Geschäftsprojekte sind Expeditionen
Wer ein Geschäftsprojekt leitet, muss Entdeckergeist mitbringen. Denn bei dieser Arbeit, die sich vom herkömmlichen Projektmanagement unterscheidet, gibt es keinen Alltag: Die Ziele sind häufig nur ungefähr bekannt, die Mittel begrenzt und die Lösung eines Problems muss erst noch gefunden werden. So ähnlich war es seinerzeit, als Christoph Kolumbus aufbrach, neue Seewege zu finden. Das Wissen darüber, wie man ein Geschäftsprojekt erfolgreich leitet, wird immer wichtiger: Nur noch rund 20 % aller Arbeitsplätze in Deutschland sind mit der Produktion betraut, der Rest ist mit Organisation, Dienstleistungen und Wissensvermittlung beschäftigt. Bei Geschäftsprojekten geht es darum, Produkte, Strukturen, Arbeitsweisen oder Tätigkeitsfelder neu zu entwickeln oder zu verbessern. Ein Geschäftsprojekt kann sich beispielsweise mit einem Kundenbetreuungssystem befassen, es kann sich aber auch der Frage widmen, wie eine Firma zwei Standorte zusammenlegen soll. Aufgabe des Projektteams ist es dann, diesen Vorgang zu organisieren. Drittes Beispiel: Ein Unternehmen will Energie sparen und schreibt darum einen internen Wettbewerb aus. Der muss vom Projektteam umgesetzt werden. Das Problem bei allen drei Beispielen: Es gibt in der Regel keinen Standard für die Abwicklung dieser Projekte. Die Reise führt also ins Unbekannte. Ein Projektteam muss, wie einst bei Christoph Kolumbus und seinen Expeditionen, Chancen und Risiken erkennen, die auf dem Weg zum Ziel auftauchen. Das heißt: Selbst wenn ein Plan zur Lösung des Problems erarbeitet wurde, muss das Team flexibel genug sein, davon abweichen zu können.
Die gute Idee
Damit aus einer Idee ein Projekt wird, müssen verschiedene Grundlagen gegeben sein: Zunächst sollte die Idee so weit durchdacht sein, dass sie in Kürze präsentiert werden kann und sich allen Zuhörern sofort erschließt. Das heißt, die Leistung, der Nutzen und die Wirkung des Projekts müssen festgelegt werden. Das Ziel sollte einen Bezug zum Arbeitsalltag haben, es sollte messbar und natürlich erreichbar sein. Die zeitliche Befristung und die Relevanz des Ziels sind notwendig, um Projektmitarbeiter zu gewinnen. Es ist wichtig, dass die Projektidee die möglichen Teilnehmer mitreißt, denn ein Projektteam muss sehr engagiert sein und die Bereitschaft haben, viel Arbeitszeit zu investieren. Sie überzeugen mit Ihrer Idee nur, wenn Sie Gefühle, Werte und Visionen damit verbinden.
„Geschäftsprojekte führen fast immer vom Bekannten ins Unbekannte.“
Folglich muss die Präsentation richtig aufgebaut und bis in die Wortwahl durchdacht sein. Sie können beispielsweise davon sprechen, dass „ein Gemeinkostendeckungsbeitrag von X Prozent“ erreicht werden soll. Oder Sie sagen, Sie wollen „den besten Deckungsbeitrag der Firmengeschichte“ erreichen. Letzteres ist nicht nur verständlicher – es wirkt auch überzeugender. Zudem sollten sich Risiken und Chancen in einem gesunden Verhältnis gegenüberstehen. Risiken gehören bei Geschäftsprojekten zwar notwendigerweise dazu. Wer sie aber allzu sehr betont, kann eine Art selbsterfüllende Prophezeiung auslösen: Je mehr die Teilnehmer das Projekt schon im Voraus scheitern sehen, desto weniger engagieren sie sich. Konsequenz: Das Projekt scheitert.
Der Navigator
Jedes Geschäftsprojekt braucht seinen Christoph Kolumbus, also denjenigen, der das Ganze leitet. Diese Person muss sowohl konzeptionell denken als auch Entscheidungen fällen können. Aber: Nicht jeder gute Konzeptioner ist auch ein guter Entscheider. Ein Projektleiter muss unvoreingenommen sein, zuhören und motivieren können, er muss analytisch denken können sowie verantwortungsbewusst, mutig und entschlussfreudig sein. Für Entscheidungen benötigt der Projektleiter überdies ein gutes Zeitgefühl. Es gilt die Regel: Je später er entscheidet, desto weniger Fehler können sich einschleichen und müssen behoben werden. Es ist also wichtig, sich Zeit zu nehmen, die Entscheidung vorzubereiten, denn Sie sollten niemals eine Entscheidung treffen, ohne die Alternativen zu kennen. Dazu müssen Sie alle Seiten betrachten und viele Lösungsmöglichkeiten durchdenken. Hilfreich ist außerdem, den Rat von Experten einzuholen. Doch selbst wenn Sie Ihre Entscheidung auf diese Weise vorbereitet haben, heißt das nicht, dass Sie schließlich richtig handeln. Darum müssen Sie bereits im Vorfeld bedenken, dass Sie vielleicht einen Fehler machen werden, und sich wenn möglich eine Hintertür offenhalten.
