Events und E-Commerce

Buch Events und E-Commerce

Kundenbindung und Markenführung im Internet

Springer,


Rezension

Auf den ersten Blick fasziniert die Gliederung: Einer Erläuterung des Her­aus­ge­bers, in der Inhalte und Problematik erläutert werden, schliesst sich ein praktischer Teil an, in dem zahlreiche Autoren über nam- und beispiel­hafte Projekte zum Thema Events und E-Commerce referieren. Her­aus­gekom­men ist ein Strauss wertvoller Anregungen und in­ter­es­san­ter Ergebnisse, die zur Nachahmung anregen. Nachteil: Wie oft in Samplern dieser Art sind die Beiträge der Frem­dau­toren ohne viel Federlesens übernommen - das hat zur Folge, dass gele­gentlich am Thema vor­beigeschrieben wird. Der Leser muss sich de­mentsprechend durch einigen Ballast kämpfen; dies lässt As­sozi­a­tio­nen zum law­ine­nar­tig anwach­senden Angebot des Webs zu ... Darüber hinaus sind die Porträts vielfach von Pro­tag­o­nis­ten der beteiligten Unternehmen verfasst. Ob diese Personen zu kritischer Würdigung imstande sind, möchten wir aus Erfahrung eher in Frage stellen. Angesichts des rasanten Tempos, in dem sich das Web in alle Richtungen ausdehnt und beständig verändert, empfiehlt BooksInShort.​com: Lesen Sie dieses Buch schnell, bevor es veraltet ist!

Take-aways

  • E-Commerce, als der elek­tro­n­is­che Ver­trieb­skanal, ist heute ein unbedingtes Muss für jedes Unternehmen, das auch in Zukunft mitspielen will.
  • Nachdem inzwischen jede Wurstbude eine eigene Website hat, können Anbieter nur mehr über die Qualität und Ziel­rich­tung ihres In­ter­net-Auftrittes Aufmerk­samkeit erlangen.
  • Aufmerk­samkeit ist alles in einer Werbewelt. Wer mit seinem Angebot die Aufmerk­samkeit der Zielgruppe erlangt, hat sie.
  • Ins­beson­dere die Emo­tion­al­isierung verspricht einen Mehrwert, der das jeweilige Produkt von der ver­wirren­den und frus­tri­eren­den Vielfalt im Web abhebt.
  • Da ein Web-Auftritt virtuell und damit abstrakt bleibt, fehlt ihm der Er­leb­n­is­fak­tor, der jedem tra­di­tionellen Markt eigen ist. Das macht das Internet für Konsum unattraktiv.
  • Also müssen Web-Märkte aufgewertet werden - durch In­for­ma­tio­nen und durch Events, die eine aktive Beteiligung des Websurfers ermöglichen.
  • Hier haben gute Konzepte die Chance, eine Kun­den­bindung zu erzielen, indem sie dem Konsumenten durch Schaffung eines Mehrwerts die Entschei­dung leicht machen.
  • Ein Event ist also im übertragenen Sinne eine Party im Web, ein me­di­en­gerechter Inhalt, dem im Web bei der Zielgruppe der Rang eines Ereignisses gleichkommt.
  • Wer in der Lage ist, ein solches Event zu ve­r­anstal­ten, hat den ersten Schritt getan - er muss den Strom der Surfer nur noch geschickt lenken.
  • Beim Aufbau dieser Events bedarf es kultureller Kompetenz, da digitale Markenführung noch behutsamer zu erfolgen hat als al­therge­brachte.
 

Zusammenfassung

Unüberschaubar

In naher Zukunft wird jeder Haushalt der westlichen Gesellschaften einen In­ter­ne­tan­schluss haben. Das bedeutet für jeden den in­di­vidu­ellen Zugang zur gesamten globalen In­fra­struk­tur. Es gibt also nur noch einen Markt statt unendlich vieler, und jeder kann dabei sein. Märkte sind archaische Kom­mu­nika­tions-Stätten. Sie sind ein Ereignis, bei dem der Konsum nur Mittel zum Zweck ist: zum Austausch der neuesten Gerüchte, zum Musizieren, zum Amüsieren. Wer in dem bunten Durcheinan­der eines mit­te­lal­ter­lichen Marktes die Aufmerk­samkeit der Leute erregen konnte, hat vermutlich gut verkauft.

