Bank, Banker, Bankrott

Buch Bank, Banker, Bankrott

Storys aus der Welt der Abzocker

Orell Füssli,


Rezension

Böse, böse, dieses Bank­ing-Busi­ness. Zumindest, wenn man René Zeyer Glauben schenkt. Seine polemische Abrechnung soll zeigen, was Kun­den­ber­ater wirklich über ihre Klienten denken, wie skrupellos sie hinter deren Rücken handeln und welche Werte dabei zählen: Es geht um Status, Boni, rauschende Feste und Woch­enend-Trips zu den Hotspots der Welt – ein Leben in Rausch und Glamour als Kom­pen­sa­tion für innere Leere. Zeyer, als PR-Berater seit Längerem für Fi­nanz­di­en­stleis­ter tätig, präsentiert 88 Episoden aus der Schweizer Bankenwelt – mit beißender Schärfe, trockenem Humor und gnadenlos ironischem Be­rater-Slang. Egal ob Vermögensver­wal­ter, Analysten oder In­vest­ment­banker: Sie kommen genauso schlecht weg, wie es die aufge­brachte Öffentlichkeit im Zuge der Finanzkrise erwartet. Mag sein, dass sich diese Häme zu sehr dem Zeitgeist anpasst, und ob die er­schreck­enden Geschichten allesamt wahr sind, sei dahingestellt. BooksInShort jedenfalls empfiehlt das spannende Buch allen, die wissen wollen, in welchen Händen ihr Geld möglicher­weise liegt.

Take-aways

  • Wer möglichst schnell möglichst viel von seinem Vermögen vernichten will, sollte es in die Hände eines Private Bankers legen.
  • Pri­vatkun­den­ber­ater, Wirtschaft­sprüfer und An­lage­ber­ater sind hoch bezahlt – bei oft beschei­de­nen Fachken­nt­nis­sen.
  • Kun­den­ber­ater von Großbanken verstehen die Produkte, die sie verkaufen, häufig selbst nicht.
  • Das oberste Ziel der Banker: möglichst viele Kun­den­gelder her­beis­chaf­fen und damit den eigenen Bonus sichern.
  • An­lage­ber­ater von dubiosen Vermögensver­wal­tungs­ge­sellschaften leben vom schönen Schein, bis das Kartenhaus zusam­men­bricht.
  • Wirtschaft­sprüfer haben in erster Linie ein möglichst hohes Be­ratung­shon­o­rar im Visier.
  • Un­ternehmens­ber­atun­gen re­struk­turi­eren so manch einen Betrieb zu Tode.
  • An der Finanzkrise sind „mar­o­dierende Banker­ban­den“ schuld.
  • Die Milliarden wurden nicht etwa verbrannt, sondern schlicht umverteilt – von den Anlegern zu den Bankman­agern.
  • Der weltweit größte Bankraub geschah unter den Augen der Öffentlichkeit, die nun für den Schaden aufkommen muss.
 

Zusammenfassung

Aalglatt und abgebrüht

Philipp Kuster ist Pri­vatkun­den­ber­ater bei der Schweizer Kreditunion – ein Private Banker wie aus dem Lehrbuch: Loft an der Zürcher Goldküste, Mit­glied­schaften in teuren Golf-, Tennis- und Jachtklubs, teuerste Geschäftsessen, cham­pag­n­er­getränkte Nächte mit Kunden und russischen Blondinen, persönlicher Einkaufs­ber­ater, Personal Trainer etc. Kuster geht es primär darum, seinen Status in der Bank zu verteidigen – auch wenn er dafür zu unfairen Mitteln wie Mobbing greifen muss. Seinen Kunden rät er gern zu sinnlosen Um­schich­tun­gen ihres Vermögens.

„Die kleinen Helfer sorgten dafür, dass er tagaus, tagein die Fassung bewahrte und so tun konnte, als ob er ein beliebig belastbarer, aus­geglich­ener, trinkfester und gegen Kun­dengezeter und Börsencrashs völlig resistenter Pri­vat­banker sei.“ (über Philipp Kuster)

