Die Geschichte vom Prinzen Genji

Buch Die Geschichte vom Prinzen Genji

wie sie geschrieben wurde um das Jahr Eintausend unserer Zeitrechnung von Murasaki, genannt Shikibu, Hofdame der Kaiserin von Japan

Japan, um 1005
Diese Ausgabe: Insel,


Worum es geht

Das Leben eines strahlenden Prinzen

Prinz Genji erfĂ€hrt schon frĂŒh den schmer­zlichen Verlust seiner Mutter, die Lieblings­frau des Kaisers. Kein Wunder, dass er sich zur Hofdame Fujitsubo hingezogen fĂŒhlt, die seiner Mutter gleicht. Als eine weitere AffĂ€re mit der zukĂŒnftigen Frau des Thron­fol­gers an den Tag kommt, zieht Genji freiwillig in die Verbannung. SpĂ€ter kehrt er zurĂŒck und erlangt hohes Ansehen: Sein unehelich gezeugter Sohn ist mit­tler­weile Kaiser geworden und fördert ihn nun nach KrĂ€ften. Die Geschichte vom Prinzen Genji, um 1005 geschrieben von der Hofdame Murasaki Shikibu, gilt als erster Roman aus der Feder einer Frau. Als Lehrerin der Kaiserin war Murasaki mit den adligen Gepflo­gen­heiten bestens vertraut und konnte fĂŒr ihr Mammutwerk aus dem Vollen schöpfen. Die Handlung erstreckt sich ĂŒber drei Viertel eines Jahrhun­derts und bezieht Hunderte von Personen ein. Das Buch war schon zu Lebzeiten der Autorin berĂŒhmt und ist das am hĂ€ufigsten il­lus­tri­erte lit­er­arische Werk in der Geschichte Japans – ein Monument fernöstlicher Literatur.

Take-aways

  • Die Geschichte vom Prinzen Genji gilt als erster Roman einer Frau und ist eines der wichtigsten Werke der japanischen Kultur.
  • Inhalt: Prinz Genji ist der Sohn des Kaisers und einer seiner Nebenfrauen. Als solcher ist der schöne JĂŒngling den Intrigen am Kaiserhof aus­geliefert. Er flĂŒchtet sich in AffĂ€ren, geht freiwillig ins Exil, kehrt wieder zurĂŒck, bekleidet StaatsĂ€mter und findet in den Armen seiner zahlreichen Geliebten Trost, wenngleich die Sehnsucht nach wahrer Liebe ewig unerfĂŒllt bleibt.
  • Die Hofdame Murasaki Shikibu schrieb den Roman im elften Jahrhundert fĂŒr andere adlige Damen.
  • Über den Namen und die Lebensdaten der Autorin herrscht in der Fachwelt Uneinigkeit; sie dĂŒrfte etwa zwischen 970 und 1030 gelebt haben.
  • Der Roman ist ein SittengemĂ€lde der adligen Gesellschaft wĂ€hrend der Heian-Epoche, die in Japan als Goldenes Zeitalter gerĂŒhmt wird.
  • Die bud­dhis­tis­che Vorstellung von der Sinnlosigkeit des irdischen Lebens zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman.
  • Der Einzelne richtet in der StĂ€ndege­sellschaft nur wenig aus. Wenn er nicht von hohem gesellschaftlichem Stand ist, sucht er Zuflucht bei einer mĂ€chtigen Person.
  • Der Text ist voller Andeutungen, Symbole und Metaphern, die den Zugang erschweren.
  • Prinz Genji entfaltet bis heute seine Wirkung in der japanischen Kunst, in Romanen, BĂŒchern, Filmen, Mangas und selbst Com­put­er­spie­len.
  • Zitat: „Genji, der Leuchtende 
 Er wusste, dass der TrĂ€ger eines solchen Namens strenger Beurteilung und eifersĂŒchtiger Beobachtung nicht entgehen konnte und dass man seine leichtesten TĂ€ndeleien der Nachwelt ĂŒberliefern werde.“
 