„Wie kann ich angesichts eines globalen Angebots die Aufmerk­samkeit der Kunden auf mich ziehen und längerfristig binden? Wie zeige ich meine Kompetenz, wenn der Mitbewerber nur einen Klick weit entfernt ist?“

Das Internet ist wie ein mit­te­lal­ter­licher Markt mit Sprechver­bot - hier nehmen Events die Rolle der Gaukler und Spieler, der Bänkelsänger und Hanswurste ein. Das Angebot im virtuellen Netz, bereits unüberschaubar, wächst mit unge­brem­ster Dynamik. Den Kunden frustriert die Vielfalt, denn sie macht ihm die Kaufentschei­dung nicht leichter, im Gegenteil. Hier haben gute Konzepte die Chance, eine Kun­den­bindung zu erzielen, indem sie dem Konsumenten durch Schaffung eines Mehrwerts die Entschei­dung für den jeweiligen Anbieter leicht machen. Dialog, Service und Themenführung sind die un­ab­d­ing­baren Werte, für die im Unternehmen neue Kompetenz aufgebaut werden muss. Vor jeder Wahrnehmung von Pro­duk­tqualität steht zunehmend die Attraktion durch me­di­en­gerechte Inhalte, denen im Wettbewerb um Aufmerk­samkeit der Rang von Ereignissen zukommen muss.

Dialog

Unternehmen müssen neues Selbstverständnis her­aus­bilden. Anbieter müssen sich mit ihrer neuen Rolle auseinander setzen, im Web in einem gle­ich­berechtigten Dialog mit ihren Kunden anpassungsfähig, reak­tion­ss­chnell und sensibel zu sein. Unternehmen müssen auch damit leben, in Zukunft auf dem Präsen­tierteller zu stehen: Durch ihren Auftritt im Internet geben sie jede Deckung auf und machen sich universell angreifbar. Insofern bietet das Web nicht nur neue Vertriebs- und PR-Möglichkeiten, sondern auch die Optimierung nahezu jedes Fir­men­zweiges. In der Hauptsache kommt es aber darauf an, die Kun­de­nori­en­tierung und den Dialog mit seinen Kun­den-Part­nern zu per­fek­tion­ieren. Kunden können die besten Mitarbeiter eines Un­ternehmens sein - wenn sie entsprechend behandelt werden. Durch die digitalen Tech­nolo­gien, Echtzeitver­ar­beitung usw. wird der Austausch mit den Kunden di­al­o­gori­en­tierter und intensiver. Die Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion gewinnt so zentrale Bedeutung - sie muss die Kom­mu­nika­tion­sanlässe, die Events, erst schaffen.

Aufmerk­samkeit - "War of Eyeballs"

In unserer heutigen Umwelt voller Reize muss die Steigerung des Werbedrucks nahezu wirkungslos verhallen. Ins­beson­dere Werbemedien, die auf ungewollten Konsum setzen, stehen damit zur Debatte. Wer­be­un­ter­brechun­gen im Fernsehen werden weggezappt, Werbebanner im Internet ignoriert - in Deutschland wurden durch­schnit­tliche Klickraten von 0,8 % registriert. Chancen dagegen bietet ziel­grup­pen­rel­e­vante Werbung, die der Nutzer aktiv zusam­men­stellen kann. Neuere Wirtschaft­s­the­o­rien weisen der Aufmerk­samkeit einen zentralen Wert zu. Unser Gehirn verarbeitet nur einen Teil der In­for­ma­tio­nen, die wir sinnlich aufnehmen können. Das Ziel jeder Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion muss es folglich sein, die Aufmerk­samkeit möglichst vieler Augenpaare zu binden - der Kampf um Mark­tan­teile wird zum "War of Eyeballs".

„Im Netz sind Produzenten und Händler nicht länger Sender, die versuchen, ein anonymes Massen­pub­likum möglichst vollständig zu erreichen, sondern sie werden in mindestens gleichem Masse zu Empfängern.“

Am wirkungsvoll­sten wird Aufmerk­samkeit durch Beteiligung gebunden. Tra­di­tionelle Märkte sind ohne Interaktion nicht denkbar. Ein Viehmarkt z. B. ist im Internet nicht möglich, weil die Ware nicht gleichförmig ist und de­mentsprechend gemustert werden muss. Industriell gefertigte Ware dagegen bietet keine Überraschun­gen - Einkauf wird zwar bequem, macht aber keinen Spass mehr. Da ohne Spass aber unwillig konsumiert wird, gilt es den Ereigniswert zu fördern.

Event-Ty­polo­gie

Reale, etablierte Ereignisse können im Netz begleitet werden: So kann ein Sponsor zur Fussball-WM zusätzlich zu den Pro­duk­t­in­for­ma­tio­nen Sport­berichte auf die Homepage stellen. Denkbar wäre dies auch bei Grossereignis­sen wie einer Son­nen­fin­ster­nis, einer grossen Messe oder einer Gemäldeausstel­lung.

