Ihre Einstellung zu Verhandlungen
Bei Verhandlungen geht es nicht um Sozialromantik, sondern um einen Sieger und einen Verlierer. Das berühmte Win-win-Konzept wurde an der Harvard-Universität lediglich für Verhandlungen entwickelt, in denen es keine starken Interessengegensätze gibt; bei schwierigen Verhandlungen aber ist es untauglich. Sie können allerdings, wenn Sie als Sieger aus der Verhandlung hervorgehen, dem Verlierer das subjektive Gefühl vermitteln, ebenfalls gewonnen zu haben. Interessengegensätze basieren nicht auf richtigen oder falschen Vorstellungen. Es geht nicht um Recht, Wahrheit oder Realität, sondern um subjektive Einstellungen. Und das ist gut so, denn diese lassen sich beeinflussen, unumstößliche Fakten dagegen nicht.
„Einer der größten Irrtümer ist der Glaube daran, dass beide Seiten gewinnen können.“
Untersuchen Sie die Motivation Ihres Verhandlungspartners und versuchen Sie, durch Fragen Informationen zu gewinnen. Mit Fragen können Sie Ihren Verhandlungspartner geschickt lenken. Stellen Sie aber immer nur eine Frage auf einmal und veranlassen Sie Ihr Gegenüber nicht zu einer frühzeitigen Festlegung, sonst schränken Sie den Verhandlungsspielraum ein. Notieren Sie sich Widersprüche in der Argumentation Ihres Partners. Dies hilft Ihnen bei Ihrer Analyse. Zudem können Sie ihm die Widersprüche bei passender Gelegenheit geschickt präsentieren. Reichen Sie vor der Verhandlung eine Verhandlungsagenda ein. Sie sollte unstrittig sein, damit sie keine Widerstände provoziert. Der Vorteil: Durch die Agenda nehmen Sie das Heft in die Hand und machen sich zum Verhandlungsführer.
Die strategische Vorbereitung
Inhaltlich sind die meisten Verhandlungspartner optimal vorbereitet. Es mangelt aber oft an der taktischen und strategischen Vorbereitung. Diese umfasst drei Aspekte:
- Zielsetzung: Setzen Sie sich neben dem Maximalziel ein Minimalziel. Halten Sie Ihre Ziele vor der Gegenseite bis zur Verhandlung geheim.
- Strategie: Je mehr Forderungen Sie an Ihren Verhandlungspartner stellen können, desto stärker ist Ihre Position. Entwickeln Sie mindestens zehn Forderungen. Ordnen Sie diese nach Prioritäten. Sie können die Relevanz Ihrer Forderungen auch farblich markieren: Rote Forderungen müssen und gelbe Forderungen sollten Sie durchsetzen. Grüne Forderungen brauchen Sie nicht zu realisieren. Diese dienen der Informationsfindung und Verschleierung Ihrer eigentlichen Absichten. Je kurzfristiger Ihre Ziele und Kooperationsabsichten sind, desto härter können Sie auftreten. Analysieren Sie Ihren Verhandlungspartner: Ist er eher pragmatisch oder emotional eingestellt, schnell umsetzend oder abwartend, aggressiv oder zurückhaltend?
- Taktik: Stellen Sie einen für die gesamte Verhandlung Verantwortlichen auf, der strategisch mehrere Schritte im Voraus denken kann und emotional distanziert ist. Dieser bestimmt wiederum einen Verhandlungsführer. Hinterfragen Sie Informationen bezüglich Ihres Wahrheitsgehalts und holen Sie ggf. den Rat von unabhängigen Experten ein. Diese dürfen nicht direkt an der Verhandlung teilnehmen. Ohnehin gilt: Je kleiner Ihr Team ist, desto weniger ist es verwundbar. Entwickeln Sie Ihre Forderungen samt Begründungen und nehmen Sie vorweg, mit welcher Zustimmung und welchen Gegenargumenten Sie rechnen müssen.
Die Rollenverteilung
Viele Unternehmer neigen hinsichtlich ihrer Verhandlungsvorbereitung zur Selbstüberschätzung. Vor allem Eskalationen stehen sie hilflos gegenüber. Bestimmen Sie für diesen Fall neben dem Verhandlungsverantwortlichen und dem Verhandlungsführer einen Entscheider. Dies kann eine Einzelperson oder ein Gremium sein. Diese Rollenverteilung muss uneingeschränkt beibehalten werden. Niemals darf der Entscheider den Verhandlungsführer ablösen, auch wenn die Gegenseite danach verlangt. Neben seiner finalen Entscheidungsbefugnis entwickelt er die Verhandlungsstrategie und bestimmt die Ziele und den Zeitplan. Die Ziele darf er jedoch nicht kommunizieren, allenfalls falsche.