Zusammenfassung

Genji, der Leuchtende

Als die Lieblings­frau des Kaisers dem wunderschönen Knaben Genji das Leben schenkt, macht ihr die Kaiserin Kokiden das Leben am Hof zur Hölle, denn sie bangt um die Stellung ihres eigenen Sohnes. Aus lauter Gram stirbt die Mutter des schönen Jungen. Dieser wĂ€chst bei seiner Großmutter auf und kehrt erst spĂ€ter wieder an den Hof zurĂŒck. Kurz darauf zieht die junge Prinzessin Fujitsubo dort ein, die Genjis ver­stor­bener Mutter gleicht, und zwischen den beiden entwickeln sich zĂ€rtliche Bande. Genji werden die MĂ€nnerweihen verliehen, zeitgleich wird er mit Aoi, der Tochter des Ministers zur Linken, vermĂ€hlt. Mit seinem Freund, dem jungen Stallmeis­ter To no Chujo, der auch sein Schwager ist, ist er einer Meinung: Trotz aller Anstren­gun­gen wĂ€hlt der Mann doch nie die Richtige, sodass die wahre Liebe eine ewig unerfĂŒllte Sehnsucht bleibt.

Geheimnis um einen FĂ€cher

Als Genji in einem Ă€rmlichen Stadtvier­tel weilt, fĂ€llt ihm ein FĂ€cher auf. Hat ihn womöglich eine Frau absichtlich hingelegt? Der Vorfall geht Genji nicht aus dem Kopf und er beauftragt seinen Gefolgsmann Koremitsu, her­auszufinden, wer dahin­ter­steckt. Derweil versucht er, die Eifer­sucht­sanfĂ€lle der Dame Rokujo, seiner Geliebten, einzudĂ€mmen, obwohl er immer weniger Lust verspĂŒrt, ihren Launen nachzugeben. Als sich her­ausstellt, dass die geheimnisvolle EigentĂŒmerin des FĂ€chers von To no Chujos Pagen bedient wird, scheint sich ein RĂ€tsel zu lĂŒften: Womöglich handelt es sich um die Frau, von der To no Chujo einst schwĂ€rmte und mit der er ein Kind hat?

Ein kleines MĂ€dchen

Genji wird krank und sucht einen heiligen Mann auf. Bei ihm trifft er auf eine Nonne und ein hĂŒbsches zehnjĂ€hriges MĂ€dchen namens Murasaki, das verblĂŒffende Ähnlichkeit mit Fujitsubo hat. Es wurde der Nonne in Obhut gegeben, die sich um die Zukunft des MĂ€dchens sorgt. Genji beglĂŒckwĂŒnscht sich zu dieser Entdeckung. Wie oft, seufzt er, findet sich Schönheit völlig unvermutet an verborgener Stelle! Ein Priester erzĂ€hlt ihm von den UnwĂ€gbarkeiten im dies­seit­i­gen Leben und von den Vergel­tun­gen im jenseitigen. Genji wird angesichts seines jetzigen Lebenswan­dels von Gewis­sens­bis­sen geplagt: Welch schreck­liche Strafen werden wohl auf ihn warten? Er erkundigt sich nach dem Kind und erfĂ€hrt, dass es die Tochter des Prinzen Hyobukyo und damit eine Nichte Fujitsubos ist.

Ein frev­el­hafter Akt

Als Genji wieder einmal nach Hause zu seiner Gemahlin, der Prinzessin Aoi, zurĂŒckkehrt, machen sich die beiden gegenseitig schlimme VorwĂŒrfe. Das kleine MĂ€dchen geht Genji nicht mehr aus dem Sinn. Aus­gerech­net jetzt erkrankt Fujitsubo – und Genji wittert seine Chance, ihr nĂ€herzukommen. Fujitsubo ist durchaus bewusst, dass eine Beziehung zu Genji frevelhaft wĂ€re. Sie lehnt zunĂ€chst jegliche Begegnung ab, doch die gegen­seit­ige Anziehung raubt den beiden jede Vorsicht, und sie geben sich einander hin. Umso grĂ¶ĂŸer ist danach die Reue ĂŒber den Fehltritt. Das schlechte Gewissen wirft Fujitsubo erneut aufs Kranken­lager, und – sie ist schwanger.

