Praxisbuch Packaging

Buch Praxisbuch Packaging

Wie Verpackungsdesign Produkte verkauft

mi-Wirtschaftsbuch,


Rezension

Wäre Harald Seegers Buch eine Dosensuppe oder eine Marmelade, hätte es auf dem Markt ein Problem. Denn was der Autor lang und breit darlegt, ignoriert er selbst in einem entschei­den­den Punkt: Das Buch ist eine Mo­gel­pack­ung. Um ein „Praxisbuch“ handelt es sich bei dem opulenten Werk sicher nicht. Seeger hat so ziemlich alles recher­chiert, was es zum Thema Verpackung zu recher­chieren gibt, und dann auch alles aufgeschrieben. Offenbar ging es ihm darum, ein Stan­dard­w­erk zu schaffen, und gewissermaßen ist ihm das auch gelungen. Für die praktische, tägliche Arbeit aber wünschte man sich ein Buch, das diese eindrückliche Faktenfülle stärker gewichtet und bewertet. Praxisbuch Packaging ist ein um­fan­gre­iches Kompendium mit allen nur denkbaren Aspekten des Ver­pack­ungs­de­signs und einigen allgemeinen Mar­ket­ing­weisheiten, auf die man hier auch hätte verzichten können. BooksInShort empfiehlt es allen Mar­ket­ing­man­agern, die gewillt sind, sich dem Thema Packaging aufs Innigste zu nähern.

Take-aways

  • Jeder zweite Kauf ist ein ungeplanter Impulskauf.
  • Die beste Werbung für ein Produkt macht das Produkt selbst – über seine Verpackung.
  • Achten Sie auf alle Aspekte des Designs: Form, Farbe, Haptik, Typografie und Bildele­mente.
  • Je kleiner die Packung, desto eher werden Testkäufe erwogen.
  • Die Verpackung muss sich gut von jener ähnlicher Angebote abheben, um Wieder­hol­ungskäufern ins Auge zu springen.
  • Inhalte aus großen Packungen werden schneller konsumiert.
  • Produkte müssen auch haptisch überzeugen, jedes Material hat sein Image.
  • Je innovativer das Produkt, desto weniger definiert ist die Er­wartung­shal­tung – und desto gewagter darf das Design sein.
  • Fantasie bei der Formgebung wird vom Handel nicht goutiert: Je stapelbarer, desto besser.
  • Verbinden Sie Ihre Marke mit einer bestimmten Farbe (wie Nivea = blau).
 

Zusammenfassung

Verpackung ist Werbung

Werbung findet nicht nur im Radio und Fernsehen, in Zeitungen und Magazinen oder im Internet statt – die beste Werbung ist immer noch das Produkt selbst. Prak­tis­cher­weise animiert es den poten­ziellen Käufer gleich dort, wo er aktiv werden kann: am Verkaufsort. Studien bestätigen eine Erfahrung, die jeder schon mal gemacht hat: Bei Produkten, die gern in den Einkauf­skorb gelegt werden, ist es häufig vor allem die Packung, die zum Kauf anregt. Ein Trost für einen Großteil der Konsumgüter, die überhaupt nicht im Rundfunk oder in den Printmedien beworben werden. Weniger tröstlich ist die Erkenntnis, dass Entschei­dun­gen über Ver­pack­ungs­de­sign häufig aus dem Bauch heraus getroffen werden und zu selten strategisch unterfüttert sind. Dabei sagt die Forschung, dass fast jeder zweite Artikel mehr oder minder ungeplant im Einkauf­swa­gen landet – als Impulskauf. Aus diesem Impuls soll, so die Ide­alvorstel­lung, bei Gefallen allmählich Markentreue wachsen. Es gilt daher, die Verpackung als wichtigen Bereich des Marke­nauf­baus zu nutzen.

Vom Erstkauf zum Wiederkauf

Zuallererst muss die Verpackung Aufmerk­samkeit erregen: Was nicht wahrgenom­men wird, wird auch nicht gekauft. Die Zeit, die ein Produkt durch­schnit­tlich hat, um vom Konsumenten bemerkt zu werden, beträgt nur 1,6 Sekunden. Wenn bis dahin die Neugier nicht geweckt worden ist, geht der Kunde weiter. Je länger er das Produkt in der Hand hält (und dabei durch Lesen zusätzliche In­for­ma­tio­nen aufnimmt), desto größer wird die Wahrschein­lichkeit, dass er es kauft.

