Kostenbewusstes Konstruieren

Buch Kostenbewusstes Konstruieren

Praxisbewährte Methoden und Informationssysteme für den Konstruktionsprozess

Springer,


Rezension

Jan O. Fischer stellt in seinem Buch Kosten­be­wusstes Kon­stru­ieren mehrere Ansätze vor, wie sich die Kosten eines Produkts bereits während der Planung und Kon­struk­tion ermitteln und bee­in­flussen lassen. Vom Tar­get-Cost­ing über die Wertanalyse und den Rel­a­tivkosten-Ansatz bis zum Vari­anten­man­age­ment: Die Darstel­lun­gen sind ausführlich, nachvol­lziehbar und mit Prax­is­beispie­len illustriert, und die Gegenüberstellung einzelner Ansätze fördert Ungeahntes zutage. So zeigt sich z. B., dass die Liste der Schwach­stellen von Tar­get-Cost­ing und Wertanalyse nicht kürzer ist als die ihrer Vorteile. Schade ist, dass der Autor sich alle Mühe zu geben scheint, möglichst umständlich zu formulieren. Alles in allem handelt es sich aber um ein lohnenswertes Buch für Pro­duk­ten­twick­ler, Kon­struk­teure und Entschei­dungsträger in Pro­duk­tion­sun­ternehmen, die in puncto Kon­struk­tion und Kosten­man­age­ment auf dem neuesten Stand sein wollen, meint BooksInShort.

Take-aways

  • Über Erfolg oder Misserfolg eines Produkts entscheidet bereits die Planungs- und Kon­struk­tion­sphase.
  • Be­trieb­swirtschaftliche Con­trol­ling-Meth­o­den haben noch nicht überall Einzug gehalten.
  • In jeder Phase des Kon­struk­tion­sprozesses lässt sich auf die spätere Kosten­struk­tur Einfluss nehmen.
  • Die Kosten­rech­nung stellt In­for­ma­tio­nen über das be­triebliche Geschehen bereit und liefert Steuerungsmöglichkeiten.
  • Ziel des Tar­get-Cost­ing ist es, die Kosten eines Produkts während seines gesamten Leben­szyk­lus so gering wie möglich zu halten.
  • Tar­get-Cost­ing hat Nachteile: Die Ermittlung von angestrebten Mark­t­preisen, künftigen Rohstoff­preisen und Kosten-Nutzen-Verhältnissen ist schwierig.
  • Die Wertanalyse sucht die gewinnträchtigste Lösung, nicht die kostengünstigste. Je früher Sie sie durchführen, desto besser.
  • Wenn es schnell gehen muss, ist der Rel­a­tivkosten-Ansatz das Mittel der Wahl.
  • Eine Steigerung von Transparenz und Genauigkeit erreichen Sie, indem Sie mehrere Verfahren miteinander verknüpfen.
  • Unterschätzen Sie nicht die Kosten, die mit Vari­anten­vielfalt einhergehen. Denken Sie über Baureihen- oder Baukas­ten­sys­teme nach.
 

Zusammenfassung

Kon­struk­tion und Kosten

Die heutigen En­twick­lungs- und Pro­duk­tion­szyklen zeichnen sich durch permanenten Kostendruck aus. Erfolg oder Misserfolg werden einem Produkt schon auf den Weg gegeben, wenn es noch in den Kinder­schuhen steckt. Kon­struk­tion und Kosten­man­age­ment sind zwei Seiten derselben Medaille. Dennoch: Be­trieb­swirtschaftliche Methoden, die Kostensenkungspoten­ziale voll auszuschöpfen helfen, haben noch längst nicht überall Einzug gehalten.

Die Grundlagen des Kon­stru­ierens

Kon­stru­ieren umfasst alle Tätigkeiten, bei denen In­for­ma­tio­nen erarbeitet werden, die zur Herstellung und Nutzung eines Produkts nötig sind. Aus­gangs­ba­sis jeder Kon­struk­tion sind die Ziele des Herstellers. Ergänzende oder gar neue An­forderun­gen an das Produkt können jedoch auch im fort­laufenden Kon­struk­tion­sprozess noch auftauchen.

„Das Ausmaß, in dem die Kon­struk­tion die Kosten eines Produktes bestimmt, übertrifft das der nachge­lagerten Stellen im Pro­duk­tentste­hung­sprozess deutlich.“

Bei der Lösungssuche un­ter­schei­det man zwischen zwei Methoden: der intuitiven und der diskursiven. Ein Beispiel für eine intuitive Kreativitätstechnik ist etwa Brain­storm­ing: Es findet innerhalb einer fachübergreifenden und von einem Moderator geleiteten Ar­beits­gruppe statt, generiert Lösungsvorschläge und entwickelt sie weiter. Diskursive Lösungen dagegen erfolgen in einzelnen, klar benennbaren Schritten, z. B. mithilfe von Kon­struk­tion­skat­a­lo­gen und Teillösungen.

