Die Magie der Innovation

Buch Die Magie der Innovation

Erfolgsgeschichten von Audi bis Zara

mi-Wirtschaftsbuch,


Rezension

Jetzt ist es zu spät: Der Zahnstocher, Red Bull und eBay sind bereits erfunden. Aus der Traum von unsagbarem Reichtum und von Millionen Menschen, die einem auch noch dafür danken, dass man einen Kassen­schlager gelandet hat. Oder doch nicht? Irgendwo da draußen – oder tief in unseren Köpfen – schlummert sicher noch die eine oder andere Erfindung, auf die die Welt wartet. Stephan Scholtissek will ihr dazu verhelfen, demnächst das Licht der Welt zu erblicken. Der Un­ternehmens­ber­ater zeigt auf, wie Unternehmen dauerhaft innovativ werden und wie aus einer guten Idee auch tatsächlich ein Markterfolg wird. Daran muss man arbeiten, sagt Scholtissek, denn ein Geis­tes­blitz, der ins Leere schlägt, bringt niemandem etwas – am wenigsten seinem Urheber. Wer aber richtig vorgeht, kann selbst das scheinbar Unmögliche möglich machen, z. B. einen Kräuterlikör zum Kultgetränk oder eine deutsche Limousine zum Lieblingswa­gen der Chinesen. Eine Mo­ti­va­tion­sspritze für alle Erfinder von morgen, meint BooksInShort – egal, ob sie in der Geschäftsleitung oder in der En­twick­lungsabteilung sitzen.

Take-aways

  • Innovation ist heute die einzige Möglichkeit für Unternehmen, ohne Zukäufe zu wachsen.
  • Innovation bedeutet: Erfindung plus Markterfolg.
  • Kreativität alleine reicht für Innovation nicht aus, auch Un­ternehmer­tum und eine de­tail­lierte Analyse sind unabdingbar.
  • Villeroy & Boch schützt sich vor der Bil­ligkonkur­renz mit Geschirr in geschwun­gener Form, das ohne entsprechende Fer­ti­gung­stech­nik nicht kopierbar ist.
  • Audis Misserfolg in den USA hat die Deutschen zum asiatischen Marktführer gemacht.
  • Die Ökowelle und verse­hentlich entstandene Gerüchte machten aus dem Ladenhüter Bionade ein gefragtes Lifestylegetränk.
  • Die Modebranche braucht mehrere Monate vom Design bis zum Verkauf eines Kleidungsstückes – Zara nur drei Wochen.
  • Stellen Sie Ihr Unternehmen ganz auf Innovation ein: von der Strategie über die Prozesse bis zur Fir­menkul­tur.
  • Fehler dürfen nicht erst nach dem Mark­tein­tritt zutage treten.
  • Der In­no­va­tion­sprozess beinhaltet sechs Schritte: Idee, Busi­ness­plan, Prototyp, Pilotmarkt, Testmarkt und Einführung.
 

Zusammenfassung

In­no­va­tio­nen retten Unternehmen

Die Konkurrenz wird härter: kaum ein Markt, der im Zuge der Glob­al­isierung nicht von potenten Wet­tbe­wer­bern und Bil­li­gan­bi­eter belagert wird. Deutschland ist besonders gefährdet. Im Kampf um die besten Mitarbeiter, um Rohstoffe, Kapital und Kon­sumentenmärkte ist das Land chancenlos. Wer weiß, wie lange Audi und Mercedes im Vergleich mit den asiatischen Mit­be­wer­bern noch die Nase vorn haben? Wer dem zunehmenden Druck standhalten und ohne Zukäufe wachsen will, hat nur eine Möglichkeit: In­no­va­tio­nen.

„Jede Innovation besteht aus zwei Teilen: einer Neuerung – und ihrer er­fol­gre­ichen Durch­set­zung im Markt.“

Puma etwa hat in den 90er Jahren mit dem Freizeitschuh „Speed Cat“ den Sprung aus der Verlustzone geschafft – eine klassische Pro­duk­tin­no­va­tion. Jägermeister, der biedere Kräuterlikör gegen Ver­dau­ungs­beschw­er­den, wurde dank geschicktem Marketing plötzlich in Discos statt in Al­ter­sheimen aus­geschenkt. Das Geschäftsmodell von eBay wiederum hat das Einkaufen rev­o­lu­tion­iert. Mit In­no­va­tio­nen sind aber nicht einfach Erfindungen gemeint. Diese bilden nur die Basis und müssen erst erfolgreich vermarktet werden, um Produkt-, Prozess-, Marketing-, Service-, Or­gan­i­sa­tions- oder Geschäftsmod­el­linno­va­tio­nen zu werden. Die gute Nachricht: Wirkliche In­no­va­tio­nen entspringen immer wieder ähnlichen Prozessen, und die kann man kopieren.

