Drei Mann in einem Boot

Buch Drei Mann in einem Boot

Ganz zu schweigen vom Hund!

Bristol, 1889
Diese Ausgabe: Manesse,


Worum es geht

Eine Bootsfahrt zwischen Slapstick und Melancholie

Ob Jerome K. Jerome auch nur den Hauch einer Ahnung hatte, dass aus dem kleinen Reiseführer, den er über sein liebstes Aus­flugsziel, die Themse, schreiben wollte, ein mil­lio­nen­facher Beststeller und ein Klassiker der hu­moris­tis­chen Literatur werden würde? Wohl eher nicht. Die Komik gewann vermutlich beim Schreiben irgendwann die Oberhand – und der Autor ließ ihr zum Glück freien Lauf. Die Handlung seines Reiseromans ist von vollendeter Schlichtheit: Drei Freunde schippern knapp zwei Wochen lang auf der Themse von London bis Oxford. Ein Foxterrier mit dem ehrwürdigen Namen Montmorency begleitet sie. Irgendetwas Spektakuläres findet eigentlich nicht statt, und trotzdem ist das Buch von der ersten bis zur letzten Seite äußerst un­ter­halt­sam. Es sind die Tücken des Alltags, die Jerome K. Jerome unter die Lupe nimmt, und da gibt es auch über 100 Jahre später er­staunliche Kontinuitäten: Beim Picknick einen Dosenöffner zu vergessen, ist auf jeden Fall immer noch ähnlich frus­tri­erend wie damals. Wie Jerome dann aber aus diesen alltäglichen Miss­geschicken philosophis­che Schlüsse über die menschliche Existenz zieht, ist nicht nur un­ter­halt­sam, sondern schlicht genial.

Take-aways

  • Drei Mann in einem Boot ist ein hu­moris­tis­cher Reiseroman und das berühmteste Werk von Jerome K. Jerome.
  • Inhalt: Die drei Freunde George, Harris und J. sowie der Foxterrier Montmorency unternehmen einen knapp zweiwöchigen Boot­saus­flug auf der Themse. Dabei geht vieles schief, und am Ende ka­pit­ulieren die Ausflügler vor dem Regen und setzen sich mit dem Zug nach London ab.
  • Die Handlung folgt zwar linear den Stationen des Ausflugs, den Großteil des Romans bilden aber Anekdoten und andere Ab­schwei­fun­gen des Ich-Erzählers.
  • Hinzu kommen philosophis­che Be­tra­ch­tun­gen über die allgemeinen Schwächen und Unzulänglichkeiten der men­schlichen Natur.
  • Das Buch lässt sich als Loblied auf den Müßiggang lesen.
  • Der Autor wirft einen kritischen Blick auf die Sitten und Gebräuche seiner Zeit.
  • Kurz bevor er das Buch schrieb, hatte Jerome mit seiner Frau die Flit­ter­wochen auf einem kleinen Boot auf der Themse verbracht.
  • Ursprünglich hatte er gar nicht vor, ein hu­moris­tis­ches Buch zu schreiben, sondern einen Reiseführer.
  • Das Buch wurde kurz nach seinem Erscheinen ein weltweiter Erfolg.  
  • Zitat: „Ich weiß nicht, wie viele Welten im Universum existieren mögen, aber jeder, der mir in genau diesem Moment einen Teelöffel Senf gebracht hätte, hätte sie alle haben können.“
 

Zusammenfassung

Drei Hypochonder und ein Hund

George, Harris und J. sitzen in J.s Zimmer beisammen, rauchen Pfeife und tauschen sich über ihre zahlreichen Zipperlein aus. Die drei Freunde fühlen sich nämlich ausgenommen schlecht – und jedem geht es definitiv schlechter als den anderen. Bei J. stimmt etwas mit der Leber nicht. Das ist ihm letztens klar geworden, als er den Werbezettel für eine Leberpille gelesen hat und feststellen musste, dass er an sämtlichen dort beschriebe­nen Symptomen leidet – allen voran an einer „allgemeinen Abneigung gegen Arbeit jeder Art“. Schon als Junge litt J. an diesem Symptom, doch da die Wis­senschaft damals noch nicht fort­geschrit­ten war, schob man zu Unrecht alles auf seine Faulheit. Statt Pillen bekam er dann auch nur Kopfnüsse – er­staunlicher­weise wirkten die aber sehr gut.

