Kosten sparen
Angesichts des steigenden Wettbewerbsdrucks werden viele Unternehmen auf das Optimierungspotenzial ihrer Prozesse geprüft. Standen bislang überwiegend die Kernprozesse im Mittelpunkt, geht es jetzt zunehmend um die administrativen Bereiche wie Finanzen, Personal oder IT. Eine Form der Optimierung bieten die so genannten Shared Service Center (SSC). In den USA wird dieser Ansatz schon seit etwa zehn Jahren verfolgt. Dabei bündelt der Konzern seine administrativen Prozesse in einer wirtschaftlich selbstständigen Unternehmenseinheit. Beauftragt werden diese dann von den verschiedenen dezentral geführten Geschäftseinheiten des Konzerns. Die Eingliederung in das Gesamtunternehmen erfolgt auf unterschiedliche Weise:
- Beim Kernbereichsmodell geben die Geschäftsbereiche administrative Funktionen vollständig an das SSC ab.
- Beim Stabsmodell fungiert das SSC lediglich als Stabsstelle, welche Entscheidungen für die Geschäftseinheiten vorbereitet.
„Aus dem Spagat zwischen einer Erhöhung der Flexibilität durch Dezentralisierung und einer Gemeinkostenreduzierung durch Zentralisierung entstand das Konzept der Shared Services.“
Zwischen diesen beiden Extremen existieren noch das Richtlinien-, das Matrix- und das Service-Modell.
Bei der Gründung eines SSC verfolgen Unternehmen unterschiedliche Ziele. Meist geht es um die Einsparung von Kosten für Miete, Büroausstattung, Kommunikationsmittel und vor allem Personal, die sich durch eine Zusammenlegung von Standorten erreichen lässt. Das US-Unternehmen Teneco beispielsweise spart dank seinem SSC jährlich ca. 40 Millionen Dollar in den Bereichen Personalmanagement, Rechnungswesen und IT. Daneben verfolgen Unternehmen aber auch sachliche Ziele: Sie wollen die Leistungsqualität steigern oder Prozesse optimieren.
Transaktion oder Expertise
Der vom SSC zu erbringende Service kann transaktions- oder expertisebasiert sein. Bei transaktionsbasierten Services werden standardisierbare und ressourcenintensive Verwaltungsaufgaben übernommen. Das Unternehmen spart mit deren Bündelung Kosten und geht ein relativ geringes wirtschaftliches Risiko ein. Expertisebasierte SSC übernehmen dagegen Prozesse, die hohe Anforderungen an die Fähigkeiten und das Wissen der Mitarbeiter stellen. Weil solche Prozesse in den einzelnen Einheiten des Unternehmens eher selten anfallen, lohnt es sich kaum, dafür mehrere Stellen im Unternehmen zu schaffen. Die in der zentralen Einheit beschäftigten Mitarbeiter sind hoch spezialisiert, beraten die operativen Einheiten und entwickeln Lösungen. Damit nimmt das expertisebasierte SSC eine übergeordnete Position im Unternehmen ein und orientiert sich bei allen Tätigkeiten am Unternehmensgesamtziel.
Externe Rahmenbedingungen prüfen
Bevor Sie sich für die Gründung eines SSC entscheiden, müssen Sie die externen Rahmenbedingungen prüfen, insbesondere die gesetzlichen und die infrastrukturellen Voraussetzungen. Selbst im heutigen Europa gibt es trotz vereinheitlichter Rechtssicherheit und Wirtschaftspolitik weiterhin Unterschiede in der nationalen Steuergesetzgebung und in der regionalen Investitionsförderung. Wollen Sie Ihr SSC außerhalb Europas ansiedeln, müssen Sie sich zudem mit dem Arbeitnehmerschutz und den fachspezifischen Vorschriften vor Ort beschäftigen. Ganz wichtig sind die politische Stabilität sowie die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen. Einige Staaten bieten besondere Anreize für Unternehmensansiedlungen, z. B. Steuervergünstigungen. Nehmen Sie auch die infrastrukturellen Gegebenheiten unter die Lupe: Gibt es genug Fachkräfte? Ist der neue Standort für Ihre Mitarbeiter gut erreichbar? Und stellen Sie die Qualität der Telekommunikation sicher. Stabile Standleitungen mit hohen Datenübertragungsraten sind ein Muss.