Von der Idee zum Projekt
Aus einer Idee wird erst dann ein Projekt, wenn ein entsprechender Auftrag erfolgt. Darum ist es auch Aufgabe des Projektleiters, mit dem Auftraggeber zu verhandeln. Das ist umso schwieriger, je mehr noch unklar ist. Wenn Sie Projektleiter werden, sollten Sie alle Dinge, die schon vor Ihrer Ernennung festgelegt worden sind, schriftlich festhalten. Denn für diese Punkte sind Sie nicht verantwortlich. Es ist von Vorteil, das im Zweifelsfall nachweisen zu können.
„Nicht die Koordination von bekannten Tätigkeiten steht im Mittelpunkt des Managements von Geschäftsprojekten, sondern der Umgang mit andauernder Ungewissheit in einem auf ein unscharfes Ziel gerichteten, befristeten und mit beschränkten Ressourcen ausgestatteten Problemlösungsprozess.“
Wird der Auftrag erteilt, ist es nicht sinnvoll, die Aufgaben im Einzelnen festzuhalten, denn viele werden sich erst im Lauf des Projektes ergeben. Was den Aufwand betrifft, der veranschlagt werden soll, müssen die Einheiten beim Namen genannt werden: Geht es nur um eine Größenordnung, um einen Schätzwert oder um exakt berechnete Werte? Gerade hier kann es zu bösen Missverständnissen kommen.
„Den Überblick zu bewahren, heißt, Krisensituationen als solche zu erkennen und sich in ihnen strategisch neu auszurichten, sich frei von den seelischen Kräften der Verdrängung zu machen und sich nicht von Ehrgeiz blenden zu lassen.“
Ein Problem, das erst während der Projektlaufzeit zum Tragen kommt, ist das Sicherheitsbedürfnis der Projektteilnehmer. Die meisten Unternehmen bauen aus diesem Bedürfnis heraus einen zeitlichen Puffer ein, der die Einhaltung der Termine in den allermeisten Fällen ermöglicht. Halten Sie diese Pufferzeit aber so kurz es geht, denn viele Mitarbeiter arbeiten auf den letzten Drücker. Damit wird weniger Zeit verschwendet, und langfristig werden Kosten eingespart. Besonders bei zeitkritischen Arbeiten ist es wichtig, dass sofort nach dem Ende einer Phase die nächste beginnen kann.
„Wir erwarten vom Leiter nicht nur, dass er sein Projekt versteht – sondern auch, dass er selbst mitten in einem Konflikt und in Momenten der größten Verzweiflung den Überblick behält und weiß, wie man die Projektstrategie anpassen muss.“
Als Projektleiter sollten Sie möglichst freie Hand haben und nicht wegen jedes einzelnen Punktes mit dem Auftraggeber Rücksprache halten müssen. Das betrifft auch die fachliche Führung der Projektmitarbeiter. Um sicherzugehen, dass Sie bei aller Handlungsfreiheit immer in die richtige Richtung navigieren, ist ein Meilenstein zur Revision sinnvoll – beispielsweise, nachdem 20 % der Laufzeit des Projekts vorbei sind. Dann lässt sich ggf. der Projektauftrag anpassen. Vergessen Sie nicht, alles, was während Ihrer Zeit als Projektleiter geschieht, schriftlich festzuhalten.
Projektteam und Projektzeit
Hat das Projekt grünes Licht bekommen, sollte keinesfalls als Erstes die Projektorganisation festgelegt werden. Sie wird sich im Lauf der Zeit langsam konkretisieren und nach Bedarf wachsen. Wichtig ist aber, ein Kernteam zu bestimmen, das aus nur wenigen Personen besteht und sich fast ausschließlich mit dem Projekt beschäftigt. Dazu kommen je nach Bedarf und Möglichkeit weitere Teilnehmer, die allerdings nur eine bestimmte Menge ihrer Zeit und Energie einfließen lassen. Damit das Team wirklich als solches agiert, ist Nähe zwischen den Mitgliedern notwendig: Persönliche Treffen, häufige Besprechungen und nebeneinanderliegende Büros sind hilfreich. Auch Transparenz ist vonnöten – eine gut gepflegte Projektdatenbank sorgt dafür.
