Karriere statt Burnout

Buch Karriere statt Burnout

Die Drei-Typen-Strategie der Stressbewältigung für Führungskräfte

Orell Füssli,


Rezension

Dauerstress macht krank, im schlimmsten Fall droht der Burnout mit einem totalen Zusam­men­bruch. Was Manager als Belastung empfinden und wie sie den Stress bewältigen, hat die Psychologin Ruth Enzler Denzler in einer Befragung von 40 Führungskräften untersucht. Die Ergebnisse dieser Studie liegen in diesem Buch vor. Die Nähe zu den Befragten – der Text ist gespickt mit vielen Zitaten – ist Stärke und Schwäche zugleich: Das Buch liest sich wohltuend un­akademisch, und die iden­ti­fizierten Grundtypen der Stressbewältigung sind sehr konkret umrissen. Allerdings scheinen sie in erster Linie das Ergebnis von Enzler Denzlers eigener, nicht unbedingt repräsentativer Befragung zu sein; darüber hin­aus­ge­hende Erken­nt­nisse der modernen Stress­forschung finden nur wenig Berück­sich­ti­gung. Wis­senschaftliche Allgemeingültigkeit kann das Buch deshalb kaum beanspruchen, aber dafür hilft bestimmt der eine oder andere Tipp in der Praxis, meint BooksInShort und empfiehlt das Buch allen stress­ge­plagten Führungskräften.

Take-aways

  • Stress­fak­toren wie Zeitdruck oder Konflikte sind in hi­er­ar­chisch hohen Positionen stärker.
  • Umgekehrt gibt es Be­loh­nungs­fak­toren, die die Stress­fak­toren kom­pen­sieren, etwa Erfolg, Anerkennung oder Geld.
  • Der Mensch reagiert auf Stress auf ver­schiede­nen Ebenen: emotional, kognitiv, körperlich, verhaltensmäßig.
  • Un­ter­schiedliche Typen haben einen un­ter­schiedlichen Umgang mit Stress.
  • Der Erken­nt­nistyp ist gestresst, wenn er sich nicht nach Wunsch entfalten kann. Tipp: Sich auch mal abgrenzen und loslassen.
  • Der Ordnungs- und Strukturtyp reagiert mit Stress, wenn ihm die Dinge entgleiten. Tipp: Klare Tagesstruk­turen schaffen.
  • Der soziale Typ gerät in Stress, weil er für alle da sein will. Tipp: Öfter delegieren.
  • Ein stabiles soziales Umfeld, Abgrenzung, gute Ar­beit­sor­gan­i­sa­tion und die Definition passender Ziele helfen, Stress zu vermeiden.
  • Bei zu viel unbewältigtem Stress droht der Burnout. Er ist das Ergebnis einer permanenten (Selbst-)Überforderung.
  • In einem frühen Stadium des Burnout reichen oft wenige Sitzungen bei entsprechend geschulten Experten aus, um die Abwärtsspirale zu stoppen.
 

Zusammenfassung

Hilfe, der Job frisst mich auf!

Stress ist heutzutage in aller Munde, und je höher die Position, desto stärker sind die Belastungen. Bestimmte Stressoren, wie beispiel­sweise Angst um den Job, sind allerdings eher auf niedrigeren Positionen zu finden. In Spitzen­po­si­tio­nen, so zeigte eine Befragung unter 40 Managern, sorgen vor allem die folgenden Faktoren für Druck:

  • Eingeschränkte Handlungsfähigkeit: Man weiß, was man zu tun hat, aber die Hände sind einem gebunden. Es scheint kein richtiges Vorgehen zu geben; was man auch tut, es ist falsch.
  • Keine Zeit: Man hat mehr Arbeit, als zu schaffen ist, und keine Zeit, Dinge gründlich zu durchdenken. Permanente Geschäftsreisen und Sitzungen fressen Arbeitszeit.
  • Soziale Konflikte: Es herrscht Konkur­ren­z­denken bis hin zur Feind­seligkeit. Viele Topleute haben Mühe, zu delegieren und – besonders schlimm – Kündigungen auszus­prechen.
  • Verfehlte Ziele: Man erreicht nicht, was man soll oder will, wird den eigenen oder fremden Erwartungen nicht gerecht.
  • Zielkon­flikte: Es gilt, Dinge zu tun, hinter denen man nicht steht, oder widersprüchliche Erwartungen zu erfüllen. Ein gutes Beispiel sind berufstätige Mütter mit permanent schlechtem Gewissen.
  • Einsamkeit: Ganz oben wird die Luft bekanntlich dünn. Wer bei weitre­ichen­den, schwierigen Entschei­dun­gen kaum Unterstützung bekommt, ist schnell gestresst.

