Visionen für Fusionen

Buch Visionen für Fusionen

1 + 1 = ? Ein Prozessbegleiter

A & O des Wissens,


Rezension

Dieser Prozess­be­gleiter zeigt in ver­schiede­nen Artikeln zum Thema "Fusionen" die Schwierigkeiten und Chancen auf, die sich bei Zusam­men­schlüssen ver­schiedener Unternehmen ergeben. Die einzelnen Autoren weisen, obgleich sie teilweise recht un­ter­schiedliche Ansätze behandeln, doch einstimmig auf die Notwendigkeit hin, im Fu­sion­sprozess mehr auf die men­schlichen Aspekte zu achten, um das Vertrauen der Menschen zu erlangen, um die es bei einer Fusion im Grunde genommen geht. Zu einzelnen Themen werden Checklisten und Fra­genkat­a­loge angeboten, anhand derer jeder an einem Fu­sion­sprozess Beteiligte her­aus­finden kann, ob er wirklich seinen bestmöglichen Beitrag zum Gelingen eines Zusam­men­schlusses leistet. Weiterführende Lit­er­aturhin­weise runden die teilweise sehr kritisch geschriebe­nen Artikel ab. BooksInShort.​com empfiehlt dieses Buch allen Managern, die sich kurz- oder längerfristig auf einen Fu­sion­sprozess in ihrem Unternehmen vorbereiten müssen oder möchten.

Take-aways

  • Arbeiten Sie klare Konzepte für die einzelnen Phasen der Fusion aus.
  • Fu­sion­ierende Unternehmen müssen eine neue, eigene Un­ternehmen­skul­tur aufbauen, nicht nur die alten zusammenführen.
  • Offenheit und Ehrlichkeit sind von entschei­den­der Bedeutung, um sowohl bei den Mi­tar­beit­ern als auch bei den Kunden Vertrauen aufzubauen.
  • Mehr Fokus auf die weichen Faktoren!
  • Leader übernehmen Vor­bild­funk­tion und leben die neuen Ideen und Ziele vor.
  • Rituale übernehmen im Fu­sion­sprozess eine zentrale Rolle. Durch sie können die Mitarbeiter sich von alten Ideen lösen und werden offen für eine neue Un­ternehmen­skul­tur.
  • Neue Denkansätze sind angebracht, da das Vertrauen in die Fusionen von Unternehmen in den letzten Jahren arg erschüttert wurde.
  • Erkennen Sie die Chancen einer Fusion und lassen Sie sich nicht von deren neuen Ansätzen verun­sich­ern.
  • Gehen Sie offen auf die neuen Partner zu, informieren Sie sich über deren Bedürfnisse und bauen Sie so an einer gemeinsamen Zukunft.
  • Informieren Sie: so schnell, so persönlich und so umfassend wie möglich.
 

Zusammenfassung

1 + 1 = ? Wenn zwei Unternehmen miteinander fusionieren, ist es nicht automatisch so, dass 1 + 1 = 3 ergibt. In der Ver­gan­gen­heit hat sich oft gezeigt, dass diese Formel so nicht allgemein gültig ist und eher durch 1 + 1 = ? ersetzt werden muss. Un­sicher­heit, Ak­tienen­twick­lung, Ar­beit­slosigkeit und v. a. enttäuschte Erwartungen an die Chancen einer Fusion haben den eigentlichen Fu­sion­sprozess in Frage gestellt und müssen neu überdacht werden. Fusionen werden angestrebt, um einerseits neue Märkte aufzubauen, um an­der­er­seits vorhandene Märkte neu aufzuteilen. Neben den Faktoren, die oft zur Aufhebung einer Fusion führen, zur Verun­sicherung und Vorsicht, bieten sich dennoch reelle Möglichkeiten, in einem Fu­sion­sprozess neue Denkansätze zu entwickeln und die bestehende Un­ternehmen­skul­tur der fu­sion­ieren­den Unternehmen komplett neu zu gestalten, um eben am Ende dann für alle Beteiligten ein gewinnbrin­gen­des Ergebnis präsentieren zu können.

Klare Konzepte

Direkt nach der Entschei­dung, eine Fusion durchzuführen, beginnt deren schwerstes Kapitel. Konzepte müssen entworfen werden, die klar Ziele und den Gegenstand des neu entste­hen­den Un­ternehmens definieren. Ein konkreter Zeitplan muss erstellt und vorgestellt werden und neben aller Planung darf v. a. der Faktor Mensch, also die Mitarbeiter der fu­sion­ieren­den Unternehmen, nicht vernachlässigt werden. Während früher eher das Konzept der Di­ver­si­fizierung als Ziel verfolgt wurde, gilt heute "big is beautiful": der Zusam­men­schluss wichtiger und grosser Konzerne, um auf dem Weltmarkt eine Vor­ma­cht­stel­lung zu erlangen. Obwohl dies dem Kunden bzw. dem Ak­tien­an­leger gegenüber ein gewisses Vertrauen schafft, wurden jedoch in den letzten Jahren die sozialen Faktoren, die aus einer Grossfusion erwachsen, oft ausser Acht gelassen und werden heute quasi wieder­ent­deckt, um die Fusionen langfristig auch erfolgreich für alle Beteiligten gestalten zu können.

