Annäherungen an die Realität
Die Welt ist komplex. Zu komplex, um sie vollständig zu verstehen. Darum helfen Modelle: Sie vereinfachen, indem sie einiges wichtig nehmen und den Rest als zweit- und drittrangig einstufen und ignorieren. Modelle sind dann tauglich, wenn sie von Menschen genutzt werden, deren Wichtig/Unwichtig-Wertigkeiten ähnlich sind wie die des gewählten Modells. Die gängigsten 50 Modelle lassen sich in vier Themenblöcke untergliedern:
- Wie ich mich verbessere.
- Wie ich mich besser verstehe.
- Wie ich andere besser verstehe.
- Wie ich andere besser mache.
Wie ich mich verbessere
Effektives Zeitmanagement ist ein erster Schritt. Auf US-Präsident Dwight Eisenhower geht die Eisenhower-Matrix, die Unterscheidung zwischen „dringend“ und „wichtig“, zurück. Was sowohl dringend als auch wichtig ist, wird sofort erledigt. Und was dringend ist, aber keineswegs wichtig? Eisenhower riet: Delegieren. Damit Zeit und Energie bleiben für das, was wirklich wichtig ist.
„Modelle helfen uns, die Komplexität zu reduzieren.“
Was wirklich wichtig ist, lässt sich mit der SWOT-Analyse herausfinden. Dabei steht das S für Strengths, also Stärken, und das W für Weaknesses, also Schwächen. Vor Projekten ist es wertvoll, sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu sein, und überdies die Opportunities (Möglichkeiten) und Threats (Gefahren) im Auge zu behalten.
„Modelle erklären uns, wie alles mit allem zusammenhängt.“
Das Schema lässt sich auf das Unternehmensportfolio übertragen, nämlich mit der BCG-Box der Boston Consulting Group: Da gibt es Investitionen oder Projekte, die Goldesel oder „Cash Cows“ sind, daneben saturierte „Stars“, „Question Marks“ mit ungewisser Zukunft und verzichtbare „Dogs“. Auch im privaten Bereich können Sie dieses Schema anwenden, um sich zu fragen, was Ihnen wichtig ist und was nicht, und Ihre Energie entsprechend zu kanalisieren.
„Feedback, also Rückmeldung, ist einer der heikelsten Prozesse in Gruppen.“
Im Arbeitsleben werden Ziele oft von außen vorgegeben – und kontrolliert. Gibt es Lob, ist die Freude groß. Mit Kritik lässt sich weniger leicht umgehen. Aber gemäß dem Feedback-Modell lässt sich aus kritischen Worten mehr lernen als aus Komplimenten. Fragen Sie sich deshalb bei jeder Kritik: Was kann so bleiben wie bisher, was muss ich ändern? Wer so mit Kritik umgeht, nimmt sie nicht als persönliche Schmach, sondern als Input, etwas zu verbessern. Dabei bitte nicht warten, bis alle verfügbaren Daten vorliegen. Das wäre der direkte Weg zur Untätigkeit. Zweifel gehören zu Entscheidungen. Und das Bauchgefühl ist keineswegs das schlechteste aller Gefühle. Sollte sich Ihr Bauch geirrt haben – dann revidieren Sie eben die Entscheidung. Das ist immer noch besser, als sich nicht zu trauen und untätig zu bleiben. So weit das Konsequenzen-Modell.
„Wir sind immer wieder gezwungen, Entscheidungen auf der Basis einer unsicheren Grundlage zu treffen.“
Um Entscheidungen zu treffen, hilft es, die eigenen Werte und Ziele mit dem persönlichen Wegweiser zu hinterfragen:
- Woher komme ich? Wie bin ich geworden, was/wer ich bin?
- Was ist mir wichtig? Welches sind die ersten drei Stichworte, die in meinem Kopf auftauchen?
- Wer ist mir wichtig? Welche Personen beeinflussen meine Entscheidungen?
- Was drängt mich? Welche Themen sind wichtig in meinem Leben?
