Klassische Konzepte und neue Ansätze
Erst seit reichlich 20 Jahren geht man intensiver auf die langfristige Ausrichtung des Gesamtunternehmens ein. Vorher wurde die Betriebswirtschaftslehre lediglich mit Hilfe von institutionalen und funktionalen Ansätzen dargestellt. Strategische Konzepte werden bis heute noch mit der gesamten Unternehmensführung gleichgesetzt und operative Elemente weiterhin als Funktionallehren behandelt. Moderne Konzepte wie Lean Management, Change-Management und Balanced Scorecard haben die Ausrichtung vieler Unternehmen jedoch grundlegend geändert. Ob alle neuen Elemente in der Praxis Bestand haben werden, ist fraglich. Einige könnten sich auch als Modeströmung entpuppen. Ein Überblick über die verschiedenen Modelle hilft aber, die Entscheidungen der Unternehmensleitung besser zu verstehen und zu unterstützen, und gibt im Bedarfsfall die Möglichkeit, auf Alternativen zurückzugreifen.
Das Unternehmen als System
Unabhängig vom Wirtschaftssystem ist ein Unternehmen eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit, die mit Produktionsfaktoren nach den Prinzipien der Wirtschaftlichkeit arbeitet und sich mittelfristig im finanziellen Gleichgewicht befinden sollte. Ab einer gewissen Grösse ist es angebracht, dass sich ein Unternehmen in Subsysteme, wie Abteilungen oder Profitcenter, aufgliedert. Die Unternehmensführung dient der Steuerung von Transformations- und Produktionsprozessen sowie der Beeinflussung der Subsysteme. Während mit dem Leistungsprozess die Funktionsbereiche Beschaffung, Produktion und Absatz abgedeckt werden, besteht das Aufgabenfeld des Entscheidungsprozesses aus den Punkten Zielformulierung, Planung, strategische und operative Umsetzung sowie Controlling. Die Ziele eines Unternehmens werden durch die Ziele der jeweils massgeblichen Interessengruppen definiert. Neben den Kapitalgebern sind dies die Mitarbeiter, die Kunden, die Lieferanten und der Staat. Aufgabe der Unternehmensleitung ist es, das daraus resultierende "Oberziel" zu formulieren.
Gut geplant ist halb gewonnen
Um richtige Entscheidungen zu treffen, ist es für ein Unternehmen entscheidend, die Zukunft möglichst exakt vorwegzunehmen. Da dieser Blick in die Zukunft aber immer Unsicherheiten in sich birgt, ist die Planung so zu gestalten, dass auch das Unerwartete bewältigt werden kann. Der erste Schritt des Planungsprozesses ist die Problemformulierung. Bei der folgenden Formulierung von Massnahmen zur Erreichung der Oberziele dürfen alternative Wege nicht aus den Augen verloren werden. Die Entscheidung, welche Massnahmen umgesetzt und wie diese Umsetzung realisiert und durchgesetzt werden soll, bildet den Schlusspunkt dieser Phase.
„Der Erfolg des Unternehmens wird bestimmt durch die Art und Weise, wie sich das System Unternehmen mit den anderen Systemen abstimmt.“
Veränderungen in den wirtschaftlichen, technischen, gesetzlichen oder gesellschaftlichen Vorgaben zu erkennen und das Unternehmen darauf auszurichten, sind die Aufgaben der strategischen Planung. Sie ist auf einen längeren zeitlichen Horizont orientiert und formuliert keine detaillierten Ziele. Eine Zieldefinition bis in alle Einzelheiten täuscht hier eine imaginäre Planungsgenauigkeit vor, die zu gefährlicher Prognosegläubigkeit führen kann. Die Mittelfristplanung legt fest, wie die weit entfernten Ziele erreicht werden sollen. Sie umfasst das Budgetjahr und die folgenden fünf Jahre. Die Unternehmensführung sollte sie jährlich überprüfen, um von früheren Prognosen abweichende Veränderungen zu erfassen und zu analysieren. Der Budgetplan schliesslich ist der konkrete Einjahresplan. Dieser operative Plan ist sehr detailliert und wird oft bis auf Kostenstellenebene durchgeführt. Seine wichtigste Grösse ist die Sicherung der Liquidität. Der Periodenerfolg, d. h. die Differenz zwischen Ertrag und Aufwand, ist gleichfalls von grosser Bedeutung.
