Konzernmanagement

Buch Konzernmanagement

Strategien für Mehrwert

Gabler,


Rezension

Braucht es wirklich Konzerne? Ist „Synergie“ nicht nur ein Schlagwort? Kommt ganz auf die Qualität des Konz­ern­man­age­ments an, sagen die Or­gan­i­sa­tion­sspezial­istin­nen Jetta Frost und Michèle Morner. Eigentlich ist es ganz einfach: Ein Konzern hat dann seine Berech­ti­gung, wenn er mehr Wert schafft, als dies seine Töchter auf eigene Faust könnten. Von Fall zu Fall empfehlen die Autorinnen un­ter­schiedliche Strategien, um dieses Ziel zu erreichen. Was all ihre Ansätze gemeinsam haben, ist der Blick auf die Ressourcen, die „Corporate Commons“: Was lässt sich bündeln, teilen oder trans­ferieren? Schade ist, dass das Buch ständig zwischen akademis­cher Abhandlung und handfestem Ratgeber schwankt. Wer Letzteren bevorzugt, wird sich nicht lange mit Be­griffs­de­f­i­n­i­tio­nen aufhalten und stattdessen die Prax­is­beispiele und konkreten Tipps her­aus­picken – die man dank dem übersichtlichen Aufbau immerhin rasch findet. BooksInShort empfiehlt das Buch Studieren­den der Be­trieb­swirtschaft, vor allem aber allen Managern und Controllern, die für die Strategie und Entwicklung ihres Konzerns ve­r­ant­wortlich sind.

Take-aways

  • 90 % der deutschen AGs sind Konzerne oder Teil einer konzernähnlichen Verbindung.
  • Die zentrale Aufgabe des Konz­ern­man­age­ments ist es, Synergien zu schaffen und damit Mehrwert zu generieren.
  • Zen­tral­i­sa­tion erleichtert ein­heitliche Entschei­dun­gen, dafür leidet die Flexibilität der Teilun­ternehmen.
  • Dezentrale Konzerne funk­tion­ieren unbürokratis­cher, dafür haben die Teilun­ternehmen oft weniger Sinn für überge­ord­nete Probleme.
  • Konz­ern­spez­i­fis­che Bündel von Kompetenzen und Ressourcen können entschei­dende Wet­tbe­werb­svorteile ausmachen.
  • Analysieren Sie, welche innovativen Ressourcen sich teilen lassen. Disney z. B. nutzt seine Figuren für Film, Spielzeug, Kleidung usw.
  • Un­ter­schei­den Sie zwischen Pool-, Club- und öffentlichen Ressourcen und regeln Sie deren Nutzung (z. B. mit konz­ern­in­ter­nen Preisen).
  • In­trapre­neur­ship heißt, den internen Markt spielen zu lassen. Die Konz­ern­leitung hält sich so weit wie möglich zurück.
  • Bei der Spezial­isierungsstrate­gie werden funktionale Auf­gaben­bere­iche in Kom­pe­tenzzen­tren zusam­menge­fasst.
  • Syn­ergie­m­an­age­ment heißt, Ressourcenver­wandtschaften auszuloten und zu nutzen.
 

Zusammenfassung

Schaffen Konzerne Mehrwert?

Rund 90 % der deutschen Ak­tienge­sellschaften sind Konzerne oder in konzernähnliche Strukturen eingebunden. Umso berechtigter ist die Frage, ob ein Konz­ern­ver­bund tatsächlich effizienter ist, als seine einzelnen Tochterun­ternehmen es für sich allein wären. „Synergien schaffen“ mag eine inflationär verwendete Parole sein, doch sie benennt tatsächlich die Haup­tauf­gabe des Konz­ern­man­age­ments. Um­gangssprach­lich wird vom „2 + 2 > 4“-Effekt gesprochen: Es geht darum, die Zusam­me­nar­beit der Konzerntöchter derart zu verbessern oder zu in­ten­sivieren, dass sie als Ganzes mehr Wert generieren als ihre einzelnen Be­standteile. Nutzung und Steuerung von Mehrw­ert­strate­gien sind in der Praxis alles andere als einfach. Die entschei­dende Frage lautet: Wo genau stecken die viel beschwore­nen Mehrw­ert­poten­ziale?

