Das Ausmass Ihrer Verantwortung
Mit dem Schritt auf das Börsenparkett setzen Sie Ihr Unternehmen und sich selbst sehr viel stärker dem Rampenlicht der Öffentlichkeit aus als zuvor. Die Augen von Analysten, Fondsmanagern und Kleinanlegern werden fortan ständig auf Sie gerichtet sein und neben einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung v. a. eines fordern: einen offenen Umgang mit ihnen und ihren Interessen.
„Die Börsianer wollen Phantasie, Enthusiasmus und Visionen von den CEOs. Sie wollen sehr wohl professionelle Kommunikatoren.“
Es kommen also bereits vor dem IPO (Initial Public Offering) neue Anforderungen auf Sie zu. In erster Linie müssen Sie Ihre kommunikativen Fähigkeiten umfassend entwickeln. Glauben Sie nicht, die trockenen Zahlen würden für sich sprechen. Sie selber müssen sie mit Leben erfüllen und Anleger von Ihrer Vision überzeugen. Zu den Präsentationen vor einem Börsengang kommen die Investoren nicht, um Zahlen zu hören, die sie ohnehin gedruckten Broschüren entnehmen könnten. Sie wollen sich vielmehr ein Bild von Ihrer Persönlichkeit machen, um zu beurteilen, ob sie Ihnen die Führung eines börsennotierten Unternehmens zutrauen.
Das Team muss zusammenpassen
Mit dem Gang an die Börse ist ein zweifacher Rollenwechsel verbunden: Zum einen müssen Sie Ihr Unternehmen wieder verkaufen, es den Investoren anpreisen. Auf der anderen Seite müssen Sie sich daran gewöhnen, zu einem leitenden Angestellten zu werden, der den Anteilseignern Rechenschaft schuldig ist für den Umgang mit ihrem Geld. Das Spitzenmanagement müssen Sie persönlich repräsentieren, weil in dieser Phase Analysten und Fondsmanager verständlicherweise mit dem Chef sprechen wollen.
„Es menschelt auch im Kapitalmarkt ..., weil gerade die individuelle ... Note der CEOs, CFOs und IR-Manager ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor und eine wesentliche Hilfe für Analysten und Investoren in der Unterscheidung der einzelnen Anbieter ist.“
Aber die Verantwortung für den erfolgreichen Auftritt am Kapitalmarkt liegt nicht auf Ihren Schultern allein. Das Team, das während der IPO-Phase Ihr Unternehmen repräsentiert, besteht aus mindestens drei Mitgliedern. Der CEO ist der Verkäufer, der Botschafter, der überzeugend die strategischen Grundlinien nach aussen vertreten muss, der CFO ist der Kaufmann, der für die Details des Zahlenwerkes Ihrer Firma zuständig ist, und der Investor-Relations-Manager schliesslich pflegt den täglichen Kontakt zu den Investoren.
„Public Company zu sein, bedeutet, offen, ehrlich und gleichwertig zu kommunizieren.“
Alle, die während des IPO und danach bei der Präsentation von Bilanzen das Unternehmen gegenüber dem Kapitalmarkt und den Medien vertreten, müssen einander vollkommen vertrauen können. Wird diese Voraussetzung nicht erfüllt, kommt es zu Reibungsverlusten und Missverständnissen, die für die Finanzprofis auch sehr schnell sichtbar werden, das Vertrauen untergraben und das Bild Ihres Unternehmens in der Öffentlichkeit trüben. Während der so genannten "Roadshow", einer dem Börsengang vorausgehenden Tournee, sind Sie mindestens acht Wochen lang den ganzen Tag mit Ihrem Team zusammen. Stimmt das Klima nicht, wird diese stressreiche Zeit für alle Beteiligten unerträglich. Umgekehrt können gute Beziehungen zwischen CEO, CFO und IR-Manager die Belastungen der Roadshow abfedern.
