Die zehn Gebote des Misserfolgs
Unternehmen sind ein Spiegelbild der Charaktereigenschaften der Menschen, die sie leiten. Es sind ja immer Menschen, die handeln, die etwas tun oder unterlassen. Je erfolgreicher eine Firma ist, desto größer ist die Gefahr, dass sie durch schlechte Managemententscheidungen auf die abschüssige Fahrbahn des Misserfolgs gerät. Die Chancen stehen gut, dass auch Sie schon das eine oder andere der folgenden zehn Gebote geschäftlichen Misserfolgs „beachtet“ haben. Meistens bleibt es dann nicht bei einem – also seien Sie auf der Hut und beachten Sie die goldenen Regeln spektakulären Scheiterns!
Gebot Nr. 1: Gehen Sie kein Risiko ein!
Zugegeben, Risikovermeidung liegt uns Menschen im Blut. Aber wir wären heute ganz gewiss nicht dort, wo wir sind, wenn unsere Vorfahren nicht Gut und Leben riskiert hätten, um neue Welten zu entdecken oder innovative Technologien auszubrüten. Mit dem Ziel, Risiken zu vermeiden, wäre Christoph Columbus wohl eher auf den Kanaren gelandet als in der Karibik. Vergleichen Sie die Risiken von damals mit denen von heute – dagegen scheint der Büroplatz doch wie ein gut behütetes Bett. Fehlkalkulationen und -einschätzungen wird es auch in Ihrem Alltag immer wieder geben, aber sie sind ein Teil des Preises, den man für erfolgreiche Innovationen zu zahlen bereit sein muss. Es geht darum, die Vermögenswerte der Firma auf kluge Weise zu riskieren. Wenn Sie scheitern wollen, gehen Sie erst gar keine Risiken ein!
Gebot Nr. 2: Ruhen Sie sich auf Erfolgen aus!
Die Unfähigkeit sich auf neue Situationen einzustellen, ist eng verwandt mit der Angst vor Risiken. Inflexible Menschen halten oft derart starrsinnig an irrigen Ansichten fest, dass sie andere, bessere Möglichkeiten nicht zu erkennen vermögen. Ein Beispiel dafür findet sich in der Geschichte von Coca-Cola. Über viele Jahre hinweg sah man sich weder willens noch in der Lage, auf neue Ideen eines Nachahmers und Konkurrenten – die Rede ist natürlich von Pepsi – zu reagieren. Für das Coca-Cola-Management gab es keine andere Option als die erfolgreiche, sechseinhalb Unzen (ca. 200 ml) umfassende Flasche. Pepsi bot derweil Zwölf-Unzen-Flaschen an mit dem markigen Werbeslogan „Doppelt so viel für ein Fünf-Cent-Stück“. Die Umsätze von Pepsi kletterten Jahr für Jahr in die Höhe, bis Coca-Cola 16 Jahre später doch noch mit verschiedenen Flaschengrößen nachzog. Mit großem Schaden: Die Inflexibilität, die in den so beachtlichen Erfolgen der Vergangenheit wurzelte, hatte den Konkurrenten groß gemacht.
„Im Vergleich zu den Problemen, mit denen unsere Vorfahren fertig werden mussten, ist selbst der härteste Tag im Büro der reinste Spaziergang.“
Ein ähnliches Beispiel totaler Betriebsblindheit lieferte die Führung von IBM, die den Erfolg von Desktop-Computern lange nicht wahrhaben wollte, bis aus einem Rekordgewinn (1984) ein Rekordverlust (1993) geworden war. IBM fand zwar zurück in die Spur, doch erst nach vielen verschwendeten Jahren. Flexibilität bedeutet, sein Verhalten kontinuierlich zu überprüfen und es, falls nötig, rasch an neue Gegebenheiten anzupassen. Wenn Sie sich also definitiv aus dem Spiel nehmen wollen, dann bleiben Sie inflexibel!
Gebot Nr. 3: Isolieren Sie sich selbst!
Wenn Sie noch mehr tun möchten, um aufs Abstellgleis zu geraten, sollten Sie Gebot Nr. 3 beachten: Isolieren Sie sich! Erfolgreiche Unternehmenslenker sind dafür bekannt, dass sie ihre Mitarbeiter auf allen Führungsebenen kennen lernen und mit ihnen in Kontakt bleiben. Dem Boss keine schlechten Nachrichten zu überbringen, mag zwar ein verständlicher Verhaltensratschlag unter den Mitarbeitern sein, aber er führt auf Dauer in die Isolation und Borniertheit.
