Konstruktion und Kosten
Die heutigen Entwicklungs- und Produktionszyklen zeichnen sich durch permanenten Kostendruck aus. Erfolg oder Misserfolg werden einem Produkt schon auf den Weg gegeben, wenn es noch in den Kinderschuhen steckt. Konstruktion und Kostenmanagement sind zwei Seiten derselben Medaille. Dennoch: Betriebswirtschaftliche Methoden, die Kostensenkungspotenziale voll auszuschöpfen helfen, haben noch längst nicht überall Einzug gehalten.
Die Grundlagen des Konstruierens
Konstruieren umfasst alle Tätigkeiten, bei denen Informationen erarbeitet werden, die zur Herstellung und Nutzung eines Produkts nötig sind. Ausgangsbasis jeder Konstruktion sind die Ziele des Herstellers. Ergänzende oder gar neue Anforderungen an das Produkt können jedoch auch im fortlaufenden Konstruktionsprozess noch auftauchen.
„Das Ausmaß, in dem die Konstruktion die Kosten eines Produktes bestimmt, übertrifft das der nachgelagerten Stellen im Produktentstehungsprozess deutlich.“
Bei der Lösungssuche unterscheidet man zwischen zwei Methoden: der intuitiven und der diskursiven. Ein Beispiel für eine intuitive Kreativitätstechnik ist etwa Brainstorming: Es findet innerhalb einer fachübergreifenden und von einem Moderator geleiteten Arbeitsgruppe statt, generiert Lösungsvorschläge und entwickelt sie weiter. Diskursive Lösungen dagegen erfolgen in einzelnen, klar benennbaren Schritten, z. B. mithilfe von Konstruktionskatalogen und Teillösungen.
Die vier Phasen des Konstruktionsprozesses
In der ersten Phase konkretisiert der Auftraggeber die Aufgabenstellung in Form eines Lastenheftes. Es enthält die Anforderungen an das Produkt. Daraus folgt das Pflichtenheft, das die Hauptfunktionen zur Erfüllung der Anforderungen darlegt. In dieser Phase sollten Sie bereits auf eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe Wert legen, um das Know-how verschiedener Disziplinen zusammenzuführen. Am Ende dieser ersten Konstruktionsphase steht die Anforderungsliste, die sowohl Muss- als auch Sollte-Forderungen enthält: Nicht alle Wünsche des Auftraggebers lassen sich auch tatsächlich unterbringen, erst recht nicht unter Kostengesichtspunkten.
„Ein Kerngedanke des kostenbewussten Konstruierens ist es, das Wissen über Kostenzusammenhänge in die Konstruktion von Erzeugnissen einfließen zu lassen.“
Sowohl die anschließende Konzipierungs- als auch die Entwurfsphase erarbeiten Alternativen und vergleichen diese. Manchmal lassen sich geschickt Teillösungen anderer Vorschläge oder bereits vorhandener Konstruktionen verwenden. Ist all das geschafft, so müssen noch die Herstellungs- und Montagemöglichkeiten, die Beschaffenheit von Einzelteilen, Transport, Wartung etc. durchdacht werden.
„Die vollständige Bearbeitung mancher Wertanalyse-Arbeitsschritte setzt Informationen voraus, die endgültig erst nach Abschluss nachfolgender Schritte vorliegen.“
Die vier Phasen lassen sich in der Praxis nicht klar voneinander trennen. Sie stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Vielfach wird es deshalb nötig sein, zwischen einzelnen Phasen hin- und herzuspringen.
Die Grundlagen der Kostenrechnung
Die Kostenrechnung stellt Informationen über das betriebliche Geschehen bereit und liefert Steuerungsmöglichkeiten. Die Aufgaben der Kostenrechnung – ein Teilgebiet des Rechnungswesens des Unternehmens – sind vielfältig:
- Abbildung und Dokumentation: Kosten und Erlöse werden erfasst und bestimmten Produkten oder auch Abteilungen zugeordnet.
- Bereitstellung von Informationen zur Planung des Betriebsprozesses: Dies ermöglicht Entscheidungen über Absatz-, Produktions- oder Beschaffungsprogramme, aber auch die Preisgestaltung von Gütern und Dienstleistungen.
- Bereitstellung von Informationen zur Kontrolle von Betriebsprozessen: Damit können Fragen beantwortet werden wie z. B. „Wie wirtschaftlich ist ein Produkt?“, „Welche Verbesserungsmöglichkeiten gibt es?“ etc.