„Ein Konflikt beruht immer auf unterschiedlichen Interessen und der Annahme, dass die eigenen Interessen die richtigen Interessen sind.“
Der Entscheider bestimmt auch, ob die Verhandlungsführung den so genannten Dealmakern oder den Realmakern übertragen wird. Dealmakern geht es um den schnellen Abschluss – das kann durchaus ein legitimes Ziel sein. Im Eifer des Gefechts werden dabei aber oft nicht alle Informationen ausgewertet, sodass es nach Vertragabschluss ein böses Erwachen geben kann. Realmakern geht Gewissenhaftigkeit vor Schnelligkeit. Sie binden mehr Betroffene in den Verhandlungsprozess ein und legen auch die kritischen Punkte auf den Tisch.
Der Verhandlungsbeginn
Legen Sie sich nicht zu früh mit Vereinbarungen und Zugeständnissen fest, denn gerade am Anfang der Verhandlung sind Sie vielleicht emotional aufgewühlt und lassen sich leichter zu unklugen Reaktionen hinreißen. Notieren Sie lieber die Äußerungen der Gegenseite, am besten mit Uhrzeit. Konzentrieren Sie sich am Anfang der Verhandlung trotz gegensätzlicher Interessen und Absichten auf gemeinsame Probleme oder Ziele. Verstärken Sie in den Verhandlungen nicht die negativen Äußerungen Ihres Partners wie etwa Streikdrohungen, sondern die für Sie konstruktiven Vorschläge. Nicht genehme Äußerungen können Sie allenfalls abschwächend oder umdeutend aufnehmen. Auch in der Endphase der Verhandlung, der so genannten Entscheidungsphase, ist der Stresslevel äußerst hoch. Entscheiden Sie sich daher niemals in dieser Entscheidungsphase – sondern bereits ganz am Anfang, in der Vorbereitungsphase. Wenn Sie in der turbulenten Endphase Druck auf die Gegenseite ausüben und ihre Erwartungen enttäuschen, können Sie sie zu unvorsichtigen Handlungen und Fehlern verleiten.
Die Machtverteilung in der Verhandlung
Über- und unterschätzen Sie Ihre Macht nicht, sie ist von zu vielen Faktoren abhängig. Folgende augenscheinliche Kräfteverhältnisse sind zwischen Verhandlungspartnern möglich:
- Beide Seiten sind unabhängig, wenn z. B. der Lieferant drei mögliche Abnehmer und der Käufer drei mögliche Lieferanten hat.
- Beide sind voneinander abhängig, wenn beide keine Wahlmöglichkeiten haben.
- Nur ein Verhandlungspartner ist vom anderen abhängig, da dem anderen Alternativen zur Verfügung stehen.
„Viele Verhandlungsführer brechen die Analyse viel zu früh ab, weil sie glauben, genug zu wissen.“
Allerdings sind diese Kräfteverhältnisse nicht in Stein gemeißelt. Es steht Ihnen z. B. frei, sich vor Gehaltsverhandlungen bei anderen Unternehmen zu bewerben, um Wahlmöglichkeiten zu schaffen. Besitzen Sie indes keine Alternative, erfordert die Verhandlung von Ihrer Seite erst recht Zähigkeit, Disziplin und Struktur.
„Jeder Mensch lässt mit sich reden, sich sogar überzeugen – wenn er sich noch nicht festgelegt hat.“
Wie sichern Sie Ihre Position? Sammeln Sie relevantes Wissen, auch über Ihren Verhandlungspartner. Nicht nur in der Polizeiarbeit werden dafür Verbindungsmänner aufgebaut. Deren Motivation besteht nicht darin, Ihnen zu dienen, sondern darin, ihrer eigenen Karriere und ihren eigenen Projekten zu nützen. Spüren Sie V-Männer in Ihren eigenen Reihen auf, die für andere Unternehmen arbeiten. Schneiden Sie diese vom Informationsfluss ab bzw. versorgen Sie nur noch eine ausgewählte Anzahl von Mitarbeitern mit heiklen Informationen. Zapfen Sie das interne Wissen an, das Ihre Mitarbeiter über das Unternehmen des Verhandlungspartners besitzen.
„In Verhandlungen kommt es mehr auf Ihre Taktik als auf Ihre Intuition an.“
Fangen Sie, auch wenn Sie noch ein Jahr bis zum Verhandlungsabschluss Zeit haben, sofort mit den Vorbereitungen an. Dies kann über Sieg und Niederlage entscheiden. Bereiten Sie einen Zeitplan mit den einzelnen Zwischenschritten und -zielen vor. Analysieren Sie die Beteiligten und Experten der Gegenseite. Beginnen Sie neun Monate vor dem geplanten Abschluss mit regelmäßigen internen Treffen, bei denen der Verantwortliche, der Verhandlungsführer und der Entscheider zusammen mit Experten die Situation besprechen und klären, welche Informationen noch nötig sind. Erstellen Sie sechs Monate vor dem Abschluss zusammen mit dem Verhandlungspartner einen genauen Verhandlungszeitplan. Wichtig: Es ist Ihr Plan, der eingehalten wird, nicht der Plan der Gegenseite.
