Die Revolution der Innovation

Buch Die Revolution der Innovation

Wertschöpfung durch neue Formen in der globalen Zusammenarbeit

Redline,
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

Die Zukunft gehört den Unternehmen, die jedem einzelnen Kunden nicht nur Produkte und Di­en­stleis­tun­gen, sondern eine einzi­gar­tige positive Erfahrung bieten. Dazu bedarf es zunehmend einer globalen Beschaffung von Ressourcen. Diese Kernthesen legen C. K. Prahalad und M. S. Krishnan in ihrem Buch sehr überzeugend dar und il­lus­tri­eren sie mit einer Vielzahl von Beispielen. Besonders interessant sind die Er­fahrungs­berichte aus Indien, die zeigen, dass sich in den Schwellenländern eine beein­druck­ende Wirtschaft­skom­pe­tenz entwickelt. Man merkt dem Buch an, dass es von hochkarätigen Fachleuten verfasst wurde, die nicht nur einen her­vor­ra­gen­den Ruf als Akademiker genießen, sondern auch wichtige in­ter­na­tionale Projekte beratend begleitet haben. BooksInShort empfiehlt das Werk allen, die Ve­r­ant­wor­tung für die strate­gis­che Neuaus­rich­tung ihrer Or­gan­i­sa­tio­nen tragen, sowie überhaupt allen, die sich für die Wirtschaftswelt der Zukunft in­ter­essieren.

Take-aways

  • Wet­tbe­werb­svorteile liegen zunehmend in der Erzeugung einzi­gar­tiger Kun­den­er­fahrun­gen (N=1).
  • Dafür ist eine globale Her­anziehung von Ressourcen (R=G) er­forder­lich.
  • In Zukunft erwartet der Kunde hohe Flexibilität und Qualität bei geringen Kosten.
  • Unternehmen brauchen Partner, um diesen Kun­de­nan­forderun­gen gerecht zu werden.
  • Ko­op­er­a­tio­nen erhöhen die Schnel­ligkeit der Entwicklung von Produkten und Di­en­stleis­tun­gen.
  • Sie müssen die Kundenbedürfnisse und Ressourcen permanent analysieren.
  • Der Kern der Wet­tbe­werbsfähigkeit liegt in den Geschäft­sprozessen.
  • Er­fol­gre­iche Geschäftsprozesse erfordern eine entsprechende technische und soziale Architektur.
  • Es wird zunehmend notwendig, global hoch qual­i­fizierte Mitarbeiter zu gewinnen.
  • Manager müssen sich neue Fähigkeiten aneignen, um die veränderten Aufgaben bewältigen zu können.
 

Zusammenfassung

Die Zukunft des Wettbewerbs: N=1 und R=G

Wenn Ihr Unternehmen im globalen Wettbewerb der Zukunft bestehen will, müssen Sie sich auf grundle­gende Veränderungen einstellen. Die Zeit der Firmen, die mehr oder weniger stan­dar­d­isierte Produkte und Ser­viceleis­tun­gen entwickeln und anbieten, nähert sich ihrem Ende. Der Kunde der Zukunft erwartet, dass die Unternehmen, mit denen er Geschäfte macht, ihm eine auf seine Person zugeschnit­tene positive Erfahrung vermitteln. Die Formel für diesen neuen Trend lautet N=1. Selbst wenn Ihr Unternehmen Millionen von Kunden hat, erwartet jeder einzelne von ihnen, dass Sie ihn als Individuum ernst nehmen und ihm einzi­gar­tige Erfahrungen bieten, die seiner in­di­vidu­ellen Situation entsprechen.

„Selbst wenn ein Unternehmen 100 Millionen Kunden hat, muss jeder Manager sich darauf konzen­tri­eren, jeweils eine in­di­vidu­elle Kun­den­er­fahrung auf einmal zu erzeugen.“

Der zweite wichtige Aspekt der künftigen Entwicklung ist die Tendenz, sich Geschäftspartner, Zulieferer und hochtal­en­tierte Mitarbeiter auf weltweiter Basis auszusuchen. Dieser Trend kann als R=G bezeichnet werden (Ressourcen=global).