Seit Ausbruch der Finanzkrise hat Kuster alle Hände voll zu tun, damit Kunden, die sich gelinkt fühlen, nicht scharen­weise abspringen. Von Mitleid oder Verständnis keine Spur. Er verkauft ihnen angeblich „maßgeschnei­derte“ Fi­nanzpro­dukte (die aus den im­mer­gle­ichen Modulen bestehen), hält die Wahrheit über ihre dahingeschmolzenen Depotwerte zurück, solange es geht, und schwatzt ihnen weitere sinnlose oder riskante Aktionen auf. Wenn es eng wird, lässt er sich die Wortwahl von der Kom­mu­nika­tion­s­abteilung vorgeben – denn vom echten Bankgeschäft hat Kuster keine vertieften Kenntnisse. Er beeindruckt durch Sta­tussym­bole und sein geöltes Mundwerk und ist bestrebt, so schnell wie möglich sein jährliches Neugeschäft-Ziel zu erreichen. So kann er die restliche Zeit damit verbringen, an seinem Golfhand­i­cap zu arbeiten, statt im Büro zu sein, oder sich das neueste Maserati-Mod­ell auszusuchen. Seinen Job bekommt er allerdings nur hin, wenn er morgens den richtigen Mix aus Psy­chophar­maka und Auf­putschmit­teln schluckt.

Gerupft zu werden ist normal

Kollege Äbersold von der Schweizer Kreditunion ist der sarkastis­che Philosoph unter den Kun­den­ber­atern. Seine Klienten hält er für Dummköpfe. Sie nerven, sobald sie sich zu sehr für ihre Depots in­ter­essieren. In Zeiten wie diesen rufen sie leider fast täglich an, und er muss manch unan­genehmes Telefonat führen: „Nein, Herr Flück, ARS ist nicht Englisch für Arsch, wie Sie sich auszudrücken belieben, sondern das ist die Abkürzung für Auction Rate Securities.“ Äbersold verkauft den Kunden weiterhin die neuesten, vom „An­a­lysten­pack“ ausgetüftelten Produkte seiner Bank. Produkte, von denen er weiß, dass kein Kunde sie versteht, die risikoreich sind und dafür sorgen, dass die Bank Gewinn macht, nicht aber der Kunde. Äbersold beherrscht das Spiel „Kunden ausnehmen“ perfekt. Er erarbeitet seine Boni mit wenig Ar­beit­sein­satz und bringt Kunden zum Umschichten ihrer Vermögen, um so Gebühren in Hun­dert­tausenden für sich und die Bank zu generieren. Seine Einstellung ist: „Wieso sollte sich der Investor nicht daran gewöhnen können, dass er gele­gentlich gerupft wird?“

Hiob­s­botschafter leben gefährlich

Als Wirtschaft­sprüfer Franz Tobler bei einem großen Kunden, der ihm gerade übertragen worden ist, die Bücher prüft, stellt er fest, dass dieser kurz vor dem Konkurs steht. Tobler versucht, die Nachricht seinem Vorge­set­zten Spörri schonend beizubrin­gen. Dieser möchte aber von der Hiob­s­botschaft nichts wissen; immerhin geht rund ein Drittel des Umsatzes der Wirtschaft­sprüfungs­ge­sellschaft auf den Großkunden zurück. Das Ende vom Lied: Tobler testiert Bilanz und Bücher des Kunden. Kurz darauf muss dieser tatsächlich Konkurs anmelden und seine Bücher deponieren. Bauernopfer Tobler erhält seine Kündigung per E-Mail, mit Hinweis auf Freis­tel­lung ab sofort.

Wie gewonnen, so zerronnen

Arnold Rutishauser, Berater bei Elmore, Little and Willis, erkennt, dass die Kap­i­talflussrech­nung des Kunden Walterhans für die Firma nichts Gutes verheißt. Alle Alar­m­glocken läuten, denn: Ein pleit­ege­hen­der Klient bedeutet den Verlust der Be­rater­hono­rare der letzten Monate. Doch Rutishauser ist clever genug, um zu wissen, wie er seinen Aller­w­ertesten retten kann. Er hält die Information über den vom Bankrott bedrohten Klienten noch etwas zurück, spricht sich mit seinem Executive Officer ab und stellt die Be­rater­hono­rare der vergangenen Monate in Rechnung – mit einer Zahlungs­frist von drei Tagen. Dann erst wird der Konkurs eingeläutet. Der Kunde Walterhans zahlt brav, deponiert wenige Tage später seine Bücher, und Rutishauser wird zum Partner befördert, mit fetten Boni in Aussicht, neuem Firmenwagen, neuem Büro mit schicken Designermöbeln und edlen Pralinen zum Kaffee. Ein geschickter Schachzug, der voll aufgegangen ist. Käme da nicht noch etwas hinterher: Die bankrotte Firma Walterhans wehrt sich juristisch gegen die Abzocke und zwingt Elmore, Little and Willis dazu, das Be­ratung­shon­o­rar in die Konkurs­masse zurückzuführen. Drei Stunden später ist Rutishauser sein Eckbüro und seine Part­ner­schaft wieder los.