- Wovor habe ich Angst? Was macht mir Sorgen, was raubt mir Kraft?
„Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung.“
Wer weiß, wer er ist und was er will, wird leichter die richtige Entscheidung treffen.
Wie ich mich besser verstehe
Die fünf Fragen führen bereits in den zweiten Bereich, das bessere Verständnis des eigenen Wesens. Dabei hilft ein Blick durch Joharis Fenster, ein Sprossenfenster mit vier Feldern. Es zeigt Ihnen a) Ihre Eigenschaften, die Sie der Außenwelt gern mitteilen, b) Eigenschaften, die Sie lieber für sich behalten, c) Eigenschaften, die Sie an sich selbst nicht wahrnehmen, die Außenwelt hingegen sehr wohl, und d) Eigenschaften, die weder Sie noch andere zur Kenntnis nehmen.
„Wir sind komplexer und vielseitiger, als wir ahnen.“
Wer noch etwas länger durch dieses Fenster gucken möchte, dem ist mit dem Uffe-Elbaek-Modell geholfen: Darin legen Sie fest, inwieweit Sie sich als Teammensch oder als Individualist fühlen, ob Ihnen Inhalt wichtiger ist als Form, Geist wichtiger als Körper, und die große weite Welt wichtiger als die direkte Umgebung. Die Antworten bilden ein Stimmungsbarometer. Aufschlussreich wird es, wenn andere Menschen mit diesem Modell zeigen, wie sie Sie sehen.
„Was man nicht kann, muss man üben.“
Im Arbeitsleben sind viele Menschen irgendwie unzufrieden, zeigen sich aber überfordert, über Allgemeinplätze hinauszugehen (doofer Chef, intrigante Kollegen, öde Aufgaben ...) und etwas zu ändern. Hilfreich sind dann die drei Aspekte des Personal-Performance-Modells:
- Müssen: Wie stark werden Ihre Aufgaben von außen bestimmt?
- Können: Wie sehr entsprechen die Aufgaben Ihrem Können?
- Wollen: Wie sehr entspricht die derzeitige Tätigkeit Ihren eigenen Wünschen?
„Jeder Mensch, jedes System, jedes Produkt, jede Idee hat Fehler.“
Die Antworten tragen Sie drei Wochen lang auf einer Skala von 1 bis 10 ein. Falls die Werte für „Können“ und „Wollen“ ständig niedrig ausfallen, ist es an der Zeit, über einen Jobwechsel nachzudenken. Und über das eigene Können und Wollen und inwieweit beide im Einklang sind.
Wichtig ist, dass Sie sich nicht an Erwartungen anderer messen und in die Potenzialfalle zu tappen, sondern ein realistisches Selbstbild entwickeln und darauf aufbauen. Nichts ist sinnfreier, als die Hoffnungen anderer Menschen erfüllen zu wollen.
Wie ich andere besser verstehe
Irren ist menschlich, deshalb passieren Fehler. Davon gibt es im Swiss-Cheese-Modell drei Kategorien:
- Echte Fehler: Etwas wird falsch gemacht.
- Aussetzer: Innerhalb eines Ablaufs wird eine Tätigkeit vergessen.
- Ausrutscher: Etwas eigentlich Richtiges wird falsch umgesetzt.
„Es geht nicht darum, was du kannst, sondern wen du kennst.“
Nach diesem Modell verhält es sich mit Fehlern wie mit Löchern im Käse. Jede Scheibe hat Löcher, aber welches wo auftaucht, lässt sich nicht vorhersagen. Durchdringt ein Fehler nur ein „Käseloch“, hat er keine gravierenden Folgen. Passen die Löcher der verschiedenen „Käsescheiben“ aber übereinander, kann es zur Katastrophe kommen.
„Wahre Stärke liegt in den Unterschieden, nicht in den Gemeinsamkeiten.“
Systeme zum Vermeiden von Fehlern können nicht auf die Einsicht und die Selbstreflexion von Menschen setzen. Schaffen Sie einen Überbau, der möglichst dafür sorgt, dass menschliches Irren nicht zu Katastrophen führt. Über das eigene Handeln zu reflektieren und daraus zu lernen, ist fast unmöglich, sagt das Double-Loop-Learning-Modell.
