Bauchrede für Kopfmenschen

Buch Bauchrede für Kopfmenschen

Marketing für Leute, die Wichtigeres vorhaben

CO.IN.,


Rezension

Wer „Industriegüter“ hört, denkt eher an rauchende Schlote als an sexy Wer­bekam­pag­nen. Dabei kommt die Tech­nolo­giebranche ebenso wenig ums Marketing herum wie irgendeine andere. Mit diesem Mar­ket­ingrat­ge­ber für Nicht­mar­ket­ingleute wollen Michael Schmidt und Olaf Schumann eine Lücke schließen und dafür sorgen, dass die Werbung für schwierige Produkte pro­fes­sioneller wird. Die Autoren, erfahrene Werber, die sich auf Industriegüter spezial­isiert haben, zeigen auf, wie die Einkäufer von Tech­nolo­giepro­duk­ten ticken. Die überraschende Erkenntnis: Ob sich jemand für einen In­dus­trie­ofen oder für einen Sah­ne­joghurt entscheidet, macht keinen großen Unterschied – zumindest nicht, was die kognitiven Vorgänge betrifft, die die Kaufentschei­dung begleiten. Das Buch ist gut gegliedert und verzichtet wohltuend auf Mar­ket­ingslang; auch einge­fleis­chte Ingenieure oder Pro­gram­mierer werden sich schnell damit anfreunden. Was man sich allerdings noch gewünscht hätte, wenn es schon um Plakativität und An­schaulichkeit geht, sind konkrete Beispiele von Plakaten, Broschüren oder Messeständen. Sei’s drum: BooksInShort empfiehlt das Buch allen Anbietern von erklärungsbedürftigen Gütern, ins­beson­dere KMUs, die sich um ihr Marketing nebenher kümmern müssen.

Take-aways

  • Käufer von Tech­nolo­giepro­duk­ten wünschen sich in erster Linie verbesserte Funk­tion­alität und höhere Leistung.
  • Auch bei Tech­nolo­giepro­duk­ten wird die Kaufentschei­dung von Emotionen beeinflusst.
  • Einzi­gar­tige Tech­nolo­giepro­dukte verdanken ihre Alle­in­stel­lung nicht nur ihrer Leistung, sondern auch ver­meintlichen Nebensächlichkeiten wie ihrer Be­nutzer­fre­undlichkeit.
  • Bringen Sie Ingenieure, Designer, Vertriebs- und Mar­ket­ingleute an einen Tisch, um ein Pflicht­en­heft für ein neues Produkt zu entwickeln.
  • Definieren Sie eine Kern­botschaft.
  • Richten Sie Ihre ganze Kom­mu­nika­tion darauf aus, diese Kern­botschaft zu vermitteln.
  • Wenn sich konkur­ri­erende Produkte ähneln, kann Design den Unterschied machen.
  • Geben Sie Ihren Produkten Namen, die direkt auf Ihr Unternehmen verweisen.
  • Geben Sie sich ein Logo mit Sym­bol­ge­halt. Es soll nicht aktuellen Trends folgen, sondern zeitlos sein.
  • Den richtigen Wer­bepart­ner findet man dort, wo man gute Werbung sieht: Kon­tak­tieren Sie die angegebene Agentur oder deren Auf­tragge­ber.
 

Zusammenfassung

Marketing macht den Unterschied

Die Zeiten, in denen technisch überzeugende Industriegüter für sich sprachen und mit minimalem Wer­beein­satz an den Mann gebracht werden konnten, sind vorbei. En­g­maschigere Zulief­er­er­netze sorgen dafür, dass sich auch diese Produkte immer mehr ähneln. Außerdem verstärken in­ter­na­tionale Standards und Vorschriften den Trend zur Vere­in­heitlichung zusätzlich. Für welchen Anbieter soll sich ein Einkäufer da entscheiden? Sie bieten doch alle mehr oder weniger genau das, was man braucht, oder? Plötzlich greift man zum Prospekt und fragt sich, was einem eigentlich am besten gefällt. An diesem Punkt sind Tech­nolo­gie­un­ternehmen, die pro­fes­sionelles Marketing betreiben, im Vorteil.

Tech­nolo­giepro­dukte sind wie Konsumgüter

Gehen Marketing und Technologie überhaupt zusammen? Immerhin ist ein In­dus­trie­ofen ja kein Sah­ne­joghurt. Eine Vielzahl von Menschen entscheidet darüber, ob der Ofen gekauft wird oder nicht. Nur: Ist das beim Joghurt anders? Hier redet die ganze Familie mit. Oft hört man, beim Kauf von Industriegütern würden Emotionen keine Rolle spielen. Das stimmt aber nicht. Wenn sich der ve­r­ant­wortliche Einkäufer für den falschen Anbieter entscheidet, könnte das seine Position im Unternehmen gefährden. Schon allein deshalb ist der Einkauf von In­vesti­tionsgütern eine hochemo­tionale An­gele­gen­heit.

