Prinz Friedrich von Homburg

Buch Prinz Friedrich von Homburg

Ein Schauspiel

Berlin, 1821
Diese Ausgabe: Suhrkamp,


Worum es geht

Mehr Konflikt war nie

Kleists letztes Stück, Prinz Friedrich von Homburg, ist seit jeher umstritten. Heinrich Heine sah es als „gleichsam vom Genius der Poesie selbst geschrieben“. Tieck nannte es ein „ächt vaterländisches Gedicht“, Hebbel „eine der eigentümlichsten Schöpfungen des deutschen Geistes“. Es war ein Lieblingsstück Wilhelms II., und die Nazis eröffneten damit 1934 die erste Re­ichs-The­ater­woche. Kein Zweifel, das Stück ist eine zutiefst reaktionäre Wieder­bele­bung preußischer Gründungsmythen zum Zweck der Kriegspro­pa­ganda – zumindest einerseits. An­der­er­seits ist es ein sprach­lich-kom­pos­i­torisches Meisterwerk, dessen geschlif­f­ene Form in Kontrast zu einem dissonanten Inhalt steht. Womöglich verdankt der Homburg seinen Klas­sik­er­sta­tus ebendieser Widersprüchlichkeit.

Take-aways

  • Kleists Drama Prinz Friedrich von Homburg dreht sich um das kon­flik­t­ge­ladene Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft.
  • Inhalt: Der übereifrige Prinz von Homburg handelt in der Schlacht von Fehrbellin einem Befehl seines Fürsten zuwider. Zwar wird die Schlacht gewonnen, doch der Prinz wird wegen Ungehorsam zum Tod verurteilt. Als er den Ernst seiner Lage begreift, fleht er zunächst um sein Leben. Schließlich fügt er sich dem Gesetz, heißt den Tod willkommen – und erlangt so eine ehrenhafte Begnadigung.
  • Das Stück spielt zur Zeit der Schwe­den­herrschaft über Brandenburg, nimmt aber Bezug auf Kleists Gegenwart, mit Napoleon als Unterdrücker Preußens.
  • Kleist schrieb das Drama in der Absicht, den Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. zum Krieg gegen Napoleon aufzus­tacheln. Daher strotzt es vor vaterländischem Pathos.
  • Die Besich­ti­gung des Schlacht­felds zu Aspern, wo Napoleon eine Niederlage erlitten hatte, inspirierte Kleist zu dem Stück.
  • Er widmete es Marianne von Preußen. Damit hoffte er – vergeblich –, die Wirkung seiner Kriegspro­pa­ganda zu steigern und sich bei Hofe gefällig zu machen.
  • In der Gestaltung der Titelfigur und in seiner freien Behandlung des Versmetrums zeigt sich Kleist auf der Höhe seiner Kunst.
  • Das Stück wurde zu Kleists Lebzeiten weder aufgeführt noch gedruckt, da man die Darstellung eines um sein Leben zitternden Offiziers als äußerst anstößig empfand.
  • Im Kaiserreich jedoch und unter Hitler war das Drama aufgrund seines überschäumenden Pa­tri­o­tismus sehr beliebt.
  • Zitat: „In Staub mit allen Feinden Bran­den­burgs!“
 

Zusammenfassung

Verträumtes Vorspiel

Es ist Nacht im kurfürstlichen Schlosspark zu Fehrbellin. Ein Krieg ist im Gange. Am kommenden Tag soll es gegen eine schwedische Heermacht gehen. Der Ober­be­fehlshaber der bran­den­bur­gis­chen Kavallerie, Prinz Friedrich Arthur von Homburg, hat sich schlafwan­delnd unter einer Eiche niederge­lassen und flicht einen Lor­beerkranz. Beobachtet wird er von der Kurfürstin, dem Kurfürsten, dessen Nichte Prinzessin Natalie von Oranien sowie von einigen hohen Offizieren. Die Damen sorgen sich um die Gesundheit des Träumenden, doch Graf Ho­hen­zollern kennt dergleichen Zustände schon vom Prinzen und klärt die Umstehenden auf.

