Verpackung ist Werbung
Werbung findet nicht nur im Radio und Fernsehen, in Zeitungen und Magazinen oder im Internet statt – die beste Werbung ist immer noch das Produkt selbst. Praktischerweise animiert es den potenziellen Käufer gleich dort, wo er aktiv werden kann: am Verkaufsort. Studien bestätigen eine Erfahrung, die jeder schon mal gemacht hat: Bei Produkten, die gern in den Einkaufskorb gelegt werden, ist es häufig vor allem die Packung, die zum Kauf anregt. Ein Trost für einen Großteil der Konsumgüter, die überhaupt nicht im Rundfunk oder in den Printmedien beworben werden. Weniger tröstlich ist die Erkenntnis, dass Entscheidungen über Verpackungsdesign häufig aus dem Bauch heraus getroffen werden und zu selten strategisch unterfüttert sind. Dabei sagt die Forschung, dass fast jeder zweite Artikel mehr oder minder ungeplant im Einkaufswagen landet – als Impulskauf. Aus diesem Impuls soll, so die Idealvorstellung, bei Gefallen allmählich Markentreue wachsen. Es gilt daher, die Verpackung als wichtigen Bereich des Markenaufbaus zu nutzen.
Vom Erstkauf zum Wiederkauf
Zuallererst muss die Verpackung Aufmerksamkeit erregen: Was nicht wahrgenommen wird, wird auch nicht gekauft. Die Zeit, die ein Produkt durchschnittlich hat, um vom Konsumenten bemerkt zu werden, beträgt nur 1,6 Sekunden. Wenn bis dahin die Neugier nicht geweckt worden ist, geht der Kunde weiter. Je länger er das Produkt in der Hand hält (und dabei durch Lesen zusätzliche Informationen aufnimmt), desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass er es kauft.
„Die Verpackung muss ein Produkt verkaufen.“
Ist das Produkt gekauft, muss es sich bewähren. Auch hier spielt die Verpackung eine wichtige Rolle, denn meist wird das Gekaufte erst einmal gelagert. Kommt es dabei zu Problemen (schwer zu öffnen, nicht zu verschließen, zu sperrig fürs Kühlschrankregal, austretende Flüssigkeit o. Ä.), nimmt das Image des Produkts Schaden.
„Die ästhetische Differenzierung kann zum Kaufgrund werden, wenn zwei gleiche Produkte mit identischer Funktion, Qualität und Preis zur Auswahl stehen.“
Bewährt sich das Produkt, soll es wieder gekauft werden. Damit das geschieht, muss der Käufer es wiedererkennen können – natürlich anhand der Packung. Entsprechende Informationen müssen über optische Reize (Bilder, Farben) abrufbar sein. Allerdings darf auf der Packung nichts versprochen werden, was das Produkt nicht halten kann.
Verpackungsdesign und Markenführung
Verpackungsdesign hat zwei Aufgaben: Das Produkterlebnis muss erstens positiv gestützt und zweitens mit der Marke verbunden werden. Die Verpackungsstrategie muss auf einer bereits bestehenden Markenstrategie aufbauen, indem sie über das Erscheinungsbild (den Look) die gewählte Markenpositionierung konkretisiert. Der Look kombiniert die Gestaltungsmittel Material, Form, Farbe, Typografie und Bildelemente. Bislang unbekannte Produkte müssen durch ihre Verpackung Aufmerksamkeit erregen, sie müssen stimulieren. Am leichtesten gelingt das durch die Kombination der Signalfarbe Rot mit der Aussage „neu“. Ist das Produkt eingeführt, kann der knallige Hinweis entfernt werden. Eine andere Strategie bei Neuheiten besteht darin, sich über das Packaging so markant von der Konkurrenz abzuheben, dass das Produkt allein dadurch auffällt. Das Problem dabei: Kunden haben gewisse Erwartungshaltungen. Sie sind schnell einmal irritiert, sollte sich ein Artikel zu stark von den Konkurrenzprodukten unterscheiden.