Fall­beispiel ATP Tennis Tour

Mit mehr als 2,8 Millionen Page-Im­pres­sions pro Woche hat sich www.​atptour.​com als führende Ten­nis-Plat­tform im Cyberspace etabliert. Das ini­ti­ierende Unternehmen Kabel New Media hat sich auf Konzeption und Produktion in­ter­ak­tiver Business- und Kom­mu­nika­tionslösungen spezial­isiert. Potenzielle Sponsoren haben erkannt, dass eine Website, die sich auss­chliesslich mit einer Sportart befasst, eine her­vor­ra­gende Aus­gangs­ba­sis für einen digitalen Wer­beauftritt ist. Im November 1997 un­terze­ich­neten Kabel New Media GmbH und die Association of Tennis Pro­fes­sion­als (ATP) einen Vertrag, der die Firma als ve­r­ant­wortlichen Partner für Design, Unterhalt und Vermarktung der offiziellen Website vorsah. Am 1. März 1998 startete sie mit einem komplett neuen Angebot, darunter vielen Live-Berichten und -Fotos. Als Sponsor konnte Mercedes gewonnen werden - Sponsorship bietet im Web die Möglichkeit, das Angebot auf den Mäzen abzustimmen, also eine Beziehung zwischen Sponsor und Site aufzubauen. Bei www.​atptour.​com wurde beispiel­sweise das gesamte Layout der Seiten auf das Design von Mercedes und des gemeinsamen Logos abgestimmt.

„Zukunftsträchtig sind von den Unternehmen selbst generierte oder hinzu gekaufte Inhalte, die der Kunde abrufen möchte. Hier werden längere Ver­weil­dauern, häufige Wiederkehr und positive Bewertungen registriert. Eine der aus­sicht­sre­ich­sten Formen der Kooperation ist der Tausch von Content gegen Traffic.“

Reale, neue Ereignisse können aufge­grif­fen und im Netz verstärkt werden: Das verlangt gute Trendscouts, die kommende Moden in der Jugendszene vorausahnen und als Ereignis langfristig aufbauen. Das können z. B. Themenbezüge zu Trend­sportarten wie Snowboard oder Streetball sein, lokale Ereignisse wie Mod­en­schauen oder The­ater­premieren sowie Zeit­in­ter­valle wie der 14-tägige Stadtkalen­der oder die Tour einer Band.

Fall­beispiel Mul­ti­Me­di­aMeile:

Die Ve­r­anstal­tungsagen­tur Cyburbia Medien realisierte 1996 erstmalig die Mul­ti­Me­di­aMeile Düsseldorf in Zusam­me­nar­beit mit der lokalen Messe und der Kölner Musik Komm. Seitdem hat sie sich zu einer festen Grösse in der Me­di­en­land­schaft gemausert. Sie verfolgt das Ziel, die neue Welt der digitalen Medien, der Com­put­er­net­zw­erke und On­line­di­en­ste allen Düsseldorfern und deren Gästen auf un­ter­halt­same Art zu erklären. Mitmachen ist erwünscht. Cyburbia stellte einfach in einer Zeltstadt am Rheinufer Com­puter-In­fra­struk­tur auf, die jeder Besucher nach Herzenslust testen konnte. So mancher schrieb die erste E-Mail seines Lebens und surfte durch seine Web-Pre­miere. Diverse Künstler traten auf und lieferten ihre In­ter­pre­ta­tion der Mul­ti­Me­di­aMeile. Im darauf folgenden Jahr wurde die Stadt Düsseldorf Mitver­anstal­ter, die Zeltstadt wuchs, Aussteller wie die Deutsche Telekom, LTU, Microsoft u. a. beteiligten sich. Alle Ve­r­anstal­tun­gen waren selbstverständlich gratis. Ein Event wurde geboren. Neue Ereignisse werden erfunden und im Netz realisiert: Das sind Events, die nur im Netz stattfinden und de­mentsprechend grosse Dynamik und Ausstrahlung besitzen müssen - bisher sind das vor allem Auktionen und On­line-Games. Komplett künstliche Web-Welten haben den Vorteil, auch komplett steuerbar zu sein.

Fall­beispiel "Berlin Connection"

Das CD-ROM-Com­put­er­spiel "Berlin Connection" ist eines der aufwendig­sten seiner Art. Wie ein Detektiv bewegt sich der Spieler durch das reale Berlin und muss Spuren finden - was sie bedeuten, erfährt er erst im Laufe des Spiels. Für diese neu entwickelte Gattung "in­ter­ak­tiver Doku­men­tar-Thriller" mussten neue Ver­trieb­swege gefunden werden. Im Internet ist es möglich, dem Nutzer einen wirklichen Vorgeschmack auf dieses an sich sehr erklärungsbedürftige Spiel zu geben. Das geschieht, indem eine gekürzte Einführung zum Herun­ter­laden bere­it­gestellt wird. Für "Berlin Connection" wurde eine Website (www.​berlin-connection.​de) entworfen, die zunächst den Charakter einer Hotline für alle In­ter­essierten haben sollte - inzwischen wird die Story geschickt weiter gesponnen und die Freunde des Spiels werden auf diese Weise neugierig auf einen zweiten Teil gemacht. In­ter­es­san­ter­weise wird diese Fortsetzung zuerst in einen Roman münden - hier verkehrt sich die Welt.

