Die Freiheit, es anders zu machen

Buch Die Freiheit, es anders zu machen

Mein Leben, meine Werte, mein Denken

Pattloch,


Rezension

„Was ich schon immer mal sagen wollte.“ So lässt sich dieses Buch von Claus Hipp beschreiben. Der bekannte Produzent von Babynahrung bekennt sich offen zum Katholizis­mus. Mit Gott, der christlichen Religion an sich und dem Wertekanon der Zehn Gebote im Speziellen leben alle besser − davon ist er überzeugt. Vor allem aber fordert er dazu auf, das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Dazu passen seine politischen Re­for­mvorschläge: Steuern senken, Sub­ven­tio­nen streichen, Lobbyisten entmachten und die Familien stärken. Hipp predigt aber nicht nur. Was er von den anderen fordert, hat er in der Ethik-Charta und den Umweltleitlin­ien seines Un­ternehmens umgesetzt. Seine Botschaft wiederholt sich häufig, die Zusammenhänge sind nicht immer klar, aber das Buch liest sich trotzdem leicht. BooksInShort empfiehlt es allen, die die Wirtschaft durch die Brille eines katholis­chen Un­ternehmers betrachten möchten.

Take-aways

  • In Deutschland regieren Lobbyisten, die den Staat blockieren und allen schaden.
  • Die Menschen sind ori­en­tierungs­los und sehnen sich nach Werten.
  • Die Religion bietet zeitlose und universelle Werte.
  • Die in­di­vidu­elle Freiheit – verbunden mit mehr Eigen­ver­ant­wor­tung – soll gestärkt werden.
  • Der ideale Manager hat nicht nur Macht, sondern auch Autorität: Er ist Vorbild.
  • Eine Flat Tax würde das Steuerrecht vere­in­fachen und alle entlasten.
  • Die schulische Ausbildung muss in­di­vid­u­al­isiert werden.
  • Es sollte mehr ehre­namtliche politische Ämter und weniger Beruf­spoli­tiker geben.
  • Ein Fam­i­lien­wahlrecht stärkt die Familie, die das Fundament der Gesellschaft bildet.
  • Die Bürokratie überbordet. Für jedes neue Gesetz soll ein altes gestrichen werden.
 

Zusammenfassung

Min­der­heiten regieren in Deutschland

In Deutschland ist vieles aus dem Gle­ichgewicht geraten. Das Renten- und Sozial­sys­tem, ein Andenken aus wirtschaftlich besseren Zeiten, steht vor dem Kollaps. Nicht die Mehrheit der Bevölkerung sagt, wo es langgeht, sondern Min­der­heiten haben das Kommando übernommen. Mächtige Unternehmer, Parteien und Verbände setzen ihre Interessen durch und schaden dem Gemeinwohl. Sie stehen zwischen Bürger und Staat und lähmen diesen mit ihrem Lobbyismus. Ihre Interessen verteidigen sie mit einer Unzahl von Gesetzen und Regelungen. Die Folge: Vater Staat reguliert und kon­trol­liert zu viel. Anstatt die Freiheit seiner Bürger zu schützen, schränkt er sie immer mehr ein. Die Soziale Mark­twirtschaft – eigentlich erfunden, um die Schwachen mitzuziehen – mutiert zu einem System, das die Fleißigen steuerlich ausbeutet, während andere sich ausruhen.

Mit Gott geht alles besser

Die Bürger haben resigniert, sind mutlos und pes­simistisch. Doch Jammern allein nützt nichts. Wer anders leben möchte, muss etwas dafür tun und seine von Gott geschenkte Freiheit nutzen. Er ist ve­r­ant­wortlich für sich, für die anderen und für die Gesellschaft. Viele Menschen sehnen sich nach Werten. Sie spüren, dass es so nicht weitergehen kann. Die Werte, mit denen wir unsere Gesellschaft zum Positiven verändern können, müssen wir nicht erst erfinden: Die christliche Religion predigt sie seit eh und je.