Finnische Schuhe

Ein Beispiel für N=1 ist der noch relativ kleine finnische Schuh­her­steller Pomarfin. Das Unternehmen fertigt weiterhin Stan­dard­schuhe an, es bietet seinen Kunden aber auch die Möglichkeit, sich die Füße per Scan­ning-Tech­nolo­gie vermessen zu lassen und so maßgeschnei­derte Schuhe zu erhalten. In dieser Zusam­me­nar­beit mit dem Unternehmen wird auf diese Weise ein Mehrwert für jeden einzelnen Kunden geschaffen. Die ital­ienis­che De­sign­gruppe Mazzucato sorgt für das hochwertige Design, die Schuhe werden in estländischen Werken gefertigt und die Scan­ning-Tech­nolo­gie stammt von finnischen Soft­wa­reen­twick­lern. Das Scanning der Füße findet mithilfe des firmeneige­nen Händler­net­zw­erks statt, sodass ein direkter Kun­denkon­takt besteht. Die Zusam­me­nar­beit mit globalen Partnern zur Generierung einzi­gar­tiger positiver Kun­den­er­fahrun­gen entspricht der Tendenz R=G.

iPod und iTunes

Ein weiteres Beispiel für ein Geschäftsmodell, das einzi­gar­tige Kun­den­er­fahrun­gen ermöglicht, ist Apple mit seinem iPod in Kombination mit iTunes. Der Kunde kann seine Musik mithilfe der Software je nach Stimmung selbst neu kombinieren. Zudem kann er die Musik überall hören, zu Hause, im Auto oder im Park. Er kann die Musikstücke auch mit anderen Inhalten, etwa einem Nachrichten-Pod­cast, mischen. Ganz klar: N=1. Diese freie Wahl für den Kunden hat es Apple ermöglicht, 80 % des Musik­mark­tes zu erobern. Für die Bere­it­stel­lung der Inhalte arbeitet Apple mit vielen Unternehmen aus der Musikin­dus­trie sowie mit unabhängigen Künstlern zusammen. Die Pod­cast-In­halte stammen sowohl von tra­di­tionellen Medien als auch von anderen Unternehmen und Einzelper­so­nen. Die Fertigung des iPods erfolgt durch globale Partner wie Toshiba und Matsushita in Japan, Samsung in Korea und Broadcom in den USA. Die Endmontage erledigt das tai­wane­sis­che Unternehmen Inventec in seinen Fabriken in China. Das Design stammt aus Kalifornien. Ein klares Beispiel für R=G.

Die Grund­prinzip­ien von N=1

Wenn Sie in Ihrem Unternehmen N=1 ver­wirk­lichen wollen, müssen bestimmte Grund­vo­raus­set­zun­gen erfüllt werden:

  • Flexibilität: Ihr Unternehmen muss in der Lage sein, flexibel auf jeden einzelnen Kunden einzugehen und ihm so ein in­di­vidu­elles Erlebnis zu vermitteln.
  • Hohe Qualität: Eine gute Qualität ist eine Grund­vo­raus­set­zung für die Generierung positiver Erfahrungen.
  • Geringe Kosten: Kunden erwarten in Zukunft min­i­mal­isierte Kosten. Wenn Sie möglichst viele Kunden ansprechen wollen, müssen Sie auf Er­schwinglichkeit achten. Denn: Es gibt viel mehr arme Menschen als reiche.
  • Kol­lab­o­ra­tive Netzwerke: In­di­vidu­elle Erfahrungen können Sie den Kunden nur durch eine Zusam­me­nar­beit mit Partnern garantieren. Ein einzelnes Unternehmen kann nicht alle notwendigen Aspekte allein abdecken.
  • Komplexitätskompetenz: Eine solche Ko­or­di­na­tion von positiven Erfahrungen für jeden einzelnen Ihrer Kunden erfordert, dass Sie in der Lage sind, komplexe Ko­op­er­a­tio­nen erfolgreich zu managen.
  • Kun­den­schnittstellen: Wenn Sie dem Kunden eine einzi­gar­tige Erfahrung vermitteln wollen, müssen Sie mit ihm kom­mu­nizieren. Die Kom­mu­nika­tion­skanäle müssen für ihn leicht zugänglich sein.
  • Skalier­barkeit: Sie müssen den Kunden je nach ge­ografis­cher Lage un­ter­schiedliche Angebote machen. Wal-Mart z. B. hat jede Woche 100 Millionen Kunden und hält im Durch­schnitt 100 000 Produkte für sie bereit. Die Pro­duk­t­palette wird aber an die jeweilige Umgebung angepasst: In Seattle sind mehr Re­gen­schirme im Angebot als sonst wo, im kali­for­nischen San Diego dagegen mehr Shorts.