Ein gefÀhrliches Kind

Als die Nonne, in deren Obhut das MĂ€dchen Murasaki bislang gelebt hat, stirbt, will Genji die Kleine gegen ihren Widerstand unbedingt zu sich nehmen. Da kommt der Vater, Prinz Hyobukyo, zu Besuch, um seine Tochter zu holen. In einer Nacht-und-Nebel-Ak­tion entfĂŒhrt Genji das MĂ€dchen, das sich – sehr zu seiner Freude – rasch an seinem Hof einlebt. Genjis Frau Aoi wird zugetragen, dass jemand heimlich im Palast lebt. Weil sie ihrer Eifersucht kaum freien Lauf lassen kann, wird sie immer unnahbarer. Bald schenkt Fujitsubo einem Jungen namens Ryozen das Leben, doch dessen wahre Herkunft muss fortan wie ein Geheimnis gehĂŒtet werden, denn Fujitsubo ist die Gemahlin des Kaisers. Der Kaiser vergöttert diesen Knaben, die Mutter Fujitsubo aber wird von bösen Vorahnungen heimgesucht. Als der Kaiser die er­staunliche Ähnlichkeit zwischen Genji und dem Kind anspricht, stehen Fujitsubo und Genji ungeheure Ängste aus. Fujitsubo wird zur Kaiserin ernannt und Genji in den Rang des Staatsrats erhoben.

Eine neue Geliebte

Über seinen AmtsgeschĂ€ften muss Genji manche Frau vernachlĂ€ssigen, was sich ins­beson­dere die Dame Rokujo zu Herzen nimmt. Als Rachegeist sucht sie Genjis Gattin Aoi heim, die schwanger ist. Aoi bringt einen Sohn zur Welt, der Yugiri genannt wird, und stirbt kurz darauf. Genji erscheint das Leben wie eine Reihe sinnloser Schick­salss­chlĂ€ge, und er bereut bitterlich das erkaltete VerhĂ€ltnis zu seiner Frau. Dann entsinnt er sich der kleinen Murasaki und ihm fĂ€llt erneut auf, dass sie das Ebenbild jener ist, die er am meisten liebt: Fujitsubo. Das VerhĂ€ltnis zwischen Genji und Murasaki wird inniger, bis er sie eines Nachts zur Frau macht. Erst jetzt informiert er Murasakis Vater Prinz Hyobukyo ĂŒber den Verbleib seiner Tochter.

Schwinden­des GlĂŒck

Als der alte Kaiser stirbt, werden Genji wichtige StaatsgeschĂ€fte anvertraut. Die Re­gentschaft wird vom Minister zur Rechten ĂŒbernommen, einem Mann von schwierigem Charakter. Fujitsubo ahnt, dass sie am Hof unter Kokidens Zepter nicht lĂ€nger geduldet ist, und geht ins Kloster, wodurch sie zugleich Genjis Nach­stel­lun­gen entflieht. UnglĂŒck­licher­weise lĂ€sst sich dieser auf eine AffĂ€re mit Oborozukiyo ein, einer Schwester von Kokiden. Das VerhĂ€ltnis wird aus­gerech­net von deren Vater, dem Minister zur Rechten, entdeckt, der alles seiner Tochter Kokiden erzĂ€hlt. FĂŒr Kokiden ist nun nach dem Tod des Kaisers die Zeit der Rache gekommen. Genjis Stellung am Hof gerĂ€t ins Schwanken, und er geht freiwillig ins Exil.

In der Verbannung

Als eines Nachts ein fĂŒrchter­liches Gewitter seine kleine HĂŒtte heimsucht, sieht Genji im Traum seinen Vater, der ihm rĂ€t, diesen Ort zu verlassen. Prompt besucht ihn der ehemalige Statthalter von Akashi, bringt ihn auf sein Anwesen und bietet ihm sĂ€mtliche An­nehm­lichkeiten. Ganz uneigennĂŒtzig handelt der Mann nicht, denn er möchte Genji mit seiner Tochter zusam­men­brin­gen. Obwohl Genji sich nach Murasaki sehnt, lĂ€sst er sich auf ein VerhĂ€ltnis mit der Dame ein. Am Hof wandelt sich derweil die Stimmung, denn sowohl der neue Kaiser, Fujitsubos Sohn Ryozen, als auch die Witwe des alten Kaisers sind krank. Es werden MĂ€nner gebraucht, denen man StaatsgeschĂ€fte anvertrauen kann, und Genji wird in die Hauptstadt zurĂŒckbeordert. Die Dame aus Akashi bleibt allein zurĂŒck und schenkt Genji eine Tochter, der eine glĂŒckliche Zukunft als Kaiserin vo­raus­ge­sagt wird.