„Werte sind nicht etwas, was irgendwo über uns schwebt, sondern sie sind in jedem Lebens­bere­ich, in jedem wirtschaftlichen und politischen Handeln gefragt.“

Die Kirche hat es derzeit schwer. Gläubig zu sein, ist out; Religion ist in der Öffentlichkeit unerwünscht. Gerichte verbieten Kruzifixe im Klassen­z­im­mer und türkischen Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuches. Dabei würde sich das Verhältnis zum Islam gerade dann entspannen, wenn sich Europa wieder auf seine christlichen Wurzeln besinnen würde. Viele erachten die Kirche als antiquiert, aber die Werte, die sie vermittelt, sind zeitlos und universell. Sie bilden die Grundlagen unserer Ethik und dürfen sich nicht vergänglichen Trends unterordnen.

„Ein starkes Symptom, dass in unserer Gesellschaft eine Schieflage eingetreten ist, liegt meines Erachtens darin, dass wir eine stärkere Tendenz haben, das Eigen­in­ter­esse an die Stelle des All­ge­mein­wohls zu setzen.“

Die Atheisten behaupten, es gäbe keinen Gott, da sich seine Existenz nicht wis­senschaftlich belegen lasse. Aber es kann auch niemand beweisen, dass es Gott nicht gibt. Eins allein ist sicher: der Tod. Für Gläubige bedeutet er aber bloß das Ende ihres irdischen Daseins, nicht das des Lebens. Ein tröstlicher Gedanke, der die Menschen dazu auffordert, um Gottes willen nach dem Guten zu streben. Demnach kann die Religion als Keimzelle aller Ethik betrachtet werden. Eine Gesellschaft ohne Gott kann keine Werte haben.

Die Zehn Gebote gegen die Krise

Die Zehn Gebote sind alles, was wir brauchen, um die derzeitige Krise zu überwinden. Wenn sich jeder daran hält, geht es uns allen besser: menschlich, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Die Zehn Gebote sagen den Menschen im christlich-abendländischen Kulturkreis, was erlaubt und was verboten ist. Sie sind zeitlos, weise, men­schen­fre­undlich, flexibel und universell, nur auf den ersten Blick einschränkend. Auch ein ungläubiger oder andersgläubiger Mensch lebt mit ihnen besser und wird einsehen, dass sie vernünftig sind. Die Zehn Gebote haben sich im Lauf der Men­schheits­geschichte entwickelt. Jesus hat sie um die Nächstenliebe erweitert.

  • Die ersten drei Gebote regeln das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen.
  • Das vierte und das sechste Gebot stellen die Familie in den Mittelpunkt der Gesellschaft. Sie sagen uns, wie wir mit Eltern und Ehepartnern umgehen sollen. „Du sollst Vater und Mutter ehren“ hieß früher, dass Kinder ihre Eltern im Alter versorgen sollen. Heute bedeutet es, Alte nicht zu vernachlässigen und sie nicht aufs Ab­stell­gleis zu schieben.
  • Das fünfte Gebot un­ter­stre­icht, dass das wichtigste Men­schen­recht das Recht auf Leben ist. Kein Mensch darf über Leben und Tod entscheiden. Kriege und Waf­fen­han­del sind ebenso verboten wie Sterbehilfe. Embryonen müssen geschützt werden; Wis­senschaftler und Ärzte dürfen sie nicht selektieren, ma­nip­ulieren oder für die Forschung töten.
  • „Du sollst nicht stehlen“, besagt das siebte Gebot und bildet damit die wichtigste Vorgabe für die Wirtschaft. Dieses Gebot schützt das Eigentum. Gle­ichzeitig ist dieses Eigentum da, um Werte und Arbeit zu schaffen. Sind Sie Unternehmer? Dann bezahlen Sie Ihre Angestell­ten gerecht, und verlangen Sie keine unanständigen Preise.
  • Das achte Gebot verbietet die Lüge. Wer die Wahrheit sagt, auf den kann man sich verlassen. Außerdem ist Offenheit hilfreicher als Beschönigungen.
  • Die Gebote neun und zehn schützen vor zerstörerischen Emotionen: Gier und Neid.
„Und trotzdem ist mit unseren alten christlichen Werten und Tugenden alles fest­geschrieben, was wir brauchen.“

Es kommt nicht nur darauf an, das Richtige zu tun, sondern auch, wie man es tut. Klug, gerecht, tapfer und mäßig – das sind die vier Kar­dinal­tugen­den der Gläubigen.