Die vier Phasen des Kon­struk­tion­sprozesses

In der ersten Phase konkretisiert der Auf­tragge­ber die Auf­gaben­stel­lung in Form eines Las­ten­heftes. Es enthält die An­forderun­gen an das Produkt. Daraus folgt das Pflicht­en­heft, das die Haupt­funk­tio­nen zur Erfüllung der An­forderun­gen darlegt. In dieser Phase sollten Sie bereits auf eine in­ter­diszi­plinäre Ar­beits­gruppe Wert legen, um das Know-how ver­schiedener Disziplinen zusammenzuführen. Am Ende dieser ersten Kon­struk­tion­sphase steht die An­forderungsliste, die sowohl Muss- als auch Sollte-Forderun­gen enthält: Nicht alle Wünsche des Auf­tragge­bers lassen sich auch tatsächlich un­ter­brin­gen, erst recht nicht unter Kosten­gesicht­spunk­ten.

„Ein Kerngedanke des kosten­be­wussten Kon­stru­ierens ist es, das Wissen über Kosten­zusam­menhänge in die Kon­struk­tion von Erzeug­nis­sen einfließen zu lassen.“

Sowohl die anschließende Konzip­ierungs- als auch die En­twurf­sphase erarbeiten Al­ter­na­tiven und vergleichen diese. Manchmal lassen sich geschickt Teillösungen anderer Vorschläge oder bereits vorhandener Kon­struk­tio­nen verwenden. Ist all das geschafft, so müssen noch die Her­stel­lungs- und Montagemöglichkeiten, die Beschaf­fen­heit von Einzel­teilen, Transport, Wartung etc. durchdacht werden.

„Die vollständige Bearbeitung mancher Wer­t­analyse-Ar­beitss­chritte setzt In­for­ma­tio­nen voraus, die endgültig erst nach Abschluss nach­fol­gen­der Schritte vorliegen.“

Die vier Phasen lassen sich in der Praxis nicht klar voneinander trennen. Sie stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Vielfach wird es deshalb nötig sein, zwischen einzelnen Phasen hin- und herzus­prin­gen.

Die Grundlagen der Kosten­rech­nung

Die Kosten­rech­nung stellt In­for­ma­tio­nen über das be­triebliche Geschehen bereit und liefert Steuerungsmöglichkeiten. Die Aufgaben der Kosten­rech­nung – ein Teilgebiet des Rech­nungswe­sens des Un­ternehmens – sind vielfältig:

  • Abbildung und Doku­men­ta­tion: Kosten und Erlöse werden erfasst und bestimmten Produkten oder auch Abteilungen zugeordnet.
  • Bere­it­stel­lung von In­for­ma­tio­nen zur Planung des Be­trieb­sprozesses: Dies ermöglicht Entschei­dun­gen über Absatz-, Pro­duk­tions- oder Beschaf­fung­spro­gramme, aber auch die Preis­gestal­tung von Gütern und Di­en­stleis­tun­gen.
  • Bere­it­stel­lung von In­for­ma­tio­nen zur Kontrolle von Be­trieb­sprozessen: Damit können Fragen beantwortet werden wie z. B. „Wie wirtschaftlich ist ein Produkt?“, „Welche Verbesserungsmöglichkeiten gibt es?“ etc.
  • Steuerung des Verhaltens von Entschei­dungsträgern und Mi­tar­beit­ern: Die Kosten­rech­nung sollte Vorgaben über Erlös- und Kostenziele liefern und diese kon­trol­lieren.
  • Bewertung von Erzeug­nis­sen: Sie ist für die Erstellung des Jahresab­schlusses er­forder­lich.
„Die Folgen zusätzlicher Varianten werden vielfach unterschätzt und oft lediglich in der Notwendigkeit gesehen, in Kon­struk­tion und Ar­beitsvor­bere­itung zusätzliche Zeichnungen und Stücklisten zu verwalten.“

Kosten können nach mehreren Prinzipien den ver­schiede­nen Kosten­stellen und -trägern zugeordnet werden: nach dem Verur­sachung­sprinzip (die Erstellung des Produkts ist überhaupt Vo­raus­set­zung für die Koste­nentste­hung), nach dem Durch­schnittsprinzip (die Kosten werden durch­schnit­tlich und pro­por­tional zu Bezugsgrößen verrechnet) oder nach dem Tragfähigkeit­sprinzip (die Kosten werden am Absatzpreis oder Stück­deck­ungs­beitrag aus­gerichtet).