„Natalie! Mein Mädchen! Meine Braut! (...) Friedrich! Mein Fürst! Mein Vater!“ (Prinz von Homburg, S. 12)

Nun kann der Kurfürst nicht widerstehen und macht die Probe aufs Exempel: Er nähert sich dem Prinzen und nimmt ihm den Kranz weg. Dann wickelt er seine eigene Halskette darum und übergibt das Gebinde der Prinzessin, die es feierlich emporhält. Der Prinz will danach greifen, doch die Prinzessin zieht sich mitsamt den Übrigen von ihm zurück. Der Prinz geht ihnen nach; noch immer in seinem Traum befangen, nennt er, zu jedermanns Befremdung, den Kurfürsten Vater, die Kurfürstin Mutter und Natalie seine Braut. Man lässt ihn schließlich allein zurück. Zwar hat er den Kranz nicht wieder, doch dafür einen Handschuh der Prinzessin, den er ihr im Nachfassen abgestreift hat. Wenig später kehrt Graf Ho­hen­zollern zurück und weckt den Schlafwan­dler. Der weiß nicht, wie ihm geschieht, die eben stattge­fun­dene Szene schildert er als wundersamen Traum. Für den Handschuh hat er allerdings keine Erklärung. Man geht zu Bett. Die Schlacht steht bevor.

Strate­giebe­sprechung

Tags darauf, als von Ferne schon die Kanonen donnern, erläutert der kurfürstliche Feld­marschall Dörfling den Schlacht­plan und weist den Heerführern ihre jeweiligen Aufgaben zu: Die Vorhut des Obersten Götz hat bereits Feindberührung und vertreibt die Schweden von den Hack­el­ber­gen. Dem Feind soll dann der Rückzug über die Rhin-Brücken abgeschnit­ten werden. Dazu soll der rechte Flügel der Bran­den­burger unter Oberst Hennings den linken Flügel des Feindes umgehen und sich zwischen ihm und den Brücken postieren. Gemeinsam mit der Abteilung des Grafen Truchß soll Hennings dann die Schweden in die Flucht schlagen und in den Sumpf jagen. Dem Prinzen von Homburg ist zugedacht, mit seiner Kavallerie im Hintergrund zu warten, bis der Kurfürst ihm durch einen Boten den An­griffs­be­fehl erteilt. Dann, und erst dann, soll er in die Schlacht eingreifen und die fliehenden Schweden in jenem Sumpf aufreiben. So weit die Instruktion. Doch der Prinz ist nicht ganz bei der Sache, noch immer hält ihn das Traumbild der letzten Nacht gefangen. Zu allem Überfluss beobachtet er, wie abseits der Strate­giebe­sprechung die holde Natalie ihren Handschuh sucht. Völlig verwirrt versucht der Prinz eins und eins zusammenzuzählen: Wie bloß kommt Natalies Handschuh in seinen Besitz?

Auf dem Feld der Ehre

Die Schlacht ist in vollem Gang. Der Prinz und seine Kommandeure, unter ihnen Graf Ho­hen­zollern, der alte Haudegen Obrist Kottwitz und Rittmeister von der Golz, verfolgen die Ereignisse von einem Hügel aus. Alles läuft nach Plan: Hennings umfasst den linken Flügel der Schweden, Truchß greift mit der Hauptmacht frontal an. Es donnert und blitzt aus Kanonen und Musketen. Schon wenden sich die Schweden zur Flucht. Der Prinz kann jetzt nicht mehr an sich halten. Statt auf den Boten zu warten, lässt er, entgegen dem ausdrücklichen Befehl des Kurfürsten, zum Angriff blasen. Zwar melden seine Kommandeure Bedenken an, doch der Prinz packt Kottwitz bei der Ehre, lässt einen wider­set­zlichen Offizier verhaften und bringt Graf Ho­hen­zollern dazu, sich seiner Autorität zu beugen. Es geht auch alles gut, die Bran­den­bur­gis­chen tragen den Sieg davon, der Schwede ist entschei­dend geschlagen. In einem nahen Dorf empfangen die Kurfürstin und Natalie die triumphale Neuigkeit. Doch auch ein Unglück wird ihnen berichtet: Der Kurfürst soll gefallen sein. Rittmeister von Mörner schildert, wie er gesehen hat, dass der Kurfürst mitsamt Pferd zu Boden stürzte. Kurz darauf kommt der Prinz hinzu. Er versucht die verzweifelte Natalie zu trösten, bietet sich als ihr Beschützer, Rächer und Gatte an. Natalie akzeptiert.