Strategische Unternehmensführung
Für eine zuverlässige Planung ist eine fundierte Prognose aller relevanten Faktoren unerlässlich. Basis hierfür ist eine schlüssige Analyse der Gegenwart und der Vergangenheit. Hüten Sie sich aber davor, zu viele Informationen zu sammeln - wesentliche Faktoren werden auf diese Weise oft nicht mehr erkannt, da sie in der Masse untergehen. Nach einer Umwelt- und Unternehmensanalyse können strategische Alternativen identifiziert und beurteilt werden. Aus denen wiederum ist dann die ausgewählte Strategie zu formulieren. Auch wenn das Tagesgeschäft von operativer Hektik geprägt ist und die strategische Planung zudem keine kurzfristig spürbaren Erfolge bringt, darf sie nicht vernachlässigt werden.
„Die Strategie gibt den Aktionsspielraum des Unternehmens vor, ohne damit die Kreativität für neue Ideen einzuschränken.“
Wesentlicher Teil der Strategie ist die Schaffung einer Unternehmensphilosophie und -kultur. In kurzen und motivierenden Perspektiven, die jedem Mitarbeiter allgegenwärtig sind, werden hier prägnante Visionen ausgedrückt. Sie dienen als Leitfaden und als ethische Richtschnur der Unternehmenspolitik.
Operative Unternehmensführung
Die bestmögliche Umsetzung der strategischen Vorgaben in kurzfristige Massnahmen ist das Ziel der operativen Unternehmensführung. Dabei müssen Sie sich davor hüten, alles bis ins Detail festzulegen oder im anderen Extremfall durch eine zu vage Strategieformulierung Orientierungslosigkeit zu erzeugen. Der durch die Strategie vorgegebene Weg wird mit dem operativen Zielsystem in quantifizierbare Etappen aufgeteilt. Die operative Unternehmensführung gliedert sich in die Mitarbeiterführung, die auf einzelne Personen oder Personengruppen einwirken soll, und die sachbezogenen Funktionen, wie Planen, Führen, Organisieren, Kontrollieren und ganz wesentlich: Entscheiden. Gerade wegen der Unsicherheiten der neueren Wirtschaftsgeschichte ist die operative Zielsetzung und Planung eine der wichtigsten Aufgaben der Unternehmensführung.
Kontrolle ist besser
Neben der Kontrolle der Einhaltung der Vorgaben, der Ursachenanalyse bei Abweichungen und der Erarbeitung von Vorschlägen zur Gegensteuerung fallen dem Controlling aber noch weitere wesentliche Aufgaben zu. Es dient der Unternehmensführung zur Informationsbeschaffung und -aufbereitung und unterstützt das Management bei der Zieldefinition und der Erarbeitung von Plänen. Ziel der wertorientierten Unternehmensführung ist die konsequente Ausrichtung an den Anforderungen der wesentlichen Stakeholder, den Aktionären, den Kunden und den Mitarbeitern. Vor allem für global operierende Unternehmen spielen die Renditeanforderungen der Aktionäre eine besondere Rolle. Aber auch um Mitarbeiter stärker zu motivieren, müssen ihre Leistungen gemäss dem Beitrag zur Wertsteigerung honoriert werden.
„Für die Planung als Bestandteil der Unternehmensführung ist es unerlässlich, sich über zukünftige Entwicklungen in der Umwelt und im Unternehmen Gedanken zu machen.“
Die finanziellen Kennzahlen, nach denen die meisten Unternehmen geführt werden, bauen alle auf historischen Werten auf, die oft nicht einmal die für den zukünftigen Erfolg kritischen Werte enthalten. Neue Entwicklungen, strategische Verbindungen oder die Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter lassen sich schwerlich in finanziellen Kennzahlen ausdrücken. Das Balanced-Scorecard-Konzept versucht diese Umweltfaktoren und die Nachteile des traditionellen Rechnungswesens zu berücksichtigen. Ziel dieses Konzeptes ist es, Visionen und Strategien in qualitative und quantitative Ziele und Kennzahlen zu übersetzen.
„Jedes Unternehmen wird sich einen individuellen Instrumenten- und Indikatorenkasten zusammenstellen müssen, der ein frühzeitiges Erkennen von Risiken erlaubt.“
Die Geschwindigkeit, mit der sich die Geschäftsbedingungen eines Unternehmens ändern, nimmt ständig zu - die Zeit, die zum Reagieren auf diese Veränderungen bleibt, wird dagegen immer kürzer. Riskcontrolling und -management ist deshalb notwendig, um die Transparenz für Risiken zu erhöhen und eine schnelle Anpassung zu ermöglichen. Vor allem brancheninterne und Finanzrisiken gilt es im Auge zu behalten. Sie waren zum Grossteil für die spektakulären Konkurse der letzten Jahre verantwortlich.