Die Grund­prinzip­ien von R=G

Um in­di­vid­u­al­isierte Werte für einzelne Kunden entwickeln zu können, bedarf es einer gut durch­dachten Lieferkette. Diese Grund­vo­raus­set­zun­gen sind wesentlich:

  • Globale Ressourcenbeschaf­fung: Wenn Sie Kunden individuell bedienen und dabei Profit machen wollen, können Sie das nicht mehr allein mit Ihrer eigenen Produktion be­w­erk­stel­li­gen. Sie müssen weltweit die besten Partner finden und auch offen für entsprechende Kun­den­vorschläge sein.
  • Schnel­ligkeit: Ihre Kunden erwarten, dass Sie bei Produkten und Di­en­stleis­tun­gen in kürzester Zeit die besten Lösungen bieten. Eine Möglichkeit ist, die Pro­duk­ten­twick­lung auf die gängigen drei Zeitzonen (USA, Europa und Asien) zu verteilen. Auf diese Weise können Sie rund um die Uhr neue Angebote entwickeln.
  • Skalier­barkeit: Auch bei der Ressource­nausschöpfung müssen Sie in der Lage sein, je nach Bedarf mehr oder weniger Mitarbeiter einzusetzen. Die beste Lösung ist, sich auf externe Zulieferer zu stützen, die ihrerseits Mitarbeiter je nach Bedarf kurzfristig zur Verfügung stellen können.
  • In­no­va­tionsvorteile: Sie können sich, selbst wenn Sie ein großes Unternehmen leiten, nicht nur auf hauseigene In­no­va­tio­nen verlassen. Zunehmend wird es wichtig, global mit hochin­no­v­a­tiven kleineren Unternehmen zusam­men­zuar­beiten.

Geschäftsprozesse als Schlüsselfaktor

Der Schlüssel zur in­di­vidu­ellen Kun­den­be­treu­ung (N=1) in Verbindung mit der optimalen Nutzung von globalen Ressourcen und Partnern (R=G) liegt in Ihren Geschäft­sprozessen. Diese bilden das Rückgrat Ihres Wet­tbe­werb­svorteils. Ihr Unternehmen kann nur das ver­wirk­lichen, was in seinen operativen Möglichkeiten liegt. So hat z. B. der Ver­sicherungsriese ING früher etwa zehn Tage benötigt, bevor einer seiner weltweit 5000 Agenten eine Ver­sicherungspo­lice genehmigen konnte. Nachdem die Geschäftsprozesse trans­formiert wurden, kann eine Police nun in wenigen Sekunden bearbeitet werden.

„Im Zentrum der Erfahrung steht das Individuum. Wenn sich der Ort des Wertes von Produkten über Ser­viceleis­tun­gen zu Erfahrungen verschiebt, muss die Wert­gener­ierung beinahe per de­f­i­n­i­tionem auf den in­di­vidu­ellen Kunden fokussieren.“

Die Geschäftsprozesse einmalig zu ändern reicht nicht aus. Sie müssen kon­tinuier­lich analysieren, wie sich die Bedürfnisse Ihrer Kunden entwickeln und wie Sie diesen neuen An­forderun­gen durch eine fort­laufende Anpassung Ihrer Geschäftsprozesse gerecht werden können. Gle­ichzeitig müssen Sie auch Ihre globalen Liefer­ket­ten ständig analysieren. Probleme müssen kurzfristig gelöst und Ko­op­er­a­tionschan­cen schnell wahrgenom­men werden.

Die technische Architektur

Aus den An­forderun­gen an die neuen Geschäftsprozesse ergibt sich, dass die In­for­ma­tions- und Kom­mu­nika­tion­stech­nolo­gie Ihres Un­ternehmens künftig eine Schlüsselrolle spielen wird. Nur mit entsprechen­der ICT-Ar­chitek­tur können Sie jedem Kunden positive einzi­gar­tige Erfahrungen vermitteln und dazu die weltweit besten Ressourcen ko­or­dinieren.

„Die In­di­vid­u­alität, die Einzi­gar­tigkeit eines Menschen in all seinen Rollen (Kunde, Mitarbeiter, Investor, Lieferant, Bürger) anzuerken­nen, wird zu einer Vo­raus­set­zung für eine er­fol­gre­iche Wert­gener­ierung.“

Das Problem liegt allerdings darin, dass gerade große Unternehmen schon vor längerer Zeit solche Systeme eingeführt haben, dass diese aber nicht für die neue Welt des N=1 und R=G geeignet sind. Wegen des er­forder­lichen Aufwands und der Kosten ist es nun in der Regel nicht möglich, die alten Systeme völlig zu ersetzen oder sie über Nacht in eine neue, zukun­ft­staugliche ICT-Ar­chitek­tur zu integrieren. Da Ihre Geschäftstätigkeit weitergehen muss, empfiehlt es sich, die Veränderung der ICT-Ar­chitek­tur auf eine kon­tinuier­liche, evolutionäre Weise vo­ranzutreiben, statt eine radikale Revolution anzustreben.