„Wir waren zu viert: George, William Samuel Harris, ich – und Montmorency. Wir saßen in meinem Zimmer, rauchten und redeten darüber, wie schlecht es uns ging (…)“ (S. 7)

Zwar können die Freunde auch nach längerer Diskussion nicht endgültig klären, an welchen spez­i­fis­chen Krankheiten sie leiden, aber sie kommen darin überein, dass Übe­rar­beitung die Wurzel all ihrer Probleme ist. Was sie bräuchten, seien Ruhe und ein Tape­ten­wech­sel. Nachdem sie ver­schiedene Optionen erwogen haben, schlägt George eine Bootsfahrt vor: Da gebe es frische Luft und Abwechslung in der Landschaft, und die körperliche Arbeit werde für erholsamen Schlaf sorgen. Der Vorschlag erhält allgemeine Zustimmung. Der Einzige, der nicht begeistert ist, ist Montmorency, J.s Foxterrier, der mit Flüssen nicht viel anfangen kann. Aber es steht drei gegen eins und Montmorency wird überstimmt.

Vor­bere­itun­gen für den Ausflug

Sie beschließen, am Sam­stag­mor­gen von Kingston aufzubrechen. Da George samstags noch bis 14 Uhr sein gewohntes Nickerchen in der Bank halten muss, soll er etwas später flussaufwärts dazustoßen. Nun geht es an die weitere Planung. Die erste zu klärende Frage betrifft die Art und Weise der Übernachtung. George und J. plädieren für das Kampieren. Für J. bedeutet Kampieren Romantik, Wildnis, Freiheit, wahrhaftiges Na­tur­erleben. Aus dem Stand hält er einen bewegenden Vortrag, in dem er dieses Erlebnis in einer fiktiven Szene skizziert. Harris lässt sich davon nicht erschüttern und unterbricht J.s Schwärmerei mit dem Hinweis auf die Möglichkeit von Regen. Harris ist nämlich Pragmatiker ohne jeden Sinn für Romantik. Wo er aber Recht hat, hat er Recht: Im Regen zu kampieren macht keinen Spaß. Die Freunde einigen sich, bei schönem Wetter draußen zu schlafen und bei Nässe Gasthäuser aufzusuchen.

„Ich wusste, dass meine Leber nicht in Ordnung war, weil ich gerade den Werbezettel für eine Leberpille gelesen hatte, auf dem die ver­schiede­nen Symptome aufgezählt waren, anhand deren einer sagen konnte, ob seine Leber nicht in Ordnung sei. Ich hatte sie alle.“ (S. 8 f.)

Beim Packen kommt es dann zu einem Missverständnis: George und Harris in­ter­pretieren J.s Aussage, er wolle das Packen übernehmen, da er über ganz außeror­dentliche Packkünste verfüge, vollkommen falsch. Er hat damit nämlich zum Ausdruck bringen wollen, dass er sich als Packexperte für den Gesamt­prozess ve­r­ant­wortlich sieht – nicht aber, dass er die eigentliche Arbeit übernehmen wolle. J. erspart sich dann aber die Mühe, das Missverständnis aufzuklären, und beginnt stumm mit der Arbeit. Nachdem die Taschen gepackt sind, bieten Harris und George an, das Packen der Essenskörbe zu übernehmen. Da die beiden un­wissentlich um den Titel des schlecht­esten Packers der Welt konkur­ri­eren, werden J. zwei un­ter­halt­same Stunden voll komischer Miss­geschicke zuteil. Und Montmorency, dessen Lebenssinn darin besteht, Menschen im Weg herumzuste­hen und dafür verflucht zu werden, kommt ebenfalls voll auf seine Kosten.

