Was zu tun ist

Buch Was zu tun ist

Eine Agenda für das 21. Jahrhundert

Suhrkamp,
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

Star­jour­nal­ist Thomas L. Friedman, Vordenker der Glob­al­isierung, hat deren Schat­ten­seite entdeckt: den Raubbau an der Natur, die En­ergiev­er­schwen­dung, den Klimawandel. Sein aktuelles Buch ist eine pointierte Zusam­men­fas­sung aller Mahn- und Warnbücher, die zu diesem Thema in den letzten Jahren veröffentlich wurden. Selb­st­be­wusst bezeichnet der Verlag das Buch als „das politische Programm für Barack Obama“. Sollte sich der US-Präsident Friedmans Worte zu Herzen nehmen, hätte das ein­schnei­dende Kon­se­quen­zen für das Land: Es ist in erster Linie die Ver­schwen­dungssucht der Amerikaner, die der Autor dafür ve­r­ant­wortlich macht, dass wir am Rand einer ökologischen Katastrophe stehen. Ein wenig amerikanis­che Überhe­blichkeit darf bei den Lösungsvorschlägen dann aber doch nicht fehlen: Wenn die USA es nicht schaffen, wer dann? Da wäre es Friedman schon mal recht, dass das Land „für einen Tag China würde“ und ohne Widerstand der Parteien oder der Lobbyisten ein grünes Poli­tikpro­gramm einfach von oben durchdrücken könnte. So gut Friedman recher­chiert und so flott er schreibt: Mit der Zeit wirken seine Anekdoten etwas beliebig. Trotzdem: BooksInShort empfiehlt das engagierte Plädoyer allen, die nach langen Klimareden deren kurzen Sinn suchen: konkrete Hand­lungsvorschläge.

Take-aways

  • Die Welt ist heiß und überbevölkert. Und sie ist flach, d. h. global vernetzt: Die Probleme gehen alle an.
  • Energie- und Klimapoli­tik sind die wichtigsten Themen des neuen Jahrhun­derts.
  • Die USA sind der Ökosünder und En­ergiev­er­schwen­der Nummer eins.
  • In allen Bereichen der Wirtschaft funk­tion­iert der Wettbewerb und bringt In­no­va­tio­nen hervor – nur nicht im En­ergiesek­tor.
  • Billige Energie führt dazu, dass sich kein Unternehmen um en­ergieef­fiziente Tech­nolo­gien bemüht.
  • Öko-In­no­va­tio­nen gehört die Zukunft.
  • Den Lobbyisten der Ölge­sellschaften gelingt es immer wieder, ein­flussre­iche Politiker dazu zu bewegen, den Klimawandel zu leugnen.
  • Die westliche Abhängigkeit von Öl und Gas schürt in den Ländern der Öl-Dik­ta­toren den Fun­da­men­tal­is­mus und die Verletzung der Men­schen­rechte.
  • Die USA sollten die notwendigen Kli­maschutzbes­tim­mungen gegen jeden Widerstand zum Gesetz machen.
  • Zu den dringlich­sten In­no­va­tio­nen gehören: Solarstrom, intelligent vernetzte Häuser und Geräte, elek­trischer Verkehr.
 

Zusammenfassung

Der Abschwung einer Supermacht

Die USA sind ein Sub­prime-Land geworden. Genau wie bei den min­der­w­er­ti­gen Krediten, die die Im­mo­bilienkrise in den Jahren 2007/2008 angeheizt haben, verhalten sich die amerikanis­chen Eliten auch heute noch, wenn es um die Her­aus­forderun­gen der Zukunft geht: Man möchte alles haben, und zwar sofort, nimmt teure ökologische Hypotheken auf und kann sie sich im Grunde überhaupt nicht leisten. Eine Sub­prime-Gesellschaft eben, die jahrelang von einer Sub­prime-Regierung geführt wurde. Zudem ist das innovative Klima des weltoffenen, zukun­fts­be­ja­hen­den, liberalen Amerikas nach dem 11. September 2001 einer öden Wüste der Frem­den­feindlichkeit und Abschottung gewichen. Pi­o­niergeist und In­no­va­tion­skraft sucht man vergeblich.