„Jeder Schritt zum Misserfolg zieht den nächsten nach sich, wenn er nicht bemerkt wird.“
Ein historisches Beispiel sollte Ihnen zu denken geben: Hitlers Sekretär Martin Bormann machte es sich schnell zu Eigen, dem Führer nur noch die gewünschten positiven Informationen weiterzugeben. Sie wissen, wie das endete. Ganz anders Winston Churchill, Hitlers Gegenspieler auf englischer Seite, der sogar eigens ein Büro einrichten ließ, in dem man ihm nur negative Nachrichten mitteilen sollte. Churchill wollte lieber die ungeschminkte Wahrheit erfahren als wie Hitler isoliert in einer Fantasiewelt zu leben. In Managementteams ergänzen sich die Führungseigenschaften und ergeben ein Gleichgewicht. Wenn Sie das um jeden Preis verhindern wollen, dann isolieren Sie sich!
Gebot Nr. 4: Nehmen Sie keine Schuld auf sich!
Warren Buffett ist eine Wall Street-Legende. Als Präsident von Berkshire Hathaway und reichster Mann der Welt hat er es zu Weltruhm gebracht. Trotzdem nimmt Buffett nicht für sich in Anspruch, stets alles richtig zu machen. Lesen Sie zum Beleg einfach seine legendären Aktionärsbriefe, in denen es von Fehler-Eingeständnissen nur so wimmelt. Als Gegenbeispiel kann wiederum Coca-Cola dienen: Als Ende der 90er Jahre in Belgien mehrere Kinder nach dem Konsum der Brause erkrankten, wies der Konzern lange Zeit jede Verantwortung von sich: Es konnte nicht sein, was nicht sein durfte. Am Ende der Affäre stand schließlich doch die größte Rückrufaktion in der Geschichte des Unternehmens – und ein gewaltiger Imageschaden. Nutzen Sie die beste und vertrauensvollste Informationsquelle, die Sie haben: Ihre eigenen Mitarbeiter und Ihre Kunden. Wenn Sie jedoch scheitern wollen, geben Sie sich selbst den Hauch von Unfehlbarkeit!
Gebot Nr. 5: Handeln Sie am Rand der Legalität!
Ein Gebäude, bei dem ein kaputtes Fenster längere Zeit nicht repariert wird, hat bald nur noch zerbrochene Fenster. Denn die offensichtliche Botschaft an Zerstörungswütige lautet: Es ist egal, ob ein Fenster kaputt ist, es kümmert niemanden. Am Rande der Legalität zu operieren, mag verführerisch klingen, aber es führt Sie langfristig in den Abgrund. Früher bestanden Unternehmensberichte aus wenigen Seiten. Irgendwann wurde der Jahresbericht zum PR-Instrument, und ehe man sich versah, waren es Analysten und Journalisten, die die Vorgaben für die Firmenlenker diktierten. So entstand eine permanente Nachfrage nach kurzfristigen Ergebnissen, um die Wall Street nicht zu enttäuschen. Einige Firmenlenker hielten dem Druck nicht stand und versuchten, die Ergebnisse mittels frisierter Bilanzen zu erreichen.
„Inflexibilität ist eine Krankheit, die einen leicht zum Krüppel machen kann.“
Es ist nicht möglich, für alle Eventualitäten Gesetze zu erlassen und Menschen zu ethischem Handeln zu zwingen. Sie müssen es von sich aus tun. Wenn Sie aber Ihr Unternehmen und sich selbst gefährden wollen, so handeln Sie am Rande der Legalität oder jenseits davon!
Gebot Nr. 6: Verzichten Sie aufs Nachdenken!
Eine Studie aus dem Jahre 2006 belegt, dass es der durchschnittliche Mitarbeiter mit 133 E-Mails pro Tag zu tun hat. Außerdem noch hier ein Fax, dort eine SMS und das alles zwischen Telefonkonferenz und PowerPoint-Präsentation. Den wenigsten Menschen gelingt es, in dieser Datenflut den Durchblick zu behalten. Hinzu kommt, dass wir in all dem Datenwust lieber unsere Traumwelt bestätigt sehen als die Wirklichkeit. Den Chefs von Daimler und Chrysler, Time Warner und AOL, Kmart und Sears muss man die Frage stellen, was sie sich bei Ihren Fusionsambitionen einst gedacht haben. Sich Zeit zum gründlichen Nachdenken zu nehmen, ist mitnichten ein Luxus. Wenn Sie aber dieselben Fehler immer und immer wieder machen wollen, so ist Gebot Nr. 6 für Sie das richtige: Lassen Sie sich in das tägliche Laufrad hektischer Betriebsamkeit einspannen und verzichten Sie aufs Nachdenken!
Gebot Nr. 7: Hören Sie auf Experten und Berater!
Externe Experten haben zweifellos ihre Berechtigung. Doch sie sind nicht unfehlbar. Wiederum hat die bewegte Vergangenheit von Coca-Cola ein lehrreiches Beispiel zu bieten. 1985 brachte der Konzern „New Coke“ auf den Markt, begleitet von aufwändigen PR-Kampagnen und allem, was man auffahren kann, um die Neugier zu schüren. Innerhalb weniger Wochen hagelte es Tausende Briefe und Anrufe – allesamt negativ. Natürlich rieten die Experten, sich nicht beirren zu lassen. Die Leute begannen bald mit Hamsterkäufen der „alten Coke“ und zwangen den Großkonzern zu einer Entscheidung: Fortan gab es wieder „Coca-Cola Classic“, parallel zu „New Coke“.