Führen Sie durch Taktik
Vertrauen Sie mehr auf erprobte Taktik als auf Ihre Intuition. Folgende taktische Schritte haben sich bewährt:
- Entwickeln Sie selbst die Agenda und geben Sie den Zeitplan vor.
- Bestätigen Sie Ihren Partner, indem Sie seine Aussagen mit eigenen Worten wiedergeben, einschließlich des emotionalen Gehalts.
- Äußern Sie schlechte Nachrichten klipp und klar, reden Sie nicht um den heißen Brei herum.
- Bevor Sie das Falsche sagen, wenn Sie fehlinterpretiert werden können oder nichts Sinnvolles zu sagen wissen, schweigen Sie einfach.
- Fassen Sie die Verhandlungsergebnisse öfter zusammen und schränken Sie damit gleichzeitig den Radius Ihres Gegenübers ein.
- Formulieren Sie Drohungen und gefährliche Ankündigungen Ihres Gegenübers so um, dass Sie die gefährlichen Inhalte abschwächen. Ansonsten fühlt sich Ihr Gegenüber gezwungen, seine Drohung zu verwirklichen, um glaubwürdig zu erscheinen.
- Präsentieren Sie Ihre Vorschläge differenziert. Erwähnen Sie neben den Vorteilen auch die Nachteile, aber lassen Sie die gegensätzlichen Thesen in eine konstruktive Synthese münden.
- Lassen Sie sich unklare Aussagen und Begrifflichkeiten Ihres Gegenübers erklären. Deuten Sie aber ruhig Ausführungen bewusst zu Ihren Gunsten um.
- Lehnen Sie unakzeptable Forderungen konziliant ab. Nehmen Sie sie auf, erklären Sie aber Ihre Probleme damit.
- Schlagfertigkeit hat in Verhandlungen nichts zu suchen. Überhaupt zu antworten ist schon schlimm genug, denn es bringt Sie in die Defensive.
Aussichtslose Verhandlungen und ihre Lösung
Krisensituationen verstärken emotionale Reaktionen wie Flucht oder Angriff. Bleiben Sie standhaft und weichen Sie gerade in Krisen nicht die Rollenaufteilung von Verantwortlichem, Verhandlungsführer und Entscheider auf. Tauschen Sie diese Personen auch nicht aus.
„Wer behauptet, muss beweisen. Wer hingegen Fragen stellt, muss nichts beweisen.“
Wer die Machtposition hat, kann es sich erlauben, seine Absichten mit Druck durchzuboxen. Geben Sie selbst als Reaktion niemals komplett nach. Einzige Ausnahme: Sie wissen, dass Sie es Ihrem Gegenüber irgendwann heimzahlen können. Wenn Sie allzu leicht Kompromisse eingehen und Konflikte vermeiden, werden Ihre Partner dies bei zukünftigen Verhandlungen auszunützen wissen.
„Der Abbruch der Verhandlung ist keine Niederlage, sondern ein taktisches Element, um der gegnerischen Seite zu zeigen, dass Sie an der Grenze des Machbaren angekommen sind.“
Erzielen Sie keine Einigung, so steuern Sie bewusst eine Sackgasse an und brechen Sie die Verhandlung ab, lassen Sie aber Türen offen. Durch Ihren Abbruch glaubt Ihr Partner, alles herausgeholt zu haben, was geht. Resümieren Sie in der Abbruchphase die Gemeinsamkeiten und Kontroversen und betonen Sie, dass aus Ihrer Sicht, zum jetzigen Zeitpunkt und unter diesen Umständen keine Übereinkunft möglich ist.
„Zeigen Sie bitte nie, dass Sie sich als Sieger fühlen. Sagen und betonen Sie, wie hart und professionell diese Verhandlung geführt worden ist.“
Durch eine dieser drei Türen können Sie die Verhandlung nämlich wieder aufnehmen: mit dem Hinweis auf ein Gespräch mit Ihrem Chef, auf eine neue Information, Idee oder Forderung. Noch besser ist es allerdings, der Gegenpartei den Vortritt zu lassen. Sie können Ihrem Partner kurz vor Abbruch der Verhandlung noch ein letztes Angebot unterbreiten, sodass er sich ohne Gesichtsverlust darauf berufen kann.