Kosten senken ist nicht alles
Outsourcing steht im Ruf einer Allzweckwaffe, wenn es darum geht, Kosten zu sparen: „Das kann doch jemand anders bestimmt billiger.“ Dieser Ansatz ist nicht falsch – und dennoch führt er geradewegs in eine Sackgasse. Er sorgt dafür, dass zwei Drittel aller Outsourcing-Projekte unbefriedigend verlaufen oder gar komplett scheitern. Unternehmensprozesse können nur dann erfolgreich ausgelagert werden, wenn der Vorgang in eine Strategie eingebunden ist, wenn also hinter diesem Schritt ein tragfähiges Konzept steht, das ebenso durchdacht ist wie beispielsweise Übernahmen und Fusionen. Der Ansatz „Wir müssen Kosten sparen“ reicht als Konzept jedenfalls nicht aus. Es gilt, die gesamte Struktur des eigenen Unternehmens und die Prozesse, die es am Laufen halten, zu hinterfragen. Nur aus diesem Verständnis heraus kann Outsourcing sinnvoll genutzt werden.
„Outsourcing ist womöglich das leistungsfähigste Führungsinstrument überhaupt.“
Das bedeutet zugleich, der Wahrheit ins Auge zu sehen: Outsourcing erzwingt einen Wandel und damit Change-Management. Wer Outsourcing als strategische Option sieht und nutzt, verändert das eigene Unternehmen. Dazu sind Mut, Entschlossenheit und klare strategische Ziele unerlässlich, denn das Auslagern von Prozessen ist ja kein Selbstzweck. Das Ganze passiert in fünf Phasen:
- Aufrichtig analysieren: Was ist nötig, um die angestrebten Unternehmensziele zu erreichen?
- Grenzen ausloten: In welchen Bereichen kommt Outsourcing in Betracht? Ist es überhaupt möglich, partnerschaftlich mit einem Anbieter zusammenzuarbeiten?
- Plan entwerfen: In welchen Bereichen wird konkret mit wem kooperiert?
- Vertrag ausarbeiten: Anzustreben sind Win-win-Situationen durch faire Verträge, die täglich mit Leben gefüllt werden.
- Outsourcing leben: Überprüfen Sie regelmäßig, ob die angestrebten Ziele erreicht werden.
„Strategisches Outsourcing ist kein Instrument für Tollkühne, sondern für Unerschrockene.“
Was lässt sich eigentlich outsourcen? Die Standardantwort lautet: Alles, was nicht zur Kernkompetenz gehört. Aber oft herrschen in den Vorstandsetagen nebulöse Vorstellungen darüber, was wirklich Kernkompetenz ist. Meist sorgen emotionale Vorbehalte dafür, dass über das Auslagern bestimmter Bereiche nicht einmal diskutiert werden kann. Wäre das aber möglich, käme heraus, dass dem Unternehmen außer der Kontrolle über die ausgelagerten Tätigkeiten nichts weggenommen wird. Ohne enge inhaltliche Kooperation mit dem Outsourcing-Anbieter läuft allerdings nichts.
Überall droht Ärger
Wer outsourct, baut im Regelfall Arbeitsplätze ab – und zwar mehr als nur diejenigen, die zum Outsourcing-Partner verschoben werden. Das sorgt garantiert für Ärger mit der Belegschaft, lässt sich aber nicht vermeiden. Es gibt nur eine Möglichkeit, die Wogen nicht allzu hoch schlagen zu lassen: Bitten Sie die betroffene Abteilung, sich dem Wettbewerb mit dem Outsourcing-Anbieter zu stellen. Ist sie besser, wird nicht outgesourct. Für die Unternehmensspitze hat dieses Vorgehen einen klaren Vorteil: Verzicht auf Heimlichtuerei.
„Kontinuität ist bei jeder Outsourcing-Vereinbarung von entscheidender Bedeutung.“
Ärger mit der Belegschaft ist ein Risiko, mit dem jeder Unternehmenslenker leben muss, wenn er sich für Outsourcing entscheidet. Leider ist es nicht das einzige. Behörden können querschießen, und Investoren, Analysten und nicht zuletzt die Medien können das Outsourcing-Projekt als Zeichen der Schwäche deuten.
„Outsourcing bedeutet keine Abgabe von Verantwortung, sondern die Übernahme einer neuen und anspruchsvollen Managementaufgabe.“
Sinnvoll ist es, schon bei Vertragsabschluss das Ende einzukalkulieren, um möglichst ohne Streit auseinanderzugehen. Kritisch ist dabei insbesondere die Frage des geistigen Eigentums: Wem gehören beispielsweise die gemeinsam entwickelten Anwendungen? Das muss in aller Klarheit festgelegt werden. Das betrifft auch Entwicklungen, die nicht abzusehen waren, als der Vertrag unterschrieben wurde. Diese gilt es nachzutragen, sonst droht Ärger.