„Der Käufer einer Maschine, eines Gerätes oder einer Software für be­triebliche Zwecke ist derselbe Käufer, den wir in Supermarkt und Boutique treffen.“

Die Wunschliste der meisten Tech­nolo­giekun­den ist kurz: Sie möchten bessere Funk­tion­alität oder höhere Leistung, keineswegs aber allerlei technischen Schnickschnack. Diese verbesserten Grundleis­tun­gen zu bieten, reicht u. U. jedoch nicht aus. Soll ein Produkt Aufmerk­samkeit wecken, muss es sich of­fen­sichtlich von denen der Wet­tbe­wer­ber un­ter­schei­den. So en­twick­el­ten beispiel­sweise S. Duncan Black und Alonzo G. Decker, also Black & Decker, aus Baltimore 1914 die erste Hand­bohrmas­chine mit Pis­tolen­griff und rev­o­lu­tion­ierten damit den Markt. Für die Sammlung solcher Pro­duk­tideen sollten Sie Vertreter un­ter­schiedlicher Fachgebiete an einen Tisch bringen: Mar­ket­ingleute, Ver­trieb­sleute, Pro­duk­t­de­signer und Ingenieure. Und weil entschei­dend ist, was der Kunde will, sollten Sie auch diesen fragen. Neben einer direkten Befragung können Sie sich auch auf den In­ter­net­seiten der Wet­tbe­wer­ber oder in Portalen und Blogs informieren. Damit Sie sich nicht verzetteln, fassen Sie Ihre Rechercheergeb­nisse am besten in einem Pflicht­en­heft zusammen. Darin formulieren Sie eine Kernaussage zu der von den Kunden gewünschten Leistung des Produkts. Außerdem halten Sie die technischen, be­trieb­swirtschaftlichen und zeitlichen Rah­menbe­din­gun­gen fest.

Äußere Werte zählen

Tech­nolo­giepro­dukte verkaufen sich besser, wenn sie gut aussehen. Wer denkt, er könne ohne gutes Pro­duk­t­de­sign auskommen, muss sich darüber bewusst werden, dass heutzutage alles Design ist: Es gibt nur gutes und schlechtes Design, nicht aber „kein Design“. Jeder Einkäufer von Industriegütern kauft privat jene Produkte, die ihm am besten gefallen. Wieso sollte er sich im Beruf­sall­tag anders verhalten? Gutes Design schafft Vertrauen. Aus diesem Grund gehört ein Pro­duk­t­de­signer unbedingt in Ihr In­no­va­tion­steam, und zwar von Anfang an. Ein gutes Beispiel: Der Bauele­mente­hersteller Wöhner hat für seinen Sicherungssockel CUSTO EasyBase einen Designpreis bekommen. Obwohl der Sockel nach der In­stal­la­tion nie wieder zu sehen ist, wurden weder Kosten noch Mühen gescheut, ihm ein gutes Design zu verpassen. Die besondere Formgebung hebt das Produkt von der Masse der Wet­tbe­werb­spro­dukte ab und un­ter­stre­icht seine technische Überlegen­heit.

Ein Ver­trauen­sum­feld mitverkaufen

Ein Tech­nolo­giepro­dukt ist in der Regel eine große Investition und kann nie losgelöst von seinem Hersteller betrachtet werden. Schließlich spielen neben dem Produkt selbst auch Aspekte wie Liefertreue und Service eine wichtige Rolle. Weil der Käufer solche Qualitäten nur bedingt beurteilen kann, muss er dem Anbieter einen Ver­trauensvorschuss gewähren. Als Hersteller müssen Sie darum eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen. Dazu gehören Verkäufer, ob eigene oder externe, die auf Ihr Unternehmen so eingeschworen sind, dass sie genau so ar­gu­men­tieren, wie Sie es möchten. Zwischen Verkäufer und Einkäufer muss ein Grund­kon­sens über die Pro­duk­tan­forderun­gen und die Reputation des Herstellers herrschen. Hierbei ist es von Bedeutung, sich auf sein Gegenüber einzustellen. Am besten beginnt man mit einer Ba­sis­ar­gu­men­ta­tion und geht dann zu den technischen Details über. Ganz wichtig ist der finanzielle Aspekt. Gutes hat seinen Preis. Verkaufen Sie sich und Ihr Produkt darum nicht unter Wert. Heben Sie die Pro­duk­tvorteile und Ihre Vertrauenswürdigkeit so hervor, dass niemand auf die Idee kommt, er könne dasselbe woanders günstiger bekommen.

