Electronic Procurement - was ist das eigentlich?
Mit E-Procurement wird die elektronische Beschaffung bezeichnet. Durch Electronic Business lassen sich die Geschäftsprozesse Ihres Unternehmens vereinfachen, beschleunigen und transparenter gestalten. Innerhalb dieses Konzeptes gewinnt die elektronische Beschaffung für den Einkauf an grosser Bedeutung. Beim Einkauf können Sie durch elektronische Beschaffungssysteme Kostenreduktionen von bis zu 65 % erreichen. Dadurch gewinnt der Einkauf in Ihrem Unternehmen an strategischer Bedeutung. Die erfolgreiche Implementierung von Electronic Procurement setzt eine umfangreiche Vorarbeit und Planung voraus. Nicht für jedes Unternehmen ist die Umstellung auf E-Procurement sinnvoll. Um herauszufinden, ob Ihr Unternehmen von E-Procurement profitieren könnte, sollten Sie zuerst eine Prozesskostenanalyse (PKA) erstellen. Diese dient der Ermittlung des Ist-Zustandes Ihrer Beschaffungsprozesse.
Die Bedeutung der C-Artikel
C-Artikel (auch oft bezeichnet als "Gemeinkostenmaterial") sind geringwertige Produkte mit hoher Bestellfrequenz, die nicht für das eigentlich herzustellende Produkt benötigt werden. Es sind die täglichen Ge- und Verbrauchsartikel, die von unzähligen verschiedenen Lieferanten zur Verfügung gestellt werden. Und genau da liegt das Problem: Diese Artikel mit nur geringem Materialwert erfordern einen sehr hohen Beschaffungsaufwand und verursachen dadurch unnötig hohe Kosten. Während die Optimierung von A-Artikeln über die Senkung der Einstandspreise läuft, müssen bei C-Artikeln die Prozesskosten gesenkt werden. Es geht nicht allein darum, einen Artikel zum möglichst günstigen Preis zu bekommen. Reduzieren Sie ebenso die Anzahl Ihrer Lieferanten für C-Artikel und bauen Sie kostenträchtige Genehmigungsverfahren ab. Stellen Sie für die Untersuchung und Optimierung der Beschaffungsprozesse ein Projektteam zusammen. Dabei muss der Einkauf und Wareneingang ebenso vertreten sein wie das Lager, die Rechnungsprüfung oder auch die Buchhaltung. Nur so bildet sich ein Verständnis für die Zusammenhänge bei der Prozessabwicklung.
Geschäftsprozessanalyse
Durchleuchten Sie mit Hilfe Ihres Projektteams die Geschäftsprozesse. Stellen Sie fest, an welchen Stellen es zu Doppelbearbeitungen kommt, und schliessen Sie diese Fehler aus. Setzen Sie zur Geschäftsprozessanalyse Ihre EDV ein. Erfassen Sie die verschiedenen Parameter wie Bearbeitungszeiten, Liegezeiten und interne Transportzeiten, die sich quantitativ auf die Abläufe auswirken. Verwenden Sie dann zur Ermittlung der anteiligen Kosten die Methoden der Prozesskostenanalyse. Durch dieses Verfahren können Kostentreiber und Massgrössen aufgedeckt werden. Nutzen Sie die gängigen Checklisten und Formulare, um Ihre Ist-Analyse zu erstellen. Auch wenn Sie bisher nicht mit der Prozesskostenanalyse vertraut waren, führen Sie diese Checklisten und Formulare sicher zu Ihrer Ist-Analyse. Sehen Sie die Prozessoptimierung nicht nur als Möglichkeit, Kosten zu reduzieren. Dies geschieht kurzfristig nur über Personalabbau. Der grösste Nutzen besteht jedoch in der effizienten Nutzung freigesetzter Kapazitäten. Die Materialpreissenkungen über Bedarfsbündelungen zu erreichen, ist in den meisten Unternehmen bereits ausgereizt. In der Prozessverbesserung finden Sie jedoch noch reichlich Möglichkeiten, neue Kapazitäten freizusetzen.
Was ist in der Planungsphase zu bedenken?
Wie sieht die Nutzungshäufigkeit Ihrer C-Artikel aus? Nehmen Sie Artikel mit hoher Nutzungshäufigkeit in Ihren Standardkatalog auf und versuchen Sie, die Anzahl Ihrer Lieferanten zu reduzieren. Der Abschluss von Rahmenverträgen mit den verbleibenden Lieferanten erweist sich als sinnvoll. Die Kunden-Lieferanten-Beziehung kann somit besser gepflegt werden. Beziehen Sie Ihren Lieferanten in die Definition für Ihren Standardkatalog ein, denn dieser hat oft die besseren Erfahrungswerte für Mengen. Verbrauchsschwankungen können mit der Zeit berücksichtigt werden.