„Auch wenn eine Projektleitung nicht einen einzigen Gedanken auf dieses Thema verwendet haben mag: Sie wird als Vertreter einer bestimmten Arbeits- und Kommunikationsweise wahrgenommen.“
Dann sollten Sie den Ablaufplan festlegen. Eine Möglichkeit dazu ist das Wasserfall-Modell. Damit werden alle notwendigen Tätigkeiten aufgeschrieben und in Phasen geordnet. Am Ende jeder Phase gibt es einen Meilenstein, bei dem der Fortschritt des Projekts geprüft wird. Erst dann kann die nächste Phase beginnen. Allerdings funktioniert dieses Modell nur, wenn sich an der Idee, am Umfeld und am Ziel des Projekts während seines Verlaufs nicht viel ändert. Das ist aber eher selten der Fall. Als Projektleiter sollten Sie sich darum auch mit anderen Modellen auseinandersetzen und sie flexibel je nach Bedarf einsetzen können. Ein Wechsel des Modells empfiehlt sich jeweils bei einem Meilenstein.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Für eine einfache Überwachung des Fortschritts des Projekts bietet sich eine so genannte Trendlinie des Restaufwands an. Die funktioniert so: Alle Mitarbeiter schätzen regelmäßig den Restaufwand, den das Projekt bei ihnen verursachen wird. Dieser verbleibende Arbeitsaufwand wird in eine Zeitskala eingetragen. Im Lauf des Projekts sollte die Linie immer weiter Richtung null wandern. Ist das nicht der Fall, müssen Sie als Projektleiter handeln: entweder indem Sie die vereinbarten Ergebnisse zurechtstutzen oder indem Sie mehr Kapazitäten einplanen. Ähnlich einfach überwachen Sie, ob Ihre Planung funktioniert: In regelmäßigen Abständen tragen Sie in eine Skala ein, wie viele der geplanten Ergebnisse erreicht wurden. Ist das Resultat über eine bestimmte Zeit nicht zufriedenstellend, muss ggf. die Arbeitsweise angepasst werden.
Ohne Fehler geht es nicht
Egal wie sorgfältig durchdacht ein Projekt ist, es wird selten fehlerfrei ablaufen. Allerdings ist es von großer Bedeutung, wann ein Fehler bemerkt und behoben wird: In der Planungsphase geht es vielleicht nur um 200 €. Später, in der Phase der Umsetzung, kann es sich um 2000 oder auch 20 000 € handeln. Nachbesserungen machen häufig einen Großteil eines Projekts aus. Die aufgewendete Arbeitszeit für Änderungen kann bei 40–60 % liegen. Bei Routineprojekten liegt der Aufwand für Änderungen eher bei 10 %.
„Ängste werden nicht nur durch Grenzüberschreitungen und die Begegnungen mit der Fremde hervorgerufen, sondern einfach auch durch neue Aufgaben und Herausforderungen.“
Tatsächlich sind Fehler aber notwendig, wenn Neues ausprobiert werden soll. Als Projektleiter sollten Sie darum eine fehlertolerante Arbeit ermöglichen. Dazu gehört vor allem Offenheit. Es geht nicht nur darum, dass Informationen allen Beteiligten frei zugänglich sind, sondern auch darum, wie offen sich ein Team neuen Ideen gegenüber zeigt. So sollten diese nie sofort als schlecht bewertet werden. Passen sie gerade nicht zur Lösung, legen Sie sie in einen Ideenspeicher ab. Außerdem sollte keine Idee eines Teammitglieds danach beurteilt werden, wie passend oder unpassend dessen vorige Ideen waren.
Konflikte lösen
Damit Konflikte gar nicht erst entstehen, sollten Sie auf Ihre Kommunikation achten. Stehen Sie hinter dem, was Sie sagen? Werden Sie vom Team als glaubwürdig wahrgenommen? Wie geht man in Ihrem Unternehmen miteinander um? Dominiert der stille Gehorsam, oder werden Konflikte gesucht? Als Projektleiter ist es Ihre Aufgabe, unter den Teilnehmern Verbindlichkeit zu erzeugen: Jeder muss das Projekt ernst nehmen und seinen Beitrag dazu leisten. Das geht nur, wenn sich die Teammitglieder wirklich als solche verstehen, und nicht als Einzelkämpfer. Von Vorteil ist es, Einfluss zu nehmen statt Macht auszuüben. Denn: Geht es um Macht, gibt es immer einen Unterworfenen. Einfluss dagegen hat mit Lenken zu tun. Es ist ein Miteinander, bei dem der eine versucht, den anderen zu bewegen.
„Der Einflussnehmer kann oft mehr erreichen als der Mächtige, denn Einflussnahme ist zielgerichteter und hat insgesamt geringere Kosten als der Gebrauch von Macht.“
Kommt es trotz aller vorbeugenden Maßnahmen zu einem Konflikt, dann liegt es an Ihnen, eine Lösung zu finden. Dazu ist es notwendig, dass Sie alle beteiligten Seiten anhören und ihnen Ihr Verständnis demonstrieren. Ziehen Sie den Konflikt von der emotionalen auf eine sachliche Ebene. An der Lösung müssen alle Betroffenen beteiligt sein. Versuchen Sie, eine Win-win-Situation zu erzielen. Natürlich könnten Sie auch einfach einen Kompromiss eingehen. Allerdings machen dabei beide Parteien Abstriche. Bei einer Win-win-Situation gibt es eine Lösung, die für beide Seiten von Vorteil ist. Zusätzlich sollten Sie Regeln für die Zukunft aufstellen, die es ermöglichen, dass den Bedürfnissen aller Beteiligten künftig besser entsprochen wird.