Alarmstufe Grün

Als Öko-Land haben die USA auf der ganzen Linie versagt. Was haben die Amerikaner in den letzten Jahrzehnten getan, um die Umwelt zu schützen? Nixon setzte die ersten Umweltschutzge­setze der USA durch. Reagan wollte den Staat aus der amerikanis­chen Wirtschaft vollständig hinausfegen und lehnte Reg­ulierun­gen vehement ab. Er verringerte die Min­destk­ilo­me­ter­leis­tung pro Liter Kraftstoff für Fahrzeuge und sorgte so dafür, dass die größten En­ergiev­er­schwen­der, die Amerika kennt, wieder auf die Straßen durften. Geschickte Lobbyarbeit der Au­to­mo­bil­her­steller führte dazu, dass Benzin billig blieb und sich die Anschaffung der SUVs und Hummers lohnte. Während man in Europa immer kleinere und sparsamere Autos kauft, leisten sich die Amerikaner Sprit fressende Mon­ster­boli­den, die ihren Herstellern und der Ölindustrie fette Gewinne einbringen – energie- und umwelt­poli­tisch eine Katastrophe. Die Vereinigten Staaten haben so lange überlebt, weil sie ihr Land, ihre Wirtschaft und ihre Gesellschaft immer wieder neu erfunden und an die globalen An­forderun­gen angepasst haben. Für die USA gilt zukünftig „Code Green“, die Alarmstufe Grün. Die USA müssen ihre grüne Seele entdecken und sich als grüne Nation neu erfinden. Nur dann können sie auch die in den letzten Jahren arg in Mitlei­den­schaft gezogene nationale Identität neu erschaffen.

Das Ef­fizienz-Wa­ter­loo der amerikanis­chen Industrie

„Wenn der Wind sich dreht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen“, sagt ein chi­ne­sis­ches Sprichwort. Die USA haben bislang nur gemauert. Unter dem Vorwand, der Wirtschaft nicht zu schaden, hat sich die Regierung nicht darum gekümmert, die En­ergieef­fizienz der Stromver­braucher zu reduzieren. Schließlich wollte man der Ver­schwen­der-In­dus­trie keine Steine in den Weg legen. Doch was ist aus der Wirtschaft geworden? Während in Europa kleine Staaten wie Dänemark ein Wirtschaftswach­s­tum nicht nur trotz, sondern wegen grüner Politik erzielen konnten, sind die amerikanis­chen Konzerne lahm und träge geworden. Klar: Warum sollte man In­no­va­tio­nen schaffen, wenn die Energie billig und im Überfluss zu haben ist? Es waren in den letzten Jahren vor allem die anderen, die Windmühlen gebaut haben. Das Problem: Wenn von den USA die Rede ist, dann ist auch immer von der ganzen Welt die Rede. Keine Nation kann heute ihr eigenes Süppchen kochen.

Die Welt ist flach, heiß und überbevölkert

Was hat sich im Vergleich zu früher verändert? Es sind vor allem drei Dinge:

  1. Die Welt ist flach; die Probleme, die es zu lösen gilt, gehen alle an.
  2. Die Welt ist heiß; die Erderwärmung aufgrund in­dus­trieller Produktion und En­ergiev­er­schwen­dung wird uns allen noch schwer zu schaffen machen.
  3. Die Welt ist überbevölkert; immer mehr Menschen wollen ein gutes Leben haben.
„Grün ist nicht einfach eine neue Art der Erzeugung elek­trischen Stroms, sondern eine neue Art der Erzeugung nationaler Kraft.“

Überall auf der Welt blasen wir schädliches CO2 in die Luft und verpesten diese zusätzlich mit Methan und anderen Gasen, die sich in der Atmosphäre festsetzen. Der Klimawandel ist aber nur eines der Symptome eines globalen Problems, das wir selbst geschaffen haben. Die Hälfte des tropischen Regenwalds ist bereits zerstört, Flüsse und Meere sind verun­reinigt, seltene Tiere und Pflanzen ausgerottet, ganze Ökosysteme vergiftet – Raubbau an der Natur aus ökonomischen Gründen.

„Wir leben schon zu lange von geborgter Zeit und geborgtem Geld.“

Heute stehen wir vor großen Veränderungen – und sollten uns so auch verhalten. Wir leben in keiner nachin­dus­triellen und nachkolo­nialen Zeit mehr, sondern in einer Vorzeit: vor dem Zeitalter der Energie und des Klimas. Diese beiden Punkte sollten auf unserer Agenda der Zukunft ganz weit oben stehen.