Produkt- und Prozessin­no­va­tion: Villeroy & Boch

Wendelin von Boch hatte einen schlechten Zeitpunkt erwischt, als er 1998 seinen Job als Vor­standsvor­sitzen­der beim Porzel­lan­her­steller Villeroy & Boch antrat. Bil­li­gan­bi­eter aus Asien drohten den deutschen Markt zu überschwem­men. Mit aus­ge­fal­l­enen Designs war diese Gefahr nicht abzuwenden, denn kurze Zeit später hätte ein Konkurrent die Tasse oder den Untersetzer nicht nur kopiert, sondern aufgrund der niedrigeren Lohnkosten in seinem Herkun­ft­s­land auch billiger hergestellt.

„Nach und nach erkannte ich, dass In­no­va­tio­nen auf Prozessen beruhen, die immer ähnliche Muster aufweisen und die es nachzu­vol­lziehen lohnt.“

Es blieb nur ein Ausweg: Villeroy & Boch musste eine Marke werden, für die die kaufkräftige Klientel in Europa auch zu zahlen bereit war. Gemeinsam mit dem Maschi­nen­bauer Julius Lippert gelang dem Unternehmen eine technische Revolution, eine Fer­ti­gung­stech­nik, ohne die nicht einmal das Design kopiert werden konnte. Mithilfe eines vol­lau­toma­tis­chen Druck­gussver­fahrens stellte Villeroy & Boch erstmals asym­metrische, geschwun­gene Tassen her – die Pro­duk­tlinie „NewWave“. Zwar kosteten die Entwicklung des Verfahrens und der er­forder­liche Anlagenbau 30 Millionen Euro, was Villeroy & Boch vorübergehend rote Zahlen einbrachte. Doch gelohnt hat es sich allemal: Heute macht das Unternehmen bereits 20 % seines Umsatzes mit der „NewWave“-Kollektion.

Pro­duk­tin­no­va­tion: Audi

Es begann als Fluch und ist nun ein Segen: Autos von Audi waren in den USA wenig beliebt, weshalb sich der deutsche Autobauer in den 80er Jahren auf den asiatischen Markt konzen­tri­erte. Während seine Mitbewerber heute unter dem Mark­tein­bruch in den Staaten leiden, freut sich Audi über einen Marktanteil von 42 % im chi­ne­sis­chen Pre­mium-Au­toseg­ment. Das Unternehmen erkannte den Bedarf an Sta­tussym­bolen für Aufsteiger. Japanische Modelle kamen für Chinesen aus his­torischen Gründen meist nicht infrage und koreanische Fahrzeuge ließen an Komfort und Prestige zu wünschen übrig.

„Ein modernes, un­ver­wech­sel­bares Design und die innovative Fer­ti­gung­stech­nik müssen so eng miteinander verknüpft sein, dass sich die neue Pro­duk­treihe auch rein optisch nicht nachahmen lässt.“

Immer wieder wird Audi für seine In­no­va­tio­nen aus­geze­ich­net. Der All­radantrieb etwa kommt ebenso aus diesem Haus wie die erste vol­lverzinkte Karosserie. Damit wird Audi seinem Leitspruch „Vorsprung durch Technik“ gerecht. Neben den technischen In­no­va­tio­nen spricht auch die Mark­tken­nt­nis für Audi. So haben chinesische Audis extra viel Platz im Fond – schließlich sitzt oft der Chauffeur vorne und der Au­tobe­sitzer hinten. Zudem verschafft sich das Unternehmen ein gutes Image und spart Pro­duk­tion­skosten, indem es einen Teil der Fertigung von Ein­heimis­chen durchführen lässt.

Produkt- und Mar­ketingin­no­va­tion: Bionade

Mitte der 90er Jahre hatte Diplom-Braumeis­ter Dieter Leipold seine Bionade patentieren lassen: eine wie Bier gebraute Limonade, aber ohne Alkohol und Hopfen, dafür mit Litschi oder Holunder. Seine Erfindung schien eine tolle Innovation zu sein – doch der Markterfolg ließ auf sich warten; die Getränkegroßhändler erkannten das Potenzial der bi­ol­o­gis­chen Limonade nicht.

„Mit­telschicht­sangehörige aus Peking, Bombay oder Seoul, die ein kost­spieliges High­tech-Pro­dukt einer westlichen Edelmarke kaufen, erwerben vor allem den im­ma­teriellen Wert – den ‚Beweis‘, den gesellschaftlichen Aufstieg geschafft zu haben.“

Erst die Ökowelle und ein Zufall machten das Produkt zum Renner: Ende der 90er Jahre trug eine Lieferung Bionade nach Hamburg verse­hentlich die für den ungarischen Markt vorge­se­henen Etiketten – Gerüchte kursierten, und plötzlich wurde Bionade als ein ungarisches Wun­der­mit­tel für Schwangere und Sportler gehandelt. Die Un­ternehmenslenker selbst po­si­tion­ierten ihren Softdrink als gesündere Alternative zum klebrig süßen Fanta. Jeder, der Bionade kaufte, sollte im Kampf gegen die skru­pel­losen Weltkonz­erne helfen – im Kampf zwischen David und Goliath. Werbeslo­gans wie „Holunder statt Blackberry“ ließen die Ab­satz­zahlen von 1,8 Millionen Flaschen 1997 auf 200 Millionen im Jahr 2007 stiegen.

