Marketing macht den Unterschied
Die Zeiten, in denen technisch überzeugende Industriegüter für sich sprachen und mit minimalem Werbeeinsatz an den Mann gebracht werden konnten, sind vorbei. Engmaschigere Zulieferernetze sorgen dafür, dass sich auch diese Produkte immer mehr ähneln. Außerdem verstärken internationale Standards und Vorschriften den Trend zur Vereinheitlichung zusätzlich. Für welchen Anbieter soll sich ein Einkäufer da entscheiden? Sie bieten doch alle mehr oder weniger genau das, was man braucht, oder? Plötzlich greift man zum Prospekt und fragt sich, was einem eigentlich am besten gefällt. An diesem Punkt sind Technologieunternehmen, die professionelles Marketing betreiben, im Vorteil.
Technologieprodukte sind wie Konsumgüter
Gehen Marketing und Technologie überhaupt zusammen? Immerhin ist ein Industrieofen ja kein Sahnejoghurt. Eine Vielzahl von Menschen entscheidet darüber, ob der Ofen gekauft wird oder nicht. Nur: Ist das beim Joghurt anders? Hier redet die ganze Familie mit. Oft hört man, beim Kauf von Industriegütern würden Emotionen keine Rolle spielen. Das stimmt aber nicht. Wenn sich der verantwortliche Einkäufer für den falschen Anbieter entscheidet, könnte das seine Position im Unternehmen gefährden. Schon allein deshalb ist der Einkauf von Investitionsgütern eine hochemotionale Angelegenheit.
„Der Käufer einer Maschine, eines Gerätes oder einer Software für betriebliche Zwecke ist derselbe Käufer, den wir in Supermarkt und Boutique treffen.“
Die Wunschliste der meisten Technologiekunden ist kurz: Sie möchten bessere Funktionalität oder höhere Leistung, keineswegs aber allerlei technischen Schnickschnack. Diese verbesserten Grundleistungen zu bieten, reicht u. U. jedoch nicht aus. Soll ein Produkt Aufmerksamkeit wecken, muss es sich offensichtlich von denen der Wettbewerber unterscheiden. So entwickelten beispielsweise S. Duncan Black und Alonzo G. Decker, also Black & Decker, aus Baltimore 1914 die erste Handbohrmaschine mit Pistolengriff und revolutionierten damit den Markt. Für die Sammlung solcher Produktideen sollten Sie Vertreter unterschiedlicher Fachgebiete an einen Tisch bringen: Marketingleute, Vertriebsleute, Produktdesigner und Ingenieure. Und weil entscheidend ist, was der Kunde will, sollten Sie auch diesen fragen. Neben einer direkten Befragung können Sie sich auch auf den Internetseiten der Wettbewerber oder in Portalen und Blogs informieren. Damit Sie sich nicht verzetteln, fassen Sie Ihre Rechercheergebnisse am besten in einem Pflichtenheft zusammen. Darin formulieren Sie eine Kernaussage zu der von den Kunden gewünschten Leistung des Produkts. Außerdem halten Sie die technischen, betriebswirtschaftlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen fest.
Äußere Werte zählen
Technologieprodukte verkaufen sich besser, wenn sie gut aussehen. Wer denkt, er könne ohne gutes Produktdesign auskommen, muss sich darüber bewusst werden, dass heutzutage alles Design ist: Es gibt nur gutes und schlechtes Design, nicht aber „kein Design“. Jeder Einkäufer von Industriegütern kauft privat jene Produkte, die ihm am besten gefallen. Wieso sollte er sich im Berufsalltag anders verhalten? Gutes Design schafft Vertrauen. Aus diesem Grund gehört ein Produktdesigner unbedingt in Ihr Innovationsteam, und zwar von Anfang an. Ein gutes Beispiel: Der Bauelementehersteller Wöhner hat für seinen Sicherungssockel CUSTO EasyBase einen Designpreis bekommen. Obwohl der Sockel nach der Installation nie wieder zu sehen ist, wurden weder Kosten noch Mühen gescheut, ihm ein gutes Design zu verpassen. Die besondere Formgebung hebt das Produkt von der Masse der Wettbewerbsprodukte ab und unterstreicht seine technische Überlegenheit.