Aufbruch und Abfahrt in Kingston

Als das Gepäck am Morgen des Aufbruchs gesammelt vor der Tür steht, wo J. und Harris auf eine Droschke warten, wirkt es erheblich überpro­por­tion­iert. Das ist ihnen etwas peinlich. Ihre Pein­lichkeit nimmt noch zu, als ein zufällig vor­beik­om­mender Junge, den J. als einen der bösartigen Lauf­burschen seines Gemüsehändlers iden­ti­fiziert, neugierig glotzend stehen bleibt. Der Junge in­ter­pretiert die Szene als Umzug und verkündet seine Erkenntnis lauthals einem anderen zufällig vor­beik­om­menden Jungen, der ebenfalls neugierig stehen bleibt. Bald hat sich eine kleine Menge von Menschen angesammelt, die munter ihre Vermutungen über Ursprung und Bedeutung des Anblicks austauschen. Unter dem Jubel dieser Menge fährt die Droschke, auf die Harris und J. so lange gewartet haben, endlich ab. Von Waterloo Station aus geht es mit dem Zug nach Kingston, wo schon das Boot wartet.

„Harris lässt sich nicht aufwühlen. Harris hat keinen Sinn für Poesie – kein wildes Sehnen nach dem Un­err­e­ich­baren. “ (S. 29)

Vom Boot aus betrachtet J. die Gassen von Kingston, die zum Themse-Ufer hinabführen. Sie sind entzückend schön an diesem Frühsom­mer­mor­gen, wie überhaupt alles um ihn herum entzückend schön ist und sich zu einem überaus heiteren, friedlichen Bild zusammenfügt: die Villen, die das Ufer zur einen Seite säumen; der Treidelpfad auf der anderen; das Tu­dor-Schloss in der Ferne – und nicht zuletzt Harris an den Rudern, der ächzend für die Fort­be­we­gung des Bootes sorgt. J. sinniert über die Geschichte Kingstons, das früher einmal Kyningestun hieß. Die alten, prächtigen Häuser mit ihren ausladenden Erkern und Giebeldächern erinnern an die Zeit, als Kingston eine Königsstadt war, in der Adlige und Höflinge lebten, Beinkleider und Wämser in Mode waren und die Menschen kom­plizierte Flüche gebrauchten. 

Erster Abend, erste Nacht

Bei Weybridge, wo drei Flüsse in die Themse münden, sammeln sie George ein. Sie beschließen, die erste Nacht unter einer Plane an Bord zu schlafen. Dafür wollen sie Runnymead erreichen, wo ein ruhiger, waldiger Flussteil beginnt und gute Liegeplätze zu finden sind. Die In­stal­la­tion der Plane, die zum Schlafen über das Boot gespannt werden soll, erweist sich als vertrackt. Theoretisch ist dieser Aufbau sehr einfach, aber im Nachhinein betrachtet es J. als Wunder, dass sie lebend davongekom­men sind. Die erste Nacht bringt für J. dann zwar keinen besonders erholsamen Schlaf, aber als er sich einmal schlaflos erhebt, überwältigt ihn die Schönheit der nächtlichen Natur, der Sterne und des Himmels. Alle men­schlichen Kümmernisse und Sorgen müssen verfliegen im Angesicht dieser Erhabenheit, glaubt er. Wie eine liebevolle Mutter vermag die Nacht den Menschen Trost zu spenden, ihr Herz ist voller Verständnis.

Bad wider Willen

Was am Abend in der Vorstellung noch verlockend war – den Tag mit einem Bad zu beginnen –, hat am Morgen für die Freunde alle Attraktivität verloren. Das Wasser ist trüb und scheint eisig, außerdem weht ein kalter Wind. Auf Harrisʼ Frage, wer als Erster reinwolle, antwortet George, indem er sich kom­men­tar­los Socken überstreift. Montmorency jault auf, als würde ihn die bloße Vorstellung, ein Bad zu nehmen, in Angst und Schrecken versetzen. Harris hat Bedenken, vom Wasser nicht wieder ins Boot klettern zu können. J. möchte ungern einen Rückzieher machen. Wenigstens mit ein wenig Wasser sollte er sich bespritzen, überlegt er, und will dafür auf einen Ast am Ufer klettern, der in den Fluss hineinhängt. Dort angekommen, sieht er seine Idee allerdings wieder kritisch. Er versucht, vom Ast herun­terzuk­let­tern, der bricht jedoch und J. landet im Fluss. Wie denn das Wasser sei, fragt George. „Wunderschön“, antwortet J., und die beiden seien selbst schuld, wenn sie nicht auch reinkämen. Es koste schließlich nur ein wenig Überwindung. Doch George und Harris lassen sich nicht überzeugen.