Fall­beispiel Harald Schmidt Show

Die Be­gleit-Page (www.​schmidt.​de) zur täglichen Comedy-Show von Sat.1 wurde anfangs (1996) bis zu 20 000 Mal im Monat angeklickt; drei Jahre später waren es schon eine halbe Million Besuche. Das Programm ist eng an die Live-Show gebunden und bietet den Fans eine Such­funk­tion für alle Sprüche und Gags, die je veröffentlicht wurden, einen Chat, Mer­chan­dis­ing sowie Vide­o­funk­tio­nen. Ziel­rich­tung war u. a. die Schaffung einer Basis für Konzepter­weiterun­gen, um kreative Eigen­for­mate für das Internet in Anlehnung an die Schmidt Show zu ermöglichen. Der Unterhalt kostet rund 30 000 DM im Monat. Auf jeder Seite laufen Werbebanner, die vorab ausgebucht waren. Die Citibank wählte eine Son­der­wer­be­form über ein Gewinnspiel, in dem wöchentlich Ein­trittskarten für die Show verlost wurden. "My World" nutzte den Schmidt Shop (Mer­chan­dis­ing) auch zum Vertrieb nicht aus der Sendung bekannter Artikel. Im Jahr 2000 konnte bereits "Content" in Form von Sprüchen Harald Schmidts an andere Portale (AOL) und WAP-Han­dynutzer verkauft werden.

Gemein­schaft

Gemein­schaften bilden und stärken sich durch sie verbindende Ereignisse. Das zeigt sich besonders bei Not­stands­ge­mein­schaften: Krankheiten, Kriege und Katas­tro­phen knüpfen Schick­sals­bande, die temporär über allen anderen Verbindun­gen stehen. Die Teilnahme oder Nicht-Teil­nahme an einem Event ist an die Zugehörigkeit zu einer Gruppe geknüpft und dient der Selb­stvergewis­serung ("Ich bin, denn ich bin dabei"). Gemein­schafts­bil­dung vollzieht sich im Wesentlichen innerlich und findet daher im Internet ihre ideale Heimat.

Digitale Markenführung

Digitale Gemein­schaften sind häufig jugendlich und daher entsprechend sensibel und flüchtig mit ihren Werten. Ein Event-Part­ner muss zur Szene und zum Inhalt passen und glaubwürdig sein. Events sind In­sze­nierungsleis­tun­gen und fordern de­mentsprechend kulturelle Kompetenz. Diese bezieht sich einerseits auf die Partner, Inhalte und Teil­nehmer­grup­pen und an­der­er­seits auf die Gestaltung im engeren Sinne, also die Dramaturgie der Ankündigung, Vor­bere­itung, Durchführung und Nach­bere­itung. Zum Erfolg führt schliesslich nur die enge Verzahnung mit anderen Aktivitäten im Unternehmen, die auf die gewonnenen Kontakte aufbauen, wie etwa Cus­tomer-Re­la­tion­ship-Man­age­ment.

Tendenzen

Das Netz wird alltäglich: Gewöhnungsef­fekte bedeuten, dass On­line-Ange­bote sich nicht länger auf ihren Neuigkeitswert verlassen können und es mit immer kri­tis­cheren Kunden zu tun haben. Das Netz wird allgegenwärtig: Der PC als einziges Zu­griff­sin­stru­ment gibt sein Monopol auf; Handys nach WAP-Stan­dard sind nur der erste Schritt zum tragbaren Computer, bei dem netzfähige Komponenten in Kleidung und Körper­prothe­sen integriert sind. Geräte und Gebühren werden billiger: Über Fla­trate-Ange­bote wächst die Tendenz, permanent online zu sein. Anspruchsvolle Plattformen für E-Commerce werden durch Stan­dar­d­isierung auch für Klei­n­un­ternehmer lukrativ.

Über den Autor

Peter Friedrich Stephan ist Dipl.-Designer mit diversen Interessen. Seit 1983 realisiert er für die Kom­mu­nika­tion­s­abteilun­gen von Unternehmen Audio-, Video- und Mul­ti­me­dia-Pro­jekte. Der Professor für Theorie und Design der Hypermedien lehrt an der Kun­sthochschule für Medien in Köln.