Die andere Seite: Belohnungen

Belastungen hält man nur aus, wenn man etwas dafür bekommt. Das muss nicht Geld sein, andere Faktoren wirken ebenfalls als Belohnung und kom­pen­sieren die Belastungen. Bei den befragten Führungskräften sind vor allem folgende Be­loh­nungs­fak­toren relevant:

  • Erfolg: Etwas schaffen, besser sein als andere – das motiviert.
  • Anerkennung: Lob, Akzeptanz, Wertschätzung, weil man seinen Job gut macht. Die Anerkennung von anderen und – nicht weniger wichtig – auch die eigene, sind für die meisten Befragten eine echte Belohnung.
  • Geld/Sozial­pres­tige: Ein Leben ohne finanzielle Sorgen entschädigt für Vieles. Daneben gaben vor allem Führungskräfte aus einfachen Verhältnissen oft den höheren sozialen Status als Mo­ti­va­tions­fak­tor an.
  • Wertschöpfung: Das Gefühl, ein wirklich gutes Produkt herzustellen, eine gute Di­en­stleis­tung zu erbringen und dadurch Arbeitsplätze nachhaltig zu sichern, spornt die meisten Top-Kader an.
  • Atmosphäre: Ein gutes Be­trieb­sklima und der Zusam­men­halt im Team sind für viele ein wichtiges Gegengewicht zum täglichen Stress.
  • Sinn: Das Gefühl, etwas wirklich Sinnvolles zu tun, ist ein entschei­den­der Be­loh­nungs­fak­tor; nicht nur für Chefs.

Stress: ein Un­gle­ichgewicht

Solange Stress- und Be­loh­nungs­fak­toren im persönlichen Empfinden im Gle­ichgewicht sind, gibt es meist keine größeren Probleme. Dominieren allerdings die Stress­fak­toren, reagiert der Mensch mit Aggression oder Flucht, längerfristig mit Krankheit. Die Folgen machen sich auf allen Ebenen bemerkbar:

  • Emotional: Wut, Ungeduld, auch Angst und manchmal Traurigkeit sind typische Reaktionen bei den Managern.
  • Kognitiv: Nicht-ab­schal­ten-können oder Konzen­tra­tionsprob­leme und das Gefühl, geistig ausgelaugt zu sein, sind bei Führungskräften häufig zu finden.
  • Körperlich: Schwindel, Kopf­schmerzen, Magendrücken, hoher Blutdruck, Rück­en­schmerzen oder Verspan­nun­gen – so wehrt sich der Körper der Manager.
  • Verhalten: Man reagiert gereizt und ungeduldig oder aber mit Rückzug. Beides sind typische Ver­hal­tens­muster bei Stress.

Ansätze der Stressbewältigung

Viele Spitzenkräfte schöpfen neue Kraft aus einem intakten sozialen Umfeld. Egal, ob emotional, praktisch oder fachlich: Umgeben Sie sich mit Leuten, denen Sie vertrauen können, und holen Sie sich beruflich und privat so viel Unterstützung wie möglich! Eine andere bewährte Taktik ist die Abgrenzung: Lassen Sie sich nicht vom Stress auffressen, setzen Sie Grenzen. Denken Sie an etwas anderes als an den Job, egal ob beim Golf spielen, Kochen oder Lesen. Und schaffen Sie räumliche Distanz, indem Sie Privatleben und Arbeit örtlich trennen. Dis­tanzieren Sie sich gele­gentlich, schaffen Sie Ruhezonen, in denen Sie nicht erreichbar sind. Vor allem aber: Gehen Sie emotional auf Distanz, lassen Sie Negatives nicht zu dicht an sich heran und versuchen Sie Sach- und Per­son­enebene zu trennen.