„Modelle erschaffen ihre eigene Realität.“
Der Philosoph Bertrand Russell hat die Fehlbarkeit des menschlichen Denkens auf Hühner übertragen: Die bekommen jeden Tag ihr Essen und erleben ihre Fütterer als ihnen wohl gesinnt; nichts bereitet sie darauf vor, dass der Tag kommt, an dem sie geschlachtet werden. Das Black-Swan-Modell sagt dazu: Katastrophen werden immer als überraschend erlebt. Die Indizien werden erst im Nachhinein gesammelt und neu bewertet.
„Wir arbeiten mit Steinzeitmodellen in einer Hightechwelt.“
So gefährlich Fehler sind, es lohnt nicht, sie in den Fokus der Anstrengungen zu stellen. Wenn Sie zu neuen Ufern aufbrechen wollen, brauchen Sie Mut und Begeisterungsfähigkeit. Wer einen fehlerausschließenden perfekten Plan will, wird nie aufbrechen. Besser ist es, sich im Sinne des Appreciative-Inquiry-Modells auf die Stärken und das Positive zu konzentrieren, statt negativ und destruktiv zu denken.
Jeder hat die Möglichkeit, die eigenen Stärken auszuspielen und zu betonen. Dabei hilft das Pareto-Prinzip. Es besagt, dass wir z. B. in 20 % der Arbeitszeit 80 % der wichtigen Aufgaben erledigen. Wer klug ist, delegiert den Rest und kümmert sich ums Netzwerken – denn das ist entscheidend für die Karriere.
Wie ich andere besser mache
Aus eine Gruppe von Menschen ein Team zu schmieden, ist ein schwieriger Prozess mit mehreren Etappen, die notwendigerweise aufeinander folgen (gemäß dem Drexler-Sibbet-Teambuilding-Modell):
- Orientierung: Was mache ich hier?
- Vertrauensbildung: Und wer bist du?
- Zielabklärung: Was machen wir?
- Hingabe: Wie machen wir es?
- Umsetzung: Wer, wie, was, wann?
- Performance: Vollbracht!
- Erneuerung: Wieso weitermachen?
Keiner dieser sieben Schritte kann übersprungen werden. Um ein Team voranzubringen, müssen die Leiter reflektieren, wo das Team steht und wie der nächste Schritt anvisiert wird. Laut Team-Modell steigen die Erfolgschancen, wenn die richtigen Leute im Team sind. Dafür ist es wichtig, die für das Projekt notwendigen Fähigkeiten (hard und soft skills) festzulegen und entsprechend auszuwählen. Holen Sie das Maximum an Vielfalt ins Team. Ticken alle gleich, wird es keine konstruktiven Auseinandersetzungen geben.
Bleibt die Frage aller Fragen: Wie führe ich Mitarbeiter richtig? Ein gangbares und pragmatisches Modell ist das der situativen Führung (Hersey-Blanchard-Modell). Je nach Situation und je nach Kompetenz und Motivation eines Mitarbeiters müssen Sie:
- anweisen: Wer neu ist, braucht klare Instruktionen.
- coachen: Dem Mitarbeiter werden Aufgaben gestellt, die selbstständig zu lösen sind.
- unterstützen: Der Mitarbeiter wird in seinen Ideen unterstützt.
- delegieren: Der Mitarbeiter erhält eigene Projekte mit eigenem Team.
Ist das der Weisheit letzter Schluss? Nein, und das kann auch nicht so sein. Jedes Modell ist eine Annäherung an die Realität und zugleich ein Versuch, in der Komplexität der Umwelt nach etwas Fassbarem zu greifen. Je schneller diese Umwelt sich verändert, desto überforderter sind die Modelle. Letztlich gilt: Entscheidend sind nicht die Werkzeuge, sondern die Einstellung der Benutzer.