Interne Rahmenbedingungen prüfen und schaffen
Eine besondere Herausforderung bei der Gründung eines SSC ist die Kommunikation. Während es in den operativen Einheiten einen Ansprechpartner aus Fleisch und Blut gibt, haben Sie es beim SSC mit einer anonymen Geschäftseinheit und neuen Mitarbeitern zu tun. Vollkommen neue Kommunikationskanäle müssen etabliert werden. Ein Kernproblem vieler SSC sind die mangelnden Sprachkenntnisse der Mitarbeiter. Wenn diese die Konzernsprache nicht oder nur unzureichend beherrschen, ist eine vernünftige Zusammenarbeit mit den operativen Einheiten nicht möglich.
„Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal des Outsourcings vom Shared-Service-Konzept ist die fehlende Einflussnahme der Konzernspitze auf das leistungserstellende Unternehmen.“
Welche Prozesse an das SSC ausgelagert werden, hängt u. a. davon ab, ob sie standardisierbar und wettbewerbsrelevant sind und ob sie bislang von mehreren operativen Einheiten ausgeführt werden. Prozesse, die nicht standardisierbar sind und zurzeit nur von einer Einheit ausgeführt werden, kommen nicht infrage. Auch wenn ein Prozess auf einer wettbewerbsrelevanten Kundenbeziehung basiert, sollte er nicht ausgelagert werden. Zu den klassischen SSC-Prozessen gehören Finanz- und Controllingaufgaben, Personalwesen, IT und sonstige Unterstützungsaufgaben, wie Archivierung oder Beschaffung.
„Der zentrale Aspekt für die Gründung eines SSC in einer Region ist die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal.“
Als selbstständige Dienstleistungseinheit bildet ein SSC oft eine eigene Rechtspersönlichkeit. Bei einer Befragung gaben 58 % der Unternehmen an, die Rechtsform der GmbH gewählt zu haben. Die rechtliche Selbstständigkeit bietet sich vor allem für SSC an, die ihre Leistung auch auf dem unternehmensexternen Markt anbieten wollen, wie es in der Personalwirtschaft zunehmend der Fall ist. Zudem müssen Sie sich für eine so genannte „Greenfield-“ oder „Brownfield-Lösung“ entscheiden: Langfristig wird sich die Ansiedlung auf der grünen Wiese (Greenfield) eher rechnen; kurzfristig ist aber der Reorganisations- und Implementierungsaufwand größer als bei einer Errichtung dicht am Hauptsitz (Brownfield).
„Auch wenn SSC meistens nicht mit der Absicht gegründet werden, selbst Wertbeiträge zu generieren, so besteht doch bei erfolgreicher Entwicklung des SSC die Möglichkeit, professionelle Dienstleistungen auch für den externen Markt zur Verfügung zu stellen.“
Nicht nur die anfänglichen Kosten bestimmen darüber, wie erfolgreich ein SSC wirtschaftlich ist, sondern auch der Preis für die Leistungen, die es erbringen soll. Üblich sind unternehmensinterne Verrechnungspreise. Weil diese das zu versteuernde Konzerneinkommen beeinflussen, fordern die nationalen Behörden einen Nachweis der Angemessenheit. Die OECD hat dazu den Fremdvergleichgrundsatz eingeführt. Danach muss der Verrechnungspreis in einer Höhe liegen, in der auch andere Akteure ihn festlegen würden.
National, regional oder global?
Je nach Ausrichtung unterscheidet man drei SSC-Formen: das nationale, das regionale und das globale SSC.
- Ein nationales SSC ist besonders dann empfehlenswert, wenn für die zu bündelnden Prozesse nationale Besonderheiten berücksichtigt werden müssen.
- Regionale SSC können nach Kontinenten, Zeitzonen oder Wirtschaftsräumen aufgebaut werden. Zwar bergen sie das Risiko der Sprach- und Kulturbarrieren, dafür kann die Arbeitszeit auf Konzernebene optimiert werden, und es lassen sich Lohnkostenunterschiede nutzen.
- Ein globales SSC sollten Sie dann einrichten, wenn Prozesse konzernweit zusammengefasst werden oder Expertise gefragt ist. Ein Beispiel für einen solchen Prozess ist die Auswertung von Management-Reporten.