Tar­get-Cost­ing

Das Haupt­merk­mal des Tar­get-Cost­ing ist, dass bei der Entwicklung und Einführung neuer Produkte deren Zielkosten im Blick behalten werden. Op­ti­maler­weise werden die Kosten eines Produkts während seines gesamten Leben­szyk­lus reduziert. Fehler bei der Entwicklung, etwa eine Überladung des Produkts mit unerwünschten oder zu teuren Zusatz­funk­tio­nen, sind zu vermeiden. Die vier Hauptschritte des Tar­get-Cost­ing sind die Erstellung eines Pro­duk­t­plans, die Zielkostenbes­tim­mung (z. B. durch Ausrichtung am erzielbaren Marktpreis oder an den Kosten bzw. Preisen eines Wet­tbe­wer­bers), die Zielkostenspal­tung (Welche Pro­duk­t­funk­tio­nen verursachen welche Kosten?) und schließlich das gle­ichzeit­ige Erreichen von Zielkosten und Zielqualität. Erstere müssen nötigenfalls in mehreren Prozess­durchläufen erzwungen werden, indem die Zielkostenspal­tung nach und nach Ist und Soll gegeneinan­der abwägt. Hierbei stehen erneut zu aufwändige Funk­tion­san­forderun­gen auf der Ab­schus­sliste. Ist das Produkt erst einmal am Markt eingeführt, lassen sich natürlich immer noch mittels Lern- und Er­fahrungskur­ven­ef­fek­ten Op­ti­mierun­gen be­w­erk­stel­li­gen.

„Die Kosten für die Pro­duk­ten­twick­lung betragen un­ter­schiedlichen Studien zufolge durch­schnit­tlich etwa 10 % der Gesamtkosten eines Un­ternehmens des Maschi­nen­baus.“

Die Realität hält für das Tar­get-Cost­ing einige handfeste Schwierigkeiten bereit. Die of­fen­sichtlich­ste ist die Daten­er­mit­tlung. Der angestrebte Marktpreis vor allem bei Neuen­twick­lun­gen lässt sich häufig nur vage ausfindig machen, ebenso die künftige Preisen­twick­lung der verwendeten Werkstoffe. Auch die Spaltung der Zielkosten im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse ist nicht frei von Widersprüchen: Die Annahme eines pro­por­tionalen Verhältnisses zwischen Nutzen und Kosten einer Funktion besteht in der Praxis oftmals so nicht. Diesen Schwach­stellen zum Trotz ist das Tar­get-Cost­ing in der Praxis eine wertvolle Hilfe bei einer ziel­gerichteten Pro­duk­ten­twick­lung.

Wertanalyse

Mit der Wertanalyse sollen die Kosten der Funktionen eines Produkts möglichst reduziert werden – soweit das ohne Beeinträchtigung der Qualität machbar ist. Statistiken belegen erzielbare Her­stel­lungskostensenkun­gen zwischen 5 und 75 %. Gesucht ist die gewinnträchtigste Lösung, nicht die kostengünstigste. Die Grundlage für diese Zielfor­mulierung ist eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Funk­tion­serfüllung und Funk­tion­skosten. Das Denken in Funktionen ist somit eines der wesentlichen Merkmale der Wertanalyse. Der mögliche Einfluss auf ein Produkt ist natürlicher­weise dann am größten, wenn es sich erst in der En­twick­lungsphase und noch nicht in der Herstellung befindet: je früher, desto besser!

„Das oberste Ziel des Vari­anten­man­age­ments muss es sein, unnötige Varianten möglichst schon vor ihrer Entstehung zu verhindern.“

Die spürbarsten Vorteile der Wertanalyse sind ihre enge Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen und die Abkopplung der Funktionen von den Möglichkeiten ihrer technischen Re­al­isierung, was zunächst große Lösungsspielräume zulässt. Prob­lema­tisch sind dagegen die Zuordnung von Kosten zu einzelnen Funktionen oder die Fest­stel­lung, ob und wie relevant einzelne Kosten tatsächlich sind. Nicht zuletzt ist es häufig kaum möglich, Annahmen über die Kosten von Funktionen zu treffen, deren technische Machbarkeit noch nicht einmal geprüft wurde.

Der Rel­a­tivkosten-Ansatz

Hier werden mithilfe bereits vorhandener Vergleichs- oder Bezug­sob­jekte Kosten­zusam­menhänge ermittelt, die es bei der Produktion zu berücksichtigen gilt. Der Kon­struk­teur kann sich so eine Vorstellung davon machen, welche Funk­tion­san­forderung unter sonst gleichen Parametern ein Produkt in welcher Größenordnung teurer oder günstiger werden lässt. Kosten­erspar­nisse zwischen 3 und 30 % sind möglich, wobei der erste Wert eher dem Durch­schnitt entspricht und der zweite einzelfall­be­zo­gen ist.