„Packen ist eines der vielen Dinge, von denen ich meinem Empfinden nach mehr verstehe als jeder andere lebende Mensch. (Manchmal überrascht es mich selbst, wie viele derartige Themen es gibt.) “ (S. 64)

An diesem Tag setzen sie noch auf die mythische Insel über und betrachten dort den Stein, auf dem die Magna Charta an jenem berühmten Junimorgen 1215 un­terze­ich­net wurde – zumindest einer Hypothese nach. Andere sagen, die Un­terze­ich­nung hätte am Ufer stattge­fun­den, aber J. hält die In­selthe­o­rie für wahrschein­licher. Wäre er damals einer der re­bel­lieren­den Barone gewesen, hätte er es jedenfalls bevorzugt, den König zur Un­terze­ich­nung des Dokuments auf eine Insel zu bringen, wo die Gefahr einer bösen Überraschung kleiner ist.

Mittagessen ohne Senf und Dosenöffner

Kurz vor Monkey Island legen die Freunde zum Mittagessen an. Es gibt kaltes Rindfleisch, doch sie müssen feststellen, dass sie keinen Senf eingepackt haben. Die Stimmung verdüstert sich. Nor­maler­weise legt J. gar keinen besonderen Wert auf Senf, gebraucht ihn auch nur selten, aber jetzt wäre er bereit, ganze Welten gegen einen Teelöffel Senf einzu­tauschen. Harris geht es ähnlich. Man isst schweigend das Rindfleisch, das Leben aber erscheint sinnlos. Als George eine Dose Ananas hervorholt, keimen Hoffnung und Glauben kurz wieder auf. Nur leider fehlt ein Dosenöffner, was die Freunde beinah in den Wahnsinn treibt. Sie versuchen Taschen­messer, Bootshaken, Tritte und Hiebe – es hilft alles nicht. Die Dose nimmt in diesem Kampf zwar jede bekannte geometrische Form an, ihren köstlichen Inhalt aber gibt sie bis zuletzt nicht preis. Wütend wirft Harris sie in den Fluss.

Von Marlow bis Oxford

Die Freunde erreichen Marlow, wo sie in einem Gasthaus übernachten. Marlow ist eine kleine, muntere Stadt und einer von J.s liebsten Orten am Fluss. Es gibt dort viele hübsche Ecken, die den Besucher in historische Zeiten zurückversetzen, und die liebliche Landschaft ringsum lädt zu Spaziergängen ein. Die Freunde machen hier am nächsten Tag ihre Lebens­mit­teleinkäufe, die ihnen eine ganze Heerschar von Lauf­burschen in einer spektakulären Prozession zum Boot trans­portiert. J. ist sich ziemlich sicher, dass diese Lauf­burschen-Prozes­sion mit Montmorency an der Spitze das gewaltigste Spektakel gewesen sein muss, das sich in Marlow seit Langem ereignet hat. Er verbucht es als durch­schla­gen­den Erfolg.