Der Kli­makol­laps ist nah

Fernsehgeräte, Kühlschränke, Mo­bil­tele­fone: Sie alle gelangen mil­lio­nen­fach nach China. Als Schrott. Denn China ist der Schrottver­w­erter Nummer eins. Nicht alles davon stammt aus dem Ausland. Inzwischen produziert das Reich der Mitte selbst eine Menge Elektroabfälle. Chinas Hunger nach Rohstoffen ist so gewaltig, dass einige wenige Öko-Ak­tivis­ten in den lokalen Medien sogar schon Aufrufe platzieren, fortan mit Mehrwegstäbchen oder besser gleich mit der Hand zu essen – weil das Holz für die Einwegstäbchen immer knapper wird. Gle­ichzeitig werden die Chinesen immer reicher, und sofort beginnt die Nachahmung der USA: im En­ergie­ver­brauch, im Konsum und im Raubbau an der Natur. Glob­al­isierung bedeutet darum auch, dass uns nur globaler Umweltschutz vor dem Kli­makol­laps bewahren kann. In Washington meldete 2007 ein Magazin, dass der Herbst in jenem Jahr abgeschafft würde: Eine ganze Jahreszeit einfach gestrichen. Diese Behauptung war natürlich Satire, aber sie wird immer mehr zu einer be­un­ruhi­gen­den Wirk­lichkeit: Statt eines langsamen Übergangs vom Sommer in den Winter entwickelt sich der Herbst in vielen Teilen der USA zu einer feucht­war­men Jahreszeit mit fast un­un­ter­broch­enem Son­nen­schein.

Die Leugner und die Mahner

Und dann gibt es die „Hurricane Season“. Der gewaltige Wirbelsturm Katrina, der 2005 über New Orleans hinwegfegte, speiste sich zu großen Teilen aus dem immer wärmer werdenden Golf von Mexiko. Die Erwärmung der Meere sorgt also nicht nur für Arten­ster­ben und tauendes Eis an den Polen. Naturkatas­tro­phen wie Katrina zeigen den Menschen deutlich, dass das ökologische Gle­ichgewicht nicht langsam und schleichend kippt, sondern dass seine Desta­bil­isierung auch mit gewaltigen Eruptionen einhergehen kann. Trotzdem gibt es immer noch Politiker, die den Klimawandel leugnen. Es sind vor allem jene, die von den Ölge­sellschaften „geschmiert“ werden – und jene Kon­ser­v­a­tiven, die eine Bekämpfung des Kli­mawan­dels deshalb verhindern wollen, weil dies staatliche In­ter­ven­tio­nen einschließen würde, die nicht in ihre Freie-Märkte-Ide­olo­gie passen. Seitdem Al Gore als prominenter Apostel des Kampfs gegen den Kli­mawan­dels aufgetreten ist, fällt es seinen politischen Gegnern leicht, die ökologische Frage zu einem parteipoli­tis­chen Machtkampf zu machen – statt ihr den gebührenden Rang als parteien- und länderübergreifendes Problem zuzugeste­hen.

In den Händen der Öl-Dik­ta­toren

Man könnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, wenn die USA und der Rest der Ver­brauch­er­na­tio­nen ihren En­ergieap­petit einschränken würden. Denn zwei große Probleme unserer Zeit, Fun­da­men­tal­is­mus und En­ergiek­nap­pheit, hängen zusammen. Die Länder, die über Öl und Gas verfügen, bauen regelrechte Öl-Dik­taturen auf. Weil die Nachfrage nach fossilen Brennstof­fen überall auf der Welt so groß ist, bleiben die Regierungen im Nahen Osten mächtig. Wer das Öl kon­trol­liert, kon­trol­liert auch die Politik und die soziale Ordnung. Russland, einst der kranke Mann Europas, klappert nicht mehr mit dem Säbel, sondern dreht einfach den Gashahn zu, wenn ihm die Politik in einem Land wie der Ukraine missfällt. Während der Preis der Energieträger steigt, werden Demokratie, freie Wahlen, Presse- und Mei­n­ungs­frei­heit und jede Form der Rechtsstaatlichkeit zurückgefahren. Nicht nur in Russland, sondern auch im Iran, in Venezuela und Nigeria. Je höher der Ölpreis, desto besser können die Diktatoren ihre Feinde aus dem Weg schaffen, Armeen aufbauen, Gegner bestechen und Wählerstimmen kaufen. Je mehr sie einnehmen, desto weniger scheren sie sich darum, was die Welt von ihnen denkt.

