Ein unbeackertes Thema
Peter F. Drucker gilt als der „Erfinder“ des modernen Managements – er war der Erste, der sich auf wissenschaftlicher Basis mit dem Thema Management beschäftigte. Bis heute bleibt er eine Autorität auf dem Gebiet. Dabei kam Drucker eher zufällig mit dem Thema Management in Berührung. Nach einer kurzen Zeit als Bankangestellter arbeitete der gebürtige Österreicher zunächst als Journalist und war Wirtschaftskorrespondent in Frankfurt am Main. Er promovierte und nahm danach eine Stelle bei einer Londoner Privatbank an. 1937 emigrierte Drucker nach Vermont und wurde Professor für Philosophie und Politik. Als man ihn bat, eine Studie über das Management von General Motors zu verfassen, hatte er sein Lebensthema gefunden.
Was gute Führung ausmacht
Zuallererst muss eine Führungskraft Vorbild sein. Ein guter Vorgesetzter ist integer, verdient das Vertrauen seiner Mitarbeiter und setzt es nicht leichtfertig aufs Spiel. Er ist ein Mensch mit Charakter und hat den Mut, auch unpopuläre Entscheidungen zu vertreten, wenn er sie für richtig hält. Denn für Peter Drucker bedeutet Management, zu handeln und Ziele zu erreichen. Ein guter Manager ist aktiv – und er tut das, was wichtig ist. Er trägt Verantwortung und trifft seine Entscheidungen sorgfältig. Er kann die Ziele des Unternehmens formulieren und anderen vermitteln. Er kann nach oben und nach unten delegieren, zuhören und kommunizieren. Fähige Mitarbeiter sieht er nicht als Konkurrenten, sondern fördert sie. Er ist nicht egozentrisch, sondern setzt sich für das Unternehmen ein. Außerdem kümmert er sich rechtzeitig um seine Nachfolge, damit das Unternehmen nach seinem Weggang keinen Schaden erleidet.
„Wenn man etwas aufbauen will, muss man zuerst etwas anderes abreißen.“
Jedes Unternehmen, auch das erfolgreichste, gerät irgendwann in eine Krise. Als Führungskraft müssen Sie jederzeit darauf vorbereitet sein und Warnzeichen frühzeitig erkennen. Besonders gefährdet ist ein Unternehmen dann, wenn es ihm gut geht, alle sich in ihrem Erfolg sonnen und keiner damit rechnet, dass es bald anders kommen könnte.
Stärken und Schwächen der Mitarbeiter
Wer Erfolg haben will, darf nicht an seinen Schwächen herumdoktern – er muss sich vor allem auf seine Stärken konzentrieren und diese richtig einsetzen. In den letzten Jahren hat sich diese Erkenntnis langsam durchgesetzt, doch Peter Drucker formulierte sie schon vor einigen Jahrzehnten. Suchen Sie sich Aufgabenbereiche, in denen Ihre Stärken am besten zum Tragen kommen.
„Der Zufall belohnt denjenigen, der darauf vorbereitet ist. Wenn sich eine günstige Gelegenheit bietet, muss man sie am Schopf packen.“
Achten Sie darauf, dass auch Ihre Mitarbeiter möglichst ihren Stärken entsprechend eingesetzt werden und sich in diesen Bereichen weiterbilden. Verschwenden Sie weder Zeit noch Geld darauf, Schwächen beseitigen zu wollen, es wird sich nicht lohnen. Verzichten Sie bei Mitarbeitergesprächen auf Kritik und lassen Sie die Schwächen außen vor. Konzentrieren Sie sich stattdessen auf die Fähigkeiten Ihres Gegenübers und darauf, wie man sie ausbauen kann.
Stärken und Schwächen des Unternehmens
Sorgen Sie dafür, dass sich auch Ihr Unternehmen auf das konzentriert, was es am besten kann: Kümmern Sie sich um das Kerngeschäft und lassen Sie alles andere von externen Dienstleistern erledigen. Konzentrieren Sie sich auf diejenigen Kunden und Produkte, die am meisten einbringen, und verschwenden Sie mit den anderen möglichst wenig Zeit. Im Verlagswesen sind es z. B. häufig die wenig erfolgreichen Autoren, die dem Verlag die meiste Mühe machen, weil sie viel öfter mit Klagen kommen als ihre erfolgreichen Kollegen. So werden Ressourcen verschwendet.