Ve­r­ant­wor­tun­gen

Kurz vor ihrem Tod vertraut die Dame Rokujo ihre Tochter Akikonomu Genji an. Es gelingt ihm, sie bei Hof einzufĂŒhren und sie sogar zur Gemahlin des Kaisers zu machen. Trotz dieses Erfolgs spielt Genji angesichts der WechselfĂ€lle des Lebens immer wieder mit dem Gedanken, sich in die Einsamkeit zurĂŒckzuziehen. Er baut eine Einsiedelei und bittet die Dame aus Akashi, mit ihm zu kommen. Diese aber hat schon zu viel von seinen LiebeshĂ€ndeln gehört und weigert sich zunĂ€chst. Allerdings besitzt die Familie der Dame in der NĂ€he von Genjis Einsiedelei ein GrundstĂŒck – und dorthin will sie ĂŒbersiedeln.

Die AufklÀrung des Kaisers

Nur um der Zukunft des Kindes willen und schweren Herzens gibt die Dame aus Akashi ihre Tochter in Genjis Obhut. Das Kind erobert alsbald Murasakis Herz. Als Fujitsubo stirbt, empfĂ€ngt sie ein letztes Mal ihren Sohn, den Kaiser, der noch immer nichts ĂŒber die wahren HintergrĂŒnde seiner Geburt weiß. Erst der Geistliche, der Fujitsubo bis zuletzt betreut, eröffnet dem jungen Kaiser das Geheimnis seiner Herkunft. Dieser ist erschĂŒttert und möchte am liebsten seinen Titel ablegen. Gern wĂŒrde er mit Genji ĂŒber die Vaterschaft sprechen, doch der weicht immer wieder aus.

Die nÀchste Generation

Yugiri, der Sohn von Genji und Aoi, erhĂ€lt im Alter von zwölf Jahren die Mannesweihe, doch Genji weist ihm nur einen niederen Rang zu, weil er möchte, dass sich sein Sohn Verdienste durch Studien erwirbt. Kumoi, die Tochter von To no Chujo, steht von Kind auf mit Yugiri auf vertrautem Fuß, ihr Vater ist jedoch wegen Yugiris niedrigem Rang gegen diese Verbindung. Yugiri wiederum möchte nur eines: mit Kumoi zusammen sein.

Wiederge­fun­dene Tochter

Tamakatsura, eine Tochter von To no Chujo und Yugao, der Dame mit dem FÀcher, die einst auch Genjis Geliebte war, lebte einige Jahre getrennt von ihren Eltern in einer abgelegenen Provinz und ist inzwischen zu einer schönen Dame herangewach­sen. Nun werden die unzÀhligen Freier immer zu­dringlicher. Tamakatsura flieht heimlich in die Hauptstadt. Dort erfÀhrt sie, dass Yugao schon vor langer Zeit gestorben ist. Genji nimmt Tamakatsura bei sich auf, ja er tÀuscht sogar vor, ihr Vater zu sein.

EntrĂŒsteter Vater

Unter den Freiern, die sich um Tamakatsura scharen, sind auch Tu no Chujos Söhne. Genji versucht, ihr den einen oder anderen Bewerber schmackhaft zu machen, entbrennt aber gle­ichzeitig selbst in heftiger Liebe zu ihr. Als Genji die Heim­lichtuerei nicht mehr lĂ€nger aushĂ€lt, weiht er To no Chujo ein. Dieser ist erschĂŒttert, als er erfĂ€hrt, dass Tamakatsura seine Tochter ist; entrĂŒstet ist er auch ĂŒber das zweifel­hafte Gebaren Genjis, weil er vermuten muss, Tamakatsura sei mit­tler­weile eine heimliche Nebenfrau Genjis. Endlich erhört Tamakatsura das Werben des Prinzen Higekuro und wird schwanger. Die beiden heiraten in großer Heim­lichkeit, was Tamakatsura indes bald bereut.