Syn­ergiepoten­ziale aufdecken

Unter dem Dach des Konz­ern­ver­bunds profitieren die einzelnen Unternehmen von der Möglichkeit, fir­men­spez­i­fis­che Kompetenz- und Ressourcenbündel entwickeln und anbieten zu können. Das Zusam­men­spiel der einzelnen Tochterun­ternehmen macht den Wert ihrer Di­en­stleis­tun­gen und Produkte aus. Häufig sind derartige Know-how- und Ressource­nansamm­lun­gen die Grundlage von Wet­tbe­werb­svorteilen. Um sie zu nutzen, muss das Konz­ern­man­age­ment seinen Blick nicht nur auf die rein or­gan­isatorischen Her­aus­forderun­gen richten, sondern vor allem auf die vorhandenen Ressourcen.

„Konz­ernzen­tralen können Wert schaffen, viel häufiger jedoch vernichten sie Wert.“

Kollektive und öffentlich nutzbare Ressourcen („Corporate Commons“) sind die wichtigste Quelle von Mehrw­ert­poten­zialen. Bereits vor über zwei Jahrhun­derten prägten Wirtschaftsökonomen das Prinzip der „un­sicht­baren Hand“ des freien Marktes, dem zufolge ein Ressource­naus­tausch automatisch zum Besten der Beteiligten über die Bühne gehe. Heute sieht man das dif­feren­zierter, um nicht zu sagen anders: Eine „sichtbare Hand“ – nämlich die des Konz­ern­man­age­ments – sorgt dafür, dass innovative Ressourcen und Kompetenzen gebündelt werden. Darin besteht der wesentliche Mehrwert er­fol­gre­icher Konzerne.

Schützen Sie Ihre Ressourcen

Analysieren Sie Ihre Ressourcen genau – vom Realkapital über das Hu­mankap­i­tal bis hin zum or­gan­isatorischen Kapital. Gibt es z. B. wichtige Know-how-Träger, die das Unternehmen verlassen und zur Konkurrenz wechseln könnten? Welche Ressourcen sind nicht handel- und auch nicht ver­schieb­bar? Äußerst schwer oder überhaupt nicht imitieren lassen sich Ressourcen, die in der Un­ternehmen­shis­to­rie selbst begründet sind, etwa eine über Jahre aufgebaute Un­ternehmen­skul­tur oder maßgeschnei­derte Mi­tar­beit­er­aus­bil­dun­gen. Hier lohnen sich In­vesti­tio­nen. Je leichter eine Ressource jedoch ersetzbar ist, desto schwieriger ist es, sich mit ihrer Hilfe einen Wet­tbe­werb­svorteil zu verschaffen.

Zen­tral­isierung oder Autonomie?

Wenn es um die Auf­gaben­verteilung und die Gewährung von Entschei­dungs­befug­nis­sen innerhalb des Konzerns geht, schwankt das Management oft hin und her: Mehr Zen­tral­isierung? Oder doch mehr Autonomie für die einzelnen Konzerntöchter? Die Vorteile der Zen­tral­isierung: Entschei­dun­gen fallen kon­sis­ten­ter aus, und auch überge­ord­nete Belange werden berücksichtigt. Die Nachteile: Es kann sein, dass sich die Zentrale überlastet oder dass sich einzelne Konz­ern­teile übergangen fühlen und die Motivation der dort Beschäftigten leidet.

„Ein Konzern schafft dann Mehrwert, wenn die beiden Dimensionen Einfluss der Leitung und Ver­wandtschaft der Teilein­heiten aufeinander abgestimmt werden.“

Auch für die Dezen­tral­i­sa­tion gibt es Pro und Contra: Positiv ist, dass durch sie Entschei­dung­sprozesse verkürzt werden, dass mit unnötiger Bürokratie aufgeräumt wird, dass das Un­ternehmer­tum gefördert wird und dass dank lokal verankertem Wissen flexibel auf Marktveränderungen reagiert werden kann. Die Kehrseite: Es kann sein, dass konz­ern­weite Ressourcen- und Mark­t­poten­ziale nur ungenügend oder gar nicht ausgeschöpft werden. Oft denken einzelne Einheiten nur noch an sich und entwickeln kein Bewusstsein für überge­ord­nete Probleme des Konzerns.