„Das Einzige, was für einen Manager letztlich zählt und woran er gemessen wird, ist, dass er seine Aufgaben erfüllt – und dass er die
richtigen und wichtigen Aufgaben erfüllt.“
In jedem Unternehmen und jeder Organisation treten Probleme auf, die Abläufe dauerhaft hemmen und den Erfolg behindern. Auf solche Dauerprobleme sollten Sie Ihr Augenmerk richten und sie nach Möglichkeit beseitigen. Verschwenden Sie jedoch nicht zu viel Energie auf die Lösung von Problemen, suchen Sie lieber nach neuen Chancen. Bei der Entwicklung neuer Produkte sollten Sie die besten Mitarbeiter einbeziehen – immerhin bestimmen diese Produkte über die Zukunft Ihres Unternehmens.
Kunden ernst nehmen
Ein erfolgreiches Unternehmen braucht eine Strategie. Um eine Strategie zu erarbeiten, müssen Sie zuerst einmal klar festlegen, was der Zweck Ihres Unternehmens ist. Das klingt einfach, ist aber oft recht kompliziert. Die Frage nach dem Zweck können Sie nur aus der Kundenperspektive beantworten, denn letztlich bestimmt der Kunde, was er von einem Unternehmen erwartet. Nehmen Sie deshalb die Kunden und ihre Bedürfnisse unbedingt ernst. Ein gutes Beispiel für ein erfolgreiches, kundenorientiertes Unternehmen ist der Internet-Buchhändler Amazon. Dort kann man nicht nur, wie in jeder Buchhandlung, Bücher kaufen, sondern auch noch eine ganze Reihe anderer Produkte. Darüber hinaus bietet Amazon dem Kunden Zusatznutzen, z. B. die Möglichkeit, Bücher zu bewerten und Rezensionen zu lesen und zu schreiben.
„Der erste Schritt zu mehr Wachstum ist die Entscheidung, worauf man verzichten kann. Damit ein Unternehmen wachsen kann, muss man systematisch entscheiden, wie man alles Veraltete, Überflüssige, Unproduktive loswird.“
Leider sind gerade Manager oft so in der Welt des Unternehmens gefangen, dass sie den Kontakt zu den Kunden verlieren. Fragen Sie sich in der Hektik des Berufsalltags immer wieder, wie Ihr Unternehmen auf Außenstehende wirkt. So arbeiten z. B. bei der britischen Einzelhandelskette Tesco die Führungskräfte eine Woche in einem der Läden, um die Situation am Verkaufsort nicht aus dem Blick zu verlieren.
Die Rolle der Mitarbeiter
Achten Sie als Vorgesetzter darauf, Ihre Mitarbeiter gut zu informieren. Sie sollen ihre eigenen Vorstellungen einbringen können und wissen, welche Rolle ihre Arbeit im Gesamtgefüge des Unternehmens spielt. Damit werden Abläufe verbessert und die Leistungsbereitschaft wird steigen. Peter Drucker war einer der ersten, der die Mitarbeiter auch als Menschen in seine Theorie einbezog.
„Die modernen Unternehmen benötigen die besten Leute mehr als diese besten Leute das jeweilige Unternehmen.“
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts spielten die einfachen Arbeiter im Unternehmen eine völlig unwichtige Rolle. Die Vorgesetzten trafen die Entscheidungen, die Arbeiter führten sie aus. Drucker stellte bei seinen Untersuchungen fest, dass die Arbeiter jedoch keineswegs so dumm waren, wie ihre Chefs annahmen. Gerade die Menschen, die eine Tätigkeit ausführten, hatten meist auch gute Ideen, was man besser machen könnte. Außerdem betonte Drucker schon in seinen frühen Veröffentlichungen, wie wichtig es ist, dass Mitarbeiter sich am Arbeitsplatz wohlfühlen, dass ihre Meinung ernst genommen wird und ein guter Kontakt zum Vorgesetzten besteht.
Wichtige Entscheidungen treffen
Bei aller Mitbestimmung im Unternehmen – die wirklich wichtigen Entscheidungen müssen Sie als Führungskraft immer selbst treffen. Das sind vor allem Personalentscheidungen, denn sie bestimmen die Zukunft des Unternehmens wesentlich mit. Es geht nicht nur darum, wen Sie einstellen oder befördern, sondern auch, wer entlassen bzw. zurückgestuft werden soll und wie die Aufgaben verteilt werden. Orientieren Sie sich bei Beförderungen nicht nur an der Leistung, sondern auch am Leistungswillen des Mitarbeiters. Führungskräfte, die sich selbst in den Mittelpunkt stellen und nicht an das Unternehmen denken, sind fehl am Platz und sollten entlassen werden. Definieren Sie die einzelnen Aufgabenbereiche möglichst genau – wenn Mitarbeiter nicht wissen, was sie zu tun haben, können sie ihre Kräfte und Fähigkeiten nicht optimal einsetzen.