Vom Schlacht­feld ins Gefängnis

Wenig später erweist sich das Gerücht als falsch, der Kurfürst lebt. Stallmeis­ter Froben ist der Tote. Er mochte nicht mit ansehen, wie der Fürst auf seinem Schimmel ein so gut sichtbares Ziel für die Schweden abgab, und tauschte deshalb mit ihm das Pferd.

„In’s Nichts mit dir zurück, Herr Prinz von Homburg, / In’s Nichts, in’s Nichts! In dem Gefild der Schlacht, / Sehn wir, wenn’s Dir gefällig ist, uns wieder! / Im Traum erringt man solche Dinge nicht!“ (der Kurfürst zum Prinzen von Homburg, S. 13)

In Berlin wird das Leichenbegängnis des helden­haften Stallmeis­ters abgehalten. Auf dem Schloss­platz tummelt sich das Volk. Der Kurfürst hat seine Offiziere um sich versammelt und erkundigt sich, wer denn der Ungehorsame gewesen sei, der den be­fehlswidri­gen Kaval­leriean­griff geführt habe. Doch niemand sagt etwas. Graf Truchß immerhin weiß, dass es keinesfalls der Prinz gewesen sein könne, denn der sei schon vor der Schlacht mit dem Pferd umgekippt und habe sich dabei verletzt. Wer immer es gewesen sei, so verkündet der Kurfürst, dem drohe das Kriegs­gericht. Als der Prinz von Homburg, entgegen dem Gerücht so gut wie unverletzt, eintrifft und dem Kurfürsten die erbeuteten Fahnen des Gegners überbringen will, gibt er die Tat freimütig zu, worauf ihn der Fürst gefangen nehmen lässt. Der Prinz versteht die Welt nicht mehr: Kommt er denn nicht als Sieger nach Berlin? Die Kameraden mahnen ihn zur Ruhe. Unter trotzigen Worten lässt er sich schließlich abführen.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Der Prinz sitzt im Gefängnis zu Fehrbellin. Immer noch ist er sich seiner Situation nicht bewusst. Als Graf Ho­hen­zollern ihn besuchen kommt, glaubt er zunächst, der Freund bringe seine Entlassung. Ho­hen­zollern hat Mühe, ihn davon zu überzeugen, dass von einer solchen gar keine Rede sein kann. Im Gegenteil, das Kriegs­gericht hat seine Exekution beschlossen; offenbar fehlt für das Todesurteil nur noch die Un­ter­schrift des Kurfürsten. Doch selbst jetzt rechnet der Prinz noch fest mit einer Begnadigung. Er vermutet, der Kurfürst wolle ihn ein wenig diszi­plin­ieren, habe wahrschein­lich sogar Großes mit ihm vor. Doch auch diese Illusion muss ihm Graf Ho­hen­zollern nehmen: Dem Fürsten sei es durchaus ernst mit der Verurteilung. Jetzt erst begreift der Prinz – und stürzt in einen Abgrund der Verzwei­flung. Was kann das Herz des Fürsten so gegen ihn verhärtet haben? Da berichtet ihm Graf Ho­hen­zollern, dass ein Gesandter der Schweden, ein Graf Horn, im Auftrag seines Königs um die Hand der Prinzessin von Oranien angehalten habe, doch die habe ihn mit dem Hinweis auf ihr bestehendes Heiratsver­sprechen abgewiesen. Der Prinz meint zu begreifen: Das ist der Grund für den Unmut des Kurfürsten, daher die harte Linie! Was ist da zu tun? Er sieht nur einen Weg: die Kurfürstin beknien. Vielleicht lässt der Kurfürst sich von ihr erweichen.