Das Beispiel HP

Um die richtige Balance zwischen Zen­tral­i­sa­tion und Dezen­tral­i­sa­tion zu halten, müssen Sie sich die Autonomie- und Ab­stim­mungskosten vor Augen halten. Ein Prax­is­beispiel, aus dem man wegen seiner jahrzehn­te­lan­gen bewegten Geschichte sehr gut lernen kann, ist der weltweit tätige IT-Konzern Hewlett-Packard, der seit seiner Gründung 1939 mehrmals die gesamte Or­gan­i­sa­tion re­struk­turi­erte. Stets ging es dabei um die Frage nach mehr Zen­tral­isierung oder mehr Autonomie. Im Lauf der Jahre zeigte sich immer wieder aufs Neue, dass weder eine zen­tral­isierte noch eine dezen­tral­isierte Struktur per se richtig oder falsch war – stattdessen muss die Konz­ern­struk­tur laufend überprüft und an aktuelle An­forderun­gen angepasst werden.

„Die gemeinsame Erzeugung, Teilung und Nutzung der Ressourcenba­sis ist der Schlüssel zur Re­al­isierung des Mehrw­ert­poten­zials. Die Konz­ern­mut­ter hält ihn in der Hand.“

HP-Chef Mark Hurd, der 2005 ins Amt kam, versuchte es mit einer „Re-Fusion“: Er hob die Ma­trixor­gan­i­sa­tion seiner Vorgängerin Carly Fiorina wieder auf, entflocht einzelne Einheiten und sorgte dafür, dass jeder Bereich alle Kompetenzen hatte, die er brauchte, um seine Geschäfte eigen­ver­ant­wortlich zu führen. Gle­ichzeitig setzte er einen Vorstand ein, der die Ver­trieb­sorgan­i­sa­tion ko­or­dinieren und ein­heitliche Ansprech­part­ner für die Kunden schaffen sollte. Hurds Vision: HP als Anbieter maßgeschnei­derter Gesamt­sys­temlösungen zu etablieren.

Ver­schiedene Mehrw­ert­di­men­sio­nen

Es gibt grundsätzlich zwei Dimensionen, in denen ein Konzern Mehrwert schaffen kann: Entweder ist das Mehrw­ert­poten­zial im Einfluss der Konz­ern­leitung auf die Teilein­heiten zu suchen (or­gan­isatorische Dimension) oder aber in einer Ver­wandtschaft zwischen den Teilein­heiten (Ressourcendi­men­sion). Der bekannte Luxusgüterkonzern Gucci ist das Beispiel für ein Unternehmen mit hohem Pla­nung­se­in­fluss. Die Konz­ern­leitung übt eine starke Kontrolle über ihre Tochter­fir­men Yves Saint Laurent, Stella McCartney u. a. aus. Das Gegenteil ist bei der britischen Virgin Group der Fall, deren Töchter aus ganz ver­schiede­nen Branchen wie Mobilfunk, Tourismus oder Musik kommen und außer dem gemeinsamen Markennamen keiner erkennbaren Einwirkung der Konz­ern­mut­ter unterliegen. Ein gutes Beispiel für Ressourcenver­wandtschaft ist der Dis­ney-Konz­ern: Die einmal en­twick­el­ten Film- oder Comic­fig­uren können auch im Vertrieb von Kleidung, Spielzeug und dergleichen verwendet werden.

Drei Mehrw­ert­strate­gien

Je nachdem, in welcher Dimension das Konz­ern­man­age­ment tätig werden will, sind ver­schiedene Mehrw­ert­strate­gien angezeigt. Drei der wichtigsten sind: In­trapre­neur­ship, Spezial­isierung und Syn­ergie­m­an­age­ment.

  • In­trapre­neur­ship: Hier wird versucht, den Einfluss der Konz­ern­leitung zu minimieren, weshalb man auch von einer Strategie des internen Markts spricht. Mehrwert entsteht durch die Summe der Einzel­w­ert­beiträge; die Konz­ern­mut­ter beschränkt sich auf die finanzielle Kontrolle, oblig­a­torische Man­age­men­tauf­gaben und mögliche Verbesserun­gen innerhalb ihrer Tochterge­sellschaften.
  • Spezial­isierung: Hier geht es um eine Konzen­tra­tion funk­tionaler Auf­gaben­bere­iche in Form von Shared-Ser­vice- oder Kom­pe­tenzzen­tren. Die Konz­ern­leitung übt eine strate­gis­che Kontrolle aus und ermöglicht ihren Teilein­heiten die gemeinsame Nutzung von Ressourcen. Mehrwert entsteht durch Größen-, Verbund- und Trans­fer­ef­fekte. Beispiele dafür sind das gemeinsame Filialnetz der Deutschen Post oder die Plat­tform­strate­gien der meisten Autobauer: Ver­schiedene Modelle teilen sich dieselben Komponenten.
  • Syn­ergie­m­an­age­ment: Durch die Zusam­me­nar­beit der Teilein­heiten kann Mehrwert in Form von Ko­op­er­a­tionsef­fek­ten generiert werden, die im besten Falle su­per­ad­di­tiv sind, d. h. die Summe ist größer als ihre Be­standteile. Dazu muss die Konz­ern­leitung strategisch planen, zusätzliche Man­age­men­tauf­gaben übernehmen und Ressourcenver­wandtschaften ausloten. Ein er­fol­gre­iches Beispiel einer die Teilein­heiten übergreifenden, ko­or­dinierten Syn­ergies­trate­gie ist der US-amerikanis­che IT- und Be­ratungskonz­ern IBM.