„Electronic Procurement bezeichnet den eng am kundenspezifischen Nutzen orientierten, elektronisch organisierten Beschaffungsprozess mit dem Ziel, die Versorgung mit Gütern aus der Sicht des Unternehmens effizient zu gestalten.“
Ist es nun besser, den Einkauf zentral oder dezentral zu gestalten? Beide Formen haben ihre Vorteile, aber mit Zunahme der Unternehmensgrösse schwinden diese Vorteile. Einen völlig neuen Ansatz bietet Ihnen in diesem Zusammenhang die so genannte Matrixorganisation. Dabei handelt es sich um eine prozessorientierte Beschaffungsorganisation. Auf der Grundlage bestimmter Materialgruppen werden Projektgruppen gebildet. Diese bestehen, je nach Bedarf, aus dezentralen Bedarfsträgern, zentralen Einkäufern und technischen Spezialisten. Deren Ziel ist es, einzelne Materialgruppen nach ihren Synergieeffekten und Rationalisierungspotenzialen zu untersuchen und anhand der Ergebnisse Rahmenvereinbarungen mit ausgewählten Lieferanten abzuschliessen. Diese Organisationsform ist der optimale Ansatzpunkt zum Aufbau eines C-Artikel-Managements, da hier Standardisierungs- und Bündelungsprojekte für Gemeinkostenmaterialien immer mit einbezogen werden. Steht ein Standardsortiment zur Verfügung, sollten Sie überlegen, ob für die Bestellung von C-Artikeln nicht der Bedarfsträger selbst den Bestellvorgang vornehmen kann, ohne über den Einkauf zu gehen. Die operative Abwicklung des Bestellvorgangs wird somit zum Ort der Bedarfsentstehung zurückgeführt und gleichzeitig kann sich der zentrale Einkauf auf seine strategischen Aufgaben konzentrieren.
Schwachstellenanalyse
Um das C-Artikel-Management neu aufzubauen, benötigen Sie klare Zielsetzungen. Anhand Ihrer Unternehmensstruktur werden Sie die passenden Zielsetzungen definieren können. Fragen Sie sich, inwieweit der bisher betriebene Bestellaufwand erforderlich ist. Der Beschaffungsprozess eines Füllfederhalters sollte nicht genauso ablaufen wie die Bestellung eines sondergefertigten Diamant-Bohrers. Decken Sie unnötige Kontrollvorgänge auf und reduzieren Sie die Anzahl der am Beschaffungsprozess beteiligten Abteilungen. Existieren in Ihrem Unternehmen mehrere parallel laufende EDV-Systeme, die getrennt voneinander bearbeitet werden, oder gibt es für die Bedarfsanforderung ein Papierformular, das in ein EDV-System eingegeben, dann als Fax umgewandelt und an den Lieferanten gesandt wird? Diese so genannten "Medienbrüche im Prozessablauf" sollten möglichst vermieden werden.
„Durch die effizientere Abwicklung der C-Artikel-Beschaffung werden Kosten gesenkt, Durchlaufzeiten erheblich verkürzt, die Qualität der Prozesse erhöht und Kapazitäten freigesetzt.“
Erkennen Sie, dass die Mittel, um diese Ziele zu erreichen, nicht aus Einzelmassnahmen bestehen dürfen! Bei prozessorientierten Vorgängen müssen Sie anfangen, bereichsübergreifend zu denken, und Massnahmen treffen, die den Gesamtzusammenhang berücksichtigen. Erstellen Sie nun Verbesserungsmassnahmen und definieren Sie mit Ihrem Projektteam den Soll-Zustand.
Soll-Konzept
Zu Ihrem Soll-Konzept muss unbedingt auch eine Datenverarbeitungs-Konzeption gehören. Stellen Sie mehrere Anwendungskonzepte einander gegenüber und fragen Sie sich, welche Geschäftsprozesse bei dem Anwendungskonzept zu berücksichtigen sind. Ein Anwendungssystem ist heute das so genannte Desktop-Purchasing-System. Dabei bestellt man am Bildschirm aus einem elektronischen Produktkatalog. Der Einkauf sollte nach geeigneten Beschaffungsquellen suchen und sich auf den Abschluss von Rahmenverträgen konzentrieren. Statt jeden Bedarfsfall einzeln zu verhandeln, brauchen somit nur noch einmal jährlich ein oder mehrere Verträge pro Materialgruppe verhandelt zu werden. Mithilfe eines Desktop-Purchasing-Systems soll der Bedarfsträger in der Lage sein, seine Artikel selbst beim Lieferanten zu bestellen. Daher ist es unbedingt notwendig, die Bedarfsträger frühzeitig mit in die Projektarbeit einzubinden. Die Warenannahme und -prüfung muss vereinfacht werden und kann bestenfalls ganz wegfallen.