Böse Rache

To no Chujo ist endlich geneigt, Yugiris Werben um seine Tochter Kumoi nachzugeben. Derweil zieht sich Suzaku, der zwischen dem alten und dem neuen Kaiser selbst fĂŒr kurze Zeit Kaiser war und dann abdankte, in ein Kloster zurĂŒck. Zuvor vertraut er jedoch Genji seine Tochter Nyosan an, die dieser nun ganz zeremoniell heiraten muss. Zwar ertrĂ€gt Murasaki es mit Fassung, als Nyosan als Braut einzieht, doch zum ersten Mal fĂŒhlt sie sich in ihrer Stellung bedroht. Als Genji eines Nachts Murasaki von seinen frĂŒheren Frauen, ins­beson­dere von Rokujo und ihrer krankhaften Eifersucht, erzĂ€hlt, provoziert er damit genau dieselbe GefĂŒhlsregung bei Murasaki: Sie wird von hohem Fieber befallen. Obwohl Genji sich seit Rokujos Tod um deren Tochter Akikonomu gekĂŒmmert hat, sucht sie als Geist seine GefĂ€hrtinnen heim.

Kashiwagi gibt nicht auf

WÀhrend Genji an Murasakis Kranken­lager weilt und Nyosan vernachlÀssigt, kann Kashiwagi, der Àlteste Sohn von To no Chujo, nur an Nyosan denken. Ein VerhÀltnis mit ihr ist jedoch nicht möglich, daher heiratet er ihre Àltere Schwester Ochiba. Dann gesteht Kashiwagi doch Nyosan seine Liebe, sie gibt sich ihm hin und wird schwanger. Bei einem seiner seltenen Besuche bei Nyosan entdeckt Genji einen Brief von Kashiwagi; dieser wiederum erfÀhrt, dass Genji von allem un­ter­richtet ist. Die Gewis­sens­bisse quÀlen Kashiwagi so sehr, dass er krank wird und stirbt. Noch vor seinem Tod vertraut er Yugiri seine Frau Ochiba an.

Ein Kind wird geboren

Nyosan schenkt einem Jungen das Leben. Genji muss vorgeben, der Vater zu sein, was ihm schwerfĂ€llt, zumal er durch dieses Ereignis an sein heimliches VerhĂ€ltnis mit Fujitsubo erinnert wird. Nyosan geht in ein Kloster. Yugiri erhĂ€lt die Flöte seines Freundes Kashiwagi, der ihn nachts im Traum darum bittet, das Instrument dem richtigen Erben zu ĂŒberreichen. Yugiri versucht, den Traum zu entrĂ€tseln, und besucht seinen Vater, doch Genji verrĂ€t nichts.

Murasakis Tod

Yugiri kĂŒmmert sich um die Familie seines ver­stor­be­nen Freundes und verliebt sich in die junge Witwe Ochiba. Ein Geistlicher aber befiehlt der Mutter Ochibas, dieses VerhĂ€ltnis sofort zu beenden, denn die Folgen wĂ€ren fĂŒr alle Beteiligten entsetzlich. Sie schreibt Yugiri einen Brief, der jedoch in Kumois HĂ€nde gerĂ€t. Diese leidet sehr darunter, dass Yugiri in eine andere Frau verliebt ist. Yugiri ertrĂ€gt die Abweisungen Ochibas mit Gleichmut, bis sie ihn nach einer Weile doch noch erhört. Unterdessen stirbt Murasaki, und Genji sieht im Leben keinen Sinn mehr. Er möchte nur noch eines: der Welt entfliehen. Die einzige Hoffnung, die ihn trĂ€gt, ist die Vereinigung mit Murasaki im Jenseits. Er löst seinen Besitz auf, vernichtet alle Briefe und sieht seinem Tod entgegen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der erste Teil der Geschichte vom Prinzen Genji fĂŒhrt in die glĂ€nzende Welt des japanischen Kaiserhofs ein. Die breit angelegten AusfĂŒhrungen, mit denen einerseits realistisch und detailreich Zeremonien, Naturschönheiten, Kleider und sogar Dinge wie Briefpapier und Hand­schriften beschrieben werden, lassen an­der­er­seits die Figuren seltsam steif erscheinen, wenngleich manche EinwĂŒrfe der Autorin dem Ganzen einen munteren Ton verleihen. Stel­len­weise wirken die einzelnen Szenen und Begeben­heiten wie lose aneinan­dergehĂ€ngt; zumindest im ersten Teil scheint es an in­haltlicher KohĂ€renz zu mangeln. Dieser Eindruck schwĂ€cht sich im Lauf des Textes ab. Offenbar hat sich die Autorin beim Schreiben weit­er­en­twick­elt: Intrigen, EnttĂ€uschungen und das Thema Tod rĂŒcken nun in den Vordergrund, Wehmut und Resignation bilden den Grundtenor des zweiten Teils. UnablĂ€ssig ist von der VergĂ€nglichkeit des Lebens die Rede, basierend auf dem bud­dhis­tis­chen Prinzip, wonach die materielle Welt nichts als Illusion ist. Vor diesem Hintergrund gewinnen auch die Figuren ein schĂ€rferes Profil.