Kollek­tivres­sourcen steuern

Dass die komplette Belegschaft geschlossen an einem Strang zieht, nur weil Sie als Konz­ern­man­ager eine bestimmte Strategie ausgeben, sollten Sie besser nicht erwarten. Stattdessen müssen Sie sich mit dem sozialen Dilemma befassen, dass in­di­vidu­elle Rationalität nicht automatisch zu kollektiver Rationalität führen muss. Anders ausgedrückt: Wo immer es um öffentlich verfügbare Ressourcen geht, werden Sie das „Trit­tbret­tfahrerprob­lem“ in den Griff kriegen müssen. Trit­tbret­tfahrer sind entweder Drückeberger, die nichts zum Gesamtergeb­nis beitragen, oder Individuen, die mehr konsumieren, als ihnen eigentlich zustünde. Dieses Problem kennen Sie von einzelnen Mi­tar­beit­ern, aber es gilt genauso auf Konz­ernebene, d. h. unter den einzelnen Teilun­ternehmen. Sorgen Sie für klare Verhältnisse, indem Sie Ihre Konz­ern­res­sourcen in öffentliche Ressourcen sowie Pool- und Club- Ressourcen aufteilen und entsprechende Nutzungs­be­din­gun­gen festlegen:

  • Pool­res­sourcen: Dabei kann es sich z. B. um Per­sonal­dien­stleis­tun­gen oder IT-Services handeln, die gemeinsam genutzt werden können. Hier besteht sowohl das Problem einer möglichen Übernutzung als auch jenes, dass man Teilein­heiten kaum vom Gebrauch ausschließen kann. Die Konz­ern­leitung kann dem nur durch die Festlegung von Ver­rech­nung­spreisen ent­ge­gen­wirken. Aber Achtung: Wenn der Preis als zu hoch wahrgenom­men wird, kann eine durch die Pre­is­fest­set­zung auferlegte Zu­gangs­beschränkung eine ansonsten mögliche Übernutzung der Pool­res­source in eine Un­ter­nutzung umkehren, was sicher nicht erwünscht ist.
  • Clu­bres­sourcen: Dazu zählen etwa Fachken­nt­nisse, erworbene Best Practices oder ganze Teams oder Stäbe. Auch hier kann es Probleme geben. So ist z. B. eine „Out­put­steuerung“ durch Anweisungen und Verord­nun­gen der Konz­ern­leitung nicht möglich, da Ex­per­ten­teams nicht gezwungen werden können, ihr Fachwissen wirklich weit­erzugeben.
  • Öffentliche Ressourcen: Hier sind Nutzungsre­strik­tio­nen nicht möglich. Typische Beispiele sind über Jahre hinweg aufgebaute Beziehungen zu In­ter­es­sen­grup­pen oder die erworbene Konz­ern­rep­u­ta­tion. Der Nutzerkreis ist weder genau iden­ti­fizier­bar noch eingrenzbar, woraus sich Konflikte zwischen in­di­vidu­ellen und kollektiven Interessen ergeben können. In diesem Fall hilft nur die Überzeu­gungsar­beit des Konz­ern­man­age­ments, das die nach­ge­ord­neten Einheiten zu einem gemeinsamen Handeln bewegen muss, sodass schließlich jede Einheit einen Beitrag zum Kollek­tivgut leistet.

Über die Autorinnen

Prof. Dr. Jetta Frost hat den Lehrstuhl für Or­gan­i­sa­tion und Un­ternehmensführung an der Universität Hamburg inne. Prof. Dr. Michèle Morner ist Inhaberin des Rein­hard-Mohn-Sti­fungslehrstuhls für Un­ternehmensführung, Wirtschaft­sethik und Gesellschaftlichen Wandel an der Universität Witten/Herdecke.