„Ein Betrüger weiß, dass wir manchmal lieber der Fantasie als der Realität glauben.“
Eine 2002 durchgeführte Studie bestätigt den Befund: Obwohl so genannte Experten ihre Prognosezuverlässigkeit auf sage und schreibe 80 % beziffern, liegen sie nicht einmal in 50 % der Fälle richtig – auch wenn sie im Nachhinein immer allerhand Begründungen finden, dass sie immerhin „fast recht gehabt“ hätten. Ein sicherer Weg zum Misserfolg ist Gebot Nr. 7: Setzen Sie Ihr gesamtes Vertrauen auf Experten und Berater!
Gebot Nr. 8: Lieben Sie Ihre Bürokratie!
Huldigen Sie der Bürokratie im Unternehmen und Sie werden feststellen, dass nichts erledigt wird. Aus der Praxis weiß man, dass Bürokratien oft aufeinander stoßen und gerne gegeneinander arbeiten. Sitzungen dienen dazu, weitere Sitzungen zu planen; und Manager stellen Assistenten ein, die dann als „Junior Manager“ selbst Assistenten bekommen. Erinnern Sie sich an die Unfälle der NASA-Raumfähren? Obwohl man 1986 aus der Explosion der „Challenger“ seine Lehren gezogen hatte, wachte weiterhin eine komplexe Bürokratie aus Pentagon, Regierung, Kongress und Wissenschaftsstab über die jeweilige Startentscheidung – 2003 folgte dann der nächste Absturz. Nicht diejenigen mit den besten Informationen hatten über den Start entschieden, sondern diejenigen mit der größten Macht. Auch für Ihr Unternehmen gilt: Je mehr Bürokratie Sie haben, umso sicherer sind Sie auf dem absteigenden Ast.
Gebot Nr. 9: Kommunizieren Sie unklar!
Croupiers im Kasino bekommen Ärger, wenn Bargeld nicht in kürzester Zeit vom Tisch verschwunden ist. Der Grund: Die Gäste sollen beim Spielen keinesfalls an Geld denken – daher die bunten Chips. Bei der Foods Division in Houston wurde einmal ein Experiment gestartet: In der ersten Woche des Folgemonats sollten alle Transaktionen in Bargeld abgewickelt werden, um den Managern wieder ein Gefühl für Zahlen zu vermitteln. Das Experiment misslang, denn nicht einmal in allen Houstoner Banken zusammen gab genug Bargeld dafür, doch die Botschaft kam an: Viele Dinge kosten Geld, und zwar „richtiges Geld“, nicht nur abstrakte Zahlen. Die Botschaft ist klar: Sie müssen die Dinge beim Namen nennen und für Klarheit sorgen. Wenn Sie lieber scheitern möchten, halten Sie sich an Gebot Nr. 9: Vermitteln Sie unklare Botschaften!
Gebot Nr. 10: Haben Sie Angst!
Angst ist wie eine Dunkelkammer, in der Sie Ihre eigenen Negative entwickeln. US-Präsident Franklin D. Roosevelt hat es mit diesem Satz auf den Punkt gebracht: „Das Einzige, was wir fürchten müssen, ist die Furcht selbst.“ Selbst wenn gerade nichts Bedrohliches vorhanden ist, schaffen wir uns unsere Ängste gern selbst. In dieser Hinsicht hat vor allem das Fernsehen ganze Arbeit geleistet, ist das Nachrichtengeschäft doch seit jeher ein „Bad News Entertainment“. Wie beim Rudern – mit dem Rücken in Fahrtrichtung – schauen wir häufig nur zurück in die Vergangenheit und versäumen dabei die vor uns liegenden Chancen. Aber Pessimisten haben kaum jemals ein neues Land der Landkarte hinzugefügt. Wenn Sie sich von unbestimmter Zukunftsangst lähmen lassen möchten, sind Sie mit Gebot Nr. 10 gut beraten. Haben Sie Angst!
Gebot Nr. 11: Verlieren Sie Ihre Leidenschaft!
Sätze wie „Das ist gut genug“, „Das ist mir egal“ oder „Ich bin sowieso bald in Pension“ kennen Sie bestimmt auch – von Kollegen oder vielleicht sogar von sich selbst? Das ist der sicherste Weg auf das Abstellgleis. Als Manager müssen Sie Ihre eigene Marke lieben, eine emotionale Verbindung zu ihr und natürlich zu Ihren Kunden haben (denn auch die lieben ja Ihre Marke). Darum vergessen Sie nie, dass Menschen Ihr größter Aktivposten sind. Wenn Ihnen dann noch die emotionale Kontaktaufnahme zu Ihren Träumen gelingt, sind Sie auf dem rechten Weg. Wenn Sie diesen verlassen wollen, brauchen Sie nur Gebot Nr. 11 zu beachten: Geben Sie Ihre Leidenschaft auf!