Aalglatt und abgebrüht
Philipp Kuster ist Privatkundenberater bei der Schweizer Kreditunion – ein Private Banker wie aus dem Lehrbuch: Loft an der Zürcher Goldküste, Mitgliedschaften in teuren Golf-, Tennis- und Jachtklubs, teuerste Geschäftsessen, champagnergetränkte Nächte mit Kunden und russischen Blondinen, persönlicher Einkaufsberater, Personal Trainer etc. Kuster geht es primär darum, seinen Status in der Bank zu verteidigen – auch wenn er dafür zu unfairen Mitteln wie Mobbing greifen muss. Seinen Kunden rät er gern zu sinnlosen Umschichtungen ihres Vermögens.
„Die kleinen Helfer sorgten dafür, dass er tagaus, tagein die Fassung bewahrte und so tun konnte, als ob er ein beliebig belastbarer, ausgeglichener, trinkfester und gegen Kundengezeter und Börsencrashs völlig resistenter Privatbanker sei.“ (über Philipp Kuster)
Seit Ausbruch der Finanzkrise hat Kuster alle Hände voll zu tun, damit Kunden, die sich gelinkt fühlen, nicht scharenweise abspringen. Von Mitleid oder Verständnis keine Spur. Er verkauft ihnen angeblich „maßgeschneiderte“ Finanzprodukte (die aus den immergleichen Modulen bestehen), hält die Wahrheit über ihre dahingeschmolzenen Depotwerte zurück, solange es geht, und schwatzt ihnen weitere sinnlose oder riskante Aktionen auf. Wenn es eng wird, lässt er sich die Wortwahl von der Kommunikationsabteilung vorgeben – denn vom echten Bankgeschäft hat Kuster keine vertieften Kenntnisse. Er beeindruckt durch Statussymbole und sein geöltes Mundwerk und ist bestrebt, so schnell wie möglich sein jährliches Neugeschäft-Ziel zu erreichen. So kann er die restliche Zeit damit verbringen, an seinem Golfhandicap zu arbeiten, statt im Büro zu sein, oder sich das neueste Maserati-Modell auszusuchen. Seinen Job bekommt er allerdings nur hin, wenn er morgens den richtigen Mix aus Psychopharmaka und Aufputschmitteln schluckt.
Gerupft zu werden ist normal
Kollege Äbersold von der Schweizer Kreditunion ist der sarkastische Philosoph unter den Kundenberatern. Seine Klienten hält er für Dummköpfe. Sie nerven, sobald sie sich zu sehr für ihre Depots interessieren. In Zeiten wie diesen rufen sie leider fast täglich an, und er muss manch unangenehmes Telefonat führen: „Nein, Herr Flück, ARS ist nicht Englisch für Arsch, wie Sie sich auszudrücken belieben, sondern das ist die Abkürzung für Auction Rate Securities.“ Äbersold verkauft den Kunden weiterhin die neuesten, vom „Analystenpack“ ausgetüftelten Produkte seiner Bank. Produkte, von denen er weiß, dass kein Kunde sie versteht, die risikoreich sind und dafür sorgen, dass die Bank Gewinn macht, nicht aber der Kunde. Äbersold beherrscht das Spiel „Kunden ausnehmen“ perfekt. Er erarbeitet seine Boni mit wenig Arbeitseinsatz und bringt Kunden zum Umschichten ihrer Vermögen, um so Gebühren in Hunderttausenden für sich und die Bank zu generieren. Seine Einstellung ist: „Wieso sollte sich der Investor nicht daran gewöhnen können, dass er gelegentlich gerupft wird?“
Hiobsbotschafter leben gefährlich
Als Wirtschaftsprüfer Franz Tobler bei einem großen Kunden, der ihm gerade übertragen worden ist, die Bücher prüft, stellt er fest, dass dieser kurz vor dem Konkurs steht. Tobler versucht, die Nachricht seinem Vorgesetzten Spörri schonend beizubringen. Dieser möchte aber von der Hiobsbotschaft nichts wissen; immerhin geht rund ein Drittel des Umsatzes der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf den Großkunden zurück. Das Ende vom Lied: Tobler testiert Bilanz und Bücher des Kunden. Kurz darauf muss dieser tatsächlich Konkurs anmelden und seine Bücher deponieren. Bauernopfer Tobler erhält seine Kündigung per E-Mail, mit Hinweis auf Freistellung ab sofort.