Ein Vertrauensumfeld mitverkaufen
Ein Technologieprodukt ist in der Regel eine große Investition und kann nie losgelöst von seinem Hersteller betrachtet werden. Schließlich spielen neben dem Produkt selbst auch Aspekte wie Liefertreue und Service eine wichtige Rolle. Weil der Käufer solche Qualitäten nur bedingt beurteilen kann, muss er dem Anbieter einen Vertrauensvorschuss gewähren. Als Hersteller müssen Sie darum eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen. Dazu gehören Verkäufer, ob eigene oder externe, die auf Ihr Unternehmen so eingeschworen sind, dass sie genau so argumentieren, wie Sie es möchten. Zwischen Verkäufer und Einkäufer muss ein Grundkonsens über die Produktanforderungen und die Reputation des Herstellers herrschen. Hierbei ist es von Bedeutung, sich auf sein Gegenüber einzustellen. Am besten beginnt man mit einer Basisargumentation und geht dann zu den technischen Details über. Ganz wichtig ist der finanzielle Aspekt. Gutes hat seinen Preis. Verkaufen Sie sich und Ihr Produkt darum nicht unter Wert. Heben Sie die Produktvorteile und Ihre Vertrauenswürdigkeit so hervor, dass niemand auf die Idee kommt, er könne dasselbe woanders günstiger bekommen.
Was eine Marke ausmacht
Auch Technologieprodukte kommen heute ohne Branding, d. h. Markenbildung, nicht aus. Schließlich entsteht im Kopf eines Kunden immer automatisch ein Bild, wenn er mit einem Produkt zu tun hat. Durch eine Marke können Sie mitbestimmen, wie dieses Bild aussieht. Es ist auf jeden Fall komplex, und dieser Komplexität müssen Sie Rechnung tragen. Eine Marke wird von Funktionen, Haptik, Geruch, Klang, Produktdesign, Preis, Service, Kompetenz des Verkaufspersonals etc. geprägt. Auch die Innovationskraft eines Unternehmens, seine Stabilität oder bestimmte Gründermythen können eine Rolle spielen, man denke nur an die Garagengeschichte von Bill Gates und Microsoft. Weil die Art und Weise, wie der Kunde Sie sieht, so wichtig ist, sollten Sie ihn gelegentlich befragen. Aussagekräftige Antworten zu erhalten, ist allerdings nicht einfach; bei Befragungen spielt viel Psychologie hinein. Wenden Sie sich im Zweifelsfall an ein professionelles Marktforschungsunternehmen. Ebenfalls überlegen sollten Sie sich, ob Sie auf Produktmarken, eine Unternehmensmarke oder beides setzen. Wenn Sie Produkte herstellen, die sich kaum voneinander unterscheiden, genügt eine Unternehmensmarke. Bieten Sie jedoch eine breite Palette differenzierter Produkte, sollten Sie neben der Unternehmensmarke auch Produktmarken führen, wie beispielsweise Beiersdorf mit Nivea und Tesa.
„Die Wunschliste der Kunden ist meist erschreckend kurz und einfach.“
Machen Sie sich zuallererst klar, was Ihr Produkt in den Augen eines Kunden zu etwas Besonderem macht. Erst im zweiten Schritt wird er sich für die Produktdetails interessieren. Alleinstellung heißt, aus Sicht des Kunden besser als die Konkurrenz zu sein. Was wünscht er sich von Ihrem Produkt? Ziehen Sie aus allen Merkmalen, die Sie finden, eine alles verbindende Schlussfolgerung – dann haben Sie die Kernbotschaft. Bei Ingenieuren besteht dabei die Gefahr, dass sie ausschließlich die technologischen Aspekte des Produkts betrachten. Aber auch vermeintliche Nebensächlichkeiten können kundenrelevant sein, z. B. bessere Handhabung, bessere Verarbeitung oder Wartungsfreiheit.
Sprechende Namen
Eine Marke braucht einen guten Namen. Gemeint sind damit nicht bei Technikern beliebte Bezeichnungen wie CMD/X-13.4. Auch Abkürzungen mit zwei oder drei Buchstaben oder Namen mit Techno- oder Inno-Silben, wie Innotech, sollten Sie vermeiden: Diese sind beliebig, sagen nichts aus und lassen sich zudem nicht gut aussprechen. Ein guter Name klingt schön. Zudem sollte er nicht sinnfrei sein, aber auch nicht zu viele Informationen transportieren wollen. Der A380 von Boeing beispielsweise heißt Dreamliner. Das sagt nichts über Schubkraft der Triebwerke oder die Flughöhe aus, verspricht aber ein traumhaftes Reiseerlebnis, also genau das, was der Kunde will. Wer einfach nur einen Fantasienamen wählt, steht einer weltweit riesigen Konkurrenz gegenüber. Am besten ist ein Markenname, der mit dem Unternehmen und dessen Wurzeln zusammenhängt. So nennt etwa der Saarländer Stahlhersteller Dillinger Hütte seinen besonders harten Baustahl Dillidur. Was übrigens den Unternehmensnamen selbst betrifft: Lassen Sie das GmbH oder AG weg. Es reicht völlig, wenn das im Kleingedruckten steht.