Geschäftsmod­el­linno­va­tion: Zara

Kaufen die Kunden in den zur spanischen Modekette Inditex gehörenden Zara-Läden ein, können sie hochak­tuelle und dennoch bezahlbare Kleidung erwarten. Während andere Unternehmen vier Kollek­tio­nen pro Jahr her­aus­brin­gen, trudelt bei Zara laufend neue Ware ein. Über Scouts und Kun­den­be­fra­gun­gen werden Trends ausfindig gemacht. Modelle werden auch schon mal direkt vom Laufsteg weg kopiert und finden sich leicht verändert drei Wochen später in den 1500 Zara-Shops. Dieser Prozess, bei Zara „fast fashion“ genannt, nimmt bei der Konkurrenz mehrere Monate in Anspruch.

„Alko­hol­freies Hol­un­der­bier? Mit so einer Plörre will sich niemand das Lager vollstellen.“

Modische Kleidung bestellt Zara bei den eigenen Pro­duk­tions­be­trieben in der Nähe des In­di­tex-Haupthauses. Die Herstellung der günstigeren Ba­sis­garder­obe, bei der Zeit eine geringere Rolle spielt als der Preis, übernehmen Betriebe in asiatischen Niedriglohnländern. Weil sich das Ware­nange­bot ständig ändert, kann Zara „just in time“ produzieren lassen. Das senkt die Lagerkosten – eine Einsparung, welche die hohen Pro­duk­tion­skosten für die top­modis­chen Modelle wieder ausgleicht.

Der In­no­va­tion­sprozess

Was diese Er­fol­gsun­ternehmen verbindet, ist ein durchgängiger In­no­va­tion­sprozess. Auf dem Weg von der Idee zum Markterfolg sind die folgenden Schritte nötig:

„Sämtliche Un­ternehmens­bere­iche und -funktionen sind einem einzigen Ziel un­ter­ge­ord­net: topaktuelle, aber bezahlbare Mode schneller und in höherer Frequenz in die Verkauf­sstellen in aller Welt zu bringen, als das den Wet­tbe­wer­bern gelingt.“

Schritt 1: Suchen Sie eine Idee. Das ist leichter gesagt als getan. Die Idee muss nämlich nicht nur gut sein, sondern auch ein Kundenbedürfnis befriedigen. Oder erst mal ein Kundenbedürfnis erzeugen: Für den Energydrink Red Bull existierte noch kein Markt, als der Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz in Thailand ein süßes, auf­putschen­des Getränk – die Urform des heutigen En­er­gy­drinks – entdeckte. Damit auch Sie Ihre Chance nicht verpassen, müssen Sie die Augen offenhalten. Sammeln Sie Kun­den­reak­tio­nen, halten Sie Brain­storm­ing-Work­shops ab, durch­forsten Sie Datenbanken für Paten­tan­mel­dun­gen. Schritt 1 ist abgeschlossen, sobald Ihnen eine Liste der ansprechend­sten Ideen vorliegt, bei denen der vo­raus­sichtliche Markterfolg und die Um­set­zbarkeit berücksichtigt sind.

„Nach dem kreativen Denken in der ersten Phase stehen un­ternehmerisches Denken und sys­tem­a­tis­che Analyse im Vordergrund.“

Schritt 2: Analysieren Sie nach wirtschaftlichen Gesicht­spunk­ten. Bis jetzt reichte Kreativität aus, doch nun ist Un­ternehmer­tum gefragt. Analysieren Sie detailliert den Markt, die Ein­tritts­bar­ri­eren und die Risiken. Ein Busi­ness­plan zeigt Ihnen, ob die Idee auch Geld bringen wird. Wenn ja – und nur dann –, geht es weiter zu Schritt 3.

„Oft sind es Menschen von besonderer Weitsicht und Durch­set­zungskraft, die dem Neuen zum Durchbruch verhelfen.“

Schritt 3: Entwickeln Sie einen Prototypen. Der kann auch nur virtuell existieren bzw. als Testversion. Ist die Erfindung technisch re­al­isier­bar? Legen Sie den Prototypen Testnutzern vor. An diesem Schritt in die Praxis scheitern die meisten Projekte.