„Inzwischen hatte sich eine nette Menge versammelt, und die Leute fragten einander, was denn los sei. Eine Gruppe (...) meinte, es wäre eine Hochzeit und machte Harris als Bräutigam aus, während der ältere, bedächtigere Teil der Bevölkerung der Vorstellung zuneigte, es gehe um eine Beerdigung, und ich sei wahrschein­lich der Bruder der Leiche.“ (S. 85)

Statt zu treideln, wollen die Freunde am nächsten Morgen zur Abwechslung rudern. Wer allerdings das Steuer übernehmen und wer an die Ruder soll, darüber herrscht Uneinigkeit. J. bemerkt, dass auf einem Boot grundsätzlich jeder davon überzeugt ist, mehr Arbeit zu verrichten als die anderen. So meint Harris, er allein habe bisher wirkliche Arbeit geleistet, und George findet, er sei noch nie mit zwei solchen Drückebergern wie Harris und J. unterwegs gewesen. J. wiederum hat George noch gar nie arbeiten sehen, und Harris ist seines Wissens außer zu den Mahlzeiten noch gar nicht richtig wach gewesen. Die Mei­n­ungsver­schieden­heit findet ihre Auflösung schließlich in einem Kompromiss.

„Dann legt uns die Nacht wie eine große liebevolle Mutter die Hand auf den fiebrigen Kopf und wendet unser tränenfeuchtes Gesicht nach oben, zu ihr, und lächelt; (…) und der Schmerz ist fort. “ (S. 183)

An ihrem nächsten Halt, in Streatley, verweilen die Freunde zwei Tage. Die Umgebung von Streatley ist ein Traum für Angler. Man kann hier wunderbar tagelang sitzen und auf Hechte, Karpfen und Aale fischen. Allerdings darf man nicht die Erwartung hegen, die Fische auch zu fangen. Fangen kann man hier nämlich gar nichts. J. ist auch niemand bekannt, der überhaupt jemals etwas anderes als tote Katzen und Elritzen aus der Themse gefischt hätte. Im örtlichen An­gler­hand­buch wird deswegen auch nirgendwo das Wort „fangen“ erwähnt. Es heißt dort nur, der Ort sei „gut zum Angeln geeignet“. Dieser Aussage kann J. nach allem, was er von der Gegend gesehen hat, bedenkenlos zustimmen.

„Es war bitterkalt, der Wind schneidend scharf. Ich erwog, mich doch nicht mit Wasser zu bespritzen.“ (S. 195)

Nach der Schleuse von Iffley, eine Meile vor Oxford, dem Ziel der Tour, beginnt der schwierig­ste Flussab­schnitt: Die Strömung treibt Bootsfahrer hier erst von einem Ufer zum anderen, lässt das Boot dann ein paar Pirouetten auf der Flussmitte drehen und versucht am Ende immer, einen Zusammenstoß mit einem Col­lege-Kahn herbeizuführen. So kommt es, dass die drei Freunde auf dieser Meile einer ansehn­lichen Zahl anderer Boote in die Quere kommen und dass eine ebenso ansehnliche Zahl wüster Flüche aus­ge­tauscht werden. Die Flussluft scheint überhaupt eine de­mor­al­isierende Wirkung auszuüben: Verbale Au­seinan­der­set­zun­gen werden auf dem Fluss jedenfalls deutlich schärfer ausgetragen als an Land.

Nieselregen und Heimreise

In Oxford verbringen die Freunde zwei schöne Tage. Besonders für Montmorency ist die Stadt ein Paradies: Es gibt hier unzählige Hunde, und Montmorency bringt es in zwei Tagen auf stolze 25 Kämpfe. Am Tag, als sie die Rückreise antreten, setzt ein stetiger Nieselregen ein. Im Regen zu rudern, ist keine besonders erfreuliche Tätigkeit. Umso mehr versuchen sie sich gegenseitig vorzumachen, es mache Spaß. Sie versuchen die positiven Aspekte des Regens zu betonen und singen ein Lied über einen Zigeuner, der Sturm, Sonne und Regen gleichermaßen liebt. Abends dann, noch immer im Nieselregen, erzählt George von einem Bekannten, der in einem feuchten Boot wie dem ihrem geschlafen habe, an rheuma­tis­chem Fieber erkrankt und zehn Tage später unter schreck­lichen Qualen gestorben sei. Am nächsten Tag regnet es noch immer. Sie sind sich aber einig, an ihrem Plan eisern festhalten zu wollen: Von dem bisschen Regen will sich niemand die Rückreise vermiesen lassen. Und es seien ja auch nur noch zwei Tage. Am Abend finden sie sich dann aber doch in einem Restaurant in London wieder, das sie per Zug erreicht haben. Harris erhebt sein Glas darauf, den genau richtigen Zeitpunkt zum Abbrechen ihres schönen Ausflugs gefunden zu haben. Montmorency gibt mit einem kurzen Bellen seine Zustimmung zu diesem Ausspruch.