Das dynamisch geführte Unternehmen
Nur eine flexible Unternehmensführung kann auf die schnellen, stetigen und umfassenden Veränderungen im Umfeld und im Unternehmen selbst reagieren. Dadurch gewinnt Ihre Firma Handlungsspielräume für unvorhersehbare Entwicklungen. Dabei sind so weit wie möglich sowohl die Organisation als auch die Prozesse flexibel zu gestalten. Durch neue Ansätze der Unternehmensführung gelingt es, gewaltige Produktivitätsfortschritte bei steigenden Unternehmensgewinnen und gleichzeitiger Reduzierung der Arbeitskräfte zu erreichen. Das Konzept des Lean Management oder der Lean Production gründet sich auf die Philosophie japanischer Firmen. Vor allem Toyota prägte das Prinzip "Mit weniger mehr erreichen". Mit kürzeren Entwicklungs- und Produktionszeiten, einem höheren Zuliefereranteil, mehr Produktvielfalt und besserer Qualität konnten inzwischen viele Firmen in diesem Bereich gleichziehen. Mittlerweile gibt es reichlich europäische Unternehmen, die "schlanker" sind als japanische.
„Die schnelle Reaktion auf Veränderungen erfordert flexible Mitarbeiter in flexiblen Unternehmen.“
Der Mensch ist von Natur aus träge. Ausgeprägte Hierarchien streben nach Bewahrung - jede Veränderung würde das ausgewogene System nur stören. Aufgabe des Change-Managements ist es, bei den Mitarbeitern die Flexibilität zu schaffen, die das heutige dynamische Umfeld erfordert. Vor allem ist es dabei notwendig, ein "Wollen" bei den Mitarbeitern zu erzeugen, denn nur dann haben sie das entsprechende Selbstvertrauen, um notwendige Veränderungen selbst mitzugestalten und zu tragen.
Neuausrichtung des Unternehmens
Dem gewandelten Umfeld muss sich das dynamische Unternehmen häufiger als in statischen Zeiten anpassen. In der Regel ist dies nicht ohne Mithilfe von Partnern möglich. Wesentlicher treibender Faktor ist dabei die Globalisierung. Die grundsätzliche Eignung eines Unternehmens für eine internationale Strategie ergibt sich dabei aus einer qualitativen Analyse, die sowohl das Unternehmen als auch den angepeilten Markt beleuchtet. Durch den immer schnelleren Austausch von Wissen sind Produktqualitäten auch immer besser und schneller vergleichbar. Da sich die Technologien weltweit rasant anpassen, kann nur noch die Kostendegression den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bieten. Vor diesem Hintergrund kommt dem externen Wachstum durch Unternehmensverbindungen heute eine besondere Bedeutung zu. Fusionen werden dabei nicht als Finanzanlage betrachtet, sondern als Möglichkeit, die eigene strategische Position zu verbessern.
„Internationale Unternehmen erzielen nicht nur durch die Optimierung einzelner Länderengagements Wettbewerbsvorteile. Wichtig ist auch die ganzheitliche weltweite Strategie.“
Zur Anpassung des Unternehmens an das veränderte Umfeld gibt es verschiedene Konzepte. Kernkompetenzen sind die tatsächlichen Fähigkeiten, aus den vorhandenen Ressourcen den entscheidenden unternehmerischen Nutzen zu ziehen. Mit diesem Konzept soll eine schnellere Reaktionsfähigkeit erreicht, Eintrittsbarrieren für Mitbewerber geschaffen und eine interne klare Strategieorientierung vorgegeben werden. Grosse träge Einheiten in kleine reaktionsschnelle Leistungszentren aufzugliedern, ist das Ziel der Dezentralisierung und Centerbildung. Diversifikation schliesslich ist ein Anpassungsprozess, der in Folge verschärfter Wettbewerbsbedingungen zur Ausweitung der unternehmerischen Tätigkeit in neue Aktivitätsfelder zwingt.
Überzeugen mit Qualität
In Abhängigkeit vom Image, der äusseren Gestaltung und vom Preis hat der Kunde eine subjektive Vorstellung über die Qualität eines Produktes. Sie beschränkt sich somit nicht nur auf messbare Werte. Während die Kostenführerschaft und die Qualitätsführerschaft z. T. zwar noch als erfolgversprechende, aber sich gegenseitig ausschliessende Strategien gesehen werden, versucht das Total Quality Management, beides miteinander zu verbinden. Mit dem Grundsatz der Fehlervermeidung werden Nacharbeitungs- und Fehlerkosten vermieden und somit Qualität und Preis positiv beeinflusst.
Prof. Dr. Notger Carl und Prof. Dr. Manfred Kiesel sind Professoren für Unternehmensführung in Würzburg. Beide haben bereits Bücher zu verschiedenen Fragen in diesem Bereich veröffentlicht und waren viele Jahre in den Bereichen Planung und Controlling bei führenden Unternehmen tätig.