Schritt 4: Testen Sie die Idee auf einem Pilotmarkt. Überlassen Sie die Einführung einem erfahrenen Mark­t­forscher. Sie sehen dann, ob die Nachfrage den Erwartungen entspricht, ob die Kunden die Idee verstehen und ob noch Fehler aus­gebessert werden müssen. Handelt es sich um eine Prozessin­no­va­tion, sind Ihre Mitarbeiter die Tester.

„Je kürzer die Zeitspanne von der Idee bis zur Vermarktung, desto höher der absolute Gewinn, der sich mit der Innovation erzielen lässt.“

Schritt 5: Lancieren Sie die Idee in einem Teilmarkt. Ist Ihre Erfindung auch dort erfolgreich, dann herzlichen Glückwunsch. Nun ist daraus eine Innovation geworden, die breit lanciert werden kann. Kon­trol­lieren Sie laufend die Umsätze, Kosten und Gewinne und vergleichen Sie sie mit den Planzahlen.

„Unzählige großartige Ideen sind schon daran gescheitert, dass es an den für ihre Ver­wirk­lichung nötigen Ressourcen mangelte.“

Schritt 6: Bieten Sie die Innovation im gesamten Zielmarkt an. Das ist der letzte Schritt des In­no­va­tion­sprozesses – aber nicht das Ende Ihrer Anstren­gun­gen. Nun ist es wichtig, dass sich der Marktanteil und der Umsatz kräftig erhöhen. Pro­duk­t­fehler sollen immer seltener werden und die Qualität muss stetig steigen.

Er­fol­gs­fak­toren

Es gibt bestimmte Faktoren, die die Wahrschein­lichkeit steigern, dass Ihre Idee ein Markterfolg wird. Und es gibt eine einzige Bedingung, die Ihr Produkt, Ihre Di­en­stleis­tung oder Ihr Prozess erfüllen muss: Sie muss den Kun­denbe­darf befriedigen. Bionade war ein Ladenhüter, bis die Ökowelle den Bedarf schuf. In der zweiten Reihe der Er­fol­gs­fak­toren steht zum einen der Innovator, also eine oder mehrere Persönlichkeiten mit Durch­set­zungskraft, zum anderen müssen beim In­no­va­tion­spro­jekt die Kosten und der Gewinn mithilfe eines Busi­ness­plans im Auge behalten werden. Zudem braucht es einen durchgängigen In­no­va­tion­sprozess, damit Fehler nicht erst nach dem Mark­tein­tritt zutage treten.

„Das gesamte Unternehmen muss vollständig auf Innovation aus­gerichtet werden.“

Auf der dritten Ebene der Er­fol­gs­fak­toren findet sich die Erkenntnis, dass Können und Tun wichtiger sind als Kreativität und Wissen. Achten Sie außerdem ständig auf Hindernisse politischer und rechtlicher Art. Wenn möglich, profitieren Sie von Netzwerken und Ko­op­er­a­tio­nen. Fördern und fordern Sie In­no­va­tio­nen in Ihrem Unternehmen, indem Sie den Mi­tar­beit­ern erlauben, Fehler zu machen. Machen Sie sich daran, den In­no­va­tion­sprozess zu beschle­u­ni­gen – doch Vorsicht, man kann auch seiner Zeit voraus sein, wie man bei Bionade gesehen hat. Investieren Sie schließlich genügend Zeit, Geld und Per­son­alka­pazität in die In­no­va­tion­spro­jekte.

Etablieren Sie eine In­no­va­tion­skul­tur

Stellen Sie sich Ihr Unternehmen als Haus vor, das vom Dach bis zum Keller auf Innovation eingestellt ist. Das beginnt bei der In­no­va­tion­sstrate­gie ganz oben, geht über definierte Ve­r­ant­wortlichkeiten, die Innovatoren, den In­no­va­tion­sprozess, die Per­for­mance-Mes­sung und das Wissens- und Tal­ent­man­age­ment und reicht bis zur In­no­va­tion­skul­tur, dem Fundament Ihres In­no­va­tion­shauses. Die Strategie Ihres Un­ternehmens muss eine In­no­va­tion­sstrate­gie sein und Sie als Chef müssen sich für In­no­va­tio­nen ve­r­ant­wortlich fühlen. Dann kann sich Ihr Unternehmen vielleicht bald rühmen, den bunten Beton, den leichten Stahl, die leuchtende Tapete oder das günstige Elektroauto erfunden zu haben – alles In­no­va­tion­spro­jekte, die als Idee bereits existieren.

Über den Autor

Der promovierte Biochemiker Stephan Scholtissek ist Vor­sitzen­der der deutschsprachi­gen Geschäftsführung beim Be­ratung­sun­ternehmen Accenture. Scholtissek ist Autor mehrerer Businessbücher, darunter New Outsourcing und Multipolare Welt.