Der Text wird von Andeutungen, Symbolen und Metaphern dominiert. Wie im japanischen Theater hat jede Geste, jede Bewegung, ja jeder Schritt eine besondere Bedeutung, die sich dem westlichen Leser nur schwer erschließt. Auch die zahlreichen Wech­selgedichte, die zwischen den Liebenden aus­ge­tauscht werden, verhindern eine zĂŒgige LektĂŒre.

In­ter­pre­ta­tion­sansÀtze

  • Der Roman liefert ein Sittenbild der japanischen StĂ€ndege­sellschaft um das Jahr 1000. Wer keinem gehobenen Stand angehört, ist seinem Schicksal aus­geliefert, es sei denn, jemand wie Genji hĂ€lt seine schĂŒtzende Hand ĂŒber ihn.
  • Das im Roman vielfach the­ma­tisierte bud­dhis­tis­che Prinzip, wonach die materielle Welt nichts ist als eine Illusion, fĂŒhrt letzten Endes zur Verun­sicherung des Individuums und zur Abkehr von der Welt – in vielen FĂ€llen zum RĂŒckzug ins Kloster. Die bud­dhis­tis­che Vorstellung des Karmas geht davon aus, dass sich jede Wirkung auf eine Ursache zurĂŒckfĂŒhren lĂ€sst und dass man fĂŒr alle Missetaten dereinst auf die eine oder andere Weise zur Rechen­schaft gezogen wird.
  • Der Roman hat eine sehr zwiespĂ€ltige Hauptfigur: Man kann Genji als bloßen SchĂŒrzenjĂ€ger sehen – oder aber als idealen Mann von Adel, der in allen KĂŒnsten bewandert ist und sich zum BeschĂŒtzer schwacher Frauen aufwirft. Auch eine psy­chol­o­gis­che Deutung ist möglich: Genji verliert schon frĂŒh seine Mutter, und alle anderen Frauen, ins­beson­dere Fujitsubo, sind lediglich ein Mut­ter­ersatz fĂŒr ihn.
  • Möglicher­weise sind die Frauen­fig­uren im Roman Wider­spieglun­gen der ver­schiede­nen charak­ter­lichen Aspekte und heimlichen WĂŒnsche der Autorin. Sie beschreibt aus weiblicher Perspektive, wie sich die Frauen Genji mehr oder weniger freiwillig unterordnen und sehnsĂŒchtig auf seine Gun­st­bezeu­gun­gen warten.
  • In der Beziehung zwischen Mann und Frau im alten Japan spielte die Ästhetik eine grĂ¶ĂŸere Rolle als die Ethik: Wer keinen Ă€sthetischen Sinn besaß – der sich beispiel­sweise in der Wahl des Brief­pa­piers und in der Handschrift ausdrĂŒckte –, hatte keine Aussicht auf Erfolg in Liebes­din­gen. Wer hier auftrumpfen konnte hingegen umso mehr.