„Die Verpackung muss ein Produkt verkaufen.“

Ist das Produkt gekauft, muss es sich bewähren. Auch hier spielt die Verpackung eine wichtige Rolle, denn meist wird das Gekaufte erst einmal gelagert. Kommt es dabei zu Problemen (schwer zu öffnen, nicht zu verschließen, zu sperrig fürs Kühlschrankre­gal, austretende Flüssigkeit o. Ä.), nimmt das Image des Produkts Schaden.

„Die ästhetische Dif­feren­zierung kann zum Kaufgrund werden, wenn zwei gleiche Produkte mit identischer Funktion, Qualität und Preis zur Auswahl stehen.“

Bewährt sich das Produkt, soll es wieder gekauft werden. Damit das geschieht, muss der Käufer es wieder­erken­nen können – natürlich anhand der Packung. Entsprechende In­for­ma­tio­nen müssen über optische Reize (Bilder, Farben) abrufbar sein. Allerdings darf auf der Packung nichts versprochen werden, was das Produkt nicht halten kann.

Ver­pack­ungs­de­sign und Markenführung

Ver­pack­ungs­de­sign hat zwei Aufgaben: Das Pro­duk­ter­leb­nis muss erstens positiv gestützt und zweitens mit der Marke verbunden werden. Die Ver­pack­ungsstrate­gie muss auf einer bereits bestehenden Marken­strate­gie aufbauen, indem sie über das Er­schei­n­ungs­bild (den Look) die gewählte Marken­po­si­tion­ierung konkretisiert. Der Look kombiniert die Gestal­tungsmit­tel Material, Form, Farbe, Typografie und Bildele­mente. Bislang unbekannte Produkte müssen durch ihre Verpackung Aufmerk­samkeit erregen, sie müssen stimulieren. Am leichtesten gelingt das durch die Kombination der Signalfarbe Rot mit der Aussage „neu“. Ist das Produkt eingeführt, kann der knallige Hinweis entfernt werden. Eine andere Strategie bei Neuheiten besteht darin, sich über das Packaging so markant von der Konkurrenz abzuheben, dass das Produkt allein dadurch auffällt. Das Problem dabei: Kunden haben gewisse Er­wartung­shal­tun­gen. Sie sind schnell einmal irritiert, sollte sich ein Artikel zu stark von den Konkur­ren­zpro­duk­ten un­ter­schei­den.

„Der Verpackung eines Produkts kommt bei der Wieder­erken­nung eine besondere Bedeutung zu.“

Ist ein Produkt wirklich innovativ, steigt beim Käufer die Offenheit für un­ver­trautes Design –die Stereotypen sind noch nicht gelernt. Das können besonders starke Marken nutzen: Das Vertrauen, das sie genießen, kann auf ein neues Produkt übertragen werden. Entsprechend prominent muss die Marke auf der Verpackung auftauchen. Egal ob das Produkt neu ist oder nicht, Ver­pack­un­gen müssen immer ästhetisch überzeugen. Damit ist etwas sehr Konkretes gemeint: Es muss ein Maximum an In­for­ma­tio­nen vermittelt werden, ohne die Kunden zu überfrachten, also zu viel von ihrer Aufmerk­samkeit zu fordern. Zugleich muss das Produkt mit seinen Botschaften über Pro­duk­tim­age und -eigen­schaften als Einheit, d. h. als homogenes Ganzes wahrgenom­men werden.

„Eine einzi­gar­tige, eigenständige Form kann die Neugier der Konsumenten schneller wecken.“

Kein Kunde liest alle In­for­ma­tio­nen einer Verpackung durch und gibt sich die Mühe, die visuellen Hinweise zu deuten und zu hin­ter­fra­gen. Es gibt aber einige her­vorstechende Signale wie Markenname, Logo, Slogan, War­entest-Plakette, evtl. die Herkunft und nicht zuletzt der Preis: Das sind die Schlüsselin­for­ma­tio­nen, auf die die Leute achten. Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Verpackung muss ein günstiges Preis-Leis­tungs-Verhältnis vermitteln. Und: Je kleiner die Packung, desto eher wird das Produkt getestet.