„Wir wollen die Verdopplung der CO2-Konzen­tra­tion bis zur Mitte des Jahrhun­derts verhindern.“

Die USA haben jahrelang zugesehen, nach der Devise: „Macht doch, was Ihr wollt, aber haltet den Ölpreis niedrig, behindert die Lieferungen nicht und geht Israel nicht allzu sehr auf den Geist.“ Jetzt ist es höchste Zeit, dass sich die Welt aus ihrer Abhängigkeit vom Öl befreit. Dann würde der Ölpreis auf ein vernünftiges Niveau sinken und die Staaten müssten sich darum kümmern, ihre Gesellschaft und ihre Industrie zu mod­ernisieren. Solange das Öl fette Gewinne verspricht, liegt alles andere brach. Grüne Politik ist deshalb keine „Privatsache“, wie Ex-Vizepräsident Dick Cheney einmal formulierte, sondern eine geopoli­tisch höchst dringende An­gele­gen­heit.

Was zu tun ist

In China werden Entschei­dun­gen der Regierung im gesamten Land verkündet und dann innerhalb kürzester Zeit durchge­setzt. Zen­tral­is­tisch, hi­er­ar­chisch, top-down. Der Umstieg auf bleifreies Benzin gelang China in nur zwei Jahren. Die USA haben für den gleichen Schritt 32 Jahre gebraucht. Wenn die USA „China für einen Tag“ sein könnten, dann ließen sich auf einen Schlag viele Entschei­dun­gen durchsetzen, die sonst Jahre dauern würden, weil Macht­in­ter­essen, bürokratische Hürden und Lobby-Net­zw­erke ihre Umsetzung behindern. In diesem Punkt ist China den USA überlegen. Was aber können wir tun, ohne unsere Demokratie aufzugeben? Visionen für eine bessere Zukunft sind:

  • Ein En­ergie-In­ter­net, das unsere Häuser intelligent vernetzt. Wenn alle Geräte im Haus miteinander kom­mu­nizieren, erkennen sie automatisch, wann sie sich ein- und ausschalten müssen, um ihre Leistung effizient zu erbringen. In­tel­li­gente Vernetzung ist das Schlüsselkri­terium für hohe En­ergieef­fizienz.
  • Der Strom­liefer­ant wird zum All­round-An­bi­eter, der sogar iTunes-Songs aus der Steckdose bere­it­stellt und im Garten gegen eine Leasinggebühr eine Solaranlage aufstellt, mit der die Häuser der Nach­barschaft mit grünem Strom beliefert werden.
  • Elek­trischer Verkehr: Autos laufen nur noch mit Hy­bri­dantrieben und tanken über Strom­tankstellen, mit denen jeder Parkplatz und jedes Parkhaus aus­ges­tat­tet sind. Je nach aktuellem Marktpreis kann das Auto auch Strom verkaufen, also ins Netz einspeisen. Jedes Hausdach ist ein Son­nenkollek­toren­park. Schulen werden nach Schulschluss zu Büros, weil die Zweit­nutzung Ressourcen schont. Meetings werden nur noch virtuell abgehalten: Dank 3D-Tech­nolo­gie und Sur­round-Sound fühlt sich das an wie eine echte Konferenz, aber ohne die für weite Reisen nötigen Emissionen.
„Wenn doch Amerika für einen Tag China sein könnte – nur für einen Tag.“

Wann haben die USA das letzte Mal eine wirklich wichtige Innovation im Bereich der sauberen Energien her­aus­ge­bracht? Das war 1957, als das erste Kernkraftwerk ans Netz ging. Seitdem ist nichts passiert. In allen Branchen, auf allen Märkten funk­tion­iert der Wettbewerb, und die Unternehmen produzieren eine kluge Erfindung nach der anderen. Nur auf dem En­ergiemarkt tut sich einfach nichts. Auf diesem Markt herrscht keine echte Konkurrenz, die wenigen Konzerne sind genauso bequem wie die Erdölerzeuger im Nahen Osten: Warum sich um In­no­va­tio­nen kümmern, wenn das Gold aus einer Ölquelle gepumpt werden kann? Die Politik muss darum Anreize setzen, damit En­ergieef­fizienz geschaffen wird. Dies kann auch über Steuern und Preissig­nale erfolgen. Nur wenn Energie teuer ist, kann der Wettbewerb um Ideen, die den En­ergie­ver­brauch einschränken helfen, funk­tion­ieren.

Über den Autor

Thomas L. Friedman ist Autor und Kolumnist der New York Times. Seine Schw­er­punkte sind die Glob­al­isierung, neue Tech­nolo­gien und Umweltschutz. Friedman ist Autor der Bücher Glob­al­isierung verstehen und Die Welt ist flach und wurde mehrfach mit dem Pulitzer­preis aus­geze­ich­net.