Wie gewonnen, so zerronnen
Arnold Rutishauser, Berater bei Elmore, Little and Willis, erkennt, dass die Kapitalflussrechnung des Kunden Walterhans für die Firma nichts Gutes verheißt. Alle Alarmglocken läuten, denn: Ein pleitegehender Klient bedeutet den Verlust der Beraterhonorare der letzten Monate. Doch Rutishauser ist clever genug, um zu wissen, wie er seinen Allerwertesten retten kann. Er hält die Information über den vom Bankrott bedrohten Klienten noch etwas zurück, spricht sich mit seinem Executive Officer ab und stellt die Beraterhonorare der vergangenen Monate in Rechnung – mit einer Zahlungsfrist von drei Tagen. Dann erst wird der Konkurs eingeläutet. Der Kunde Walterhans zahlt brav, deponiert wenige Tage später seine Bücher, und Rutishauser wird zum Partner befördert, mit fetten Boni in Aussicht, neuem Firmenwagen, neuem Büro mit schicken Designermöbeln und edlen Pralinen zum Kaffee. Ein geschickter Schachzug, der voll aufgegangen ist. Käme da nicht noch etwas hinterher: Die bankrotte Firma Walterhans wehrt sich juristisch gegen die Abzocke und zwingt Elmore, Little and Willis dazu, das Beratungshonorar in die Konkursmasse zurückzuführen. Drei Stunden später ist Rutishauser sein Eckbüro und seine Partnerschaft wieder los.
Wo nichts ist, werden Späne gehobelt
Walter Meier ist zum Head Restrukturierungen „befördert“ worden; mit einem Team, das aus drei Burn-out-Kandidaten besteht und lediglich Zugriff auf den Sekretärinnen-Pool hat. Und noch schlimmer: Es gibt gar keine Firmen, die er restrukturieren kann. Seine Karriere scheint in einer Sackgasse zu enden. Dann gelingt es ihm, einen kleinen Familienbetrieb, eine Schreinerei, als Kunden zu gewinnen. Der Fall ist klar: hoffnungslos schlechte Performance, wackliger Geschäftskredit. Meier kommt das gerade recht: Nun kann der das ganze Instrumentarium aus Prozessbeschreibungen, Abwicklungsformularen, Reports und Zwischenreports einsetzen. Die Schreinerei, ein Dreimann-Betrieb, wird ordentlich auf Vordermann gebracht. Zeit zum Arbeiten hat das Besitzer-Ehepaar jetzt nicht mehr, muss es doch wöchentlich Kapitalfluss- und Erfolgsrechnungen erstellen. Den einzigen Lehrling hat Meier ohnehin schon entlassen. Er sieht das Restrukturierungsprojekt Schreinerei denn auch auf gutem Weg und diktiert gerade das aktuelle Protokoll mit den Maßnahmen der kommenden Wochen seiner Sekretärin, als ihn einer seiner „Loser-Mitarbeiter“ in voller Fahrt stoppt, um ihm den Konkurs der Schreinerei mitzuteilen.
„Noch nicht entscheidungsreif“
Werner Meier ist Chief Communication Officer bei Elmore, Little and Willis. Von seiner Aufgabe hat er wenig Ahnung. Er ist unsicher und verbirgt sich hinter seinem Blackberry. Er spricht wenig, und wenn, dann ist es meist ein geflüstertes „Ich denke, das hier ist noch nicht entscheidungsreif“. So treibt er seine Kommunikationsabteilung an den Rand des Wahnsinns. Die monatelange Vorbereitung von abstrusen Kundenwerbegeschenken wie Kugelschreibern oder Badetüchern wird von einem dahingehauchten Satz zunichtegemacht. Ähnlich abstrus verläuft die Entwicklung eines neuen Slogans für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Aus Unfähigkeit und Unkenntnis wird der Übersetzungsauftrag an eine Einmann-Werbeagentur vergeben. Für diese ist es der größte Auftrag ihres Bestehens. Auch hier ist nur ein Dilettant am Werk – die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft merkt das aber nicht einmal. Zu guter Letzt wird der Auftrag „von ganz oben“ zurückgepfiffen.
Die Geldwaschanlage
Fritz Steiner führt die Vermögensanlagenverwaltung AG, eine Investmentgesellschaft in Zug. Ihr einziges Ziel: Geldwäsche betreiben und möglichst viel Kundenvermögen an Land ziehen. Ihm zur Hand geht – immer am Rande der Legalität – sein Anwalt. Die Miete für die schicken Geschäftsräume in Zug ist seit Monaten nicht überwiesen worden. Die Rechnungen für verschwenderisch teure Kundeneinladungen sind ebenfalls nicht beglichen. Es kommt, wie es kommen muss: Als der Anwalt seinen Kompagnon auf akuten Geldbedarf und die Fälligkeit diverser Rechnungen binnen weniger Tage hinweist, kracht das Kartenhaus zusammen. Steiner weiß, wann der richtige Moment zum Abtauchen gekommen ist. Unter dem Vorwand der Bargeldbeschaffung setzt er sich über Liechtenstein nach Brasilien ab und wird nicht mehr gesehen. Dem Anwalt dämmert erst rund zwölf Stunden später, dass es sich bei Steiner um einen Betrüger erster Güte handelt, auf den er und auch die Sekretärin hereingefallen sind. Er hat gerade noch Zeit, das Büro professionell in Luft auflösen zu lassen und alle Spuren in Form von Kundendaten und Korrespondenz zu löschen. Kurz darauf erscheint er als Präsident des Vereins der Geschädigten von Steiners Vermögensanlagenverwaltung AG wieder auf der Bildfläche.