Was eine Marke ausmacht

Auch Tech­nolo­giepro­dukte kommen heute ohne Branding, d. h. Marken­bil­dung, nicht aus. Schließlich entsteht im Kopf eines Kunden immer automatisch ein Bild, wenn er mit einem Produkt zu tun hat. Durch eine Marke können Sie mitbes­tim­men, wie dieses Bild aussieht. Es ist auf jeden Fall komplex, und dieser Komplexität müssen Sie Rechnung tragen. Eine Marke wird von Funktionen, Haptik, Geruch, Klang, Pro­duk­t­de­sign, Preis, Service, Kompetenz des Verkauf­sper­son­als etc. geprägt. Auch die In­no­va­tion­skraft eines Un­ternehmens, seine Stabilität oder bestimmte Gründermythen können eine Rolle spielen, man denke nur an die Gara­gengeschichte von Bill Gates und Microsoft. Weil die Art und Weise, wie der Kunde Sie sieht, so wichtig ist, sollten Sie ihn gele­gentlich befragen. Aussagekräftige Antworten zu erhalten, ist allerdings nicht einfach; bei Befragungen spielt viel Psychologie hinein. Wenden Sie sich im Zweifels­fall an ein pro­fes­sionelles Mark­t­forschung­sun­ternehmen. Ebenfalls überlegen sollten Sie sich, ob Sie auf Pro­duk­t­marken, eine Un­ternehmensmarke oder beides setzen. Wenn Sie Produkte herstellen, die sich kaum voneinander un­ter­schei­den, genügt eine Un­ternehmensmarke. Bieten Sie jedoch eine breite Palette dif­feren­zierter Produkte, sollten Sie neben der Un­ternehmensmarke auch Pro­duk­t­marken führen, wie beispiel­sweise Beiersdorf mit Nivea und Tesa.

„Die Wunschliste der Kunden ist meist er­schreck­end kurz und einfach.“

Machen Sie sich zuallererst klar, was Ihr Produkt in den Augen eines Kunden zu etwas Besonderem macht. Erst im zweiten Schritt wird er sich für die Pro­duk­t­de­tails in­ter­essieren. Alle­in­stel­lung heißt, aus Sicht des Kunden besser als die Konkurrenz zu sein. Was wünscht er sich von Ihrem Produkt? Ziehen Sie aus allen Merkmalen, die Sie finden, eine alles verbindende Schlussfol­gerung – dann haben Sie die Kern­botschaft. Bei Ingenieuren besteht dabei die Gefahr, dass sie ausschließlich die tech­nol­o­gis­chen Aspekte des Produkts betrachten. Aber auch ver­meintliche Nebensächlichkeiten können kun­den­rel­e­vant sein, z. B. bessere Handhabung, bessere Ve­r­ar­beitung oder Wartungs­frei­heit.

Sprechende Namen

Eine Marke braucht einen guten Namen. Gemeint sind damit nicht bei Technikern beliebte Beze­ich­nun­gen wie CMD/X-13.4. Auch Abkürzungen mit zwei oder drei Buchstaben oder Namen mit Techno- oder Inno-Silben, wie Innotech, sollten Sie vermeiden: Diese sind beliebig, sagen nichts aus und lassen sich zudem nicht gut aussprechen. Ein guter Name klingt schön. Zudem sollte er nicht sinnfrei sein, aber auch nicht zu viele In­for­ma­tio­nen trans­portieren wollen. Der A380 von Boeing beispiel­sweise heißt Dreamliner. Das sagt nichts über Schubkraft der Triebwerke oder die Flughöhe aus, verspricht aber ein traumhaftes Reiseer­leb­nis, also genau das, was der Kunde will. Wer einfach nur einen Fan­tasien­amen wählt, steht einer weltweit riesigen Konkurrenz gegenüber. Am besten ist ein Markenname, der mit dem Unternehmen und dessen Wurzeln zusammenhängt. So nennt etwa der Saarländer Stahlher­steller Dillinger Hütte seinen besonders harten Baustahl Dillidur. Was übrigens den Un­ternehmen­sna­men selbst betrifft: Lassen Sie das GmbH oder AG weg. Es reicht völlig, wenn das im Kleinge­druck­ten steht.