„Empfindet der Mensch die Stress­fak­toren subjektiv schw­er­wiegen­der als die Be­loh­nungs­fak­toren, so haben wir es mit Stress zu tun.“

Auch wie Sie organisiert sind, spielt eine große Rolle. Je besser Sie Ihren Beruf­sall­tag im Griff haben, desto geringer sind die Belastungen. Schaffen Sie Zeitgefäße, in denen Sie sich auf knifflige Arbeiten konzen­tri­eren, und delegieren Sie an kompetente Mitarbeiter. Beim Umgang mit moderner Kom­mu­nika­tion­stech­nolo­gie (Handy, E-Mail), gilt es, Mut zur Lücke zu haben, bzw. zur Nichter­re­ich­barkeit. Die wohl wichtigste Anti-Stress-Strate­gie ist, sich seine Ziele richtig zu setzen: Was un­err­e­ich­bar ist, frustriert nur. Ihre Ziele müssen zu Ihnen passen und nicht den Erwartungen anderer entsprechen. Trennen Sie sich von Dingen, die Ihnen nicht (mehr) wichtig sind, probieren Sie neue Methoden aus, statt immer weiter Energie in Dinge zu stecken, die nie richtig funk­tion­iert haben.

Welcher Typ sind Sie?

Was als Stress­fak­tor und was als Belohnung empfunden wird, ist individuell un­ter­schiedlich. Grundsätzlich lassen sich drei Typen un­ter­schei­den – wobei die meisten Leute Mischformen davon sind.

  • Der Erken­nt­nistyp: In dieser Gruppe finden sich viele Entwickler oder Pioniere. Der Erken­nt­nistyp will in erster Linie immer wieder Neues lernen und unabhängig sein. Wenn seine Hand­lung­sop­tio­nen eingeschränkt sind oder er sich wegen Zeitdruck oder lang­weiliger Routine nicht so entfalten kann, wie er will, reagiert er mit Stress. Misserfolge machen ihn fertig. Anerkennung von Außen braucht er weniger; er will zuallererst mit sich selbst zufrieden sein. Der Be­loh­nungs­fak­tor Geld in­ter­essiert in kaum, er will immer neue, in­ter­es­sante Aufgaben. Der Erken­nt­nistyp entspannt sich am besten, wenn er loslässt und sich geistig abgrenzt.
  • Der Ordnungs- und Strukturtyp: Er ist der klassische Macher. Seine Hauptziele sind Macht, Einfluss und finanzielle Unabhängigkeit. Er will gewinnen oder zumindest Recht bekommen, und bestimmen, nach welchen Regeln die Dinge laufen. Alles was dazu führt, dass er die Kontrolle verliert, stresst ihn extrem: Unklare Situationen, Einschränkungen seiner Entschei­dungs­befug­nisse und zu wenig Anerkennung von außen. Die motiviert ihn nämlich ebenso wie sein hohes Einkommen. Er bewältigt Stress vor allem dadurch, dass er seinen Ar­beit­sall­tag klar durch­struk­turi­ert. Außerdem helfen ihm emotionale Dis­tanzierung und Ra­tio­nal­isierung.
  • Der soziale Typ: Er ist der menschliche Kitt vieler Unternehmen. Eine Ver­trauensper­son, die Teil eines Ganzen und der Gesellschaft nützlich sein will. De­mentsprechend sind zwis­chen­men­schliche Konflikte, zu wenig Anerkennung und Einsamkeit für diesen Typen Stress pur. Er braucht eine angenehme Ar­beit­sat­mo­sphäre, will gemocht, geschätzt und anerkannt werden. Geld in­ter­essiert ihn weniger als soziale Unterstützung. Wenn er delegieren kann, baut er Stress ab. Auch die Abgrenzung von schwierigen Personen kann ihm helfen; ebenso die strikte Trennung von Arbeit und Privatem.

Ältere sind weniger anfällig

Immer mehr Ar­beit­nehmer sind über 50 – gle­ichzeitig wird die Arbeit geistig immer anstren­gen­der. Die Vorstellung, dass mit zunehmendem Alter die Leistung ab- und die Krankheit­sanfälligkeit zunehmen, ist falsch. Richtig ist vielmehr, dass sich die Kompetenzen verschieben: Ältere lernen nicht schlechter, sondern anders. Auch der körperliche Al­terung­sprozess ist höchst individuell. Bei gesunder Lebensweise kann die Leistungsfähigkeit lange erhalten bleiben. Definitiv widerlegt ist, dass ältere Ar­beit­nehmer generell kränker sind oder mehr Fehlzeiten hätten als jüngere. Ältere sind selb­st­sicherer, wissen, was sie können und was nicht. Dadurch fällt es ihnen viel leichter, Ziele zu formulieren, die wirklich zu ihnen passen. Sie sind auch besser darin, ihre Zeit effizient zu or­gan­isieren. Sie können sich leichter abgrenzen und reiben sich dadurch weniger schnell auf. Emotional reagieren sie gelassener als Jüngere – das hat nichts mit Antrieb­slosigkeit zu tun, sondern ist ein Zeichen geistiger Reife. Im Umgang mit anderen verfügen sie aufgrund ihrer Erfahrungen über höhere Sozialkom­pe­tenz. Ihr soziales Netz ist stabil und belastbar. Damit verfügen ältere Ar­beit­nehmer über viele wichtige Ressourcen zur Bewältigung von Stress – und damit zur Vermeidung stress­be­d­ingter Erkrankun­gen.