Gute Vorbereitung ist unerlässlich
Beachten Sie den folgenden Mechanismus: Unwissenheit verursacht Angst, Angst wiederum erzeugt Stress. Unter Stress aber liefern Sie keine überzeugende Performance. Also machen Sie sich von Anfang an klar, was auf Sie zukommt. In den rund sechs Monaten, die Sie im eigenen Interesse bis zum tatsächlichen IPO einplanen sollten, steigt Ihre Arbeitsbelastung um gut 50 %. Gute Arbeitsorganisation ist nötig, wenn dieses Pensum bewältigt werden soll. Als weiterer Stressfaktor treten die neuen Berater auf. Sie müssen Rechtsanwälte, Wirtschaftstreuhänder, Investmentbanker, PR- und Werbeagenturen konsultieren. Wenn Sie zudem ausländische Investoren gewinnen wollen, beanspruchen die Ansprechpartner auf internationaler Ebene einen weiteren Teil Ihrer Zeit.
„Mit dem Börsengang erhält jedes Unternehmen zusätzlich zu seinem eigentlichen originären Geschäftssystem ein sekundäres, den Aktienverkauf.“
Damit nicht genug, werden sich Banken und Agenturen auch noch um die Vorherrschaft um das letzte Wort streiten. Lassen Sie sich davon nicht beeindrucken - diese Rangeleien sind völlig normal und werden in der Regel zugunsten der Konsortialbank entschieden. Planen Sie Ihre Auftritte während der mehrwöchigen Roadshow so, dass Sie nichts Unmögliches von sich verlangen. Nötig sind diese "Präsentations-Rallys", weil keine Videokonferenz den Investoren jenen persönlichen Eindruck vermitteln kann, auf den es Ihnen letztlich ankommt. Verzögerungen auf Reisen lösen angesichts eines möglicherweise nicht haltbaren Termins ungeheueren Stress aus. Wenn daher zumindest am letzten Ort Ihrer Tagestournee ein zweites Präsentationsteam für den Notfall wartet, wird der Nachteil, dass dieses Team nicht so gut eingespielt ist, durch den Vorteil eines nicht geplatzten Termins mehr als kompensiert.
Kommunikative Voraussetzungen und Vorbereitungen
Als öffentliche Firma müssen Sie offen, ehrlich und gleichwertig kommunizieren. Für die Meinungsmultiplikatoren, also Medien und Kapitalmarkt, müssen Sie mit dem IPO jederzeit erreichbar sein. Und kommunizieren Sie nicht nur in Zeiten, in denen es Ihrem Unternehmen gut geht. Verstossen Sie gegen das Gebot der Transparenz, reagiert der Kapitalmarkt zu Ihren Ungunsten. Den Analysten fehlt die Basis für seriöse Analysen und die Kleinanleger haben den Eindruck, dass mit ihrem Geld schlecht gewirtschaftet wird. Es ist legitim, wenn Aktionäre kein Verständnis für Verstösse gegen diese Prinzipien haben. Hüten Sie sich auch vor unrealistischen Prognosen und vorschnellen Ankündigungen. Wenn Sie sie nicht einlösen können, ist der Vertrauensverlust nachhaltig.
„Nie mehr werden Sie Ihr Unternehmen so intensiv präsentieren wollen und müssen, wie jetzt - wenn Sie an die Börse gehen.“
Wenn Sie wissen oder aber feststellen müssen, dass Sie kommunikative Defizite aufweisen, so scheuen Sie sich nicht, einen Trainer zu engagieren, der mit Ihnen an der Beseitigung dieser Schwachstellen arbeitet. Niemand kann seine eigenen Schwächen selbst so schonungslos erkennen wie ein Aussenstehender - übrigens ist das auch eine Fähigkeit erfahrener Analysten. Wie Sie wirken, ist wesentlich von Ihrer Sprechweise und Ihrer Aufmerksamkeit für die verbalen und sonstigen Reaktionen Ihres Gesprächspartners abhängig. Wenn Sie auf dessen Bedürfnisse nicht eingehen, bleibt es nicht folgenlos für die Einschätzung Ihrer Management-Qualitäten.