Den Tod vor Augen

Die Wache akzeptiert das Ehrenwort des Prinzen und lässt ihn vorübergehend frei. Der Prinz eilt zur Kurfürstin, wo auch Natalie ist. Nun lässt der Prinz seiner Verzwei­flung die Zügel schießen. Auf dem Weg hat er das für ihn vor­bere­it­ete Grab gesehen. Die nackte Angst hat ihn gepackt und lässt ihn alle Rücksichten auf seine Ehre vergessen. Auf alles will er verzichten, auf Würde, Amt und Natalie, wenn er bloß leben kann. Er will sich als schlichter Landmann auf seine Güter am Rhein zurückziehen, Natalie rät er zum Kloster. Die ist gerührt und verspricht, sich beim Kurfürsten für ihn einzusetzen. Für den Fall eines ungünstigen Ausgangs indes mahnt sie den Prinzen zu mehr Haltung. Er soll im Gefängnis den Schick­salsspruch erwarten. Derweil sucht Natalie ihren Onkel auf. Mit lei­den­schaftlichen Worten bittet sie den Kurfürsten um Gnade für den armen Prinzen: Ein mitlei­d­loses Beharren auf den Paragrafen des Kriegsrechts sei un­men­schlich. Milde sei dagegen, was einem großen Herrscher gezieme. Der Fürst ist erstaunt, dass der Prinz sein Schicksal nicht annehmen will: Die absolute Geltung des Rechts müsse ihm, als Würdenträger des Staates, doch heilig sein. Wenn es aber nun einmal so sei, solle er seine Gnade haben. Unter der Bedingung allerdings, dass er ihn schriftlich darum bitte und erkläre, der Entscheid des Kurfürsten sei unrecht gewesen. Der Fürst bereitet ein entsprechen­des Schreiben un­ter­schrift­sreif vor, das Natalie dem Prinzen überbringen soll.

Sinneswan­del des Prinzen

Vorher jedoch trifft Rittmeister Graf Reuß bei der Prinzessin ein und berichtet von einem Aufruhr unter der kurfürstlichen Generalität. Auch den Kriegskam­er­aden des Prinzen geht das Todesurteil zu Herzen. Sie haben sich unter der Führung von Kottwitz zusam­menge­tan und eine Bittschrift verfasst. Es fehlen noch die Un­ter­schriften einiger Offiziere, die Kottwitz, der im fernen Arnstein ein­quartiert ist, von dort aus nicht erreichen konnte. Schnell fertigt die Prinzessin im Namen des Fürsten einen Marschbe­fehl aus: Kottwitz soll unverzüglich nach Fehrbellin kommen. Zwar hat der Fürst den Prinzen schon halb begnadigt, doch sicher ist sicher. Graf Reuß, mit dem Be­fehlss­chreiben ausgerüstet, bleibt in Wartestel­lung, während die Prinzessin sich zum Gefängnis begibt. Dort teilt sie dem Prinzen die frohe Kunde mit. Wie groß ist ihr Erstaunen, als der sich nach Lektüre des kurfürstlichen Gnaden­briefes wie verwandelt zeigt: Von Gnade will er plötzlich nichts mehr wissen, wenn die Bedingung ist, dass er das Urteil des Kurfürsten ungerecht nennen muss. Stattdessen will er das Urteil freimütig akzeptieren. Das schockiert Natalie zunächst, doch dann begreift sie den Edelmut des Prinzen und heißt seine Entschei­dung gut.

„Du hast mir, Glück, die Locken schon gestreift: / (...) Heut, Kind der Götter, such’ ich, Flüchtiges, / Ich hasche Dich im Feld der Schlacht und stürze / Ganz Deinen Segen mir zu Füßen um: / Wärst du auch siebenfach, mit Eisenketten, / Am schwed’schen Siegeswagen fest­ge­bun­den!“ (Prinz von Homburg, S. 29)

Graf Reuß eilt nach Arnstein und bringt Kottwitz samt seinem Drag­onerreg­i­ment nach Fehrbellin. Als die Grafen Ho­hen­zollern und Truchß und Rittmeister Golz den Kurfürsten darüber informieren, ist das Regiment bereits vor dem Schloss auf­marschiert. Der Fürst schickt einen Diener hinunter, der heimlich Erkundi­gun­gen einziehen soll. Nun überschlagen sich die Ereignisse. Feld­marschall Dörfling stürmt in die kurfürstlichen Gemächer und meldet, dass eine Rebellion aus­ge­brochen sei. Er berichtet, die Generalität habe sich versammelt und wolle eine Bittschrift zugunsten des Prinzen überreichen, sei aber bereit, zur Not auch Gewalt anzuwenden, um ihren Kameraden zu befreien. Der Kurfürst bleibt gefasst: Sollen die Aufrührer ihr Anliegen vorbringen!