His­torischer Hintergrund

BlĂŒtezeit der ErzĂ€hlkunst

Die Heian-Epoche (794–1192) gilt in vielerlei Hinsicht als eine glanzvolle Ära Japans: Die KĂŒnste en­twick­el­ten sich, und der Buddhismus hielt Einzug in die Gesellschaft. Eine ausgeklĂŒgelte Heirat­spoli­tik trug zum Aufstieg und Machterhalt der Fu­ji­wara-Dy­nas­tie bei. Es galt, möglichst viele der eigenen Töchter mit Kronprinzen oder Kaisern zu vermĂ€hlen und dann Einfluss auf den Schwiegersohn zu nehmen. Die Regierungszeit von Fujiwara no Michinaga gilt als Höhepunkt der Heian-Epoche; er konnte vier seiner Töchter mit Kaisern verheiraten. In dieser Zeit entstand auch die japanische Sil­ben­schrift, was die lit­er­arische Entwicklung förderte. Zuvor war fĂŒr Staats­doku­mente die chinesische Sprache verwendet worden, deren Studium MĂ€nnern vorbehalten blieb.

Polygamie war damals in Japan in den oberen Gesellschaftss­chichten weit verbreitet – und nur dort, denn sie war eine kost­spielige An­gele­gen­heit. Die Hauptfrau musste vom selben gesellschaftlichen Rang sein wie der Mann. Auf einem großen Anwesen begegnete man sich nur unregelmĂ€ĂŸig und oft monatelang gar nicht. Gerade in adligen Kreisen waren die so genannten Hofgeschichten, die um die Beziehung zwischen Mann und Frau kreisen, beliebt und weit verbreitet. Das Grundmuster: Ein Mann besucht eine Frau und kann nicht einmal ihr Gesicht sehen, denn stĂ€ndig sind sie durch einen Wandschirm voneinander getrennt.

Entstehung

Die Heian-Zeit brachte Frauen hervor, die ihre Persönlichkeit entwickeln und ihre kĂŒnstlerische Seite ausleben konnten, da sie zwar am Hof, nicht aber im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses standen. Eine von ihnen war Murasaki Shikibu, aus deren Leben nur wenige verbriefte Einzel­heiten ĂŒberliefert sind. Was sie am Hof erlebte, schrieb sie in einem Tagebuch nieder, das die Jahre 1008 bis 1010 umfasst; dessen Inhalte flossen mit in Die Geschichte vom Prinzen Genji ein.

Auch fand eine Vermengung von frĂŒhbud­dhis­tis­chen Ge­bet­sz­er­e­monien und schaman­is­tis­chen Ritualen – charak­ter­is­tisch fĂŒr die japanische Geisteswelt – Eingang in das Werk. Vermutlich wollte Murasaki Shikibu zunĂ€chst nur kleinere Geschichten schreiben und diese aneinanderhĂ€ngen. Der hohe Bil­dungs­stand der Autorin war damals außergewöhnlich: Im Gegensatz zu fast allen Geschlechtsgenossin­nen jener Zeit schrieb sie auch auf Chinesisch.

Wirkungs­geschichte

Als gebildete Frau war Murasaki Shikibu eine Zielscheibe des Spotts fĂŒr ihre le­ichtlebigeren Zeitgenossin­nen. Ihre her­vor­ra­gen­den Kenntnisse der chi­ne­sis­chen Sprache und Kultur galten gar als Tabubruch. Noch dazu war sie eine – wenn auch stille – Kritikerin der damaligen VerhĂ€ltnisse. Nicht selten klagt ihr Romanheld Genji ĂŒber die Schein­heiligkeit der Höflinge und den Zwang, sich verstellen zu mĂŒssen. Die Beliebtheit der Geschichte vom Prinzen Genji, die in Abschriften in adligen Kreisen kursierte, fĂŒhrte dazu, dass sich immer mehr Frauen ein Beispiel an Murasaki Shikibu nahmen und selbst zu schreiben begannen. WĂ€hrend sich die MĂ€nner der Lyrik in chi­ne­sis­chen Schriftze­ichen widmeten, konnte sich innerhalb der Frauenge­sellschaft, die eine einfache Sil­ben­schrift benutzte, eine regelrechte Ro­mantra­di­tion her­aus­bilden. Das Resultat: ĂŒber 200 Werke allein in der Heian-Pe­ri­ode. Murasakis Genji blieb das wichtigste von ihnen. Stellt man diesen ersten Roman aus der Feder einer Frau der westlichen Literatur gegenĂŒber, wo zur selben Zeit vor allem Mythen weit­erg­ere­icht wurden, in denen Einzelper­so­nen – von Helden einmal abgesehen – keine wichtige Rolle spielten, so ist der Unterschied frappierend.