„Sagen Sie alles, was man von Ihnen wissen will, sagen Sie es so, wie es ist, und sagen Sie es so, dass Ihr Gesprächspartner nicht das Gefühl hat, Sie halten Ihn für eine unangenehme Filzlaus.“
Sie sollten unbedingt Englisch beherrschen, sonst reduzieren Sie Ihre Akzeptanz und damit den IPO-Erfolg Ihrer Firma. Als CFO sollten Sie ausserdem vertraut im Umgang mit den angloamerikanischen Bilanztermini sein, sonst kommt es zu Missverständnissen und Zweifeln an Ihrer Professionalität. Trainieren Sie Ihre Auftritte gut. Eine nützliche Hilfe kann dabei die Aufzeichnung mit einer Kamera sein. So können Sie auch selbst sehen, an welchen Schwächen Sie noch arbeiten können und müssen. Nur eines - vielleicht sogar die wesentlichste aller Eigenschaften und Fähigkeiten - kann Ihnen niemand beibringen: die Freude an sich selbst, am IPO, an Ihrem Unternehmen, an Ihrer neuen Aufgabe. Denn Ihr Engagement und Ihre Emotionen geben Ihrer gesamten Kommunikation den entscheidenden Anstoss, die glaubwürdige Wirkung.
Die Präsentation als Kern Ihres Auftritts
An der professionellen Vorbereitung der Präsentation müssen Sie sich aktiv beteiligen, sonst bleibt sie Ihnen fremd und wird auch so wirken. Also versetzen Sie sich in die Rolle des Publikums und arbeiten Sie mit, von der Präsentationsdramaturgie über die Entwicklung rhetorischer und stilistischer Elemente bis zum Training mit anschliessender Videoanalyse.
„Mobilisieren Sie Ihre Disziplin: Jeder Analyst und jeder Investor muss das Gefühl bekommen, Sie haben sich eigens für ihn vorbereitet.“
Sie werden Ihre Präsentation vor drei unterschiedlichen Zielgruppen halten. Am Beginn einer Roadshow stellen Sie Ihr Unternehmen vor so genanntem Retail-Publikum vor, das sind private Investoren bzw. Kleinanleger. Bei dieser Gelegenheit gibt die Bank die Eckdaten der Transaktion bekannt. Diese Veranstaltungen werden oft als Event mit anschliessendem Essen inszeniert. Die Gruppenpräsentationen für die verschiedenen institutionellen Investoren dagegen finden während eines Essens statt und sind Pressekonferenzen nicht unähnlich.
„Charismatische, freudvolle CEOs, CFOs und IR-Manager sind von vornherein im Vorteil, wenn es um den IPO geht. Keine Frage: Denn sie verkörpern, was sie tun und sagen.“
Der Aufbau Ihrer IPO-Präsentation - Vision als Aufhänger, Vorstellung des Unternehmens, Darstellung der Chancen, ihre Untermauerung mit Zahlen, Zusammenfassung - ist für jede Zielgruppe derselbe, deren verschiedenen Informationsbedürfnissen müssen Sie aber mit einer unterschiedlichen Tiefe der Argumentation entgegenkommen. Halten Sie sich nicht lange mit der Vergangenheit, mit der bisherigen Entwicklung Ihres Unternehmens auf. Der einzige Grund, aus dem Ihre Gäste gekommen sind, und was sie interessiert, ist, ob Sie das durch den Börsengang eingespielte Kapital in ihren Augen zukunftsträchtig investieren wollen.
„Sehr oft präsentieren und kommunizieren Manager am Publikum vorbei, weil sie sich nicht die Mühe gemacht haben, als Zuhörer oder Zuschauer zu denken.“
Der wohl wichtigste inhaltliche Aspekt einer Präsentation ist die klare Herausstellung einer USP (Unique Selling Proposition). Erklären Sie, worin Sie sich klar von Ihren Mitbewerbern abheben. Wenn Sie von sich aus manche Probleme ansprechen, signalisieren Sie dem Publikum nicht nur, dass Sie sich mit seinen Erwartungen auseinander gesetzt haben, sondern Sie legen mit ihrer aktiven Behandlung auch Zeugnis ab von Ihrer Souveränität und Ihrem Offensivgeist. Vor allem: Formulieren Sie alle Botschaften kurz und knapp.
„Nur wenn Sie wissen, was Ihre Gäste hören wollen, können Sie von vornherein bestmögliche Antworten auf mögliche Fragen entwickeln.“
Den Charts als Visualisierung Ihrer Botschaften sollten Sie besondere Aufmerksamkeit widmen. Hüten Sie sich davor, die Charts textlich zu überfrachten. Eine Essenz des umfangreichen Materials zu präsentieren, ist nicht nur schwieriger, sondern zugleich eindrucksvoller. Sie bewahren sich auch mehr Spielraum, weil Sie bei der Erläuterung der Charts freier formulieren und bei Zeitknappheit die Präsentation schneller abwickeln können, ohne dass der Eindruck entsteht, es fehle etwas Wichtiges. Charts sollten aus Schlagworten bestehen, die Ihnen die Möglichkeit geben, in Ihren eigenen Worten den Inhalt auszuführen.