Grund­satzdiskus­sio­nen, preußische Art

Ein Diener meldet die Offiziere an, der Kurfürst will sie empfangen. Ein zweiter Diener bringt die Antwort des Prinzen aus dem Gefängnis. Nachdem der Kurfürst sie studiert hat, lässt er sich das Todesurteil bringen. Dann treten Obrist Kottwitz, die Grafen Truchß, Ho­hen­zollern und Reuß, der Rittmeister von der Golz und andere Offiziere ein. Kottwitz übergibt das Gnadenge­such. Der Kurfürst liest. Kottwitz ergreift nun das Wort, er verteidigt mit einem lei­den­schaftlichen Appell die Tat des Prinzen: Er selbst hätte nicht anders gehandelt, militärisch sei der eigenmächtige Angriff ja sinnvoll gewesen, es zähle ohnehin vor allem der Sieg, das Vaterland und die Majestät des Fürsten, was seien da graue Paragrafen! Der Kurfürst bekundet dem Obristen seine Sympathie, ist aber anderer Meinung, was die taktische Richtigkeit des Angriffs angeht: Der Sieg hätte ein ver­nich­t­en­der sein müssen, der Prinz habe vor der Zeit einge­grif­fen, so hätten die Schweden sich noch einmal zurückziehen können. Als Zeugen für seine Sichtweise lässt der Fürst jetzt den Prinzen selbst holen. Unterdessen diskutiert er noch mit Graf Ho­hen­zollern, der die Meinung vertritt, an dem ganzen Schlamassel sei der Kurfürst letztlich selbst schuld, da er damals im Schloss­garten dem schlafwan­del­nden Prinzen jenen Streich gespielt habe, der dann auf dem Umweg über Natalies Handschuh die Ursache für die Verwirrung des Prinzen geworden sei.

Ein wahrer Held

Endlich ist der Prinz da. Als er erfährt, dass seine Kameraden sich für ihn verwendet haben, ist er gerührt, er weist jedoch deren Ansinnen zurück: Sterben will er, wie es das Gesetz gebietet, und ohne Groll. Das höchste Gut, erklärt er, sei das Recht, und der eigentliche Feind eines Staates sei in dem Trotz und Übermut seiner Befehlsempfänger zu finden. Nun sind auch die Offiziere gerührt. Der Prinz erscheint ihnen in heroischem Licht. Sein abschließender Appell, Prinzessin Natalie nicht an den Schweden zu verheiraten, alle Ver­hand­lun­gen abzubrechen und den Feind auf dem Schlacht­feld zu kon­fron­tieren, findet allgemeine Zustimmung. Der Kurfürst verspricht dem Prinzen die Erfüllung dieser Wünsche. Der Prinz ist zufrieden. Für sich selbst will er nichts mehr als den Tod. Er wird zurück in den Kerker gebracht.

„Und jetzt ist die Parol’, ihr Herrn: ein Schurke, / Wer seinem General zur Schlacht nicht folgt!“ (Prinz von Homburg, S. 36)

Auf die Frage des Kurfürsten, ob die Offiziere weiter unter dem Prinzen kämpfen wollen, zeigen sie sich begeistert. So soll es denn sein. Der Kurfürst zerreißt das Todesurteil. Dem Prinzen will er aber nun noch einmal einen Streich spielen: Statt zur Hinrichtung wird dieser, mit verbundenen Augen, in den Schloss­garten geführt. Dort wird ihm die Binde abgenommen: Alle sind versammelt, wie in jenem Traum. Der Kurfürst reicht der Prinzessin Lor­beerkranz und Kette. Die krönt ihren Helden und hält seine Hand, worauf der Prinz vor Glück vorübergehend ohnmächtig wird. Doch schon donnern wieder die Kanonen, Marschmusik ertönt, die Bran­den­burger rüsten sich zum Kampf.