Das Material und seine Geräusche

Das verwendete Ver­pack­ungs­ma­te­r­ial hat eine Funktion, die weit über Transport- und Schutza­spekte hinausgeht: Es spricht direkt die men­schlichen Sinne an. Trans­par­ente Folien sig­nal­isieren beispiel­sweise Offenheit, Glänzendes steht für Frische, Glas für Hygiene. Metalltuben (wie bei Zahnpasta) wirken kühl und frisch, während Kun­st­stoff­tuben (z. B. für Make-up) eher als wohlig-warm empfunden werden. Diese vorwiegend haptischen Elemente kommen vor allem dann zum Tragen, wenn das Produkt bereits gekauft worden ist und benutzt wird. Die wichtigsten Materialien sind die folgenden:

  • Glas hat nach wie vor einen hohen Wert als Verpackung, es gilt als sauber, unbe­den­klich, natürlich und geschmack­sneu­tral. Vor allem für Getränke genießt es aufgrund der Kombination von Sauberkeit und Sicht­barkeit des Inhalts bei Ver­brauch­ern viel Vertrauen.
  • Papier, Pappe und Karton können zwar auf eine lange Tradition und eine angenehme Haptik verweisen, werden allerdings relativ selten verwendet. Zu den Ausnahmen zählen Gebäck, viele Waschmittel und Tiefkühlkost.
  • Ein Drittel des in Deutschland erzeugten Kunststoffs wird in Ver­pack­un­gen gesteckt. Die Vorteile: das geringe Gewicht, die lange Lagerfähigkeit, die Un­zer­brech­lichkeit, die Freiheit in der Formgebung, die – wenn gewollt – Transparenz und die Kom­bi­na­tionsmöglichkeiten mit anderen Materialien. Kunststoffe wirken einerseits modern, an­der­er­seits oft weniger hochwertig (so z. B. PET- im Vergleich zu Glas­flaschen).
  • Metall, vor allem Weißblech und Aluminium, kommt vor allem bei Dosen zum Einsatz. Es steht für lange Haltbarkeit und Wider­standsfähigkeit.
„Kom­mu­nika­toren, die lügen, finden in Zukunft kein Gehör mehr.“

Dem Geräusch beim Öffnen einer Verpackung kommt eine hohe Bedeutung zu, vor allem bei Nahrungsmit­teln und Getränken. Es sig­nal­isiert beispiel­sweise die Frische des Produkts. Hier muss also über praktische Erwägungen – wie Schutz vor Auslaufen oder Ma­nip­u­la­tion – hin­aus­gedacht werden. Dennoch soll die Handhabung einfach bleiben.

Form und Farbe

Die Ver­pack­ungs­form wird nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Händen erfasst und muss deshalb haptisch überzeugen. Durch eine auffällige Form aus der Masse her­vorzustechen, ist sicherlich hilfreich – solange die Wirkung nicht befremdend ist. Allerdings schieben die Han­del­skonz­erne der Kreativität in diesem Bereich gern einen Riegel vor und nutzen ihre Marktmacht: Sie bevorzugen leicht stapelbare Waren, die wenig Platz benötigen. Die Kunden wiederum verlangen Griff­sicher­heit. Und: Je runder die Ver­pack­un­gen, desto eher fühlen sich Frauen als Zielgruppe ange­sprochen. Produkte für Männer dagegen zeigen vor allem klare geometrische Muster mit Ecken und Kanten. Symmetrie vermittelt unaufgeregte Verlässlichkeit, asym­metrische Ver­pack­un­gen bauen Spannung auf und stehen eher für „Neues wagen“. Wellen, Kurven, Schrägen und Dreiecke sollten aufsteigend sein, um Sympathie zu erwecken; spitze Zacken suggerieren Wildheit.

„Der Zusam­men­hang zwischen Warentypik und Ver­pack­ungslooks wird am Beispiel des Segments Zahnpasta besonders deutlich, bei dem vier Ver­pack­ungslooks dominieren: der Frischelook, der Pay-At­ten­tion-Look, der Pharmalook und der Comic-Ju­nior-Look.“

Größe ist ebenfalls wichtig, wobei generell gilt: Rechteckig wirkt voluminöser als rund. Inhalte aus groß er­scheinen­den Packungen werden schneller konsumiert: War ja ein Schnäppchen, denkt sich der Kunde, da muss man nicht knausern. Das gilt besonders für schnell verderbliche Waren.

