Hilfe, der Job frisst mich auf!
Stress ist heutzutage in aller Munde, und je höher die Position, desto stärker sind die Belastungen. Bestimmte Stressoren, wie beispielsweise Angst um den Job, sind allerdings eher auf niedrigeren Positionen zu finden. In Spitzenpositionen, so zeigte eine Befragung unter 40 Managern, sorgen vor allem die folgenden Faktoren für Druck:
- Eingeschränkte Handlungsfähigkeit: Man weiß, was man zu tun hat, aber die Hände sind einem gebunden. Es scheint kein richtiges Vorgehen zu geben; was man auch tut, es ist falsch.
- Keine Zeit: Man hat mehr Arbeit, als zu schaffen ist, und keine Zeit, Dinge gründlich zu durchdenken. Permanente Geschäftsreisen und Sitzungen fressen Arbeitszeit.
- Soziale Konflikte: Es herrscht Konkurrenzdenken bis hin zur Feindseligkeit. Viele Topleute haben Mühe, zu delegieren und – besonders schlimm – Kündigungen auszusprechen.
- Verfehlte Ziele: Man erreicht nicht, was man soll oder will, wird den eigenen oder fremden Erwartungen nicht gerecht.
- Zielkonflikte: Es gilt, Dinge zu tun, hinter denen man nicht steht, oder widersprüchliche Erwartungen zu erfüllen. Ein gutes Beispiel sind berufstätige Mütter mit permanent schlechtem Gewissen.
- Einsamkeit: Ganz oben wird die Luft bekanntlich dünn. Wer bei weitreichenden, schwierigen Entscheidungen kaum Unterstützung bekommt, ist schnell gestresst.
Die andere Seite: Belohnungen
Belastungen hält man nur aus, wenn man etwas dafür bekommt. Das muss nicht Geld sein, andere Faktoren wirken ebenfalls als Belohnung und kompensieren die Belastungen. Bei den befragten Führungskräften sind vor allem folgende Belohnungsfaktoren relevant:
- Erfolg: Etwas schaffen, besser sein als andere – das motiviert.
- Anerkennung: Lob, Akzeptanz, Wertschätzung, weil man seinen Job gut macht. Die Anerkennung von anderen und – nicht weniger wichtig – auch die eigene, sind für die meisten Befragten eine echte Belohnung.
- Geld/Sozialprestige: Ein Leben ohne finanzielle Sorgen entschädigt für Vieles. Daneben gaben vor allem Führungskräfte aus einfachen Verhältnissen oft den höheren sozialen Status als Motivationsfaktor an.
- Wertschöpfung: Das Gefühl, ein wirklich gutes Produkt herzustellen, eine gute Dienstleistung zu erbringen und dadurch Arbeitsplätze nachhaltig zu sichern, spornt die meisten Top-Kader an.
- Atmosphäre: Ein gutes Betriebsklima und der Zusammenhalt im Team sind für viele ein wichtiges Gegengewicht zum täglichen Stress.
- Sinn: Das Gefühl, etwas wirklich Sinnvolles zu tun, ist ein entscheidender Belohnungsfaktor; nicht nur für Chefs.
Stress: ein Ungleichgewicht
Solange Stress- und Belohnungsfaktoren im persönlichen Empfinden im Gleichgewicht sind, gibt es meist keine größeren Probleme. Dominieren allerdings die Stressfaktoren, reagiert der Mensch mit Aggression oder Flucht, längerfristig mit Krankheit. Die Folgen machen sich auf allen Ebenen bemerkbar:
- Emotional: Wut, Ungeduld, auch Angst und manchmal Traurigkeit sind typische Reaktionen bei den Managern.
- Kognitiv: Nicht-abschalten-können oder Konzentrationsprobleme und das Gefühl, geistig ausgelaugt zu sein, sind bei Führungskräften häufig zu finden.
- Körperlich: Schwindel, Kopfschmerzen, Magendrücken, hoher Blutdruck, Rückenschmerzen oder Verspannungen – so wehrt sich der Körper der Manager.
- Verhalten: Man reagiert gereizt und ungeduldig oder aber mit Rückzug. Beides sind typische Verhaltensmuster bei Stress.