Die soziale Architektur

Die beste In­for­ma­tions- und Kom­mu­nika­tion­sar­chitek­tur nützt wenig, wenn das Management nicht bereit ist, die alten Werte und Sichtweisen abzulegen und sich gezielt auf die Zukun­ftschan­cen einzustellen. Sie müssen die Man­age­mentsys­teme, Prozesse, Überzeu­gun­gen und Werte, die Ihre Or­gan­i­sa­tion prägen, verändern. Die Ver­braucher­erwartun­gen gerade der jungen Generation, die mit moderner Technologie aufgewach­sen ist, sind in dieser Hinsicht hoch.

„Die Suche nach hoch qual­i­fizierten Mi­tar­beit­ern geht weit über Kosten­vorteile hinaus.“

Wenn Sie Ihr Unternehmen konsequent auf N=1 und R=G ausrichten wollen, müssen Sie in der Regel ein neues Geschäftsmodell entwickeln. Dabei spielen die Mentalität Ihrer Manager und eine dominante Un­ternehmenslogik eine entschei­dende Rolle. Diese drückt sich etwa darin aus, welcher Typ von Manager am meisten geschätzt wird oder welche Projekte die größten Chancen haben, finanziert zu werden.

Hoch qual­i­fizierte Mitarbeiter flexibel einsetzen

Früher betrieben viele Unternehmen aus Kostengründen Outsourcing. Mit­tler­weile sehen fortschrit­tliche Konzerne den Vorteil einer globalen Mi­tar­beit­er­rekru­tierung vor allem darin, Engpässe im Pool der hoch qual­i­fizierten Angestell­ten zu vermeiden. Nicht wenige Unternehmen verlagern deshalb die Fertigung nicht einfach zu ausländischen Partnern, sondern etablieren in Ländern wie Indien eigene Ein­rich­tun­gen für Forschung, Soft­wa­reen­twick­lung oder Ser­viceleis­tun­gen.

„Ein Geschäftsprozess ist – wie das Kreis­lauf­sys­tem des Körpers – auf Or­gan­i­sa­tion­sebene oft unsichtbar, aber von lebenswichtiger Bedeutung.“

Die Gewinnung und Ko­or­di­na­tion der global besten Mitarbeiter wird zunehmend zu einem wichtigen Wet­tbe­werb­s­fak­tor und zu einer wesentlichen Man­age­men­tauf­gabe. Je nach Bedarf werden diese Mitarbeiter überregional und global neu eingesetzt. So beschäftigt etwa IBM für eines seiner Projekte Forscher, Reg­ulierungsspezial­is­ten, En­gi­neer­ing-Man­ager und Soft­wa­reen­twick­ler an Standorten in zwölf amerikanis­chen Städten und in Indien. British Telecom entwickelt seine Software gle­ichzeitig in London und Indien.

„Das ist die neue Führung­sher­aus­forderung: gle­ichzeitig das Hier und Jetzt und die Zukunft zu erkennen.“

Um den neuen An­forderun­gen zu genügen, müssen Manager einen guten Überblick über den ihnen zugänglichen globalen Talentpool haben. Sie müssen auch in der Lage sein, kurzfristig zusam­mengestellte Teams (so genannte Vel­cro-Or­gan­i­sa­tio­nen, in denen alle nur wie ein Klettver­schluss eine begrenzte Zeit lang zusam­me­nar­beiten) mit Mitgliedern aus mehreren Regionen und Kul­turkreisen erfolgreich zu führen.

Über die Autoren

C. K. Prahalad ist einer der bekan­ntesten Vordenker der Wirtschaft. Zusammen mit Gary Hamel entwickelte er das berühmte Konzept der Kernkom­pe­ten­zen. Er ist auch Autor oder Koautor der Bücher Wettlauf um die Zukunft, Die Zukunft des Wettbewerbs und Der Reichtum der Dritten Welt. M. S. Krishnan ist Professor für Business-IT und berät Unternehmen wie Ford, IBM und Ramco Systems.