Die Bedeutung der weichen Faktoren

Vielfach spielen v. a. Tempo und Aktien eine Rolle. Sollte nicht stattdessen vielleicht eher eine gesellschaftliche Ve­r­ant­wor­tung gefragt sein, die sich um die Belange der Menschen kümmert, um die es in einer Fusion doch im Grunde genommen eigentlich geht? Es gibt den entschei­den­den Faktor "Un­ternehmen­skul­tur", der nach der Fusion zweier Unternehmen erst einmal neu definiert werden muss. Dabei sind die of­fen­sichtlichen Gründe, die zu dem Zusam­men­schluss führen, meist einfach und klar zu erkennen, während die so genannten "weichen Faktoren", wie Kun­de­nori­en­tierung, Kreativität, Be­trieb­sklima, Beziehung der Mitarbeiter un­tere­inan­der usw., verstärkt beachtet werden müssten. Es empfiehlt sich, bestimmte Rituale während der eigentlichen Fu­sion­sphase einzuhalten, um den Mi­tar­beit­ern die Möglichkeit zu geben, sich mit der neuen Situation anzufre­un­den und am Ende das Beste daraus zu machen. Besonders dem "übernommenen" Unternehmen muss eine Trauerphase zugestanden werden, in der die Mitarbeiter lernen, sich von der Kultur des alten Un­ternehmens zu lösen und offen auf das nun neu entstehende zugehen zu können.

„Fusionen brauchen Leader mit Fähigkeiten zur Mul­ti­kul­tur­alität, zur Pluralität, zur Mehrstim­migkeit statt zum Kanon. Denn in komplexen Zeiten gibt es keine einfachen Antworten mehr.“

Es geht nicht darum, in einem neu entste­hen­den Unternehmen lediglich alle Abläufe der ehemaligen zu uni­formieren, vielmehr sollten die Mitarbeiter von den Ve­r­ant­wortlichen dahin gehend motiviert werden, eine ganz neue, eigene Un­ternehmen­skul­tur für das neue Unternehmen zu entwickeln. Respekt für die Leistungen der anderen Kollegen im Team gehören ebenfalls dazu, so wie auch der Lernprozess, dass Differenzen und zwangsläufige Un­sicher­heiten im Fu­sion­sprozess eher kreativ und als Chance wahrzunehmen sind. Nur dann, wenn die Mitarbeiter nämlich bereit sind, Veränderung als etwas Positives zu begreifen, können ihr Wissen und ihre Erfahrung auch konstruktiv in den Prozess mit eingebaut werden.

„Wenn Mitarbeiter zu lange in Un­sicher­heiten belassen werden, ver­schwinden die poten­ziellen Vorteile rasch.“

Die Mitarbeiter können anhand von com­puterun­terstützten Programmen selber her­aus­finden, wo denn nun die tatsächlichen Un­ter­schiede zu den ihnen bekannten Elementen der Un­ternehmen­skul­tur liegen, und so das Potenzial für die Veränderung selber erkennen und damit direkt einen Teil der Ve­r­ant­wor­tung für die Schaffung des Neuen annehmen. Sie sollten top-down, d. h. jeweils persönlich von ihren direkten Vorge­set­zten möglichst unverzüglich in die einzelnen Phasen der Fusion eingeführt werden, um Un­sicher­heiten so im Vorfeld schon weitmöglichst zu vermeiden. Eine Fusion sollte für alle Beteiligten gewinnbrin­gend sein. Wichtigste Empfehlung ist also, Beziehung­sprob­leme, z. B. kulturelle Beson­der­heiten, grundsätzlich von den reinen Sach­prob­le­men zu trennen. Kom­mu­nika­tion muss offen, ehrlich und fair gestaltet werden. Es geht weniger darum, den anderen zu übervorteilen, als vielmehr darum, gemeinsam nach neuen Lösungsansätzen zu suchen, die dann ein gemeinsames Wachstum in Zukunft ermöglichen. "Vertrauen aufbauen" sollte ein wichtiges Thema sein, denn schliesslich zieht man ja an einem Strang. Wichtig ist auch ein Eingehen auf die Bedürfnisse des neuen Partners, evtl. unter Zuhil­fe­nahme eines in­terkul­turell arbeitenden Mediators, der sowohl eine erklärende als auch eine ver­mit­tel­nde Rolle übernehmen kann. Dies empfiehlt sich besonders, wenn die Fusion zwischen Unternehmen un­ter­schiedlicher Länder geplant ist.