„Ihre ersten und Ihre letzten Worte müssen die Herzen, müssen den Bauch der Analysten, der institutionellen wie privaten Investoren erreichen.“
Bei der Präsentation müssen Sie ständig Ihre geistige Flexibilität unter Beweis stellen. Es können Ihnen Fragen gestellt werden, die Sie trotz guter Vorbereitung noch nicht berücksichtigt hatten. Treten Störungen in der Kommunikation ein, und seien es banale Ausfälle in der Technik, so thematisieren Sie solche Pannen selbst - auf diese Weise reagieren Sie souverän; denn unbemerkt wird diese Störung ohnehin nicht bleiben. Sie werden manchmal keine Zeit haben, die eingespielte Präsentation in voller Länge vorzustellen. Halten Sie nicht starr daran fest, sondern üben Sie im Vorfeld bereits kürzere Fassungen. So lernen Sie nicht nur besser, sich auf das Wesentliche zu beschränken, sondern sind auch sicherer, weil Zeitnot Sie nicht mehr aus der Ruhe bringen kann. Wenn Sie Ihre Präsentation im Kopf haben, dann sind Sie auch frei genug, um spontan reagieren zu können.
One-on-one-Meetings
Das so genannte One-one-one-Meeting wird Sie in der Regel vor die grössten Herausforderungen stellen. Hier treffen Sie in kleinem Kreis auf die High-Class-Analysten und -Investoren. Dabei sollten Sie auf sehr detaillierte Frage zu Ihrem Unternehmen und seiner Zukunft gefasst sein. Bereiten Sie sich deshalb intensiv auf jede denkbare böse, gemeine und unangenehme Frage vor und stellen Sie einen Katalog mit guten Antworten zusammen. Wenn Sie auf eine Frage nicht sofort zufrieden stellend antworten können, so nennen Sie dem Gesprächspartner einen verbindlichen Zeitpunkt, zu dem er mit einer Antwort rechnen kann - und halten Sie ihn ein. Informieren Sie sich auch über Ihren Gesprächspartner. Wenn Sie auch selbst Fragen stellen, sorgen Sie für ein besseres Gesprächsklima, weil der Kommunikationsanteil Ihres Partners steigt. Sie zeigen Initiative, Interesse und Aktivität und vermitteln nicht zuletzt durch entsprechende Fragen Kompetenz. Beherzigen Sie noch eine einfache Regel: Je heikler die Frage, desto kürzer die Antwort. Zum Abschluss sollten Sie wie bei einem normalen Verkaufsgespräch nach den Vorstellungen des Partners über die weitere Kooperation fragen.
Professionelle Kommunikation mit der Presse
Im Umgang mit der Presse sollten Sie sich an dieselben Regeln halten wie in Ihrem Verhalten gegenüber Anlegern. Verzichten Sie auf unprofessionell wirkende, werbliche Elemente in Pressemitteilungen. Bedenken Sie auch, dass Journalisten viel eher als Akteure am Finanzmarkt Informationen an die Öffentlichkeit bringen. Es gilt zudem die Regel, dass schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind. Aber eine Kostenreduzierung durch Personalabbau ist für Finanzjournalisten eine Nachricht, die die Börse positiv bewertet, während dieselbe Meldung in Publikums-Tageszeitungen eher negativ aufgenommen wird. Nach dem IPO sind Sie als börsennotiertes Unternehmen verpflichtet, alle kursrelevanten Informationen in so genannten Ad-hoc-Mitteilungen sofort zu veröffentlichen. Deshalb dürfen Sie in Exklusiv-Interviews keine derartigen Informationen mehr preisgeben und müssen sie an alle relevanten Nachrichtenagenturen gleichzeitig übermitteln.
Dr. Regina Maria Jankowitsch bietet Coaching und Moderation in allen Bereichen der Kommunikation. Sie ist geschäftsführende Gesellschafterin einer Agentur in Wien.