„Der Vorstand muss die Führung übernehmen und darf keinen Widerstand gegen seine Entscheidung dulden.“
Ärger handelt sich ein Unternehmen möglicherweise auch dann ein, wenn es verschiedene Bereiche an unterschiedliche Anbieter auslagert. Das erhöht natürlich die Komplexität. Das Problem kann entschärft werden, indem Sie einem der Anbieter die Aufgabe übertragen, das Zusammenspiel zu koordinieren. Das kostet natürlich extra.
„Der Drang einer oder beider Seiten, einen unangemessen höheren Nutzen aus dem Outsourcing zu extrahieren, ist meist die Ursache für das Scheitern der Verträge.“
Vor der Wahl des richtigen Anbieters stehen die richtigen Fragen. Sie lauten:
- Ist der Zulieferer mit der Branche, dem Verfahren oder der Dienstleistung vertraut?
- Hat der Zulieferer Erfahrung mit Outsourcing-Partnerschaften?
- Wenn nicht: Hat er überhaupt die notwendigen Kenntnisse und Ressourcen?
- Sind die Kundenreferenzen nachprüfbar?
- Sind alle Kunden auf der Referenzliste aufgeführt? Wenn nicht, warum nicht?
- Besteht die Möglichkeit eines Gesprächs mit einem ehemaligen Kunden?
- Wie transparent sind der Zulieferer und seine Kostenstruktur für Sie?
- Wie geht er mit Gewerkschaften, Investoren, Behörden, Mitarbeitern usw. um?
- Wie will er für Innovationen sorgen?
- Wie ist der Zulieferer auf Probleme (z. B. Imageschaden) vorbereitet?
„Viele CEOs versuchen auch heute noch, Outsourcing-Verhandlungen aufzunehmen, bevor sie genau definiert haben, was sie mit dem Vertragsabschluss eigentlich erreichen wollen.“
Treffen Sie anhand der Antworten eine Vorauswahl und minimieren Sie auf diese Weise das Risiko.
Auf der Suche nach Win-win-Situationen
Wer outsourcen will, braucht einen Partner. Daher sollte der Umgang mit einem Anbieter auch partnerschaftlich sein. Wenn sich eine Seite übervorteilt fühlt, wird es ungemütlich. Man guckt dann auf die Buchstaben des Vertrags, anstatt diesen zum beiderseitigen Vorteil mit Leben zu füllen. Meist wird schon während der Vertragsverhandlungen versucht, die Balance wiederherzustellen – misslingt das, ist es durchaus wahrscheinlich, dass der Vertrag niemals unterschriftsreif wird. Oder im Anschluss folgen endlose Nachverhandlungen. Ein Vertrauensverhältnis kann sich bei solchen Startbedingungen nur schwer entwickeln.
„Im Outsourcing geht es um positive Beziehungen zwischen Menschen.“
Wer Vertrauen aufbauen will, sollte sich – kurz bevor beide Parteien handelseinig sind – zu einem Workshop zusammenfinden, um zu klären, was die beiden Parteien voneinander erwarten und wie sie ihre jeweiligen Aufgaben erledigen wollen. Enthüllt der Workshop extrem divergierende Ansichten, sollte der Vertrag besser ad acta gelegt werden.
„Ein Outsourcing-Anbieter wächst am realen, unmittelbaren Kontakt mit dem eigentlichen Nutzer seiner Serviceleistungen.“
Fairness zahlt sich langfristig aus. Es kann nicht schaden, den Anbietern für den Fall, dass sie die vereinbarten Ziele übertreffen, eine Prämie anzubieten. Kleine Aufmerksamkeiten bewahren die Freundschaft. Dieser Gedanke muss vor allem denjenigen Unternehmen fremd vorkommen, die Outsourcing als reinen Kostensenker missverstehen. Sie weichen der Notwendigkeit aus, strukturell zu denken, zu optimieren – und so dauerhaft und sinnvoll die Kosten zu senken sowie gleichzeitig die Qualität zu erhöhen. Vor dem ersten Gespräch muss im outsourcenden Unternehmen geklärt werden, was die Ziele in Bezug auf die eigenen Produkte oder Dienstleistungen und die eigenen Kunden sind. Erst dann wissen beide Seiten, worüber verhandelt wird.