Zum Text

Aufbau und Stil

Drei Mann in einem Boot ist ein hu­moris­tis­cher Reiseroman. Die Handlung ist kaum der Rede wert und lässt sich in einem Satz zusam­men­fassen: Der Ich-Erzähler und zwei seiner Freunde unternehmen einen mehrtägigen Boot­saus­flug auf der Themse. Die Schlichtheit der Kon­struk­tion eröffnet Räume für Jeromes Ab­schwei­fungskunst: Fast jedes Ereignis der Geschichte ruft beim Ich-Erzähler Erin­nerun­gen an ähnliche Ereignisse oder an­der­weit­ige Anekdoten wach. So folgt die Handlung zwar linear den Stationen des Ausflugs, den Großteil des Romans aber bilden die Ab­schwei­fun­gen des Ich-Erzählers. Häufig münden sie in kleine, philosophis­che Be­tra­ch­tun­gen über die Eigenheiten und Unzulänglichkeiten der men­schlichen Natur. Es finden sich aber auch klassische Elemente eines Reise­berichts wieder, zum Beispiel in Form von Land­schafts- und Stadtbeschrei­bun­gen, his­torischen Verweisen und mitunter auch konkreten Reiseempfehlun­gen. Stilistisch bewegt sich Jerome in höchst ver­schiede­nen Tonlagen: Mal pathetisch und hochtrabend, wenn er die Schönheit der nächtlichen Natur am Fluss beschreibt, mal nüchtern und informativ, wenn er Empfehlun­gen zu Übernach­tungsmöglichkeiten oder Wanderwegen gibt. Seine oft him­melschreiende Komik verdankt der Roman dem trockenen Un­der­state­ment, mit dem der Autor die oft slap­stick­haften Situationen im Verlauf der Reise beschreibt.

In­ter­pre­ta­tion­sansätze

  • In den poetischen Schilderun­gen von Natur und Landschaft ist ein starker ro­man­tis­cher Einfluss erkennbar. Besonders die Anrufung der Natur als trost­spenden­des, gütiges Wesen ist ein klassischer Topos der lit­er­arischen Romantik.
  • Der Widerwillen aller Pro­tag­o­nis­ten gegen jegliche Form von Arbeit ist ein weiteres Motiv, das sich wie ein roter Faden durch den Roman zieht. Dieser lässt sich darum als ein Loblied auf den Müßiggang auffassen – und damit als Widerspruch zum calvin­is­tis­chen Fleiß-Ethos der Zeit.
  • Im Vorwort schreibt Jerome, die Qualität seines Buchs beruhe auf der Wahrhaftigkeit der berichteten Ereignisse. Indem er diese Behauptung ein paar Sätze weiter schon wieder ironisiert, lenkt er das Augenmerk des Lesers auf das Verhältnis zwischen Dichtung und Wahrheit in seinem Werk.  
  • Jerome wirft auch einen kritischen Blick auf die Sitten und Gebräuche seiner Zeit. Der häufig erfolglose Versuch der Figuren, sich der geltenden Etikette anzupassen und damit den sozialen Erwartungen zu genügen, ist eine wichtige Quelle für den Humor des Romans.
  • Die Hektik des modernen Ar­beit­sall­t­ags, wie sie Ende des 19. Jahrhun­derts in den europäischen Städten zum ersten Mal aufkam, förderte ein neues, allgemeines Grundgefühl der Nervosität. Diese Nervosität drückt sich sowohl in der Hypochon­drie der Pro­tag­o­nis­ten als auch in ihren diversen Schlaf­prob­le­men und ihrem wiederholt aus­ge­sproch­enem Bedürfnis nach Ruhe und Abgeschieden­heit aus.
  • Die Charaktere George und Harris sind zwei von Jeromes realen Freunden nachemp­fun­den, mit denen er häufig Bootsausflüge unternahm. Damit ist das Buch nicht zuletzt das Dokument einer Fre­und­schaft dreier Männer.