„Ein wichtiger Schlüssel, um zu Prioritätsentscheidungen zu gelangen, liegt bereits darin, festzulegen, was keinesfalls gemacht werden soll.“
Sehr wichtig sind Entscheidungen über die Prioritäten des Unternehmens. Jede Firma hat nur begrenzte Ressourcen und muss deshalb sorgfältig planen, wie sie eingesetzt werden sollen. Legen Sie nicht nur Ziele fest, sondern bestimmen Sie auch genau, was nicht gemacht werden soll. Fragen Sie sich vor einer wichtigen Entscheidung immer, ob sie im Notfall rückgängig gemacht werden kann. Wenn dies der Fall ist, können Sie eher ein Risiko eingehen als bei endgültigen Entscheidungen. Das Risiko darf jedoch nie so hoch sein, dass das Unternehmen selbst gefährdet ist.
Informationen im Unternehmen
Manager brauchen Informationen, um Entscheidungen treffen zu können. Computer und Internet haben den Umgang mit Informationen entscheidend verändert; es ist heute einfacher als je zuvor, Fakten zu sammeln und zu verarbeiten. Doch als Basis für Entscheidungen sind sie nur begrenzt geeignet, denn die meisten Informationen, die heute in einem Unternehmen generiert und gespeichert werden, sind Daten über das Unternehmen selbst. Bei wichtigen unternehmerischen Entscheidungen zählen aber nicht interne Daten, sondern vor allem die Außenwahrnehmung, bzw. die Informationen aus der Außenwelt. Auch kann ein Computer keine Entscheidungen treffen, er kann nur Daten liefern. Die richtigen Schlüsse müssen Sie immer noch selbst ziehen.
Innovation als Schlüssel zum Erfolg
Unternehmen sind dann auf Dauer erfolgreich, wenn sie nicht nur auf Bewährtes setzen und am Alten festklammern, sondern immer nach Innovationen suchen. Beobachten Sie die Märkte und suchen Sie nach Trends. Suchen Sie vor allem auch außerhalb Ihrer traditionellen Märkte, denn gerade da können Sie neue Ideen finden. Versuchen Sie, wichtige Veränderungen rechtzeitig zu erkennen. Überlegen Sie sich, welche Bedürfnisse die Kunden haben und mit welchen Neuentwicklungen Sie darauf reagieren können. Nur wer ständig neue Chancen wittert und nutzt, wird dauerhaft erfolgreich sein.
„Um eine Strategie festlegen zu können, müssen wir wissen, worin unser Geschäft besteht und was wir erreichen wollen.“
Ein gutes Beispiel für ein Unternehmen, das in die Krise geriet, weil es sich auf seinem Erfolg ausruhte, ist Intel. Intel hatte als erste Firma Speicherchips hergestellt und war lange Zeit führend auf dem Gebiet. Dass in Asien irgendwann billigere und bessere Chips hergestellt würden, interessierte niemanden – bis zu dem Moment, als die Krise nicht mehr zu übersehen war. Doch dann war es zu spät, Intel konnte sich gegenüber der Konkurrenz nicht mehr behaupten. Schließlich blieb nur noch die Möglichkeit, sich von der Chip-Sparte ganz zu trennen und so wenigstens das Unternehmen zu retten.
Altes beseitigen, Neues aufbauen
Um etwas Neues aufbauen zu können, muss man sich erst einmal von Altem trennen. Ein Unternehmen wird nur dann wettbewerbsfähig bleiben, wenn es den Mut hat, alles aufzugeben, was nicht mehr funktioniert. Entwickeln Sie in Ihrem Unternehmen eine Kultur, in der Bestehendes ständig hinterfragt und verbessert werden darf. Haben Sie den Mut, sich von Geschäftsfeldern zu trennen, wenn sie erste Anzeichen von Misserfolg aufweisen, und nicht erst dann, wenn der Schaden schon groß ist. Trennen Sie sich auch von Mitarbeitern, besonders Managern, die nicht genug Leistung bringen. Klammern Sie sich nicht an einstige Erfolge, sonst schaden Sie Ihrem Unternehmen. Geben Sie unrentable Projekte rechtzeitig auf. Manager befassen sich ungern mit diesem Thema, weil es nicht zu ihrer Erfolgsmentalität passt. Doch es ist keine Schande, ein Projekt aufzugeben, sondern vielmehr ein wichtiger Schritt zum langfristigen Erfolg.
„Ironischerweise ist gerade der Erfolg eine der maßgeblichen Ursachen für eine Krise.“
Zu Beginn des neuen Jahrtausends setzte Toyota auf die Entwicklung von Hybridautos. General Motors dagegen ignorierte den Trend zu energiesparenden und umweltfreundlichen Fahrzeugen und produzierte weiter große Geländewagen – bis die Umsätze einbrachen.