Ansätze der Stressbewältigung
Viele Spitzenkräfte schöpfen neue Kraft aus einem intakten sozialen Umfeld. Egal, ob emotional, praktisch oder fachlich: Umgeben Sie sich mit Leuten, denen Sie vertrauen können, und holen Sie sich beruflich und privat so viel Unterstützung wie möglich! Eine andere bewährte Taktik ist die Abgrenzung: Lassen Sie sich nicht vom Stress auffressen, setzen Sie Grenzen. Denken Sie an etwas anderes als an den Job, egal ob beim Golf spielen, Kochen oder Lesen. Und schaffen Sie räumliche Distanz, indem Sie Privatleben und Arbeit örtlich trennen. Distanzieren Sie sich gelegentlich, schaffen Sie Ruhezonen, in denen Sie nicht erreichbar sind. Vor allem aber: Gehen Sie emotional auf Distanz, lassen Sie Negatives nicht zu dicht an sich heran und versuchen Sie Sach- und Personenebene zu trennen.
„Empfindet der Mensch die Stressfaktoren subjektiv schwerwiegender als die Belohnungsfaktoren, so haben wir es mit Stress zu tun.“
Auch wie Sie organisiert sind, spielt eine große Rolle. Je besser Sie Ihren Berufsalltag im Griff haben, desto geringer sind die Belastungen. Schaffen Sie Zeitgefäße, in denen Sie sich auf knifflige Arbeiten konzentrieren, und delegieren Sie an kompetente Mitarbeiter. Beim Umgang mit moderner Kommunikationstechnologie (Handy, E-Mail), gilt es, Mut zur Lücke zu haben, bzw. zur Nichterreichbarkeit. Die wohl wichtigste Anti-Stress-Strategie ist, sich seine Ziele richtig zu setzen: Was unerreichbar ist, frustriert nur. Ihre Ziele müssen zu Ihnen passen und nicht den Erwartungen anderer entsprechen. Trennen Sie sich von Dingen, die Ihnen nicht (mehr) wichtig sind, probieren Sie neue Methoden aus, statt immer weiter Energie in Dinge zu stecken, die nie richtig funktioniert haben.
Welcher Typ sind Sie?
Was als Stressfaktor und was als Belohnung empfunden wird, ist individuell unterschiedlich. Grundsätzlich lassen sich drei Typen unterscheiden – wobei die meisten Leute Mischformen davon sind.
- Der Erkenntnistyp: In dieser Gruppe finden sich viele Entwickler oder Pioniere. Der Erkenntnistyp will in erster Linie immer wieder Neues lernen und unabhängig sein. Wenn seine Handlungsoptionen eingeschränkt sind oder er sich wegen Zeitdruck oder langweiliger Routine nicht so entfalten kann, wie er will, reagiert er mit Stress. Misserfolge machen ihn fertig. Anerkennung von Außen braucht er weniger; er will zuallererst mit sich selbst zufrieden sein. Der Belohnungsfaktor Geld interessiert in kaum, er will immer neue, interessante Aufgaben. Der Erkenntnistyp entspannt sich am besten, wenn er loslässt und sich geistig abgrenzt.
- Der Ordnungs- und Strukturtyp: Er ist der klassische Macher. Seine Hauptziele sind Macht, Einfluss und finanzielle Unabhängigkeit. Er will gewinnen oder zumindest Recht bekommen, und bestimmen, nach welchen Regeln die Dinge laufen. Alles was dazu führt, dass er die Kontrolle verliert, stresst ihn extrem: Unklare Situationen, Einschränkungen seiner Entscheidungsbefugnisse und zu wenig Anerkennung von außen. Die motiviert ihn nämlich ebenso wie sein hohes Einkommen. Er bewältigt Stress vor allem dadurch, dass er seinen Arbeitsalltag klar durchstrukturiert. Außerdem helfen ihm emotionale Distanzierung und Rationalisierung.
- Der soziale Typ: Er ist der menschliche Kitt vieler Unternehmen. Eine Vertrauensperson, die Teil eines Ganzen und der Gesellschaft nützlich sein will. Dementsprechend sind zwischenmenschliche Konflikte, zu wenig Anerkennung und Einsamkeit für diesen Typen Stress pur. Er braucht eine angenehme Arbeitsatmosphäre, will gemocht, geschätzt und anerkannt werden. Geld interessiert ihn weniger als soziale Unterstützung. Wenn er delegieren kann, baut er Stress ab. Auch die Abgrenzung von schwierigen Personen kann ihm helfen; ebenso die strikte Trennung von Arbeit und Privatem.