His­torischer Hintergrund

Die sozialen Klassen im vik­to­ri­an­is­chen Zeitalter

Nicht ohne Grund en­twick­el­ten Karl Marx und Friedrich Engels ihre sozial­is­tis­chen Ideen am Beispiel der englischen Ar­beit­erk­lasse. Von der Mitte bis zum Ende des 19. Jahrhun­derts stand Großbritannien global gesehen an der Spitze des in­dus­triellen und kap­i­tal­is­tis­chen Fortschritts. Iro­nis­cher­weise fielen Marxʼ Ideen jedoch aus­gerech­net im Mutterland des Kap­i­tal­is­mus auf keinen fruchtbaren Boden. Obwohl die Verelendung großer Bevölkerung­steile in den Industriestädten Englands unübersehbar war, lagen einem Großteil der or­gan­isierten Ar­beit­er­be­we­gung revolutionäre Ziele fern. Bestehende demokratis­che Strukturen ließen die Arbeiter hoffen, ihre Interessen innerhalb des bestehenden Gesellschaftssys­tems durchsetzen zu können.

Während die Arbeiter um politische Repräsentation kämpften, entwickelte sich die wachsende Mit­telschicht allmählich zur staat­stra­gen­den Klasse der vik­to­ri­an­is­chen Ära. Der neue ökonomische Wohlstand und ein wachsendes Selb­st­be­wusst­sein erlaubten es deren Angehörigen, Lebensweisen und Um­gangs­for­men anzunehmen, die bisher dem Adel vorbehalten waren. Erfolg und gesellschaftlicher Aufstieg verlangten jedoch ein striktes Befolgen gesellschaftlicher Kon­ven­tio­nen. Die Schein­heiligkeit und Doppelmoral dieser Kon­ven­tio­nen wurde besonders im Bereich der Sexualität offenbar. Kritik daran brachte den Dichter Oscar Wilde gleich mehrfach ins Gefängnis.

Entstehung

Anfang der 1880er-Jahre, nach Abbruch einer so kurzen wie erfolglosen Schaus­pielka­r­riere, wendete sich Jerome dem Schreiben zu. Seine ersten Essays und Satiren, mit denen er bei Verlegern von Journalen und Magazinen hausieren ging, fanden jedoch keinen Anklang und wurden großteils abgelehnt. In diese schwierige Zeit fiel die Begegnung mit George Wingrave, einem Bankkauf­mann, mit dem Jerome dann eine lebenslange Fre­und­schaft verband und dem er in Drei Mann in einem Boot mit der Figur des George ein lit­er­arisches Denkmal setzte.

Einen ersten lit­er­arischen Erfolg hatte Jerome 1885 mit der Veröffentlichung des Buches On the Stage – and Off, in dem er seine Zeit als Schaus­pieler hu­moris­tisch ve­r­ar­beit­ete. 1886 wurde er fester Mitarbeiter des Magazins Home Chimes, wo er von nun an regelmäßig Texte veröffentlichte. 1888 heiratete er Georgina Elizabeth Henrietta Stanley Marris, nur neun Tage, nachdem diese sich von ihrem ersten Mann hatte scheiden lassen. Die Flit­ter­wochen verbrachte das Paar in einem Boot auf der Themse. Sofort nach der Rückkehr von den Flit­ter­wochen begann Jerome mit der Arbeit an Drei Mann in einem Boot.

Zunächst hatte Jerome gar nicht vorgehabt, ein hu­moris­tis­ches Buch zu schreiben. Der ursprünglich geplante Titel lautete „The Story of the Thames“. Es sollte eine Art Reiseführer werden und Land­schafts­beschrei­bun­gen sowie historische Be­tra­ch­tun­gen über die Geschichte des Flusses enthalten. Der Humor, so schrieb Jerome später, habe sich von selbst eingestellt.