„Er­fol­gre­iche Unternehmen haben im Vergleich zu weniger er­fol­gre­ichen Unternehmen ca. 40 % weniger Produkte, etwa 75 % weniger Baugruppen und fast 80 % weniger Bauteile.“

Rel­a­tivkosten spielen eine wichtige Rolle bei Kleinserien, also wenn es schnell gehen muss und viele iterative Durchläufe wie in den anderen Verfahren weder terminlich noch wirtschaftlich möglich sind. Allerdings lassen sich mit dem Rel­a­tivkosten-Ansatz keine exakten Pro­duk­tion­skosten­prog­nosen erzielen. Möglich ist aber die Auswahl der günstigsten unter den technisch re­al­isier­baren Al­ter­na­tiven.

Kon­struk­tions­be­glei­t­ende Kalkulation

Dieser Ansatz geht über die kon­ven­tionelle Vorkalku­la­tion hinaus, indem er in ver­schiede­nen Phasen des Kon­struk­tion­sprozesses Kostenkalku­la­tio­nen vorsieht und dabei jeweils auf aktuelle In­for­ma­tio­nen zurückgreift. Sie können die Kosten einzelner Produkte oder ganzer Baugruppen z. B. von Fachleuten auf Basis ihrer Erfahrungen schätzen lassen. Das geschieht zumindest teilweise intuitiv und ist für Dritte schwer nachzu­vol­lziehen. Wenden Sie die Expertenschätzung darum nur auf diejenigen Objekte an, die einen nicht zu großen Einfluss auf die Gesamtkosten haben – für alle anderen sollten Sie doch die genaueren, wenngleich aufwändigeren Kalku­la­tion­s­meth­o­den einsetzen.

„Die Genauigkeit der Ange­bot­skalku­la­tion hat wesentlichen Einfluss auf die Verkauf­schan­cen und den wirtschaftlichen Erfolg eines Kun­de­nauf­trags.“

Häufig ist eine Kombination ver­schiedener Verfahren ratsam, sodass Transparenz und Genauigkeit in der Summe größer sind als bei einem Einzelver­fahren.

Vari­anten­man­age­ment

Ein Problem, das viele pro­duzierende Unternehmen unterschätzen, ist die Vielzahl von Pro­duk­t­vari­anten, speziell im Maschinen- und Anlagenbau. Einer der Gründe für diese Vielfalt ist der erhöhte Wettbewerb im Zuge der Glob­al­isierung. Zugleich sind die Kenntnisse über die Vari­antenkosten vielerorts un­ter­en­twick­elt. Indirekte Kos­ten­treiber wie die Pflege zusätzlicher Stammdaten, höhere Lagerbestände, zusätzlicher Werkzeugbe­darf, Mehraufwand für Ver­trieb­ss­chu­lun­gen und die anspruchsvollere Ausbildung des Kun­den­di­en­stes sind nur einige Beispiele.

„Bei Einsatz der Wertanalyse besteht auch bei voller Ausschöpfung ihrer Potenziale keine Gewähr für die wirkliche Optimierung der Pro­duk­t­gestal­tung.“

Un­ter­suchun­gen belegen, dass er­fol­gre­iche Unternehmen tendenziell weniger Bauteile und Baugruppen verwenden. Sinnvoll sind Baureihen oder, noch besser, Baukas­ten­sys­teme. Auch beides gle­ichzeitig kann von Vorteil sein: So haben Sie in Ihren Produkten quan­ti­ta­tive und qualitative Abstufungsmöglichkeiten. Der Teile­vielfalt, so sie denn schon einmal vorhanden ist, können Sie allerdings auch mit einfacheren Mitteln begegnen: Legen Sie eine de­tail­lierte Sach­merk­malliste mit möglichst exakten Merk­malausprägungen an – die hilft Ihnen, wenn Sie beim nächsten Mal in Ihrem Betrieb ein Teil neu kon­stru­ieren sollen, das Sie womöglich schon in ähnlicher Form irgendwo im Lager haben.

Über den Autor

Jan O. Fischer ist Inhaber der Gesellschaft für kostenori­en­tierte Pro­duk­ten­twick­lung (GKP). Neben ihrer in­dus­triellen Tätigkeit beteiligt sich die GKP an universitären Forschung­spro­jek­ten, beispiel­sweise an der Technischen Universität Chemnitz, am Fraunhofer Institut in Berlin und an der Technischen Universität Berlin.