„Der Verpackung eines Produkts kommt bei der Wiedererkennung eine besondere Bedeutung zu.“
Ist ein Produkt wirklich innovativ, steigt beim Käufer die Offenheit für unvertrautes Design –die Stereotypen sind noch nicht gelernt. Das können besonders starke Marken nutzen: Das Vertrauen, das sie genießen, kann auf ein neues Produkt übertragen werden. Entsprechend prominent muss die Marke auf der Verpackung auftauchen. Egal ob das Produkt neu ist oder nicht, Verpackungen müssen immer ästhetisch überzeugen. Damit ist etwas sehr Konkretes gemeint: Es muss ein Maximum an Informationen vermittelt werden, ohne die Kunden zu überfrachten, also zu viel von ihrer Aufmerksamkeit zu fordern. Zugleich muss das Produkt mit seinen Botschaften über Produktimage und -eigenschaften als Einheit, d. h. als homogenes Ganzes wahrgenommen werden.
„Eine einzigartige, eigenständige Form kann die Neugier der Konsumenten schneller wecken.“
Kein Kunde liest alle Informationen einer Verpackung durch und gibt sich die Mühe, die visuellen Hinweise zu deuten und zu hinterfragen. Es gibt aber einige hervorstechende Signale wie Markenname, Logo, Slogan, Warentest-Plakette, evtl. die Herkunft und nicht zuletzt der Preis: Das sind die Schlüsselinformationen, auf die die Leute achten. Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Verpackung muss ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis vermitteln. Und: Je kleiner die Packung, desto eher wird das Produkt getestet.
Das Material und seine Geräusche
Das verwendete Verpackungsmaterial hat eine Funktion, die weit über Transport- und Schutzaspekte hinausgeht: Es spricht direkt die menschlichen Sinne an. Transparente Folien signalisieren beispielsweise Offenheit, Glänzendes steht für Frische, Glas für Hygiene. Metalltuben (wie bei Zahnpasta) wirken kühl und frisch, während Kunststofftuben (z. B. für Make-up) eher als wohlig-warm empfunden werden. Diese vorwiegend haptischen Elemente kommen vor allem dann zum Tragen, wenn das Produkt bereits gekauft worden ist und benutzt wird. Die wichtigsten Materialien sind die folgenden:
- Glas hat nach wie vor einen hohen Wert als Verpackung, es gilt als sauber, unbedenklich, natürlich und geschmacksneutral. Vor allem für Getränke genießt es aufgrund der Kombination von Sauberkeit und Sichtbarkeit des Inhalts bei Verbrauchern viel Vertrauen.
- Papier, Pappe und Karton können zwar auf eine lange Tradition und eine angenehme Haptik verweisen, werden allerdings relativ selten verwendet. Zu den Ausnahmen zählen Gebäck, viele Waschmittel und Tiefkühlkost.
- Ein Drittel des in Deutschland erzeugten Kunststoffs wird in Verpackungen gesteckt. Die Vorteile: das geringe Gewicht, die lange Lagerfähigkeit, die Unzerbrechlichkeit, die Freiheit in der Formgebung, die – wenn gewollt – Transparenz und die Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Materialien. Kunststoffe wirken einerseits modern, andererseits oft weniger hochwertig (so z. B. PET- im Vergleich zu Glasflaschen).
- Metall, vor allem Weißblech und Aluminium, kommt vor allem bei Dosen zum Einsatz. Es steht für lange Haltbarkeit und Widerstandsfähigkeit.
„Kommunikatoren, die lügen, finden in Zukunft kein Gehör mehr.“
Dem Geräusch beim Öffnen einer Verpackung kommt eine hohe Bedeutung zu, vor allem bei Nahrungsmitteln und Getränken. Es signalisiert beispielsweise die Frische des Produkts. Hier muss also über praktische Erwägungen – wie Schutz vor Auslaufen oder Manipulation – hinausgedacht werden. Dennoch soll die Handhabung einfach bleiben.
Form und Farbe
Die Verpackungsform wird nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Händen erfasst und muss deshalb haptisch überzeugen. Durch eine auffällige Form aus der Masse hervorzustechen, ist sicherlich hilfreich – solange die Wirkung nicht befremdend ist. Allerdings schieben die Handelskonzerne der Kreativität in diesem Bereich gern einen Riegel vor und nutzen ihre Marktmacht: Sie bevorzugen leicht stapelbare Waren, die wenig Platz benötigen. Die Kunden wiederum verlangen Griffsicherheit. Und: Je runder die Verpackungen, desto eher fühlen sich Frauen als Zielgruppe angesprochen. Produkte für Männer dagegen zeigen vor allem klare geometrische Muster mit Ecken und Kanten. Symmetrie vermittelt unaufgeregte Verlässlichkeit, asymmetrische Verpackungen bauen Spannung auf und stehen eher für „Neues wagen“. Wellen, Kurven, Schrägen und Dreiecke sollten aufsteigend sein, um Sympathie zu erwecken; spitze Zacken suggerieren Wildheit.