Eine wert­be­wusste Mark­twirtschaft

Die katholische Soziallehre will sowohl den Interessen des Einzelnen als auch denen der Gemein­schaft gerecht werden. Im Zentrum steht der Mensch, in Nächstenliebe mit den anderen verbunden. Er hat ein Naturrecht auf Leben. Das ist unveräußerlich, gilt uneingeschränkt und ist auch im Grundge­setzt der Bun­desre­pub­lik verankert. Die katholische Soziallehre kennt drei Prinzipien:

  • Solidaritätsprinzip: Jeder ist für sich und die anderen ve­r­ant­wortlich.
  • Subsidiaritätsprinzip: Was der Einzelne aus eigener Kraft schafft, soll er auch tun.
  • Gemeinwohl: Die Gesellschaft darf den Einzelnen nicht ausbeuten, der aber muss bereit sein, eigene Interessen dem Wohl der All­ge­mein­heit un­terzuord­nen.
„Die Staaten müssen sich umstellen und umbauen, weg vom fürsorglichen Staat, der betreut – hin zum Staat, der seine Bürger ertüchtigt und vorsorglich wirtschaftet.“

Ludwig Erhard hat sich von der katholis­chen Soziallehre inspirieren lassen. In seiner Sozialen Mark­twirtschaft gelten folgende Regeln: Der Staat mischt sich fast gar nicht ein, sondern lässt dem Mark­t­geschehen freien Lauf. Angebot und Nachfrage bestimmen die Preise. Sub­ven­tio­nen im größeren Rahmen sind tabu. Verbände sind machtlos, dafür sind die Bürger frei und mündig. Nicht jeder soll gleich sein – das ist gar nicht möglich –, aber jeder soll die gleichen Chancen haben, etwa auf Bildung. Von diesen Ideen ist nicht viel übrig geblieben. Die Soziale Mark­twirtschaft steckt in der Krise. Die Menschen vertrauen ihr nicht mehr. Obwohl die Sozialleis­tun­gen immer weiter steigen, bleiben die Schwachen der Gesellschaft auf der Strecke.

„Wenn wir qualitativ hochwertige Lebens­mit­tel wollen, dann sollten wir bereit sein, den Preis dafür zu bezahlen und die Arbeit der Bauern damit entsprechend wertschätzen.“

Trotzdem lohnt es sich, die Soziale Mark­twirtschaft wieder aufzupolieren, denn sie ist nach wie vor das politische Modell, das der men­schlichen Natur am ehesten gerecht wird. Politiker müssen eine wert­be­wusste Mark­twirtschaft einführen, in der der Einzelne wieder frei und ve­r­ant­wor­tungsvoll handelt. Das bedeutet z. B. auch, dass Lohnkosten gesenkt werden können und der Kündi­gungss­chutz gelockert wird.

Manager mit Herz und Verstand

Deutschland braucht eine Elite. Frauen und Männer, die mit Herz und Verstand führen, Werte vorleben und als Vorbilder taugen. Dazu gehören Manager, die sich für das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter engagieren. Ein Manager, der dies beherzigt, wird nicht unbedingt den größten Gewinn verbuchen. Aber dafür handelt er nach seinem Gewissen.

„Wenn wir die Schöpfung aus Habgier verändern wollen, um mehr zu haben, ohne Rücksicht, was wir dabei für Schaden anrichten, dann tun wir Unrecht.“

Ideale Chefs haben nicht nur Macht, sondern auch Autorität. Sie sind mit sich im Reinen, tun das Richtige und strahlen das gewisse Extra aus. Sie sorgen dafür, dass es ihren Angestell­ten gut geht und motivieren sie damit zu Bestleis­tun­gen. Die Menschen vertrauen ihnen. Versuchen Sie, sich in Ihre Mitarbeiter hineinzu­ver­set­zen. Loben Sie mehr, als dass Sie tadeln. Und auch Sie können besser werden: Die Firma Hipp lässt Angestellte ihren Chef anonym beurteilen.