- Steuerung des Verhaltens von Entscheidungsträgern und Mitarbeitern: Die Kostenrechnung sollte Vorgaben über Erlös- und Kostenziele liefern und diese kontrollieren.
- Bewertung von Erzeugnissen: Sie ist für die Erstellung des Jahresabschlusses erforderlich.
„Die Folgen zusätzlicher Varianten werden vielfach unterschätzt und oft lediglich in der Notwendigkeit gesehen, in Konstruktion und Arbeitsvorbereitung zusätzliche Zeichnungen und Stücklisten zu verwalten.“
Kosten können nach mehreren Prinzipien den verschiedenen Kostenstellen und -trägern zugeordnet werden: nach dem Verursachungsprinzip (die Erstellung des Produkts ist überhaupt Voraussetzung für die Kostenentstehung), nach dem Durchschnittsprinzip (die Kosten werden durchschnittlich und proportional zu Bezugsgrößen verrechnet) oder nach dem Tragfähigkeitsprinzip (die Kosten werden am Absatzpreis oder Stückdeckungsbeitrag ausgerichtet).
Target-Costing
Das Hauptmerkmal des Target-Costing ist, dass bei der Entwicklung und Einführung neuer Produkte deren Zielkosten im Blick behalten werden. Optimalerweise werden die Kosten eines Produkts während seines gesamten Lebenszyklus reduziert. Fehler bei der Entwicklung, etwa eine Überladung des Produkts mit unerwünschten oder zu teuren Zusatzfunktionen, sind zu vermeiden. Die vier Hauptschritte des Target-Costing sind die Erstellung eines Produktplans, die Zielkostenbestimmung (z. B. durch Ausrichtung am erzielbaren Marktpreis oder an den Kosten bzw. Preisen eines Wettbewerbers), die Zielkostenspaltung (Welche Produktfunktionen verursachen welche Kosten?) und schließlich das gleichzeitige Erreichen von Zielkosten und Zielqualität. Erstere müssen nötigenfalls in mehreren Prozessdurchläufen erzwungen werden, indem die Zielkostenspaltung nach und nach Ist und Soll gegeneinander abwägt. Hierbei stehen erneut zu aufwändige Funktionsanforderungen auf der Abschussliste. Ist das Produkt erst einmal am Markt eingeführt, lassen sich natürlich immer noch mittels Lern- und Erfahrungskurveneffekten Optimierungen bewerkstelligen.
„Die Kosten für die Produktentwicklung betragen unterschiedlichen Studien zufolge durchschnittlich etwa 10 % der Gesamtkosten eines Unternehmens des Maschinenbaus.“
Die Realität hält für das Target-Costing einige handfeste Schwierigkeiten bereit. Die offensichtlichste ist die Datenermittlung. Der angestrebte Marktpreis vor allem bei Neuentwicklungen lässt sich häufig nur vage ausfindig machen, ebenso die künftige Preisentwicklung der verwendeten Werkstoffe. Auch die Spaltung der Zielkosten im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse ist nicht frei von Widersprüchen: Die Annahme eines proportionalen Verhältnisses zwischen Nutzen und Kosten einer Funktion besteht in der Praxis oftmals so nicht. Diesen Schwachstellen zum Trotz ist das Target-Costing in der Praxis eine wertvolle Hilfe bei einer zielgerichteten Produktentwicklung.
Wertanalyse
Mit der Wertanalyse sollen die Kosten der Funktionen eines Produkts möglichst reduziert werden – soweit das ohne Beeinträchtigung der Qualität machbar ist. Statistiken belegen erzielbare Herstellungskostensenkungen zwischen 5 und 75 %. Gesucht ist die gewinnträchtigste Lösung, nicht die kostengünstigste. Die Grundlage für diese Zielformulierung ist eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Funktionserfüllung und Funktionskosten. Das Denken in Funktionen ist somit eines der wesentlichen Merkmale der Wertanalyse. Der mögliche Einfluss auf ein Produkt ist natürlicherweise dann am größten, wenn es sich erst in der Entwicklungsphase und noch nicht in der Herstellung befindet: je früher, desto besser!
„Das oberste Ziel des Variantenmanagements muss es sein, unnötige Varianten möglichst schon vor ihrer Entstehung zu verhindern.“
Die spürbarsten Vorteile der Wertanalyse sind ihre enge Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen und die Abkopplung der Funktionen von den Möglichkeiten ihrer technischen Realisierung, was zunächst große Lösungsspielräume zulässt. Problematisch sind dagegen die Zuordnung von Kosten zu einzelnen Funktionen oder die Feststellung, ob und wie relevant einzelne Kosten tatsächlich sind. Nicht zuletzt ist es häufig kaum möglich, Annahmen über die Kosten von Funktionen zu treffen, deren technische Machbarkeit noch nicht einmal geprüft wurde.