Wo nichts ist, werden Späne gehobelt

Walter Meier ist zum Head Re­struk­turierun­gen „befördert“ worden; mit einem Team, das aus drei Burn-out-Kan­di­daten besteht und lediglich Zugriff auf den Sekretärinnen-Pool hat. Und noch schlimmer: Es gibt gar keine Firmen, die er re­struk­turi­eren kann. Seine Karriere scheint in einer Sackgasse zu enden. Dann gelingt es ihm, einen kleinen Fam­i­lien­be­trieb, eine Schreinerei, als Kunden zu gewinnen. Der Fall ist klar: hoff­nungs­los schlechte Performance, wackliger Geschäftskredit. Meier kommt das gerade recht: Nun kann der das ganze In­stru­men­tar­ium aus Prozess­beschrei­bun­gen, Ab­wick­lungs­for­mu­la­ren, Reports und Zwis­chen­re­ports einsetzen. Die Schreinerei, ein Dreimann-Be­trieb, wird ordentlich auf Vordermann gebracht. Zeit zum Arbeiten hat das Be­sitzer-Ehep­aar jetzt nicht mehr, muss es doch wöchentlich Kap­i­talfluss- und Er­fol­gsrech­nun­gen erstellen. Den einzigen Lehrling hat Meier ohnehin schon entlassen. Er sieht das Re­struk­turierung­spro­jekt Schreinerei denn auch auf gutem Weg und diktiert gerade das aktuelle Protokoll mit den Maßnahmen der kommenden Wochen seiner Sekretärin, als ihn einer seiner „Loser-Mi­tar­beiter“ in voller Fahrt stoppt, um ihm den Konkurs der Schreinerei mitzuteilen.

„Noch nicht entschei­dungsreif“

Werner Meier ist Chief Com­mu­ni­ca­tion Officer bei Elmore, Little and Willis. Von seiner Aufgabe hat er wenig Ahnung. Er ist unsicher und verbirgt sich hinter seinem Blackberry. Er spricht wenig, und wenn, dann ist es meist ein geflüstertes „Ich denke, das hier ist noch nicht entschei­dungsreif“. So treibt er seine Kom­mu­nika­tion­s­abteilung an den Rand des Wahnsinns. Die monatelange Vor­bere­itung von abstrusen Kun­den­wer­begeschenken wie Kugelschreibern oder Badetüchern wird von einem dahinge­hauchten Satz zu­nichtegemacht. Ähnlich abstrus verläuft die Entwicklung eines neuen Slogans für die Wirtschaft­sprüfungs­ge­sellschaft. Aus Unfähigkeit und Unkenntnis wird der Überset­zungsauf­trag an eine Ein­mann-Wer­beagen­tur vergeben. Für diese ist es der größte Auftrag ihres Bestehens. Auch hier ist nur ein Dilettant am Werk – die Wirtschaft­sprüfungs­ge­sellschaft merkt das aber nicht einmal. Zu guter Letzt wird der Auftrag „von ganz oben“ zurückgepfiffen.

Die Geld­waschan­lage

Fritz Steiner führt die Vermögen­san­la­gen­ver­wal­tung AG, eine In­vest­ment­ge­sellschaft in Zug. Ihr einziges Ziel: Geldwäsche betreiben und möglichst viel Kundenvermögen an Land ziehen. Ihm zur Hand geht – immer am Rande der Legalität – sein Anwalt. Die Miete für die schicken Geschäftsräume in Zug ist seit Monaten nicht überwiesen worden. Die Rechnungen für ver­schwen­derisch teure Kun­denein­ladun­gen sind ebenfalls nicht beglichen. Es kommt, wie es kommen muss: Als der Anwalt seinen Kompagnon auf akuten Geldbedarf und die Fälligkeit diverser Rechnungen binnen weniger Tage hinweist, kracht das Kartenhaus zusammen. Steiner weiß, wann der richtige Moment zum Abtauchen gekommen ist. Unter dem Vorwand der Bargeldbeschaf­fung setzt er sich über Liecht­en­stein nach Brasilien ab und wird nicht mehr gesehen. Dem Anwalt dämmert erst rund zwölf Stunden später, dass es sich bei Steiner um einen Betrüger erster Güte handelt, auf den er und auch die Sekretärin hereinge­fallen sind. Er hat gerade noch Zeit, das Büro pro­fes­sionell in Luft auflösen zu lassen und alle Spuren in Form von Kundendaten und Ko­r­re­spon­denz zu löschen. Kurz darauf erscheint er als Präsident des Vereins der Geschädigten von Steiners Vermögen­san­la­gen­ver­wal­tung AG wieder auf der Bildfläche.