Farben wecken die Aufmerk­samkeit und sprechen bestimmte Gefühle an, deshalb müssen ihre Kombination und ihre Platzierung auf der Verpackung sorgsam bedacht werden. Im Idealfall werden Marken mit bestimmten Farben verbunden (Nivea = blau, Milka = lila).

  • Rot sendet besonders starke Signale aus. Je kräftiger es ist, desto männlicher wirkt es; als Pastell­farbe oder dunkel steht es eher für Weib­lichkeit.
  • Blau als Lieblings­farbe der Deutschen steht für etwas Frisches und Kühles, wird als rein und sauber empfunden und oft entsprechend eingesetzt, etwa bei Medika­menten und Körperpflegemit­teln.
  • Die dritte Grundfarbe, Gelb, ist zwiespältig (ähnlich wie Violett) und wird daher bei Lebens­mit­teln vor allem dort eingesetzt, wo auch das Produkt gelblich ist.
  • Grün wirkt beruhigend, steht gle­ichzeitig für Natur und Frische und wird entsprechend verwendet.
  • Das warme Orange wird oft als auf­dringlich empfunden und fol­gerichtig selten eingesetzt.
  • Der Erdton Braun wird vor allem genutzt, um biedere Gemütlichkeit zu vermitteln.
  • Schwarz steht für Luxus und Pre­mi­umpro­dukte.
  • Das kühle Weiß ergänzt vorwiegend andere Farben.
  • Das depressive Grau kommt so gut wie gar nicht vor.
  • Silber un­ter­stre­icht funktionale Sportlichkeit und wertet, ebenso wie Gold, mit seinem Glanz das Produkt auf.
„Je größer eine Verpackung erscheint, desto eher wird sie gekauft.“

Die auf einer Verpackung verwendeten Farben sollten harmonisch aufeinander abgestimmt sein. Je dunkler und wärmer die Farbe, desto näher wirkt sie auf den Betrachter. Je intensiver, desto sparsamer sollte die Farbe eingesetzt werden. Je mehr Schrift, desto dezenter der dahin­ter­liegende Farbgrund. All das gilt es zu beachten, wenn die gewünschte Wirkung erzielt werden soll.

Typografie

Alles, was schriftlich auf einer Verpackung un­terge­bracht wird, fällt in den Bereich der Typografie – vom Schwung des Logos bis zu den klein gedruckten In­haltsstof­fen. Die Typografie vermittelt nicht nur In­for­ma­tio­nen, sondern auch Emotionen. Ihre wichtigste Aufgabe: Sie muss das Interesse des Kunden wecken, den Text überhaupt zu lesen. Und sie kann Gedanken anregen, die von der Schriftwahl gelenkt werden. Schrift kann z. B. als modern oder tra­di­tionell, als sanft oder kraftvoll empfunden werden. Auf Ver­pack­un­gen werden fast immer ver­schiedene Schriften verwendet, die jeweils ver­schiedene Aufgaben übernehmen und zugleich miteinander harmonieren sollten.

„Der Einfluss, den Schwarz auf das Gewicht­sempfinden ausübt, ist sehr dominant. Schwarze Objekte werden als besonders schwer empfunden.“

Harmonieren muss die Schrift auch mit den anderen visuellen Elementen, also mit Bildern, Fotos oder Zeichnungen. Häufig handelt es sich dabei um Abbildungen des Produkts oder um Symbole, die bestimmte As­sozi­a­tio­nen hervorrufen sollen. Während Schrift erst entschlüsselt werden muss, wirken Bilder direkter, wie eine Entlehnung aus der Wirk­lichkeit. Sie fördern zudem die Wieder­erkennbarkeit. Gelernte Schrift-Bild-Kom­bi­na­tio­nen oder starke Bilder werden zu mental gespe­icherten Markensignalen: Ein Produkt wird anhand der Optik erkannt.

Über den Autor

Harald Seeger ist Marken- und Pack­ag­ing-Con­sul­tant bei der Münchner Wer­beagen­tur Koye-Brand. Er blickt auf anderthalb Jahrzehnte Erfahrung in der Branche zurück.