Zum Text

Aufbau und Stil

Mit seinem fünfaktigen Aufbau folgt Prinz Friedrich von Homburg den überkommenen drama­tis­chen Kon­ven­tio­nen der Epoche. Auch die Vorgabe der drei aris­totelis­chen Einheiten von Raum, Zeit und Handlung hat Kleist im Wesentlichen eingehalten. Die Komposition ist kunstvoll; zahlreiche Symmetrien bringen einzelne Elemente in einen be­deu­tungsvollen Zusam­men­hang. All das spricht für eine Charak­ter­isierung des Stücks als „geschlossenes Drama“. Doch der offen angelegte Charakter des Prinzen, dem Kleist eine wesentliche Entwicklung zugesteht, durchbricht diese Geschlossen­heit. Ein ähnlich eigensin­niger Umgang mit den herrschen­den Normen zeigt sich in Kleists Handhabung der Dialoge: Die reimlosen Blankverse und der fünfhebige, jambische Rhythmus sind zwar kon­ven­tionell. Doch Kleist hält sich nicht streng an die Metrik des Blankverses, er erlaubt sich durchaus Un­ge­nauigkeiten oder gar Brüche. Rege­lab­we­ichun­gen sind bei ihm stets Mittel zum Zweck, wie er sich überhaupt als Meister darin erweist, alle Gestal­tungsmit­tel konzertiert einzusetzen, um seine jeweilige künstlerische Absicht zu ver­wirk­lichen. Kleist schafft Stimmungen mithilfe von Metaphern, Bildern oder Leitwörtern („Gold“, „Sonne“, „Wind“, „Staub“), oder er setzt die Kleist-typ­is­chen span­nungserzeu­gen­den Komma-Kaskaden ein. Der eigentliche Sprachstil des Stücks ist, hier fügt sich Kleist wieder ganz der Konvention, durchaus pathetisch. Schließlich sprechen Fürsten, Grafen und Generäle; niederes Volk hat nur Sta­tis­ten­rollen.

In­ter­pre­ta­tion­sansätze

  • Das Stück ist kaum verhohlene Kriegspro­pa­ganda: ein Appell an den Preußenkönig Friedrich Wilhelm III., die Franzosen aus dem Land zu jagen, so, wie es im Stück der Große Kurfürst mit den Schweden macht.
  • Das Stück ist kein His­to­rien­drama. Der geschichtliche Hintergrund ist größtenteils Staffage. Die Charaktere haben zwar teilweise reale Vorbilder aus der Zeit des Großen Kurfürsten, sind jedoch nur lose an sie angelehnt. Dafür hat sich Kleist der jüngeren preußischen Geschichte bedient: Der Prinz von Homburg etwa trägt Züge des 1806 im Kampf gegen die Franzosen gefallenen und vom Volk hero­isierten Prinzen Louis Ferdinand.
  • Hauptthema des Dramas ist der Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Eigennutz und Staatsräson, zwischen Wünschen und Normen. Der zunächst egoistische Held wird durch Todesfurcht geläutert und den Forderungen der Gesellschaft wieder nützlich gemacht.
  • Doch auch vonseiten des Staates gibt es ein Ent­ge­genkom­men, das sich in der außerge­set­zlichen Begnadigung des Prinzen durch den Kurfürsten ausdrückt. In dieser Versöhnung zwischen Individuum und Staat auf der Ebene gegen­seit­iger Ve­r­ant­wor­tung liegt der utopische Gehalt des Stücks. Bei dieser Versöhnung ging es Kleist um die Schaffung einer mythisch-heili­gen Gemein­schaft zwischen Regent und Volk und damit um den Schul­ter­schluss im ersehnten Frei­heit­skampf.
  • Kleists Absicht, mittels Dichtung in die Wirk­lichkeit, in die Politik seiner Zeit einzu­greifen, speist sich aus dem Weltbild des deutschen Idealismus sowie der Frühromantik.
  • Aus psy­cho­an­a­lytis­cher Perspektive erscheint die Gehor­samsver­weigerung des Prinzen als ödipale Auflehnung.