Burnout-Symp­tome

Nimmt der Stress einfach kein Ende, droht der Burnout. Ein Burnout ist ein Prozess, kein statischer Zustand. Dazu kommt es, wenn Menschen dauerhaft zu viel Stress haben, den sie nicht bewältigen können. Auch wer permanent gegen persönliche Werte, Ziele und Talente arbeiten muss, die Arbeit also als sinnlos erlebt, ist gefährdet. Eine weitere häufige Burnout-Ur­sache ist ein übertriebener Leis­tungsanspruch und/oder die Angst vor Kritik und Versagen. Charak­ter­is­tis­che Symptome sind die emotionale Erschöpfung, Leis­tungein­schränkungen und eine dis­tanzierte bis zynische Haltung zu anderen Menschen. Meist entsteht Burnout schleichend. Nach anfänglicher Euphorie mit entsprechen­dem Ar­beit­sein­satz kommt langsam die Ernüchterung: kaum noch Privatleben, zu wenig Anerkennung. Die Motivation sinkt, erste Fehler passieren. Der Betroffene reagiert mit noch mehr Einsatz. Er wird wütend oder zynisch, sucht nach Schuldigen für die viele Arbeit und dafür, dass Dinge nicht klappen. Er macht immer mehr Fehler, kapselt sich weiter ab, sein Verhalten wird unangenehm. Gle­ichzeitig kämpft er mit aller Macht gegen den Leis­tungsnach­lass, arbeitet immer mehr. Er fühlt sich zunehmend stumpf und emotional gleichgültig. Erste psy­cho­so­ma­tis­che Beschwerden wie Schlafstörungen oder Herz-Kreis­lauf-Prob­leme stellen sich ein. Am Ende steht der totale physische und psychische Zusam­men­bruch – bis hin zum Suizid.

„Ein Burnout ist keine Katastrophe, wenn dieser Zustand frühzeitig erkannt und behandelt wird.“

Burnout ist keine Erkrankung im Sinne der WHO. Die Behandlung wird von den Krankenkassen in der Regel nicht bezahlt – zumindest dann nicht, wenn die Diagnose offiziell Burnout lautet. Wichtig bei der Behandlung ist, dass sich die Weltan­schau­ung von Klient und Therapeut decken und ein Ver­trauensverhältnis möglich ist. Rechtzeit­iges Handeln ist wichtig; in einem frühen Stadium reichen oft wenige Be­hand­lun­gen, um die Abwärtsspirale zu stoppen. Oft ist die Kombination von medikamentöser und psy­chother­a­peutis­cher Behandlung erfolgreich. Die Frage nach einer Auszeit hängt nicht zuletzt von der Kom­mu­nika­tions- und Kon­flik­tkul­tur des Ar­beit­ge­bers ab. Wenn die Sinnlosigkeit der Arbeit eine zentrale Ursache des Burnout ist, macht ein Jobwechsel Sinn. Wichtig ist, dass sich Betroffene ein Hilfsnetz aufbauen. Neben der medi­zinis­chen und psychischen Betreuung helfen oft Angebote aus der Al­ter­na­tivmedi­zin wie Akupunktur, Atemarbeit oder Shiatsu. Bewährte Mittel zum Stressabbau sind außerdem Entspan­nungs- und Med­i­ta­tion­stech­niken wie Yoga und – ganz wichtig – Sport.

Über die Autorin

Ruth Enzler Denzler ist promovierte Psy­chopatholo­gin und hat Führungser­fahrung bei einer Schweizer Großbank gesammelt. Heute leitet sie ihr eigenes Be­ratung­sun­ternehmen Psylance in Zollikon bei Zürich.