Angenehme Erscheinung
Entscheidend für die öffentliche Wahrnehmung einer Marke ist ihr visueller Auftritt. Damit ist nicht nur Produktdesign gemeint. Sichtbarkeit erlangt eine Marke vor allem durch ihre Werbung, ihren Internet- oder Messeauftritt. Für eine einheitliche und unverwechselbare Wahrnehmung braucht die Marke ein typisches Erscheinungsbild, auch Corporate Design genannt. Wichtige Bestandteile sind das Logo, die Farbigkeit, die Typografie und der Gestaltungsraster. Kern des Erscheinungsbilds ist zweifelsohne das Logo. Es entscheidet, wie bekannt Ihre Marke auch ohne große Präsenz werden kann. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob es sich um eine Wortmarke, eine Bild-Wort-Marke oder um eine reine Bildmarke handelt. Ein gutes Logo hat symbolische Strahlkraft. Sie können ein Symbol verwenden, das eindeutig mit dem Produkt zusammenhängt; es geht aber auch anders, wie das Beispiel des angebissenen Apfels bei Apple beweist. Gerade die Mythen, die sich um dieses rätselhafte Logo ranken, verstärken dessen Wirkung. Ein gutes Logo sollte außerdem zeitlos sein und über aktuellen Gestaltungstrends stehen. Nur Beständigkeit weckt Vertrauen.
Mit einer Kernbotschaft werben
Ohne gute Werbung wird Ihrer Marke nicht die für einen Erfolg notwendige Aufmerksamkeit zuteil. Ganz wichtig: Sagen Sie niemals, dass Sie gut sind. Dieses Urteil möchte Ihr Adressat schon selbst fällen. Zeigen Sie vielmehr, was Sie ihm bieten können, wie Ihre Produkte wirken und was wäre, wenn es Sie nicht gäbe. Ein gutes Beispiel ist die Anzeigenkampagne von Weru, einem Hersteller von Schallschutzfenstern: Formatfüllend wird der Blick durch ein Fenster nach draußen gezeigt, wo ein Bauarbeiter mit einem Presslufthammer arbeitet. Der Produktnutzen wird damit quasi hörbar. Eine normale Anzeige mit Produktfoto und stichpunktartigen Produktvorteilen würde niemals diese Wirkung erzielen. Witz und Kreativität machen sich meist gut in der Werbung, aber nur, wenn auch die Kernbotschaft der Marke betont wird. Greifen Sie die Welt Ihrer Kunden auf – wie im Weru-Beispiel – und sprechen Sie deren Bedürfnisse an. Transportieren Sie in allen Werbemitteln nur Ihre eine Kernbotschaft. Das heißt nicht, dass Sie überall das Gleiche sagen sollen, aber beschränken Sie sich auf eine Idee. Alle weiteren Informationen gehören in untergeordnete Medien.
Mit den richtigen Partnern
Weil Sie nicht sämtliche Marketingaufgaben allein bewältigen können, sollten Sie sich professionelle Hilfe suchen. Da wären zunächst die bereits erwähnten Marktforscher. Einfache Fragebögen reichen zur Ergründung von Meinungen, die im Unbewussten Ihrer Zielgruppe liegen, nicht aus. Gute Marktforscher arbeiten mit psychologisch fundierten Werkzeugen. Holen Sie drei Angebote ein und beschreiben Sie den potenziellen Partnern Ihr Unternehmen und Ihre Produkte. Sagen Sie, was Sie genauer wissen wollen, und zwar mit einfachen Worten.
„Die richtigen Anbieter findet man eben nicht in den Gelben Seiten, obwohl sie dort möglicherweise verzeichnet sind. Man findet sie bei den Ergebnissen ihrer Arbeit.“
Wissen Sie einmal, was und mit wem Sie kommunizieren wollen, dann brauchen Sie die richtige Werbeagentur. Die finden Sie nicht im Branchenverzeichnis, sondern dort, wo Sie gute Werbung sehen. Gehen Sie detektivisch auf die Suche. Wenn Sie nicht direkt auf dem Plakat oder dem Inserat sehen, wer verantwortlich ist, fragen Sie bei den werbenden Unternehmen nach. Designer finden Sie mit der gleichen Strategie. Wenn Sie beispielsweise Werkzeuge herstellen, dann gehen Sie in den Baumarkt und schauen Sie sich die Produkte an. Gefällt Ihnen ein Design besonders gut, finden Sie heraus, wer es erarbeitet hat. Möglicherweise haben Sie Ihren künftigen Partner gefunden.