His­torischer Hintergrund

Europa am Vorabend der Be­freiungskriege

1807 befand sich Napoleon auf dem Höhepunkt seiner Macht. Mit den Friedenss­chlüssen von Preßburg und Tilsit hatte er sich die drei kon­ti­nen­taleu­ropäischen Großmächte unterworfen: Österreich, Russland und Preußen. Letzteres musste eine Halbierung seines Ter­ri­to­ri­ums sowie die Auferlegung schwerer Trib­utzahlung hinnehmen. König Friedrich Wilhelm III. machte gute Miene zum bösen Spiel, doch die öffentliche Stimmung neigte sich allmählich gegen Napoleon.

Der entschei­dende Funke sprang 1808 mit der Erhebung der Spanier gegen die französische Fremd­herrschaft über. Hiervon inspiriert, begannen nun auch in Preußen ein­flussre­iche Persönlichkeiten, den zaudernden König gegen Napoleon aufzus­tacheln. 1809 gingen die Österreicher mit gutem Beispiel voran: Da sie Napoleon in Spanien beschäftigt sahen, nutzten sie die Gunst der Stunde und at­tack­ierten französische Stellungen in Süddeutsch­land und Italien. In der Schlacht von Aspern im Mai 1809 versetzten sie Napoleon seine erste Niederlage zu Land. Zwar endete der Krieg nach der Schlacht von Wagram im Juli 1809 mit der erneuten Un­ter­w­er­fung Österreichs, doch von nun an befand sich Napoleon in der Defensive. In ganz Europa brodelte es. Die Fremd­herrschaft, obwohl sie vielerorts große Vorteile gebracht hatte, wurde zunehmend als Tyrannei empfunden. Unter ihrem Druck erhob sich eine Welle pa­tri­o­tis­cher Bewegungen. So auch in Preußen, wo der Vater­land­seifer sich auf das Ziel einer deutschen Nation zu richten begann. Diese war zwar eine reine Worthülse ohne his­torischen oder politischen Inhalt, doch sogleich machten sich Komponisten, Dichter und Philosophen daran, sie mit Bedeutung zu füllen.

Entstehung

1809 begann Kleist mit der Arbeit an Prinz Friedrich von Homburg. Kurz zuvor hatte ein Zufall ihn inspiriert: Auf dem Weg nach Prag war er vor Ort, als Napoleon im öster­re­ichis­chen Aspern seine erste Feld­schlacht verlor. Tags darauf besichtigte Kleist das Schlacht­feld. Unter diesem Eindruck beschloss er, seine Dichtkunst in den Dienst der „deutschen Sache“ zu stellen: Er wollte zur Rebellion gegen die Fremd­herrschaft aufrütteln, den Funken von Aspern schüren, eine pa­tri­o­tis­che Zeitschrift gründen. Aus Letzterem wurde nichts, da Napoleon kurz darauf das Heft des Handelns wieder in der Hand hielt. Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. blieb vorsichtig in Deckung. Wenn Kleist nicht mit der Zensur in Konflikt geraten wollte, musste er seine Appelle an den zögerlichen Monarchen möglichst trickreich verschlüsseln.

Zu diesem Zweck, nicht zuletzt aber auch in der Hoffnung auf finanzielle Unterstützung, schrieb der stets klamme Kleist das pa­tri­o­tis­che Stück Prinz Friedrich von Homburg und widmete es Marianne von Preußen, einer Nachfahrin seines Titelhelden. Auf den Stoff hatte ihn wohl eine Anekdote aus der Feder Friedrichs des Großen über die angebliche In­sub­or­di­na­tion eines Landgrafen von Hes­sen-Hom­burg in der Schlacht von Fehrbellin gebracht. Kleist spitzte die Anekdote patriotisch zu und umgab sie mit einer bedeutsamen Rah­men­hand­lung. Dabei ließ er zahlreiche An­spielun­gen auf die gegenwärtige Situation Preußens einfließen. Ein Brief Kleists an seine Schwester Ulrike lässt vermuten, dass das Stück im Frühjahr 1810 fertig war.