Ein gefährliches Pflaster

Fredy Rysch, Kun­den­ber­ater der Fürstlichen Ef­fek­ten­bank in Vaduz, schiebt in seinem Job eine ruhige Kugel. Beflissen und akribisch verwaltet er die Konten seiner ausländischen mil­lio­nen­schw­eren Kunden. Die Umstellung vom Kontobuch auf elek­tro­n­is­che Einträge im Computer war ihm nie geheuer. Doch seine Frage, ob die Daten wirklich sicher seien, wurde mit Verachtung gestraft. Jetzt ist der Super-GAU eingetreten, die deutschen Steuerbehörden haben Tausende von Adressen und Kontodaten der Fürstlichen Ef­fek­ten­bank auf dubiosem Weg erhalten. Ryschs Kunden laufen beinahe Amok, drohen und fluchen. Und der brave Rysch erledigt pflicht­be­wusst seinen Job, um zu verhindern, dass die Klienten ihre Gelder abziehen. Bis er den Anruf eines russischen Kunden erhält, der seine persönlichen Daten in der russischen Presse wiederge­fun­den hat. Iwan, der mil­lio­nen­schwere Russe, droht Rysch, ihn unter die Erde zu befördern, wenn er ihm nicht eine offizielle Erklärung der Bank ausstellt, die besagt, dass Iwan kein Konto bei der FEB besitze. Er gibt dem entsetzten und überforderten Rysch 48 Stunden, um die Sache aus der Welt zu schaffen. Kurz darauf wird Rysch beim Überqueren eines Ze­bras­treifens überfahren, der Täter begeht Fahrerflucht.

„Bei der letzten Sause in einem extra angemieteten Pri­vatschloss in der Toskana war es ja wieder zu einer Orgie gekommen, gegen die das Rudelbumsen in Eyes Wide Shut wie das Un­ter­hal­tung­spro­gramm eines Nonnenchors wirkte.“

Seinem Nachfolger Alfons Hinderli ergeht es nur wenig besser: Gleich an seinem ersten Arbeitstag im neuen Büro hat er Iwan am Apparat. Nach dem Telefonat sorgt sich Hinderli, dass dies auch schon sein letzter Arbeitstag in der Bank gewesen sein könnte. Und er ahnt, was mit Rysch passiert ist. Hinderli aber geht zum Angriff über und lässt sich von einer Detektei über die Identität des Russen aufklären. Und siehe da: Alles scheint sich in Rauch aufzulösen, als er erfährt, dass Iwan just am Abend in Moskau „zufällig“ von einem Lastwagen überfahren worden ist. Jedoch stellt sich das als Falschmel­dung heraus, von Iwan selbst inszeniert ...

Abrechnung

Es waren „mar­o­dierende Banker­ban­den“, die uns die aktuelle Finanzkrise eingebrockt haben. Sie schmiedeten ein in­ter­na­tionales Komplott, mit „Ober­auf­passer“ Alan Greenspan an der Spitze: Hat er doch dafür gesorgt, dass der Leitzins über Jahre niedrig blieb, was gut für die Börse, aber nicht gut für die Wirtschaft ist. Jahrzehn­te­lang wechselten riesige Vermögen den Besitzer. Sie wurden nicht einfach „verbrannt“, sondern umverteilt. Allein die Kom­mis­sio­nen, Spesen, Boni und Honorare, die in den letzten fünf Jahren in den USA im Hy­pothekar­bere­ich angefallen sind, belaufen sich auf rund 1000 Milliarden Dollar. Der weltweite Gesamtschaden dürfte etwa das Fünffache betragen.

„Die Bestohlenen dürfen nun die vor ihrer Nase und unter dem Applaus der meisten so genannten Wirtschaft­s­an­a­lytiker und Fachleute abgeräumten Milliarden ersetzen und nebenher auch noch die Kol­lat­er­alschäden bezahlen.“

Das alles geschah unter den Augen der Öffentlichkeit, der Kunden und Steuerzahler. Brave Sparer wurden in riskante und unverständliche Anlagen hineingetrieben. Wer sein Erspartes verzinsen lassen wollte, sah nur, wie viel er durchs Sparen verlor, denn die Zinsen deckten keineswegs die Teuerungsrate. Wer bezahlt nun die Zeche für diesen größten Bankraub aller Zeiten? Die Steuerzahler und die um ihre Vermögen betrogenen Anleger.

Über den Autor

René Zeyer ist Journalist, Buchautor und Kom­mu­nika­tions­ber­ater für die Fi­nanzbranche. Er war mehrere Jahre lang Aus­land­sko­r­re­spon­dent in Havanna für die Neue Zürcher Zeitung.