Der Relativkosten-Ansatz
Hier werden mithilfe bereits vorhandener Vergleichs- oder Bezugsobjekte Kostenzusammenhänge ermittelt, die es bei der Produktion zu berücksichtigen gilt. Der Konstrukteur kann sich so eine Vorstellung davon machen, welche Funktionsanforderung unter sonst gleichen Parametern ein Produkt in welcher Größenordnung teurer oder günstiger werden lässt. Kostenersparnisse zwischen 3 und 30 % sind möglich, wobei der erste Wert eher dem Durchschnitt entspricht und der zweite einzelfallbezogen ist.
„Erfolgreiche Unternehmen haben im Vergleich zu weniger erfolgreichen Unternehmen ca. 40 % weniger Produkte, etwa 75 % weniger Baugruppen und fast 80 % weniger Bauteile.“
Relativkosten spielen eine wichtige Rolle bei Kleinserien, also wenn es schnell gehen muss und viele iterative Durchläufe wie in den anderen Verfahren weder terminlich noch wirtschaftlich möglich sind. Allerdings lassen sich mit dem Relativkosten-Ansatz keine exakten Produktionskostenprognosen erzielen. Möglich ist aber die Auswahl der günstigsten unter den technisch realisierbaren Alternativen.
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
Dieser Ansatz geht über die konventionelle Vorkalkulation hinaus, indem er in verschiedenen Phasen des Konstruktionsprozesses Kostenkalkulationen vorsieht und dabei jeweils auf aktuelle Informationen zurückgreift. Sie können die Kosten einzelner Produkte oder ganzer Baugruppen z. B. von Fachleuten auf Basis ihrer Erfahrungen schätzen lassen. Das geschieht zumindest teilweise intuitiv und ist für Dritte schwer nachzuvollziehen. Wenden Sie die Expertenschätzung darum nur auf diejenigen Objekte an, die einen nicht zu großen Einfluss auf die Gesamtkosten haben – für alle anderen sollten Sie doch die genaueren, wenngleich aufwändigeren Kalkulationsmethoden einsetzen.
„Die Genauigkeit der Angebotskalkulation hat wesentlichen Einfluss auf die Verkaufschancen und den wirtschaftlichen Erfolg eines Kundenauftrags.“
Häufig ist eine Kombination verschiedener Verfahren ratsam, sodass Transparenz und Genauigkeit in der Summe größer sind als bei einem Einzelverfahren.
Variantenmanagement
Ein Problem, das viele produzierende Unternehmen unterschätzen, ist die Vielzahl von Produktvarianten, speziell im Maschinen- und Anlagenbau. Einer der Gründe für diese Vielfalt ist der erhöhte Wettbewerb im Zuge der Globalisierung. Zugleich sind die Kenntnisse über die Variantenkosten vielerorts unterentwickelt. Indirekte Kostentreiber wie die Pflege zusätzlicher Stammdaten, höhere Lagerbestände, zusätzlicher Werkzeugbedarf, Mehraufwand für Vertriebsschulungen und die anspruchsvollere Ausbildung des Kundendienstes sind nur einige Beispiele.
„Bei Einsatz der Wertanalyse besteht auch bei voller Ausschöpfung ihrer Potenziale keine Gewähr für die wirkliche Optimierung der Produktgestaltung.“
Untersuchungen belegen, dass erfolgreiche Unternehmen tendenziell weniger Bauteile und Baugruppen verwenden. Sinnvoll sind Baureihen oder, noch besser, Baukastensysteme. Auch beides gleichzeitig kann von Vorteil sein: So haben Sie in Ihren Produkten quantitative und qualitative Abstufungsmöglichkeiten. Der Teilevielfalt, so sie denn schon einmal vorhanden ist, können Sie allerdings auch mit einfacheren Mitteln begegnen: Legen Sie eine detaillierte Sachmerkmalliste mit möglichst exakten Merkmalausprägungen an – die hilft Ihnen, wenn Sie beim nächsten Mal in Ihrem Betrieb ein Teil neu konstruieren sollen, das Sie womöglich schon in ähnlicher Form irgendwo im Lager haben.