Wirkungs­geschichte

Kleist ließ das Stück Marianne von Preußen zukommen und verband es mit einer Bitte um Förderung. Eine Antwort erhielt er nicht. Zu of­fen­sichtlich war wohl die pro­pa­gan­dis­tis­che Absicht des Stücks, als dass man sich bei Hofe für seine Aufführung verwenden mochte. Ebenso wenig gelang es Kleist, einen Verleger zu finden. Erst 1821, zehn Jahre nach Kleists Tod, wurde das Drama im Rahmen der von Ludwig Tieck besorgten Kleist-Gesam­taus­gabe veröffentlicht. Prob­lema­tisch gestaltete sich auch die Bühnengeschichte des Werks, beginnend 1821 mit der Uraufführung im Wiener Burgtheater. Besonders die so genannte Todes­furcht­szene, in der der Prinz um sein Leben fleht, wurde als Subversion des preußischen Wertesys­tems empfunden. Wenn das Stück gespielt wurde, dann nur in zensierter Fassung. Schließlich verbot es der König ganz. Erst unter seinem Nachfolger begann eine allmähliche Re­ha­bil­i­tierung. Im Kaiserreich schließlich wandelte sich die Bewertung des Dramas komplett. Wilhelm II. zählte es zu seinen Lieblingsstücken: Er sah in der Gestalt des Großen Kurfürsten die ultimative Ver­her­rlichung Preußens.

Auch die Nazis erkannten den Pro­pa­gan­daw­ert des Stücks und miss­brauchten es für ihre Zwecke, was dazu führte, dass es nach 1945 lange als unspielbar galt. Iro­nis­cher­weise erfolgte seine Wieder­bele­bung in Frankreich. Von hier nahm eine ex­is­ten­zial­is­tis­che, aller politischen Aspekte entkleidete Deu­tungsweise ihren Anfang. Eine weitere Wegmarke war die Bearbeitung als Oper durch Hans Werner Henze 1960. Mit seiner Vielzahl ver­schieden­ster, teils überaus kon­tro­verser Lesarten hat sich das Stück heute auf deutschen Bühnen wie in deutschen Klassen­z­im­mern als Klassiker etabliert.

Über den Autor

Heinrich von Kleist wird am 18. Oktober 1777 in Frankfurt an der Oder geboren, er stammt aus einer preußischen Of­fiziers­fam­i­lie. Als junger Gefre­iter-Ko­r­po­ral nimmt er im ersten Koali­tion­skrieg gegen Napoleon an der Belagerung von Mainz und am Rhe­in­feldzug (1793 bis 1795) teil. Bald fühlt er sich vom Of­fiziers­beruf abgestoßen und wendet sich der Wis­senschaft zu. Durch seine Kant-Lektüre verliert er jedoch den Glauben an einen objektiven Wahrheits­be­griff und erkennt, dass er nicht zum Gelehrten geschaffen ist. Ebenso wenig fühlt sich der en­thu­si­astis­che Kleist zum Staats­di­ener berufen. 1801 bricht er aus seiner bürgerlichen Existenz aus, reist nach Paris und später in die Schweiz, wo er als Bauer leben will. Doch auch daraus wird nichts. Schon während seiner Zeit in Paris beginnt Kleist zu dichten. Seine Theaterstücke, die heute weltberühmt sind, bleiben zunächst erfolglos. Von 1801 bis 1811 entstehen unter anderem die Tragödien Die Familie Schrof­fen­stein (1803), Robert Guiskard und Penthesilea (beide 1808), außerdem Das Käthchen von Heilbronn (1808), Die Her­mannss­chlacht (1821 postum erschienen), die Komödien Amphitryon (1807) und Der zerbrochne Krug (1808) sowie die Erzählungen Die Marquise von O.... (1808), Das Bettelweib von Locarno (1810) und Die Verlobung in St. Domingo (1811). 1810 verweigert der preußische Staat Kleist, der nach Stationen in Königsberg und Dresden wieder in Berlin lebt, eine Pension. Auch aus dem Königshaus erhält er keine Anerkennung, obwohl er der Schwägerin des Königs das pa­tri­o­tis­che Stück Prinz Friedrich von Homburg widmet. Dennoch ist es wohl weniger äußere Bedrängnis als innere Seelennot, die Kleist schließlich in den Freitod treibt. Am 21. November 1811 erschießt er zunächst seine unheilbar kranke Freundin Henriette Vogel und danach sich selbst am Kleinen Wannsee in Berlin.