Die Aufgaben der Leader

Nur wenn in dieser wichtigen Phase des gegen­seit­i­gen Ken­nen­ler­nens wirklich klar her­aus­gear­beitet wird, welches die Hoffnungen und Erwartungen aller Beteiligten sind, kann eine Fusion langfristig für beide Seiten be­friedi­gend gestaltet werden. Hier sind Leader gefordert, die die Ver­schieden­heit der fu­sion­ieren­den Unternehmen erkennen und zulassen können. Sie müssen die Rituale wie Ab­schieds­feste vom alten Unternehmen, persönliche Nachrichtenübermittlung, Umgang mit den Ängsten vor der Übernahme usw. mit einbeziehen, um das Alte gebührend abzuschliessen und damit Raum für neue Ideen zu schaffen. Die Leader müssen dabei diese Rituale vorleben, vorschlagen und zulassen. Gehen Sie dabei sensibel mit den Gefühlen der jeweiligen Mitarbeiter um. Für viele ist das Unternehmen ein Bestandteil ihres Lebens. Wenn Veränderungen anstehen, benötigen sie Zeit, sich damit auseinander zu setzen, und Ehrlichkeit, um sich nicht hin­ter­gan­gen zu fühlen.

„Es musste nur sichergestellt werden, dass dieses über die Jahre ange­sam­melte Know-how im Fu­sion­sprozess nicht verloren ging und zusammen mit dem Know-how des Fu­sion­spart­ners in konkrete Massnahmen umgesetzt werden konnte.“

Im Fu­sion­sprozess ist es wichtig, das kreative Kapital, das die alten Mitarbeiter mit in das neu entstehende Unternehmen einbringen, auszuschöpfen. Wir erreichen dies nur darüber, dass die Mitarbeiter uns vertrauen, an das Unternehmen glauben und so den Kopf frei haben, um all ihre Kräfte für die Innovation einzusetzen. Man bezeichnet diese Art der Un­ternehmen­skul­tur als "Corporate Con­scious­ness", die gefördert und ins­beson­dere von den Leadern vorgelebt und aufgezeigt werden muss. Da die Unternehmen an der Börse nicht mehr nur wie früher nach ihren sach­be­zo­ge­nen Werten beurteilt werden, sondern mehr und mehr nach ihrem innovativen Potenzial, wird deutlich, wie wichtig es ist, die Mitarbeiter nicht als einfach zu ersetzende Einheit zu betrachten, sondern sie mit in den prinzip­iellen Faktoren des Un­ternehmens im Fu­sion­sprozess einzugliedern. Das Know-how, die Qual­i­fika­tio­nen, Profil und geistiges Eigentum der Mitarbeiter hat ja let­zt­dendlich das Unternehmen zu dem gemacht, was es für eine Fusion interessant werden lässt. Kümmern wir uns also darum, dass uns diese Mitarbeiter erhalten bleiben und wir gemeinsam an einer er­fol­gver­sprechen­den Zukunft für das neue Unternehmen arbeiten. Reagieren Sie als Leader schnell: Informieren Sie Ihre Mitarbeiter innerhalb von 48 Stunden nach einer offiziellen Fusionsankündigung persönlich. Entscheiden Sie die Besetzung von Schlüssel­po­si­tio­nen frühzeitig und beziehen sie die Ideen und Vorschläge der Mitarbeiter in die Erstellung des Leitbildes für das neue Unternehmen mit ein. Erstellen Sie einen Aktionsplan, um für alle evtl. auftre­tenden Fragen schon vorab Lösungsvorschläge zur Hand zu haben.

Öffentlichkeit

Auch diese will so schnell und umfassend wie möglich über eine anstehende Fusion informiert werden. Einigen Sie sich vorher mit Ihren Mi­tar­beit­ern über die Sprachregelung, die für alle Beteiligten verbindlich gehandhabt werden muss, um Un­sicher­heiten und Fehlin­for­ma­tio­nen zu vermeiden. Bereiten Sie diese vor der ersten öffentlichen Ankündigung vor. Stellen Sie entsprechende Me­di­en­map­pen zusammen und üben Sie die Reaktionen auf auf­tauchende Fragen. Der Zeitpunkt einer Fusionsankündigung ist gle­ichzustellen mit dem Zeitpunkt des Beginns einer allgemeinen Verun­sicherung. Bleiben Sie präzise, offen und glaubhaft, und Sie schaffen die Ver­trauens­ba­sis, die Sie jetzt benötigen. Corporate Design und Corporate Identity sollten im Moment der Ankündigung bereits entwickelt sein, um sich als neues Unternehmen erfolgreich darzustellen.