Ein gefährliches Pflaster
Fredy Rysch, Kundenberater der Fürstlichen Effektenbank in Vaduz, schiebt in seinem Job eine ruhige Kugel. Beflissen und akribisch verwaltet er die Konten seiner ausländischen millionenschweren Kunden. Die Umstellung vom Kontobuch auf elektronische Einträge im Computer war ihm nie geheuer. Doch seine Frage, ob die Daten wirklich sicher seien, wurde mit Verachtung gestraft. Jetzt ist der Super-GAU eingetreten, die deutschen Steuerbehörden haben Tausende von Adressen und Kontodaten der Fürstlichen Effektenbank auf dubiosem Weg erhalten. Ryschs Kunden laufen beinahe Amok, drohen und fluchen. Und der brave Rysch erledigt pflichtbewusst seinen Job, um zu verhindern, dass die Klienten ihre Gelder abziehen. Bis er den Anruf eines russischen Kunden erhält, der seine persönlichen Daten in der russischen Presse wiedergefunden hat. Iwan, der millionenschwere Russe, droht Rysch, ihn unter die Erde zu befördern, wenn er ihm nicht eine offizielle Erklärung der Bank ausstellt, die besagt, dass Iwan kein Konto bei der FEB besitze. Er gibt dem entsetzten und überforderten Rysch 48 Stunden, um die Sache aus der Welt zu schaffen. Kurz darauf wird Rysch beim Überqueren eines Zebrastreifens überfahren, der Täter begeht Fahrerflucht.
„Bei der letzten Sause in einem extra angemieteten Privatschloss in der Toskana war es ja wieder zu einer Orgie gekommen, gegen die das Rudelbumsen in
Eyes Wide Shut wie das Unterhaltungsprogramm eines Nonnenchors wirkte.“
Seinem Nachfolger Alfons Hinderli ergeht es nur wenig besser: Gleich an seinem ersten Arbeitstag im neuen Büro hat er Iwan am Apparat. Nach dem Telefonat sorgt sich Hinderli, dass dies auch schon sein letzter Arbeitstag in der Bank gewesen sein könnte. Und er ahnt, was mit Rysch passiert ist. Hinderli aber geht zum Angriff über und lässt sich von einer Detektei über die Identität des Russen aufklären. Und siehe da: Alles scheint sich in Rauch aufzulösen, als er erfährt, dass Iwan just am Abend in Moskau „zufällig“ von einem Lastwagen überfahren worden ist. Jedoch stellt sich das als Falschmeldung heraus, von Iwan selbst inszeniert ...
Abrechnung
Es waren „marodierende Bankerbanden“, die uns die aktuelle Finanzkrise eingebrockt haben. Sie schmiedeten ein internationales Komplott, mit „Oberaufpasser“ Alan Greenspan an der Spitze: Hat er doch dafür gesorgt, dass der Leitzins über Jahre niedrig blieb, was gut für die Börse, aber nicht gut für die Wirtschaft ist. Jahrzehntelang wechselten riesige Vermögen den Besitzer. Sie wurden nicht einfach „verbrannt“, sondern umverteilt. Allein die Kommissionen, Spesen, Boni und Honorare, die in den letzten fünf Jahren in den USA im Hypothekarbereich angefallen sind, belaufen sich auf rund 1000 Milliarden Dollar. Der weltweite Gesamtschaden dürfte etwa das Fünffache betragen.
„Die Bestohlenen dürfen nun die vor ihrer Nase und unter dem Applaus der meisten so genannten Wirtschaftsanalytiker und Fachleute abgeräumten Milliarden ersetzen und nebenher auch noch die Kollateralschäden bezahlen.“
Das alles geschah unter den Augen der Öffentlichkeit, der Kunden und Steuerzahler. Brave Sparer wurden in riskante und unverständliche Anlagen hineingetrieben. Wer sein Erspartes verzinsen lassen wollte, sah nur, wie viel er durchs Sparen verlor, denn die Zinsen deckten keineswegs die Teuerungsrate. Wer bezahlt nun die Zeche für diesen größten Bankraub aller Zeiten? Die Steuerzahler und die um ihre Vermögen betrogenen Anleger.