„Das Ziel von Matrixorganisationen ist es vor allem, die Nachteile der beiden traditionellen Organisationsformen (zentrale und dezentrale Organisation) zu eliminieren bzw. die Vorteile beider Organisationsformen auszuschöpfen.“
Um die Rechnungsprüfung zu vereinfachen, kann mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung ein elektronischer Abgleich zwischen Rechnungen und Bestellungen erfolgen. Da auch die Rahmendaten der Lieferanten in den elektronischen Standardkatalogen hinterlegt sind, sind sämtliche Voraussetzungen hierfür gegeben. Bedenken Sie auch die Risiken, die bei der Durchführung eines Projekts zur Prozessoptimierung auftreten könnten. Sei es die mangelnde Unterstützung seitens der Geschäftsführung oder die Beibehaltung alter Prozesse parallel zum neuen System. Ermitteln Sie bereits im Vorfeld, welche Kosten beispielsweise für Schulungen und Software-Upgrades anfallen könnten. Prüfen Sie, ob ein Anwendungssystem an ein Betriebsdatenerfassungssystem oder Warenwirtschaftssystem gekoppelt werden muss.
Einführung elektronischer Beschaffungsprozesse
Die Vorbereitung der Implementierung erfordert viel Zeit. Untersuchen Sie die vorherrschenden EDV-Strukturen in Ihrem Unternehmen nach gemeinsamen Schnittstellen. Welche Schnittstellen sind notwendig und welche überflüssig? Seien Sie sich darüber im Klaren, dass beim Einsatz von E-Procurement-Software mit einem erhöhten Bedarf an EDV-Ressourcen gerechnet werden muss. Je nach System werden dafür ein oder mehrere Intranetserver und Datenbankserver benötigt. Klären Sie im Vorfeld, ob und wie der Datentransfer nach aussen stattfinden soll. Prüfen Sie, ob es für Sie von Vorteil ist, Partnerunternehmen an Ihr E-Procurement-System anzugliedern. Dadurch wäre es möglich, die Finanzierung dieses Systems mit anderen zu teilen. Des Weiteren werden Ihre Lieferanten in der Lage sein, durch die erhöhten Abnahmemengen noch weitere Rabatte zu gewähren.
„Neben Fragen der technischen Realisierbarkeit ist aus kaufmännischer Sicht zu prüfen, welche Mandanten, Werksteile oder Partnerunternehmen an das E-Procurement angebunden werden sollen.“
Damit Artikel nicht doppelt bestellt werden oder im System nicht unter mehreren Namen laufen, ist es wichtig, eine Materialklassifizierung vorzunehmen, damit jeder Artikel eindeutig zugeordnet werden kann. Es existiert bereits ein Klassifikationsstandard mit dem Namen "eCl@ss". In Zukunft wird durch diesen Standard auch der reibungslose Ablauf zwischen nationalen und internationalen Geschäften optimiert. Vielleicht ist es ja gerade für Ihr Unternehmen sinnvoll, den Bereich Transport/Anlieferung anderweitig, d. h. nicht mehr durch den Lieferanten erfolgen zu lassen. Wegeoptimierungen und Wegfall der Mehrkosten durch Kostenstellenbelieferung könnten positive Wirkungen sein.
„Durch die kostenstellengerechte Kommissionierung der Waren seitens des Lieferanten kann der Handlingsaufwand durch Aus- und Umpacken der Waren vermieden werden.“
Da durch den Einsatz von E-Procurement die Lieferanten in der Lage sind, Produkte kurzfristig zu liefern, und die Versorgung mit Artikeln jederzeit gewährleistet ist, muss die Frage der Lagerhaltung neu überdacht werden. Der Vorteil einer Lagerhaltung besteht nur in der Bedarfsbündelung. Doch auch dieses Problem können Sie lösen, indem Sie mit den Lieferanten Rahmenverträge abschliessen, die Ihnen eine vorher festgelegte Abnahme garantieren. Ob die Beibehaltung eines Lagers somit noch Sinn macht, bleibt jedoch im Einzelfall zu klären.
„Ein weiterer wesentlicher Punkt bei der Organisation der Beschaffung ist die Aufgaben-teilung zwischen zentralen und dezentralen Organisationseinheiten.“
Um den Zahlungsverkehr beim E-Procurement sinnvoll abzuwickeln, werden mehrere Lösungen angeboten. Eine Möglichkeit ist die Nutzung von Purchasing-Cards. Früher waren dies Kreditkarten, die vom Grosseinkauf benutzt wurden. Beim E-Procurement existieren sie nur noch als Nummer innerhalb des Systems. Eine andere Möglichkeit, den Zahlungsverkehr in den Prozess einzubinden, ist die Abbildung des herkömmlichen Zahlungsablaufs im E-Procurement. Dabei erfolgt die Rechnungsstellung wie auch die Zahlung elektronisch. Oder benutzen Sie doch das aus der Automobilindustrie bekannte Gutschriftenverfahren. Dabei wird die Rechnungskontrolle auf den Lieferanten verlagert und ist für Sie besonders prozesskostenoptimal.