Die Geschichte vom Prinzen Genji animiert bis heute zu zahllosen Adaptionen. Kozaburo Yoshimura und Kon Ichikawa verfilmten das Werk 1951 und 1966. 1980 erschien die Geschichte als Manga von Yamato Waki unter dem Titel Asakiyumem­ishi. Seit 2005 liegt sie als Videospiel fĂŒr die Playstation 2 vor. Japanische Lit­er­atur­wis­senschaftler sehen das Werk als beispiel­loses Zeugnis des frĂŒhen Buddhismus in Japan und als Aus­gangspunkt der modernen japanischen Literatur. Der japanische Philosoph Daisaku Ikeda verstieg sich sogar zu der Aussage, Prinz Genji sei die Inkarnation eines Bodhisattwa (Er­leuch­tungswe­sen im Buddhismus), weil er als leuchtender Prinz so viel Göttliches ausstrahle. Wenngleich der Stellenwert des Genji in der japanischen Literatur unbe­strit­ten ist, fand der Roman im Westen mit seiner De­tail­freude, den schwer zu entz­if­fer­n­den Kulturcodes und der fehlenden Spannung zwischen den Figuren eine eher kritische Aufnahme.

Über die Autorin

Murasaki Shikibu wird zwischen 970 und 978 in Kyoto geboren. Der wahre Name der Autorin ist nicht bekannt; Murasaki ist ein Spitzname, der ihr wohl in Anlehnung an die Lieblings­frau Genjis in ihrem Roman gegeben wird. Sie stammt aus dem Fu­ji­wara-Clan. Als Kind lernt sie zusammen mit ihrem Bruder die chinesische Schrift lesen und schreiben, was fĂŒr ein MĂ€dchen der damaligen Zeit verpönt ist. Ihre Mutter stirbt vermutlich, als Murasaki noch klein ist. Als ihr Vater in eine abgelegene Provinz versetzt wird, folgt sie ihm zwar, kehrt aber angeblich zwei Jahre spĂ€ter wieder zurĂŒck und heiratet einen Cousin vierten Grades, der 20 Jahre Ă€lter ist als sie, aber als sehr wohlhabend gilt. Drei Jahre spĂ€ter, nach der Geburt einer Tochter, stirbt der Gatte. Murasaki beginnt an dem Roman Genji Monogatari (Die Geschichte vom Prinzen Genji) zu arbeiten. Sie tritt in den Hofdienst der Kaiserin ein – die einzige Möglichkeit, als allein­erziehende Witwe eine gewisse Sicherheit zu haben –, steht aber der Welt des Prunks distanziert gegenĂŒber. Die Entstehung des Werks zieht sich ĂŒber etliche Jahre hin, zumal ihr die Aufgaben im Dienst der Kaiserin nur wenig Freiraum lassen. Dank ihrer Intelligenz und Bildung wird Murasaki die Ehre zuteil, die engste Vertraute und Lehrerin der Kaiserin zu sein. Die Regentin aber ist Ă€ußert sit­ten­streng, und Murasaki sehnt sich nach mehr Freiheit und UnbekĂŒmmertheit. Zudem stellt ihr der Vater der Kaiserin nach und macht ihr das Leben erst recht unertrĂ€glich. Ob sie tatsĂ€chlich die MĂ€tresse jenes Fujiwara Michinaga wird, der gle­ichzeitig auch Großkanzler des Reichs ist, ist nicht bekannt – einige Gedichte und Tage­bucheintrĂ€ge deuten darauf hin. Ihr Tagebuch Murasaki Shikibu Nikki, das ebenfalls veröffentlicht wird, endet 1010, darin erwĂ€hnt sie bereits ihr Buch Genji. 1025 steht sie noch in Diensten der Kaiserin, 1031 fehlt ihr Name auf einer Liste; andere Quellen sprechen davon, dass sie 1014 bereits gestorben sei. WĂ€hrend der Ka­makura-Zeit (1185–1333) wird Murasaki Shikibu als eine der 36 weiblichen Un­sterblichen der Dichtkunst geehrt.