Ältere sind weniger anfällig
Immer mehr Arbeitnehmer sind über 50 – gleichzeitig wird die Arbeit geistig immer anstrengender. Die Vorstellung, dass mit zunehmendem Alter die Leistung ab- und die Krankheitsanfälligkeit zunehmen, ist falsch. Richtig ist vielmehr, dass sich die Kompetenzen verschieben: Ältere lernen nicht schlechter, sondern anders. Auch der körperliche Alterungsprozess ist höchst individuell. Bei gesunder Lebensweise kann die Leistungsfähigkeit lange erhalten bleiben. Definitiv widerlegt ist, dass ältere Arbeitnehmer generell kränker sind oder mehr Fehlzeiten hätten als jüngere. Ältere sind selbstsicherer, wissen, was sie können und was nicht. Dadurch fällt es ihnen viel leichter, Ziele zu formulieren, die wirklich zu ihnen passen. Sie sind auch besser darin, ihre Zeit effizient zu organisieren. Sie können sich leichter abgrenzen und reiben sich dadurch weniger schnell auf. Emotional reagieren sie gelassener als Jüngere – das hat nichts mit Antriebslosigkeit zu tun, sondern ist ein Zeichen geistiger Reife. Im Umgang mit anderen verfügen sie aufgrund ihrer Erfahrungen über höhere Sozialkompetenz. Ihr soziales Netz ist stabil und belastbar. Damit verfügen ältere Arbeitnehmer über viele wichtige Ressourcen zur Bewältigung von Stress – und damit zur Vermeidung stressbedingter Erkrankungen.
Burnout-Symptome
Nimmt der Stress einfach kein Ende, droht der Burnout. Ein Burnout ist ein Prozess, kein statischer Zustand. Dazu kommt es, wenn Menschen dauerhaft zu viel Stress haben, den sie nicht bewältigen können. Auch wer permanent gegen persönliche Werte, Ziele und Talente arbeiten muss, die Arbeit also als sinnlos erlebt, ist gefährdet. Eine weitere häufige Burnout-Ursache ist ein übertriebener Leistungsanspruch und/oder die Angst vor Kritik und Versagen. Charakteristische Symptome sind die emotionale Erschöpfung, Leistungeinschränkungen und eine distanzierte bis zynische Haltung zu anderen Menschen. Meist entsteht Burnout schleichend. Nach anfänglicher Euphorie mit entsprechendem Arbeitseinsatz kommt langsam die Ernüchterung: kaum noch Privatleben, zu wenig Anerkennung. Die Motivation sinkt, erste Fehler passieren. Der Betroffene reagiert mit noch mehr Einsatz. Er wird wütend oder zynisch, sucht nach Schuldigen für die viele Arbeit und dafür, dass Dinge nicht klappen. Er macht immer mehr Fehler, kapselt sich weiter ab, sein Verhalten wird unangenehm. Gleichzeitig kämpft er mit aller Macht gegen den Leistungsnachlass, arbeitet immer mehr. Er fühlt sich zunehmend stumpf und emotional gleichgültig. Erste psychosomatische Beschwerden wie Schlafstörungen oder Herz-Kreislauf-Probleme stellen sich ein. Am Ende steht der totale physische und psychische Zusammenbruch – bis hin zum Suizid.
„Ein Burnout ist keine Katastrophe, wenn dieser Zustand frühzeitig erkannt und behandelt wird.“
Burnout ist keine Erkrankung im Sinne der WHO. Die Behandlung wird von den Krankenkassen in der Regel nicht bezahlt – zumindest dann nicht, wenn die Diagnose offiziell Burnout lautet. Wichtig bei der Behandlung ist, dass sich die Weltanschauung von Klient und Therapeut decken und ein Vertrauensverhältnis möglich ist. Rechtzeitiges Handeln ist wichtig; in einem frühen Stadium reichen oft wenige Behandlungen, um die Abwärtsspirale zu stoppen. Oft ist die Kombination von medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung erfolgreich. Die Frage nach einer Auszeit hängt nicht zuletzt von der Kommunikations- und Konfliktkultur des Arbeitgebers ab. Wenn die Sinnlosigkeit der Arbeit eine zentrale Ursache des Burnout ist, macht ein Jobwechsel Sinn. Wichtig ist, dass sich Betroffene ein Hilfsnetz aufbauen. Neben der medizinischen und psychischen Betreuung helfen oft Angebote aus der Alternativmedizin wie Akupunktur, Atemarbeit oder Shiatsu. Bewährte Mittel zum Stressabbau sind außerdem Entspannungs- und Meditationstechniken wie Yoga und – ganz wichtig – Sport.