­triere Dich auf die Lösung von Problemen.“ Dann fragen Sie die Zuhörer: „Und Sie? Ist Ihnen so etwas auch schon mal passiert?“ Lassen Sie ihnen etwas Zeit, damit sie für sich selbst im Stillen oder im Plenum eine Antwort geben können. Zum Schluss wiederholen Sie noch einmal die Lösung. Das Sahnehäubchen ist ein einprägsamer Slogan, der das Gesagte auf den Punkt bringt. Lassen Sie sich von guten Werbeslo­gans inspirieren: Die sind kurz, knackig und musikalisch, oft mit Al­lit­er­a­tio­nen oder Reimen. Wiederholen Sie den Slogan während der Rede mehrmals und lassen Sie ihn als Marketing in eigener Sache auf Vis­itenkarten, Kaf­fee­tassen oder Kalender drucken.

Die Geschichte spielen

Erzählen allein genügt nicht. Eine Geschichte wird erst über den Einsatz des ganzen Körpers lebendig. Es ist wie mit einer guten Spaghettisoße: Nebst Tomaten gehören Oregano, Basilikum, Knoblauch, Zwiebeln, Salz und Pfeffer dazu, damit sie wirklich schmeckt. Schaus­piel­ern beim Geschicht­en­erzählen bedeutet jedoch nicht, jemand anders zu sein. Wiederholen Sie die Wirk­lichkeit und präsentieren die Geschichte so, wie Sie sie Bekannten in der Kneipe erzählen würden. Versetzen Sie sich in Ihre Charaktere hinein, imitieren Sie deren Stimme, Gang, Gesicht­saus­druck und Eigenarten. In einem gespielten Dialog stellen Sie die Sprechenden gegenüber, indem Sie sich für jede Rolle jeweils um 45 Grad zur Seite drehen. Je natürlicher Sie dabei wirken, desto komischer sind Sie.

„Jemandem, der etwas vor dem Publikum versteckt, kann keine Schaus­piel­tech­nik der Welt helfen.“

Gute Komik steht und fällt mit dem Überraschungsmo­ment. Kombinieren Sie Elemente, die nicht zusammengehören. Ein Beispiel hierfür ist der Witz des Komikers Steve Smith: „In meinem Fit­nessstu­dio haben sie freie Gewichte, also habe ich sie mitgenommen.“ Oder aber Sie benutzen einen Dreischritt mit zwei logischen Wortkom­bi­na­tio­nen und einer dritten, die absurd oder albern ist. Auch selb­stiro­nis­che Kommentare z. B. über die eigene Glatze, Ihre Körpergröße oder dumme Marotten garantieren Lacher. Durch „Katas­trophisieren“ machen Sie aus einer Mücke einen Elefanten und nehmen damit die eigene Neurose aufs Korn. Auch ein gewisses Maß an Re­spek­t­losigkeit regt meist zum Schmunzeln und Nachdenken an.

„Walk the talk“

Effektive Körpersprache kennt Innen- und Außenmomente. In einem Außenmoment sprechen Sie die Zuhörer direkt an, schauen ihnen in die Augen und erzählen in der Ver­gan­gen­heits­form. In den In­nen­mo­menten spielen Sie das Erzählte, enthüllen Ihre tiefsten Gefühle. Sie schaus­piel­ern und ziehen das Publikum so in Ihre Wirk­lichkeit hinein. Im Idealfall ist das Ergebnis Kino im Kopf. Doch Vorsicht: In­nen­mo­mente funk­tion­ieren wie ein Gewürz. Zuviel verdirbt den Geschmack. Eine Faustregel lautet: Nicht mehr als 40 % der Geschichte sollte aus In­nen­mo­menten bestehen. Eine andere: „Komödie ist groß – Drama klein.“ Witziges dürfen Sie ausladend und übertrieben darstellen, Trauriges dagegen sollte eher subtil und zurückhaltend rüberkommen. Auch das Sprechtempo muss dem Inhalt angemessen sein: Wenn von Stress, Ungeduld oder Ärger die Rede ist, reden Sie schneller. Schock oder Enttäuschung drücken Sie durch schlep­pen­des Sprechen aus. Üben Sie das perfekte Timing, um „Jazz mit Worten“ zu erzeugen. Eine große Hilfe bietet das Studium berühmter Komiker. Die Wirkung Ihrer Stimme können Sie gezielt trainieren, indem Sie jeden Tag laut singen, unter der Dusche und auf dem Weg zur Arbeit. Setzen Sie für die drama­tis­chen Momente der Geschichte die „Sprache des Gefühls“ ein: Erstarren und einen Moment schweigend verharren, wenn Sie den Erhalt einer schlimmen Nachricht spielen. Vor Freude in die Luft springen, wenn das Hindernis überwunden ist, einen inneren Monolog halten, wenn Sie vor einer schweren Entschei­dung stehen. Und schließlich: Üben Sie all das so lange ungestört zu Hause, bis es sitzt.

Ein paar Tipps zum Schluss

Beginnen Sie Ihren Vortrag immer mit einer Überraschung oder einem Rätsel, um das Publikum von Anfang an zu fesseln. Beenden Sie ihn auf einer positiven, hoff­nungsvollen Note. Wenn möglich, schneidern Sie Ihrem Publikum die Geschichten auf den Leib. Was bewegt Ihre Zuhörer gerade? Welchen Bil­dung­sh­in­ter­grund haben sie? Vor welchen Her­aus­forderun­gen stehen sie in der Firma? Informieren Sie sich im Vorfeld, damit Sie den richtigen Nerv treffen. Stellen Sie den Zuhörern rhetorische oder direkte Fragen und fordern Sie sie auf, selbst Fragen zu stellen. Entwickeln Sie ein Ritual zur Einstimmung auf die Rede: Yoga zur Muske­lentspan­nung, Men­tal­train­ing, um linke und rechte Gehirnhälfte in ein Gle­ichgewicht zu bringen, Atem- und Stimmübungen sowie spirituelle Vor­bere­itun­gen. Gehen Sie z. B. an jedem Morgen vor einem Auftritt in der Natur spazieren. Techniken wie diese helfen, spielerische Selb­st­sicher­heit zu erlangen. Denn nur wenn Sie sich selbst so lieben, wie Sie sind, werden Sie in anderen Menschen etwas bewegen.

Über den Autor

Doug Stevenson ist der Erfinder der Sto­rythe­ater-Meth­ode. Vor seiner jetzigen Karriere als Re­den­schreiber, Vor­trags­ber­ater und Coach hat er 13 Jahre als Schaus­pieler gearbeitet.