Ideen für ein besseres Deutschland

Mit Gott, den Zehn Geboten, der Religion, einer wer­te­be­wussten Mark­twirtschaft und den richtigen Akteuren lässt sich in Deutschland vieles verbessern. Hier sind einige Vorschläge:

  • Deutschland braucht weniger Beruf­spoli­tiker. Die Schweiz macht es vor: Dort sind die meisten politischen Ämter reine Ehrenämter. Die meisten Steuern kommen den Gemeinden zugute; sie und die Kantone sind sehr autonom. Der Einzelne zahlt darum seine Steuern lieber. Das ist nachah­menswert.
  • Die Einführung eines niedrigen ein­heitlichen Steuer­satzes – einer so genannten Flat Tax – würde alle entlasten, das Steuerrecht vere­in­fachen und das Wirtschaftswach­s­tum ankurbeln. In anderen Staaten hat das längst funk­tion­iert. Neuseelands Wirtschaft ist vier Jahre lang um 12 % gewachsen, nachdem das Steuerrecht stark vereinfacht wurde.
  • Viele Sub­ven­tio­nen sind zu kürzen oder zu streichen. Das entlastet die Steuerzahler direkt.
  • Weniger Bürokratie ist besser. Für jedes neue Gesetz soll ein altes gestrichen werden.
  • Ein Mehrheitswahlrecht stärkt die direkt gewählten Ab­ge­ord­neten im Parlament.
  • Deutschland muss fam­i­lien­fre­undlicher werden. Die Familie ist das Fundament der Gesellschaft. Sie vermittelt Werte an die nächste Generation. Nicht die Familie muss sich der Wirtschaft anpassen, sondern umgekehrt. Wer sein Kind nicht in die Krippe geben will, sondern es die ersten drei Jahre zu Hause erziehen möchte, soll das auch tun können.
  • Deutschland braucht ein Fam­i­lien­wahlrecht. Die Eltern sollen für ihre minderjährigen Kinder wählen. Dafür sprechen der Gle­ich­heits­grund­satz des Grundge­set­zes sowie die Tatsache, dass derzeit 20 % der Bevölkerung minderjährig sind. Immer mehr ältere Menschen entscheiden nicht im Sinne der jungen Generation.
  • Die Agrarindus­trie soll Klasse statt Masse produzieren. Landwirte pflanzen Monokul­turen, düngen und spritzen, um möglichst viel zu ernten. Sie laugen die Böden aus, und die Erträge werden langfristig sinken. Der biologische Landbau ist eine zukunftsfähige Alternative. Biobauern sind gegen gen­tech­nis­che Eingriffe. Sie wirtschaften in natürlichen Kreisläufen und schonen die Natur. Ihr Motto – „Gesunder Boden, gesunde Nahrungsmit­tel, gesunder Mensch“ – bewahrt unsere Lebens­grund­la­gen.

Mit Bildung gegen Ar­beit­slosigkeit

Nur gut aus­ge­bildete Frauen und Männer werden in Zukunft einen Job finden. Das deutsche Bil­dungssys­tem muss verbessert werden. Dafür braucht es mehr Geld und ein neues Konzept.

  • Lehrer und Ausbilder müssen individuell auf Schüler eingehen, egal ob die lernschwach oder hochbegabt sind. Schwachen muss sys­tem­a­tisch geholfen werden. Junge Menschen wollen gefordert werden.
  • Mi­grantenkinder brauchen eine Zukun­ftsper­spek­tive. Sie müssen gut deutsch sprechen können. Die deutsche Gesellschaft altert und schrumpft. Deutschland wird auf Zuwanderer angewiesen sein: Die müssen leichter herkommen und arbeiten dürfen.
  • Das Lernen ist ein lebenslanger Prozess. Die berufliche Weit­er­bil­dung gehört dazu.
  • Schulen müssen Lehrer nach Bedarf autonom einstellen dürfen.
  • Lehrer sollten keine Beamten sein. Die Gemeinden müssen als Schulträger fungieren.
  • Die Ausbildung muss auf den ganzen Menschen aus­gerichtet sein, seinen Verstand, sein Gefühl und sein Geschick ansprechen.
  • Die Herzens­bil­dung prägt den Charakter und die Persönlichkeit. Wer in der Schule und im Elternhaus lernt, rück­sichtsvoll und ve­r­ant­wor­tungsvoll zu sein, gibt das später weiter: im Fre­un­deskreis, in der Schule, im Arbeits- und Wirtschaft­sleben.
  • Kinder brauchen mehr hu­man­is­tis­che, kreative und sprachliche Bildung.

Über den Autor

Claus Hipp ist der weltweit größte Produzent von Babynahrung mit Rohstoffen aus or­gan­isch-bi­ol­o­gis­chem Landbau. Der Jurist und gläubige Katholik führt den Fam­i­lien­be­trieb in dritter Generation.