Implementierung
Bevor das SSC-Projekt umgesetzt wird, führen Sie zunächst eine Bestandsaufnahme Ihrer Prozesse durch. Welche davon eigenen sich für eine Auslagerung? Auf die Bestandsaufnahme folgt die Konzeption des SSC, in der Sie den Leistungsumfang der neuen Einheit planen und ein Business-Case als betriebswirtschaftliche Grundlage entwickeln. Ausgestattet mit diesem Konzept geht es dann an die Umsetzung. Für die Reorganisation der Prozesse gibt es zwei Wege: Die Prozesse werden vor oder nach der Übertragung an das SSC optimiert. Der erste Weg bietet den Vorteil, das bereits existierende Prozess-Know-how sichern zu können. Leider sind aber nachträglich oft noch Anpassungen erforderlich. Der zweite Weg, die Prozessoptimierung nach der Übertragung an das SSC, wird gewählt, wenn die Prozesse ohnehin eine neue IT-Plattform erhalten und im Zuge dessen verändert werden müssen.
„Eine effiziente Kommunikation ist einer der kritischen Erfolgsfaktoren in Veränderungsprojekten.“
Wenn Sie ein SSC planen, rechnen Sie mit dem Widerstand Ihrer Mitarbeiter. Am besten begegnen Sie diesen Vorbehalten mit offener Kommunikation. Schaffen Sie außerdem eine Feedback-Möglichkeit für die Betroffenen, sodass sich jeder seine Sorgen und Befürchtungen von der Seele reden kann. Auch mit Schulungen und sonstigen Wissenstransfers lässt sich für den Wandel Verständnis wecken.
Controlling
Was das Controlling betrifft, ist zu unterscheiden zwischen Controlling des SSC und Controlling im SSC. Als selbstständige Einheit des Konzerns unterliegt ein SSC selbstverständlich dem konzernweiten Controlling. Dabei wird geprüft, ob sich mit den festgelegten Strategien der Konzernwert tatsächlich steigern lässt. Als Basis für dieses konzernweite Controlling muss ein SSC-internes Controlling geschaffen werden. Es stimmt sämtliche Führungsaktivitäten so aufeinander ab und übernimmt die ebenfalls wichtige Funktion der Informationsbeschaffung und -weitergabe.
„Die wirtschaftliche Form des SSC hat wesentlichen Einfluss auf die Steuerungsgrößen und Instrumente, die das wertorientierte Controlling zum Einsatz bringen kann.“
Die Ausprägung des Controllings ist abhängig von der Center-Organisation, der Entwicklungsphase und der Center-Struktur. Während z. B. bei einem Cost-Center vorwiegend das Kostenbudget kontrolliert wird, überwacht das Controlling beim Profit-Center zusätzlich noch die Erlöse. In der Aufbauphase interessiert sich das Controlling vorwiegend für die finanziellen Aufwendungen, während in der Marktorientierungsphase mehr auf die Produktkalkulation und die Ergebnisrechnung geschaut wird.
„Im Rahmen des Controllings von SSC müssen insbesondere für die Konzernführung adäquate Informationen über den Erfolg und die Wertschöpfung des Centers bereitgestellt werden.“
Zu den Instrumenten des SSC-Controlling zählen prozessorientierte Instrumente wie die Prozesskostenrechnung, die Service-Level-Agreements für die Transparenz der Leistungen sowie wertorientierte Kennzahlensysteme.
SSC bei Henkel
Der Konsumgüterproduzent Henkel betreibt zwei SSC, eines davon in Bratislava in der Slowakischen Republik. Die Wahl fiel auf diese Stadt, weil dort bereits eine Henkel-Niederlassung existiert und qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Zudem ist die Stadt vom Hauptsitz Düsseldorf und von Wien, der Osteuropa-Zentrale des Konzerns, mit dem Flugzeug sehr gut erreichbar. Das EU-Mitglied Slowakei ist wirtschaftlich und politisch stabil. Auch das noch vergleichsweise niedrige Lohnniveau hat eine Rolle gespielt. Neben Abwicklung und Dokumentation aller Warenströme und Verbuchungen zwischen den einzelnen Henkel-Niederlassungen wurde dem SSC auch die Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung übertragen. Weil die Einheit in die bestehende Henkel-Niederlassung eingegliedert werden konnte, musste keine selbstständige Gesellschaft gegründet werden. Das Controlling überprüft bei diesem SSC vorwiegend Kennzahlen, die das Volumen der bearbeiteten Vorgänge und die Produktivität der Einheit beziffern. Daneben werden auch Kennzahlen zu Verarbeitungsgeschwindigkeit und Qualität erfasst. Der Erfolg des Henkel-SSC zeigt sich überwiegend in Kosteneinsparungen, aber auch in einer hohen Prozesstransparenz, derer man sich für eine spätere Automatisierung bedienen kann.