„Der Zusammenhang zwischen Warentypik und Verpackungslooks wird am Beispiel des Segments Zahnpasta besonders deutlich, bei dem vier Verpackungslooks dominieren: der Frischelook, der Pay-Attention-Look, der Pharmalook und der Comic-Junior-Look.“
Größe ist ebenfalls wichtig, wobei generell gilt: Rechteckig wirkt voluminöser als rund. Inhalte aus groß erscheinenden Packungen werden schneller konsumiert: War ja ein Schnäppchen, denkt sich der Kunde, da muss man nicht knausern. Das gilt besonders für schnell verderbliche Waren.
Farben wecken die Aufmerksamkeit und sprechen bestimmte Gefühle an, deshalb müssen ihre Kombination und ihre Platzierung auf der Verpackung sorgsam bedacht werden. Im Idealfall werden Marken mit bestimmten Farben verbunden (Nivea = blau, Milka = lila).
- Rot sendet besonders starke Signale aus. Je kräftiger es ist, desto männlicher wirkt es; als Pastellfarbe oder dunkel steht es eher für Weiblichkeit.
- Blau als Lieblingsfarbe der Deutschen steht für etwas Frisches und Kühles, wird als rein und sauber empfunden und oft entsprechend eingesetzt, etwa bei Medikamenten und Körperpflegemitteln.
- Die dritte Grundfarbe, Gelb, ist zwiespältig (ähnlich wie Violett) und wird daher bei Lebensmitteln vor allem dort eingesetzt, wo auch das Produkt gelblich ist.
- Grün wirkt beruhigend, steht gleichzeitig für Natur und Frische und wird entsprechend verwendet.
- Das warme Orange wird oft als aufdringlich empfunden und folgerichtig selten eingesetzt.
- Der Erdton Braun wird vor allem genutzt, um biedere Gemütlichkeit zu vermitteln.
- Schwarz steht für Luxus und Premiumprodukte.
- Das kühle Weiß ergänzt vorwiegend andere Farben.
- Das depressive Grau kommt so gut wie gar nicht vor.
- Silber unterstreicht funktionale Sportlichkeit und wertet, ebenso wie Gold, mit seinem Glanz das Produkt auf.
„Je größer eine Verpackung erscheint, desto eher wird sie gekauft.“
Die auf einer Verpackung verwendeten Farben sollten harmonisch aufeinander abgestimmt sein. Je dunkler und wärmer die Farbe, desto näher wirkt sie auf den Betrachter. Je intensiver, desto sparsamer sollte die Farbe eingesetzt werden. Je mehr Schrift, desto dezenter der dahinterliegende Farbgrund. All das gilt es zu beachten, wenn die gewünschte Wirkung erzielt werden soll.
Typografie
Alles, was schriftlich auf einer Verpackung untergebracht wird, fällt in den Bereich der Typografie – vom Schwung des Logos bis zu den klein gedruckten Inhaltsstoffen. Die Typografie vermittelt nicht nur Informationen, sondern auch Emotionen. Ihre wichtigste Aufgabe: Sie muss das Interesse des Kunden wecken, den Text überhaupt zu lesen. Und sie kann Gedanken anregen, die von der Schriftwahl gelenkt werden. Schrift kann z. B. als modern oder traditionell, als sanft oder kraftvoll empfunden werden. Auf Verpackungen werden fast immer verschiedene Schriften verwendet, die jeweils verschiedene Aufgaben übernehmen und zugleich miteinander harmonieren sollten.
„Der Einfluss, den Schwarz auf das Gewichtsempfinden ausübt, ist sehr dominant. Schwarze Objekte werden als besonders schwer empfunden.“
Harmonieren muss die Schrift auch mit den anderen visuellen Elementen, also mit Bildern, Fotos oder Zeichnungen. Häufig handelt es sich dabei um Abbildungen des Produkts oder um Symbole, die bestimmte Assoziationen hervorrufen sollen. Während Schrift erst entschlüsselt werden muss, wirken Bilder direkter, wie eine Entlehnung aus der Wirklichkeit. Sie fördern zudem die Wiedererkennbarkeit. Gelernte Schrift-Bild-Kombinationen oder starke Bilder werden zu mental gespeicherten Markensignalen: Ein Produkt wird anhand der Optik erkannt.