„Bei der Dienstleistung müssen die Zulieferer flexibel und vom Geist des Gebens und Nehmens beseelt sein.“
In den Verhandlungen gilt: Keine Geheimniskrämerei! Der Partner muss wissen, woran er ist, und braucht tiefen Einblick in alle für ihn relevanten Unternehmensbereiche. Sonst lässt sich weder ein tragfähiges Angebot erstellen, noch kann sich die Partnerschaft zu einer Win-win-Situation entwickeln. Um dorthin zu kommen, bedarf es mehr als eines guten Willens. Die Chemie zwischen den Partnern muss stimmen. Ob sie es tut, zeigt sich in den Verhandlungen. Hier gilt es, die Vereinbarungen so zu treffen, dass sie verständlich und nachvollziehbar sind. Juristendeutsch ist eher hindernd, kontrollierbare Zahlen hingegen sind förderlich.
Den Vertrag mit Leben füllen
Jetzt beginnt das eigentliche Outsourcing. Am besten mit einer klaren Vorstellung von Ausgangs- und Zielpunkt und davon, wie der Weg zum Ziel gestaltet werden soll. Dafür ist ein Projektplan hilfreich. Damit lassen sich Korrekturen vornehmen, falls etwas aus dem Ruder läuft. Zugleich stellt er einen belastbaren Rahmen für die künftige langfristige Zusammenarbeit dar. Dennoch sollten Sie den Vertrag und die erbrachten Leistungen alle zwei, drei Jahre überprüfen.
„Die Realisierung der Nutzen muss stets das beiderseitige Kernziel bleiben.“
Wer im eigenen Unternehmen eine größere Truppe von Mitarbeitern zurückhält, die dasselbe können wie der Outsourcing-Partner, gibt unnötig Geld aus und vermittelt dem Anbieter deutliches Misstrauen. Überdies kommt es in der Praxis regelmäßig zu Funktionsstörungen, weil die Internen den Externen ins Handwerk pfuschen – was die Internen natürlich genau umgekehrt sehen. Sollte versucht werden, den Zulieferer vom Kundenkontakt abzuhalten, kann dieses Abschotten die eigentliche Absicht des Vertrags zum Scheitern bringen. Häufig kommt es auch vor, dass innovative Vorschläge der Externen abgeblockt werden – das stellt sich oft erst heraus, wenn sich die Geschäftsführung über den mangelnden innovativen Input beschwert.
„Outsourcing ist eine Philosophie, die den Weg zu einer logischen und progressiven kontinuierlichen Verbesserung ebnet.“
Sinnvoller ist es, verbliebene Experten als Moderatoren und Kontrolleure zu nutzen. Das bedeutet, sie frühzeitig einzubinden und sie auf ihre künftigen Aufgaben vorzubereiten. Diese Punkte entscheiden häufig über Erfolg oder Misserfolg von Outsourcing-Projekten.
Der Input des Partners
Überlegen Sie in einer Partnerschaft gemeinsam, wie strategische Änderungen, die sich auf die ausgelagerten Leistungen auswirken, umgesetzt werden können. Häufig hat der Zulieferer spezifisches Know-how, das Sie nutzen können. Und: Innovationen senken ja nicht zuletzt die Kosten. Die Zulieferunternehmen sind also gefordert, den Nutzen ihrer Arbeit zu vermitteln. Das stellt deren Chefs vor fünf Herausforderungen:
- Neue Führungsstrukturen: Die Konzernzentrale darf nicht alles allein bestimmen wollen, die Teams vor Ort brauchen Entscheidungsbefugnisse.
- Auf Business Process Outsourcing setzen: Nicht der einzelne Auftrag bringt Gewinn, sondern die Bündelung.
- Den Mittelstand anvisieren: Kleinere und mittlere Unternehmen haben Interesse an standardisierten, weniger aufwändigen Angeboten.
- Märkte beeinflussen: Durch den öffentlichen Schulterschluss mit dem Outsourcing-Auftraggeber wird das Unternehmen positiv wahrgenommen.
- Risiko vertraglich akzeptieren: Zulieferer können einen Teil der inhaltlichen wie finanziellen Folgen regulatorischer Veränderungen auf sich nehmen.
Jedes Unternehmen steht immer wieder vor der Frage: make or buy? Was mache ich selbst, was vergebe ich an andere? Diese Frage ist in der globalisierten Welt, in der wir leben, längst völlig normal. Aber sie ist auch schwierig, denn die Antwort, die gestern richtig war, muss heute nicht mehr stimmen. Unternehmen agieren in einem Netzwerk, und dieses muss gepflegt werden. So eingebunden, können unternehmerische Möglichkeiten neu gedacht und neu umgesetzt werden. Die Folge dieser neuen Reifestufe: ein sich ständig transformierendes Unternehmen mit zufriedenen Partnern – und zufriedenen Kunden.