Wirkungs­geschichte

Die Veröffentlichung von Drei Mann in einem Boot 1889 änderte Jeromes Leben von Grund auf. Die Jahre der Armut, der Entbehrung und der Un­sicher­heit waren schlagartig und endgültig vorbei. Er war jetzt reich und berühmt. Zu seinen Lebzeiten wurden mehr als 1 Million Exemplare des Buches verkauft und es wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Allen voran waren die deutschen und die russischen Leser begeistert, und für viele Schüler in beiden Ländern ist es seither zur Pflichtlektüre im En­glis­chunter­richt geworden.

Die einzigen, die das Werk geschlossen ablehnten, waren die zeitgenössischen englischen Kritiker. Der Gebrauch von Um­gangssprache in dem Buch kam ihnen vulgär vor, der Humor grob. Ein Journalist der Morning Post schrieb sogar, das Buch beweise, dass es ein Fehler gewesen sei, Personen der Un­ter­schicht in den Genuss höherer Schul­bil­dung kommen zu lassen. – All das tat dem Erfolg keinen Abbruch.

Das Buch wurde mehrfach fürs Kino und fürs Fernsehen verfilmt sowie in Musicals, in Theater- und in Ra­dio­pro­duk­tio­nen verwandelt. Die gle­ich­namige deutsche Filmkomödie von Helmut Weiss und mit Heinz Erhard aus dem Jahr 1961 basiert ebenfalls auf dem Stoff. Nicht zuletzt wurde das Buch als Auslöser für die enorm wachsende Zahl an Mietbooten auf der Themse kurz nach der Publikation betrachtet. Noch immer ist es möglich, die Tour der drei Freunde Etappe für Etappe nachz­u­fahren, denn viele der Pubs und Inns aus der Geschichte existieren bis heute.

Über den Autor

Jerome K. Jerome wird am 2. Mai 1859 in Walsall als jüngstes von vier Kindern geboren. Sein Vater ist Eisenwarenhändler, betätigt sich nebenbei aber auch als Laien­predi­ger. Einige unglückliche In­vesti­tio­nen in die lokale Kohle- und Eis­enin­dus­trie verursachen den fi­nanziellen Ruin der Familie. Diese zieht nach London, wo Jerome in ärmlichen Verhältnissen aufwächst. Sein Vater stirbt, als Jerome 13 ist, die Mutter gerade einmal zwei Jahre später. Trotz der schwierigen Umstände entwickelt Jerome schon früh eine Lei­den­schaft für Literatur, Politik und Theater, sodass er sich mit 18 Jahren als Schaus­pieler einer The­ater­gruppe anschließt. Nachdem dort der große Erfolg ausbleibt, wendet er sich vermehrt dem Schreiben zu. Sein erstes Buch On the Stage – and Off, in dem er hu­moris­tisch die Zeit als Schaus­pieler verarbeitet, wird 1885 veröffentlicht und bringt ihm bereits einige Anerkennung. Es folgen mehrere Theaterstücke, es­say­is­tis­che und jour­nal­is­tis­che Arbeiten, bis ihm 1889 der Durchbruch mit Drei Mann in einem Boot (Three Men in a Boat) gelingt. Obwohl die Kritiker das Buch zum Großteil ablehnen, wird es sofort zu einem phänomenalen Kassen­schlager, und das nicht nur in England, sondern bald weltweit. Die neu gewonnene finanzielle Sicherheit erlaubt es Jerome fortan, sich ausschließlich dem Schreiben zu widmen. Während des Ersten Weltkriegs unterstützt er im Frei­willi­gen­di­enst die französische Armee als Sanitätsfahrer, kehrt aber als psychisch gebrochener Mann aus dem Krieg zurück. 1926 veröffentlicht er seine Au­to­bi­ografie My Life and Times, im selben Jahr wird ihm vom Bezirksrat seines Geburtsorts der Titel „Freeman of the Borough“ verliehen. Jerome stirbt am 14. Juni 1927 an den Folgen eines Schla­gan­falls.