Die Position des Einkaufs

Wichtige Schnittstelle in vielen Unternehmen ist die Rolle des Einkaufs und der Einkäufer. Hier entstehen besonders viele Un­sicher­heiten, da oft fälschlicher­weise davon ausgegangen wird, dass diese Posten ja leicht umzube­set­zen sind. Ehemalige Konkur­renten werden plötzlich zu Partnern und müssen diese Tatsache zunächst einmal verdauen. Auch hier sind Ehrlichkeit und Klarheit gefragt: Sprechen Sie eventuelle Un­stim­migkeiten oder ungeklärte Sachver­halte offen an und zeigen so, dass Sie als Einkäufer daran in­ter­essiert sind, an der Neugestal­tung des Un­ternehmens mitzuwirken. Dabei müssen Sie auch intensiv mit Ihren alten Lieferanten kom­mu­nizieren, denn selbst wenn die Produkte u. U. sogar dieselben bleiben, werden Sie jetzt von einem neuen Unternehmen bestellt, und das höchst­wahrschein­lich zu neuen Konditionen. Überfordern Sie keine langjährig gewachsenen zwis­chen­men­schlichen Beziehungen durch Überraschung, sondern binden Sie diese so wichtigen Partner direkt in den Fu­sion­sprozess mit ein. Sprechen Sie offen über die Beweggründe und stellen Sie klar heraus, was Sie jetzt erwarten.

Alte Kunden = neue Kunden?

Auch die Kunden sind verun­sichert und wissen oft nicht, wie sie sich gegenüber dem neuen Riesen verhalten sollen. Hier wird besonders deutlich, wie sich Menschen oft bar jeder Vernunft auf die Seite des angeblich "schwächeren", weil übernommenen Partners stellen. Ihnen obliegt es, klar zu formulieren, dass es hier nicht um stark und schwach, sondern vorrangig um neu geht. Erstellen Sie einen Aktionsplan, wie Sie mit den Kun­den­er­wartun­gen umgehen wollen, und setzen Sie diesen so schnell wie möglich um. Seien Sie sich Ihrer Stärken und Schwächen bewusst und arbeiten Sie daran. Dann können Sie am Ende den Kunden sogar davon überzeugen, dass er ein besseres Geschäft als früher mit Ihnen machen kann, und Sie haben die erste Hürde in Bezug auf langjährige Kun­den­bindung genommen.

Kunde Anleger

Wie reagiert die Börse auf eine Fusionsankündigung? Während früher die Kurse sprunghaft anstiegen, sind die Anleger heute vor­sichtiger geworden. Falsche Ver­sprechun­gen der Manager, enttäuschte Erwartungen und die von vornherein höher angesetzten Kurse bringen oft nicht den erhofften Börsengewinn. Auch hier erwarten die Anleger klare Konzepte und Ehrlichkeit. Ein klarer und straffer Zeitplan in Bezug auf die Besetzung der einzelnen Positionen ist ebenfalls unumgänglich. Wenn die Anleger noch an eine Fusion glauben sollen, müssen die Vorteile her­aus­gear­beitet und glaubhaft dargestellt werden.

„Bei allen strate­gis­chen, operativen oder zielo­ri­en­tierten Überlegungen geht es vor allem um Menschen. Menschen, die sich auf den ver­schieden­sten Ebenen und in den ver­schieden­sten Positionen befinden. Die Menschen eben, die eine Fusion erfolgreich werden lassen oder zum Scheitern bringen, je nachdem, welche Rolle sie im Fu­sion­sprozess spielen.“

Fusionen sind eine Chance für alle Beteiligten. Aber nur, wenn entsprechende Visionen zugelassen und im­ple­men­tiert werden. Diese Versionen beschäftigen sich derzeit viel mit dem men­schlichen Potenzial, das ein Unternehmen ausmacht und welches es zu erhalten und zu fördern gilt. Nur dann ist ein echtes Win-Win, d. h. eine für alle Beteiligten be­friedi­gende Entwicklung nach einer Fusion tatsächlich möglich.

Über die Autoren

Wolfgang Ahrendt ist nach der Tätigkeit als Buchhändler und Ver­lagsvertreter geschäftsführender Partner des Verlags A & O des Wissens. Beat Honegger, gelernter Buchhändler, studierte Wirtschafts­geschichte, Ökonomie und Arabistik. Er arbeitet seit zehn Jahren als Redakteur für Finanz und Wirtschaft in Zürich, für die er zuletzt als Wirtschaft­sko­r­re­spon­dent in London tätig war. Sein Schwerpunkt ist die Berichter­stat­tung über Fusionen in­ter­na­tionaler En­ergiekonz­erne.