Angenehme Erscheinung

Entschei­dend für die öffentliche Wahrnehmung einer Marke ist ihr visueller Auftritt. Damit ist nicht nur Pro­duk­t­de­sign gemeint. Sicht­barkeit erlangt eine Marke vor allem durch ihre Werbung, ihren Internet- oder Messeauftritt. Für eine ein­heitliche und un­ver­wech­sel­bare Wahrnehmung braucht die Marke ein typisches Er­schei­n­ungs­bild, auch Corporate Design genannt. Wichtige Be­standteile sind das Logo, die Farbigkeit, die Typografie und der Gestal­tungsraster. Kern des Er­schei­n­ungs­bilds ist zweifel­sohne das Logo. Es entscheidet, wie bekannt Ihre Marke auch ohne große Präsenz werden kann. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob es sich um eine Wortmarke, eine Bild-Wort-Marke oder um eine reine Bildmarke handelt. Ein gutes Logo hat symbolische Strahlkraft. Sie können ein Symbol verwenden, das eindeutig mit dem Produkt zusammenhängt; es geht aber auch anders, wie das Beispiel des ange­bis­se­nen Apfels bei Apple beweist. Gerade die Mythen, die sich um dieses rätselhafte Logo ranken, verstärken dessen Wirkung. Ein gutes Logo sollte außerdem zeitlos sein und über aktuellen Gestal­tungstrends stehen. Nur Beständigkeit weckt Vertrauen.

Mit einer Kern­botschaft werben

Ohne gute Werbung wird Ihrer Marke nicht die für einen Erfolg notwendige Aufmerk­samkeit zuteil. Ganz wichtig: Sagen Sie niemals, dass Sie gut sind. Dieses Urteil möchte Ihr Adressat schon selbst fällen. Zeigen Sie vielmehr, was Sie ihm bieten können, wie Ihre Produkte wirken und was wäre, wenn es Sie nicht gäbe. Ein gutes Beispiel ist die Anzeigenkam­pagne von Weru, einem Hersteller von Schallschutzfen­stern: Formatfüllend wird der Blick durch ein Fenster nach draußen gezeigt, wo ein Bauarbeiter mit einem Press­luftham­mer arbeitet. Der Pro­duk­t­nutzen wird damit quasi hörbar. Eine normale Anzeige mit Produktfoto und stich­punk­tar­ti­gen Pro­duk­tvorteilen würde niemals diese Wirkung erzielen. Witz und Kreativität machen sich meist gut in der Werbung, aber nur, wenn auch die Kern­botschaft der Marke betont wird. Greifen Sie die Welt Ihrer Kunden auf – wie im Weru-Beispiel – und sprechen Sie deren Bedürfnisse an. Trans­portieren Sie in allen Werbe­mit­teln nur Ihre eine Kern­botschaft. Das heißt nicht, dass Sie überall das Gleiche sagen sollen, aber beschränken Sie sich auf eine Idee. Alle weiteren In­for­ma­tio­nen gehören in un­ter­ge­ord­nete Medien.

Mit den richtigen Partnern

Weil Sie nicht sämtliche Mar­ketingauf­gaben allein bewältigen können, sollten Sie sich pro­fes­sionelle Hilfe suchen. Da wären zunächst die bereits erwähnten Mark­t­forscher. Einfache Fragebögen reichen zur Ergründung von Meinungen, die im Unbewussten Ihrer Zielgruppe liegen, nicht aus. Gute Mark­t­forscher arbeiten mit psy­chol­o­gisch fundierten Werkzeugen. Holen Sie drei Angebote ein und beschreiben Sie den poten­ziellen Partnern Ihr Unternehmen und Ihre Produkte. Sagen Sie, was Sie genauer wissen wollen, und zwar mit einfachen Worten.

„Die richtigen Anbieter findet man eben nicht in den Gelben Seiten, obwohl sie dort möglicher­weise verzeichnet sind. Man findet sie bei den Ergebnissen ihrer Arbeit.“

Wissen Sie einmal, was und mit wem Sie kom­mu­nizieren wollen, dann brauchen Sie die richtige Wer­beagen­tur. Die finden Sie nicht im Branchen­verze­ich­nis, sondern dort, wo Sie gute Werbung sehen. Gehen Sie de­tek­tivisch auf die Suche. Wenn Sie nicht direkt auf dem Plakat oder dem Inserat sehen, wer ve­r­ant­wortlich ist, fragen Sie bei den werbenden Unternehmen nach. Designer finden Sie mit der gleichen Strategie. Wenn Sie beispiel­sweise Werkzeuge herstellen, dann gehen Sie in den Baumarkt und schauen Sie sich die Produkte an. Gefällt Ihnen ein Design besonders gut, finden Sie heraus, wer es erarbeitet hat. Möglicher­weise haben Sie Ihren künftigen Partner gefunden.

Über die Autoren

Michael Schmidt ist studierter Werk­stofftech­niker. Er arbeitete in der Forschung, bevor er als Berater und Texter zur Wer­beagen­tur Scholz & Friends wechselte. Zusammen mit Olaf Schumann, früher Kreativchef bei Scholz & Friends, gründete er die Wer­beagen­tur Schmidt & Schumann, die sich auf erklärungsbedürftige Produkte spezial­isiert hat.